Die Schande von Dresden

Am Donnerstag, den 24. November hat das DFB-Sportgericht entschieden, Dynamo Dresden für die kommende Pokalrunde vom Spielbetrieb auszuschließen. Dieses Urteil ist in zweierlei Hinsicht ein Skandal. Einerseits bestätigt es die Tendenz, einige Clubs weniger streng zu bestrafen als andere. Andererseits bestätigt es den Eindruck, dass es der DFB hinsichtlich der teilweise vorherrschenden Gewaltproblematik im Fußball vorzieht, lieber medienwirksam anstatt nachhaltig zu agieren.

Eine „Geisterdebatte“

Das gefällte Urteil beruht auf den Vorfällen im Pokalspiel Borussia Dortmund gegen Dynamo Dresden. Den Fans aus Dresden wird, u.a., vorgeworfen, dass die Partie wegen ihres Einsatzes von Pyrotechnik mehrfach „kurz vor dem Abbruch stand“. Abgesehen von der unzulässigen Gleichsetzung von Pyrotechnik und „Hooligan-Terror“ (auf die bigotte Berichterstattung der Medien zu Pyrotechnik in Südeuropa und Deutschland will ich hier nicht erneut eingehen), fand ein Erklärungsansatz so gut wie keinen Eingang in die Berichterstattung: Monatelang hielt der DFB über 150 Ultragruppierungen hin, die sich in der Kampagne Pyrotechnik legalisieren! organisiert hatten. In dieser Zeit schafften es diese sogenannten „Chaoten“ einen ligaübergreifenden Konsens einzuhalten und mehrere Wochen lang keinerlei Pyrotechnik zu zünden. Am Ende wurde ihnen dann, nach zahlreichen Versprechungen und konkreten Gesprächen, eine kategorische Absage erteilt, und Reinhard Rauball erdreistete sich, von einer „Geisterdebatte“ zu sprechen. Dass die durchaus vorhandenen, moderaten Kräfte in den Kurven auf diese Weise nicht gerade gestärkt wurden, dürfte nachvollziehbar sein. Aber die Verlogenheit des DFB in dieser Frage lässt sich natürlich deutlich leichter unter den Teppich kehren als die Bilder brennender Bengalos, mit denen Quote gemacht wird, während man sie im gleichen Atemzug verurteilt.

Gewalt und Tote

Und auch in der Begründung des Urteils selbst finden sich zwei mindestens bemerkenswerte Aussagen:

„Nie war die Gewalt in unseren Fußballstadien größer als in diesem Jahr.“ – Eine Behauptung, die sich nicht nur statistisch widerlegen lässt, sondern angesichts mancher Anekdote aus den 80ern und 90ern gänzlich geschichtsvergessen erscheint. Es ist eine andere Qualität der Gewalt, wenn man am Bierstand verprügelt wird, weil man mit dem falschen Dialekt bestellt. Abgesehen davon, dass es die meisten Verletzten in den Stadien durch den Einsatz von Pfefferspray gibt.

„Tote gab es noch nie in unseren Stadien. Wenn es so weiter geht, ist es nur eine Frage der Zeit, bis es Tote gibt.“ – Der letzte Fan, der in akuter Lebensgefahr schwebte, war 15 Jahre alt und wurde beinahe von einem Polizisten vom Oberrang des Niedersachsenstadions geworfen. Wohlgemerkt: Bei einem unberechtigten Polizeieinsatz, der ohne Ergebnis blieb.

Zweierlei Maß

Zudem steht die Schwere des Urteils in keinem Verhältnis zu anderen Urteilen. In Dortmund wird das Spiel „fast abgebrochen“ und Dresden wird vom DFB-Pokal ausgeschlossen. In St. Pauli wird das Spiel nach dem Bierbecherwurf auf einen Schiedsrichter-Assistenten abgebrochen und der Verein wird mit einem Geisterspiel bestraft. Im Westfalenstadion findet eine der größten Pyroaktionen der letzten Jahre statt und Dortmund muss 8.000 € zahlen. Rostock zündet Pyrotechnik in Frankfurt und die Eintracht wird zu 20.000 € Geldstrafe verurteilt. Anstatt gemeinsam mit den betroffenen Vereinen Lösungen zu erarbeiten, bleiben die Fanprojekte unterfinanziert und es wird mit dem Knüppel auf eine ganze Fanszene und einen ganzen Verein eingeprügelt. Anstatt den Dialog mit den Fans zu suchen, werden diese vom DFB entweder verarscht oder gar nicht erst eingeladen. Die Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit wächst beim DFB von Tag zu Tag. Man kann nur hoffen, dass das ganze Geld, das der DFB in das Marketing seiner gesamtgesellschaftlichen Verantwortung steckt, irgendwann verwendet wird, diese tatsächlich einmal wahrzunehmen.

Gesamtgesellschaftliche Verantwortung

Tatsächlich ist das Urteil eine Kapitulation. Ja, Gewalt ist eine Begleiterscheinung des Fußballs. Gewalt ist allerdings eine Begleiterscheinung der gesamten Fußballgeschichte, ohne dass diese, generell betrachtet, überhand nehmen oder eine neue Dimension erreichen würde. Wenn man dann allerdings hört, dass in Dortmund sogar die Ordnungshüter vor einigen wenigen Dresdnern kapitulierten, sollte man diese Extremfälle nicht durch Ausschlüsse unter den Teppich kehren, sondern eine gemeinsame, zivilgesellschaftliche Lösung erarbeiten. Vielleicht sollte man es am Anfang aber zunächst mit V-Leuten in den Ultragruppen versuchen, die positiven Ermittlungsergebnisse sollten sich alsbald einstellen. Wie das geht, hat zuletzt ja der Verfassungsschutz eindrucksvoll bewiesen…

Bild: wikipedia.org

Über den Autor: schneider3

Mildernde Umstände aufgrund familiärer Vorschädigung durch zwei dominante Brüder. Normalerweise erlebt das Weißbier bei ihm das Mittagsläuten nicht. Kaiserslautern-Fan. Weiß der Teufel, warum.

Mildernde Umstände aufgrund familiärer Vorschädigung durch zwei dominante Brüder. Normalerweise erlebt das Weißbier bei ihm das Mittagsläuten nicht. Kaiserslautern-Fan. Weiß der Teufel, warum.
6 comments
  1. Was mich auch massiv stört, ist das Gleichsetzen von Gewalt und Abbrennen von Bengalos. Wenn irgendwelche Arschlöcher meinen, im und ums Stadion gezielt Leute verprügeln zu müssen, dann müssen sie bestraft werden. Dazu braucht man aber nicht den DFB, sondern dafür ist die Polizei und die Justiz zuständig. Der DFB kann dann meinetwegen gern noch ein Stadionverbot obendrauf geben. Finde ich in Ordnung. Aber das hat dann auch gar nichts mit Bengalos zu tun.

    Zwei Dinge möchte ich auch noch zu bedenken geben:
    1. Meine These ist, dass keiner der arrivierten Vereine so eine drastische Strafe bekommen hätte. Hätten Fans des HSV, des BVB oder auch von Schalke genau dieselbe Randale gestartet. Ich wette, es wäre außer einer Geldstrafe nichts passert. Aber mit kleinen Vereinen kann man es ja machen, da muss man dann ein Exempel statuieren. Als Fan des SSV Reutlingen weiß ich noch ganz genau, wie uns damals die Lizenz wegen Unregelmäßigkeiten in der Bilanz entzogen wurde. Vereine wie Schalke dürfen über Jahre krasse Misswirtschaft betreiben. Da tut keine DFL und kein DFB was.

    2. Der Fall Dresden ist noch ein größerer Skandal, wenn man mal schaut, wie andere Vereine bestraft werden, die selbst ganz konkret mit Körperverletzung in Verbindung zu bringen sind (bei Dresden hat der Verein selbst nichts mit den Vorfällen zu tun): Nämlich der quirlige Fast-Schon-Kultclub „1899“ Hoffenheim. Stichwort Lärmkanone gegen gegnerisch Fans. Da ist überhaupt nichts passiert, es gab überhaupt keine Strafe. Obwohl ja wohl so gut wie jedem klar ist, dass der Verein allermindestens von der Aktion wusste, sie wahrscheinlich gebilligt hat und sie vielleicht sogar initiiert hat. Schön, dass man einen Hausmeister als Einzeltäter vorschieben kann. Und so scheiße die Aktionen einiger Dresdner waren: Aber das waren auch Einzeltäter. Aber hier wird dann plötzlich ein ganzer Verein bestraft – und zwar auf ganz massive Art und Weise. Aber wie so oft wird beim verlogenen DFB mit zweierlei Maß gemessen.

    Macht doch einfach eine Scheiß-Glamour-Liga auf, ausschließlich mit VIP-Plätzen, damit der Pöbel euch bei eurem Fußball-Event nicht mehr stört.

  2. ekelhaft. wirklich ekelhaft. diese bigotterie in jedem gesellschaftlichen system; wie tatsaechlich jedes relevante problem unserer zeit mit leuchtenden heißluftballons bekaempft wird, ist mehr und mehr unertraeglich.. dem dfb kann man ja kaum mehr einen vorwurf machen. was sollen sie tun als den herausragenden beispielen in anderen, deutlich bedeutenderen, system zu folgen. v.a. dann wenn der akute schmalzmangel einem dieses chronische knirschen im schaedel bereitet.. kein chance die freunde. bleibt nur zu hoffen, dass das knallen, das dem unterdruecken folgt, bewaeltigbar bleibt. prost gemeinde.

  3. […] Medienecho… Oh Gott, wir sind verloren Noch ein gut geschriebener Artikel zu dem Thema: Die Schande von Dynamo Dresden – 5 Freunde im Abseits Zitieren + […]

  4. alles nur eine von der Mediengeilheit gesteuerte und von Saubermännern der DFL manipulierte Sache. Mich kotzt das generell an. Habt ihr schon mal die SAT1 Trailer zur CL gesehen? Voll mit bengalos. Na ja, das zieht halt besser als von Stadionlautsprechern mit dumpfer bum bum Musik übertönte Fangesänge und Fans die nicht mehr applaudieren können weil sie die Hände voll von Taschen mit Merchandising Produkten haben … Armes Deutschland.
    Und: kommt im Artikel nicht so rüber, aber Tote gabs in den deutschen Stadien bereits in den 80er und 90er Jahren. Mike Poley z.B. als wohl prominentestes Opfer. Aber: Erschossen von HINTEN durch eine Polizeikugel.

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