Pyro: Die Fackel der Gewalt

Am Wochenende machten Kölner Gewalttäter Jagd auf Fans der Gladbacher Borussia. Das Internet und die Zeitungskioske sind voll von Berichten über diesen Vorfall, der in der Tat eine Zäsur in Sachen Gewalt rund um den Fußball markiert. Ein gezielter, offenbar vorbereiteter Angriff, der selbst mit den wenigen Regeln, denen sich der Hooliganismus unterwirft, konsequent bricht. Entsprechend empört berichten die „etablierten“ Medien darüber, und das vollkommen zurecht. Mit einer gewaltigen Einschränkung. Mangels „echter“ Bilder vom Angriff der Kölner, wird sich vielfach mit Bildmaterial aus dem Archiv beholfen, das genau die Verkürzung tausendfach reproduziert, unter der die Debatte derzeit leidet.

Überall lodern Pyros, wenn man sich die Berichte über den Vorfall vom Wochenende anschaut. In der Rheinischen Post, im Kölner Express, der mit der passend markigen Bildunterschrift ganz offen Angst vor dem nächsten Stadionbesuch schürt: „Dieser maskierte Kölner Fan verbreitet nur eins: Angst“. Weitere Beispiele lassen sich bei der FR, auf dem Internetauftritt der WAZ unter DerWesten.de, auf welt.de, auf Spox oder dem Bundesligaportal von Bayern-Sponsor T-Online finden. Quer durch alle Medien also, egal ob konservativ oder liberaler.

Zum Teil werden durch hanebüchene Bildunterschriften auch noch aus der Luft gegriffene Zusammenhänge konstruiert: „Kölner Fans sorgen schon im Stadion des TSG Hoffenheim für Zündstoff“, schreibt T-Online, während Spox ein Bild brennender Pyros gänzlich zusammenhanglos mit den Worten „Kölner Fans haben auf der Autobahn einen Fan-Bus von Borussia Mönchengladbach angegriffen“ betextet. Der Westen gibt sich etwas verhaltener: „Bereits im Stadion von Hoffenheim machten Anhänger des 1.FC Köln am Wochenende auf sich aufmerksam.“, während die FR immerhin Sachkenntnis beweist und zum brennenden Pyro schreibt: „Erzfeinde: Gladbach-Fans zünden eine Fahne der Kölner an“.

Ganz offensichtlich ist es in der deutschen Medienlandschaft Konsens, dass Pyro eine Form der Gewalt darstellt. Eine Form der Gewalt, die in die gleiche Ecke gehört, wie der brutale Angriff der Kölner „Fans“. Der rechte Maßstab, aber auch die Sorgfalt scheinen dabei abhanden gekommen zu sein, und „beleuchten“, wie groß die Kluft zwischen Fußballfans und -konsumenten geworden ist. Keiner, der einmal den Spieß umdrehen würde, und beleuchtete welche Rolle vor allem die Boulevardmedien dabei spielen, die Stimmung vor einem sogenannten Derby anzuheizen. Und Derbys gibt es ja eigentlich jede Woche, wie wir – wer, wenn nicht wir – wissen. Das soll keine Schuldzuweisung sein, eher ein Denkanstoß an die Berichterstatter für eine differenziertere Herangehensweise, die sie nicht per Bildauswahl als das identifiziert, was sie sind: heimliche Verehrer der Pyroshow der Fans. „Leider geil“, das ist die eigentlich Aussage all der Bilder brennender Fackeln. So geil, dass selbst die Presse sich ihrer Faszination nicht entziehen kann. Ein Teufelskreis, fürwahr.

Foto: Björn Laczay/flickr.com

Über den Autor: esleben

Verrät als Freiburg-Fan Heimat wie auch Elternhaus und trinkt ansonsten ausschließlich Veuve Clicquot. Wer wohnt schon in Düsseldorf? Mehr über Esleben auf Google+

Hertha BSE

Eigentlich sollte dies ein Bericht über den tiefen Fall der „alten Dame“ Hertha BSC Berlin werden. Über Fehlentscheidungen und Richtungslosigkeit; über den Magier Lucien Favre, Horny-Mike Fehlerflüsterer Skibby-Skibbe und König Otto I;

Über den Autor: Buxe

Macht in Unterhosen und Lotto. Kunstverständiger Lebemann, der seinem Verein Schalke 04 in unerschütterlicher Hassliebe verbunden ist. Wurstvegetarier und Minigolfgott in Personalunion.

Ein Anti-Niersbach als DFB-Präsident?

Anfang März soll Wolfgang Niersbach zum Präsidenten des DFB gewählt werden, und damit zum Nachfolger des „unglaublichen Demagogen“ Theo Zwanziger. Seine Wahl erscheint sicher, Gegenkandidaten gibt es nicht, der Wille eines Landesverbandes, sich gegen die Mächtigen im DFB aufzulehnen und einen eigenen Kandidaten zu nominieren, lässt sich nicht erkennen.

Auftritt Andreas Rüttenauer. Der Sportjournalist aus Bayern, unter anderem für die TAZ tätig, arbeitet inzwischen an seiner Kandidatur als DFB-Präsident. Am Wochenende hat er im Netz „Fußball für alle! Das Manifest des deutschen Fußballs 2020“ veröffentlicht, ein Programm, mit dem er als Kandidat bei der Wahl zum DFB-Präsidenten antreten will. Und das inhaltlich nicht nur Ultras ansprechen sollte, sondern auch Salon-Linke wie unsereins. Statt sich mit Rüttenauer und seinem Manifest auseinander zu setzen, vermuten einige Medien hinter der Aktion allerdings lieber einen Medienstunt, mit dem die notorisch klamme Tageszeitung PR in eigener Sache machen möchte.

Andereseits sind die Punkte, die Rüttenauer in seinem Manifest und einem Interview anspricht, zu wichtig, um seine Kandidatur für das Amt des DFB-Präsidenten als reinen PR-Aktion abzutun:

„Wir fordern ein Ende der Gutsherren-Mentalität im deutschen Fußball und ein Höchstmaß an Transparenz und Demokratie in der Verbandsarbeit. Wir wollen Licht in die Funktionärshinterzimmer bringen.

6,5 Millionen Mitglieder zählt der größte Einzelsportverband in Deutschland, wählen dürfen ihren Präsidenten allerdings nur die Delegierten des außerordentlichen Bundestages des DFB. Der rekrutiert sich aus Mitgliedern des Präsidiums, des DFB-Vorstands und des Ligaverbandes rekrutieren. Zu diesen 121 Delegierten kommen noch 140, welche die Landesverbände des DFB repräsentieren. Aber gibt es überhaupt noch etwas zu wählen, wenn zum Beispiel die Rheinische Post am 7. Dezember vermeldet: „DFB-Präsidentenwahl nur noch Formsache“? Ein Programm braucht Niersbach nicht, es genügt, dass er sich dazu bereiterklärt, das Amt zu übernehmen. Den Rest übernimmt das Stimmvieh des DFB-Bundestages.

Darüber ist auch Andreas Rüttenauer stutzig geworden und arbeitet jetzt mit Unterstützung der Taz daran, als Gegenkandidat mit auf den Stimmzettel für den DFB-Präsidenten zu kommen. Unsere Unterstützung ist ihm gewiss, auch wenn er – wovon auszugehen ist – in der Otto-Fleck-Schneise nicht mehr als ein müdes Lächeln auslösen wird. Das Manifest von Rüttenauer gibt es hier als Download und in vollem Wortlaut. Mehr Infos zur Aktion unter bewegung.taz.de

Bild: Franco Folini/flickr.com

Über den Autor: esleben

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Die Schande von Dresden

Am Donnerstag, den 24. November hat das DFB-Sportgericht entschieden, Dynamo Dresden für die kommende Pokalrunde vom Spielbetrieb auszuschließen. Dieses Urteil ist in zweierlei Hinsicht ein Skandal. Einerseits bestätigt es die Tendenz, einige Clubs weniger streng zu bestrafen als andere. Andererseits bestätigt es den Eindruck, dass es der DFB hinsichtlich der teilweise vorherrschenden Gewaltproblematik im Fußball vorzieht, lieber medienwirksam anstatt nachhaltig zu agieren.

Eine „Geisterdebatte“

Das gefällte Urteil beruht auf den Vorfällen im Pokalspiel Borussia Dortmund gegen Dynamo Dresden. Den Fans aus Dresden wird, u.a., vorgeworfen, dass die Partie wegen ihres Einsatzes von Pyrotechnik mehrfach „kurz vor dem Abbruch stand“. Abgesehen von der unzulässigen Gleichsetzung von Pyrotechnik und „Hooligan-Terror“ (auf die bigotte Berichterstattung der Medien zu Pyrotechnik in Südeuropa und Deutschland will ich hier nicht erneut eingehen), fand ein Erklärungsansatz so gut wie keinen Eingang in die Berichterstattung: Monatelang hielt der DFB über 150 Ultragruppierungen hin, die sich in der Kampagne Pyrotechnik legalisieren! organisiert hatten. In dieser Zeit schafften es diese sogenannten „Chaoten“ einen ligaübergreifenden Konsens einzuhalten und mehrere Wochen lang keinerlei Pyrotechnik zu zünden. Am Ende wurde ihnen dann, nach zahlreichen Versprechungen und konkreten Gesprächen, eine kategorische Absage erteilt, und Reinhard Rauball erdreistete sich, von einer „Geisterdebatte“ zu sprechen. Dass die durchaus vorhandenen, moderaten Kräfte in den Kurven auf diese Weise nicht gerade gestärkt wurden, dürfte nachvollziehbar sein. Aber die Verlogenheit des DFB in dieser Frage lässt sich natürlich deutlich leichter unter den Teppich kehren als die Bilder brennender Bengalos, mit denen Quote gemacht wird, während man sie im gleichen Atemzug verurteilt.

Gewalt und Tote

Und auch in der Begründung des Urteils selbst finden sich zwei mindestens bemerkenswerte Aussagen:

„Nie war die Gewalt in unseren Fußballstadien größer als in diesem Jahr.“ – Eine Behauptung, die sich nicht nur statistisch widerlegen lässt, sondern angesichts mancher Anekdote aus den 80ern und 90ern gänzlich geschichtsvergessen erscheint. Es ist eine andere Qualität der Gewalt, wenn man am Bierstand verprügelt wird, weil man mit dem falschen Dialekt bestellt. Abgesehen davon, dass es die meisten Verletzten in den Stadien durch den Einsatz von Pfefferspray gibt.

„Tote gab es noch nie in unseren Stadien. Wenn es so weiter geht, ist es nur eine Frage der Zeit, bis es Tote gibt.“ – Der letzte Fan, der in akuter Lebensgefahr schwebte, war 15 Jahre alt und wurde beinahe von einem Polizisten vom Oberrang des Niedersachsenstadions geworfen. Wohlgemerkt: Bei einem unberechtigten Polizeieinsatz, der ohne Ergebnis blieb.

Zweierlei Maß

Zudem steht die Schwere des Urteils in keinem Verhältnis zu anderen Urteilen. In Dortmund wird das Spiel „fast abgebrochen“ und Dresden wird vom DFB-Pokal ausgeschlossen. In St. Pauli wird das Spiel nach dem Bierbecherwurf auf einen Schiedsrichter-Assistenten abgebrochen und der Verein wird mit einem Geisterspiel bestraft. Im Westfalenstadion findet eine der größten Pyroaktionen der letzten Jahre statt und Dortmund muss 8.000 € zahlen. Rostock zündet Pyrotechnik in Frankfurt und die Eintracht wird zu 20.000 € Geldstrafe verurteilt. Anstatt gemeinsam mit den betroffenen Vereinen Lösungen zu erarbeiten, bleiben die Fanprojekte unterfinanziert und es wird mit dem Knüppel auf eine ganze Fanszene und einen ganzen Verein eingeprügelt. Anstatt den Dialog mit den Fans zu suchen, werden diese vom DFB entweder verarscht oder gar nicht erst eingeladen. Die Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit wächst beim DFB von Tag zu Tag. Man kann nur hoffen, dass das ganze Geld, das der DFB in das Marketing seiner gesamtgesellschaftlichen Verantwortung steckt, irgendwann verwendet wird, diese tatsächlich einmal wahrzunehmen.

Gesamtgesellschaftliche Verantwortung

Tatsächlich ist das Urteil eine Kapitulation. Ja, Gewalt ist eine Begleiterscheinung des Fußballs. Gewalt ist allerdings eine Begleiterscheinung der gesamten Fußballgeschichte, ohne dass diese, generell betrachtet, überhand nehmen oder eine neue Dimension erreichen würde. Wenn man dann allerdings hört, dass in Dortmund sogar die Ordnungshüter vor einigen wenigen Dresdnern kapitulierten, sollte man diese Extremfälle nicht durch Ausschlüsse unter den Teppich kehren, sondern eine gemeinsame, zivilgesellschaftliche Lösung erarbeiten. Vielleicht sollte man es am Anfang aber zunächst mit V-Leuten in den Ultragruppen versuchen, die positiven Ermittlungsergebnisse sollten sich alsbald einstellen. Wie das geht, hat zuletzt ja der Verfassungsschutz eindrucksvoll bewiesen…

Bild: wikipedia.org

Über den Autor: schneider3

Mildernde Umstände aufgrund familiärer Vorschädigung durch zwei dominante Brüder. Normalerweise erlebt das Weißbier bei ihm das Mittagsläuten nicht. Kaiserslautern-Fan. Weiß der Teufel, warum.

Die Menschlichkeit des Theo Zwanziger

Wer bislang völlig taub und blind durchs Leben ging, hat es wahrscheinlich endlich in den vergangenen Tagen und Wochen bemerkt: Dr. Theo Zwanziger ist nicht nur ein unglaublicher Demagoge, sondern auch ein echtes Desaster für den deutschen Fußball. Das desolate Handeln des DFB-Präsidenten im Fall Babak Rafati stellt in diesem Zusammenhang nur noch einen weiteren Tiefpunkt dar.

Ein Schiedsrichter begeht einen Suizidversuch und logischerweise weiß zunächst einmal keiner warum. Und das ist auch gut so. Die Gründe von Babak Rafati gehen nämlich die Öffentlichkeit überhaupt nichts an. Das einzige, was die Leute wissen müssen ist, dass das Spiel abgesagt wird und damit ist das Thema auch erst einmal erledigt.

Dass sich die elende Boulevardjournalisten-Meute dann die Informationen beschafft und wenige Minuten nach Entdeckung der Tat schon die ersten Details bekannt werden, muss man wohl hinnehmen. Um das Geschäftsgebaren von Bild und Co. soll es hier auch überhaupt nicht gehen. Aber dass Theo Zwanziger, seines Zeichens oberster Vorgesetzter von Babak Rafati und daher mit einer besonderen Sorgfaltspflicht für seine Mitarbeiter ausgestattet, sich allen Ernstes nach Köln begibt, um dort eine Pressekonferenz zu geben, die wirklich jeder Beschreibung spottet, zeigt die komplette Perversität seiner Führung des Verbands DFB.

Rücksichtnahme à la Zwanziger

Wenn man keine Ahnung hat, ist es manchmal besser, einfach mal die Fresse zu halten. Doch was macht Theo, Wächter über Fußballs Gnaden? Er sagt, dass sich alle Spekulationen verbieten würden und dass man Rücksicht nehmen müsse, um im gleichen Atemzug die wildesten Spekulationen zu verbreiten: Der Druck auf die Schiedsrichter sei zu groß, das wäre der Grund für den Suizidversuch. Natürlich der mediale Druck. Denn von dem Druck, den der DFB auf die Schiedsrichter über Bewertungen und Ranglisten aufbaut, war in diesem Zusammenhang logischerweise keine Rede. Minutiös schildert Zwanziger die Situation und den zeitlichen Ablauf im Hotel. Details wolle er allen ersparen, aber der Schiedsrichter habe in der Badewanne gelegen und es habe „viel Blut gegeben“. Auch von „Notizen“ im Hotelzimmer ist die Rede und auch über die Familiensituation informiert der DFB-Präsident sehr gerne: „Die Lebensgefährtin von Babak Rafati ist seine engste Angehörige.“

Wie verlogen kann man sein? Sich bestürzt und tieftraurig über den Suizidversuch zeigen, gleichzeitig bereitwillig über die  Details informieren und schon einmal die vermeintlichen Beweggründe offenlegen. Damit tut man natürlich dem Geschädigten einen echten Gefallen. Die Medien sprangen gerne auf den Zug aus. Denn es passte ja auch so schön ins Bild, in die so oft gezeichnete Linie Enke-Miller-Rangnick. Da war doch ein Rafati, der sich aufgrund des mörderischen Drucks der Bundesliga versucht, das Leben zu neben nur ein weiterer willkommener Mosaikstein in einer bescheuerten Argumentationskette. Jetzt ist allen Ernstes davon die Rede, die Schiedsrichter-Noten im Kicker abzuschaffen, obwohl mittlerweile bekannt ist, dass Rafati private Gründe für sein Handeln hatte.

Emotionen schaffen Fakten

Aber die Moralmaschine war schon wieder heißgelaufen. Munter wurden Zusammenhänge gesucht konstruiert und Verbindungen geschaffen, wo keine sind. Sogar von einer eigentlichen Qualitätssendung wie Sport Inside, die den Umgang mit dem Schiedsrichter aus dem Freiburg-Spiel verurteilte. Sinngemäßes Zitat: „Wenige Stunden nach dem Selbstmordversuch von Schiedsrichterkollege Babak Rafati wurde Wingenbach von Spielern und Zuschauern massiv angegangen.“ Man möchte diesen Journalisten an die Stirn klopfen und „Hallo, jemand zuhause?“ (H. Strunk) zurufen. Was hat das eine mit dem anderen zu tun? Für einen Bericht, der ordentlich auf die Tränendrüse drückt und Empörung für diesen unmenschlichen Fußball wecken soll, werden halt auch beim WDR gerne Fakten missachtet. Die Quote nimmt man ja gern mit. Aber die Absurdität ist schon bemerkenswert. Folgendes Szenario: Angenommen, ein Mitarbeiter eines DAX-Unternehmens begeht einen Selbstmordversuch und schreibt in seinem Abschiedsbrief, dass seine Frau ihn verlassen habe und dass er zudem nach dem Tod seiner Eltern auch keinen Grund mehr sähe, weiterzuleben. Wer würde auf die Idee kommen und davon sprechen, dass der Druck auf der Arbeit dazu geführt hätte und dass man jetzt auch wirklich einmal die Geschäftspraktiken dieses Unternehmens zu untersuchen habe?

Zwanzigers Realität

Doch zurück zu Zwanziger, dem es gelingt, jede noch so starke Verlogenheit spielend zu toppen. Der DFB-Präsident spricht immer gerne von Menschlichkeit, Rücksichtnahme und Fairness. Davon, dass der Fußball nicht alles ist, dass man Druck von den handelnden Personen nehmen müsse, dass vieles im Leben doch wichtiger wäre. Gerade nach den Fällen Enke, Rangnick und Rafati wird eben diese Menschlichkeitskeule gerne geschwungen. Alles völlig richtig. Doch in der gelebten Realität von Theo Zwanziger sieht es immer etwas anders aus. Oder bin ich der einzige, der sich noch an den geradezu brutalen Umgang mit seinem Vize-Präsidenten Rainer Koch erinnert, dem – nachdem dieser  sich wohl auf Geheiß Zwanzigers mit Manfred Amerell und Bischof Huber getroffen hatte, um in der Schiedsrichter-Affäre zu schlichten – er in Form einer Pressemitteilung massiv eins überzog. Das Ende vom Lied: Koch musste sich allen Ernstes entschuldigen und  zudem noch zahlreiche Kompetenzen abgeben. Ist das der menschliche Umgang, den Zwanziger meint? Mitarbeiter öffentlich zu demütigen? Ist das ein Vorgehen, das Druck von den handelnden Personen nimmt?

Theo Zwanziger hat sich in seiner Amtszeit schon so viel Ungeheuerliches geleistet, dass jede einzelne Episode eigentlich zwingend einen Rücktritt nach sich ziehen müsste. Angedroht hat er es ja lächerlicherweise schon oft. Wenn es ihm jetzt wirklich endlich ernst ist mit der Menschlichkeit im Fußball, wäre spätestens jetzt der Zeitpunkt für den Rücktritt gekommen.

Bildquelle: © Manuel Heinrich / Wikimedia Commons / CC-BY-SA-2.5

Über den Autor: Guru von der Kreuzeiche

Leidensbereiter sowie leiderprobter SSV-Reutlingen-Fan und Unsympath. Empfindet die Bezeichnung “Unglaublicher Demagoge” als Kompliment. Trinkt was Schnäpse angeht nur klar.

Über Ultras und die Ohnmacht der Fans

Die BILD-Zeitung ist ja bekanntlich schnell bei der Hand, wenn es um griffige Schlagzeilen geht. Nachdem es vor einigen Tagen zu Zusammenstößen zwischen Fans und Sicherheitskräften am Frankfurter Waldstadion kam, schrieb das DrecksBlatt schließlich von der „unheimlichen Macht der Fans“.

Ohne, dass in dem Artikel beschrieben wurde, worin diese Macht denn eigentlich begründet ist und vor allem, wie sie sich äußert, scheint dieses Thema derzeit an allen Ecken und Enden aus dem Boden zu schießen. 11Freunde phantasierte darletzt sogar eine Revolution von der Tribüne herbei. Dabei beschreibt diese Titelstory nicht viel mehr als eine Handvoll Initiativen, die eine Handvoll „unbequemer“ Entscheidungen auf Jahreshauptversammlungen erreichen konnten. Und auch die Ultras stehen nach einigen öffentlichkeitswirksamen Aktionen in der jüngeren Vergangenheit immer mehr im Fokus der Medien. Aber sollte man deswegen von einem Umbruch oder gar von neu gewonnener Macht sprechen?

Man muss an dieser Stelle unterscheiden, wie Fans versuchen Einfluss zu nehmen und worauf. Landauf, landab halten aktive Fußballfans allwöchentlich Transparente und Spruchbänder in die Luft über den Stehrängen, raffen sich sogar mal für eine gemeinsame Demonstration zusammen oder versuchen, wie in Frankfurt geschehen, die Spieler zur Rede zu stellen, die ihre Hoffnungen Woche für Woche auf dem Rasen zerstören.

Besonders die Ultras haben es sich dabei nicht nur auf die Fahnen geschrieben, alles für ihren Verein zu geben, sondern zudem noch für einen Fußball zu kämpfen, wie es ihn wahrscheinlich noch nie gegeben hat: Fangerecht, frei von Kommerz und Event und geprägt von Identifikation und Vereinstreue. Erreicht haben Sie von diesen Zielen schlicht und ergreifend nicht ein einziges. Im Gegenteil, die Spieltage werden weiter zerstückelt, Repressionen nehmen eher zu als ab und die Ultras werden in der Öffentlichkeit, ohne Ansehen der Vielschichtigkeit dieser Jugendkultur, immer noch als Störenfriede und Randalierer wahrgenommen. Die Geschäftsführer der Fußball-AGs und GmbHs akzeptieren die konsumverweigernden Stimmungsmacher ohnehin nur mit einem Zähneknirschen und als notwendiges Übel, welches das Erlebnis Stadionbesuch für das zahlungskräftige Event-Publikum abrundet. Kommt es zur Aussprache zwischen Fans und Mannschaft in schlechten Stunden, gibt es von den Spielern die immergleichen Phrasen vom Arsch aufreißen zu hören, wohlwissend, dass ihr aktueller Verein nur ein Arbeitgeber ist und nicht die Liebe ihres Lebens.

Die Ultras in Deutschland waren derart lange mit sich selbst beschäftigt, dass sie gar nicht gemerkt haben, welch unüberwindbare Gräben zwischen Ihnen und den anderen Fußballfans und dem Geschäft Profifußball entstanden sind. Es ist kein Vorwurf, sondern eine Feststellung, dass sich aktive Fußballfans und der Profifußball in vollkommen unterschiedlichen Sphären ohne jegliche Berührungspunkte bewegen. Wenn in München die Schickeria gegen die Verpflichtung von Manuel Neuer protestiert, prallen zwei grundsätzlich verschiedene Welten und Wertevorstellungen aufeinander. Der FC Bayern will mit dem Fußballunternehmer Manuel Neuer den besten Torwart Deutschlands verpflichten, während die Südkurve den provozierenden Hardcore-Fan eines Erzfeindes zwischen den Pfosten stehen sieht. Und in Frankfurt endet eine Kontaktaufnahme zwischen Fans und Mannschaft in einer beinahe-Katastrophe. Während die Fans von lebensbestimmenden Sorgen um ihren Verein geplagt werden, möchte ein Patrick Ochs „den nächsten Schritt“ machen, wechselt nach Wolfsburg und kümmert sich in wenigen Wochen wohl kaum noch um den möglichen Abstieg der Eintracht.

Auf der anderen Seite können auch nur wenige andere Stadionbesucher und Fernsehzuschauer diese allesverzehrende Ernsthaftigkeit im Umgang mit dem Fußballsport nachvollziehen. Für die meisten ist es wichtiger, ein gutes Fußballspiel zu sehen und vor und nach dem Spiel ein komplettes Event zu erleben, als dass sie irgendwelche moralischen Maßstäbe an das Theater zu Ihren Füßen anlegen würden. Diese Fans wollen die besten und nicht die integersten Spieler auf dem Rasen ihr Ballett aufführen sehen und auch ansonsten kümmert sich nur ein geringer Teil der Zuschauer um das, was mit dem Schlagwort Fußballpolitik wohl am besten beschrieben ist. Wenn nach der Heimniederlage der Eintracht gegen den 1. FC Köln der Platz gestürmt wird, ist das in der Gedankenwelt der einen ein nachvollziehbarer und angemessener Ausbruch von Emotionen, während andere dieses Verhalten in aller Konsequenz verurteilen. Allein deswegen wird es auch in Zukunft unmöglich sein, dass radikale Ideen in den Kurven der Profivereine weite Verbreitung finden. Den meisten Fans sind Detailthemen wie die Längenbegrenzung von Fahnenstöcken schlicht und ergreifend egal oder gar fremd.

Und auch dem großen, schwammigen Thema „moderner Fußball“ stehen die meisten Fußballfans neutral gegenüber. Otto Normalzuseher profitiert sogar von der medialen Überpräsenz des Sports und erfreut sich am Rahmenprogramm in den Event-Arenen dieses Landes. Im Leben der Mehrheit der Stadionbesucher spielen die Probleme und die Kritik der lautstarken Minderheit einfach keinerlei Rolle. Was für die einen der wirklich ernstzunehmende Teil ihres Lebens ist, ist für die anderen Ablenkung von eben diesem Ernst. Die Masse gibt sich damit zufrieden, wie sich der Fußball derzeit präsentiert und hegt auch daher keinerlei Ambitionen, die aktuelle Entwicklung vom Sport zum Event aufzuhalten oder überhaupt proaktiv gestalten zu wollen.

Auch deswegen wird der andere Weg, den Fans einschlagen können nie zum breiten Boulevard der Massen werden: 11Freunde dient die Jahreshauptversammlung des 1. FC Köln im letzten Jahr als Beispiel dafür, dass Fans auf dem langen Marsch durch die Institutionen versuchen, Einfluss auf ihren Verein nehmen zu wollen. Damals war dem amtierenden Vorstand um Wolfgang Overath die Entlastung verweigert worden. Mehr als geringe Zugeständnisse von Vereinsseite sind auf diesem Weg allerdings auch nicht zu erwarten. Gründe dafür gibt es genug: Einerseits existieren im Profibereich kaum noch eingetragene Vereine, in der 1. Bundesliga sind es aktuell noch genau acht, die Macht der Jahresversammlungen ist somit stark begrenzt. Andererseits sind diese Versammlungen ohnehin in den seltensten Fällen Austrageorte für kontroverse Diskussionen, sondern meist Arenen der Selbstbeweihräucherung und des Stimmviehs. Entscheidungen über auch langfristig bedeutsame Dinge wie die 50+1-Regel, Vermarkungsverträge der DFL etc. finden sowieso außerhalb jeglichen Einflussbereichs von Kurvengängern und Sofaguckern statt.

So traurig dies ist, komme ich zu dem Schluss, dass die aktuelle Entwicklung des Fußballs zwar vielleicht auf in Zukunft noch heftigere Konfrontationen zwischen einzelnen Fangruppen, Vertretern des Profigeschäfts und der Ordnungsmacht hinausläuft. Tatsächlich ändern wird sich der schon früh eingeschlagene, am Profit orientierte Weg, den der Profifußball bis heute genommen hat allerdings so gut wie nichts. Zu gering sind die tatsächlichen Einflussmöglichkeiten, die Fans auf ihren Sport noch nehmen können. Und zu groß sind die Unterschiede zwischen den beteiligten Parteien, zu gering das Verständnis füreinander. Außerdem funktioniert der eingeschlagene Weg ja auch, kann die DFL doch Jahr für Jahr Rekordzahlen vermelden. Einzelne, die sich enttäuscht abwenden oder in ihren Emotionen über die Stränge schlagen sind da wohl als Kollateralschäden einzuordnen.

Der Fußball wird nie wieder so werden wie er noch nie gewesen ist.

Über den Autor: schneider3

Mildernde Umstände aufgrund familiärer Vorschädigung durch zwei dominante Brüder. Normalerweise erlebt das Weißbier bei ihm das Mittagsläuten nicht. Kaiserslautern-Fan. Weiß der Teufel, warum.

Auf der Suche nach dem rechten Maß

Zollstock (Foto: www.pixelio.de)Zwei Tage Durchschnaufen! Die EM pausiert und erstmals seit Jahren bin ich während eines großen Turniers froh darüber, vor der Wahl zu stehen, was ich mit dem Abend anfangen soll. 16 fußballerisch äußerst intensive Tagen liegen hinter allen Beteiligten, die nachwievor auf der Suche nach dem rechten Maß sind. Spieler, Fans, Medien und Offizielle. Einige Beispiele, Aufzählung unvollständig.

Über den Autor: esleben

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