Christian Ulmen-Interview: Große Zustimmung und vehemente Ablehnung

Moderator, Schauspieler, Komiker, Fußballfan: All das ist Christian Ulmen. Im Interview mit 11Freunde geht es dabei weniger um die Punkte 1-3, sondern eher um letztgenanntes. Ulmen ist bekennder Fan von Hertha BSC Berlin. Er erzählt über beklemmende Stadionbesuche, Fußballkommentatoren und seine fußballerische Sozialisation. Das Interview ist eine Achterbahnfahrt der Gefühle für den Leser: Man stimmt ihm entweder heftig zu oder schüttelt entrüstet mit dem Kopf über das, was man dort liest.

Bei meiner Zeit bei MTV im Jahr 1999 habe ich Christian Ulmen als den netten Kumpeltypen kennengelernt, als der er sich auch im TV gibt. Er ist einer, mit dem man potentiell befreundet sein könnte, wenn er nicht gerade ein Fernsehstar wäre. Dies kommt auch im 11Freunde-Interview rüber. Gleichzeitig outet er sich als Kenner der Berliner Szene, übertreibt es damit aber hier und da. Er ist eben doch nur Zugereister.

Da geht es zunächst mal um das Image von Hertha BSC. Zu Recht bemängelt Ulmen, dass die Klubführung zu großspurig denke, dass das Stadion viel zu groß sei und dass man den „normalen“ Fan in der Berliner Eckkneipe mobilisieren solle, nicht die Herthinho-huldigen Mode- und Schickimickifans. Dabei meint der Schauspieler, dass der Verein sich aber keineswegs an St. Pauli und dessen vermeintlicher Unangepasstheit orientieren solle. Denn „St. Pauli ist der Hort für Nicht-Fußballfans, die den Klub automatisch nennen, wenn sie nach ihrem Lieblings-Fußballverein gefragt werden, weil ihnen das Image gefällt“. St. Pauli sei ja längst „Mainstream, hat es aber durch geschicktes Marketing trotzdem geschafft, der politisch-korrekte Fußballclub zu bleiben.“ Sätze, die punktgenau treffen. Kollege Goldschuhe aus wird frohlocken. Oder entrüstet sein, weil Ulmen ihm die Worte klaut, die er schon vor einem halben Jahr aussprach.

Aber plötzlich eine unpassende Huldigung für Dieter Hoeneß. Er habe die jetzige Hertha erst möglich gemacht, sei aber nicht auf ewig unantastbar. Turban-Dieter dürfe sich ruhig davon lösen, alles entscheiden zu wollen, „wir ehren ihn dann trotzdem weiterhin für seine Verdienste“. Spätestens da tickt der neutrale Fußballbeobachter im Dreieck. Hoeneß ist eher der Grund, warum die Hertha immer knapp am Abgrund agiert und niemals zum großen Club aufsteigen wird. Das jedenfalls ist meine Meinung.  Und wenn Ulmen zufällig am Freitagabend im Westfalenstadion ist, soll er sich bei mir melden und ich erkläre ihm das gerne face-to-face.

Dass Christian Ulmen es bedauert, dass Spieler wie Kevin Prince Boateng nach und nach aussortiert wurden, um dann wieder zum sauberen aber weichgespülten Arne Friedrich-Image zurückzukehren, erklärt er plausibel. Er dachte, die Jungs mit Weddinger Charme seien genau die Typen, die Hertha Profil geben würden. Er nennt es „das dreckige Dutzend, die Prolls“. Dafür würden die Leute ins Stadion zu gehen, „um sich die Weddinger Hiphopper anzugucken, die Fußball spielen können“. Gleichzeitig bemängelt er Interview- sowie Phrasendrescherei-Training und lobt Werder Bremen und Klaus Allofs dafür, dass sie ihre Spieler so lassen, wie sie sind. Oder zumindest wirke es so. Da muss man einfach zustimmen.

Doch dann die Passage, in der man an der Kompentenz von Christian Ulmen zweifelt. Erst seit sechs Jahren interessiere er sich für Fußball, sagt der 32-Jährige. Er sei Opfer der gutbürgerlichen Verhältnisse gewesen, von seinen Eltern zum Tennisspielen gezwungen worden. Doch das darf als Grund nicht gelten. Auch ich habe Tennis gespielt, aus Mangel an Fußballtalent. Trotzdem war für mich seit frühester Kindheit Panini und Sportschau Pflichtprogramm. Ulmen meint weiter, seine Familie gehöre zur Kategorie „U-Boot-Fußballfans“. Zur WM und EM wären sie immer aufgetaucht. Aber danach habe er sich für „diese allwöchentliche Bundesliga“ einfach nicht erwärmen können. Kann man so jemanden ernst nehmen? Da fehlt doch ziemlich viel Elementares. Doch Ulmen beweist durch einige Sätze, dass er sich dieses schon längst angeeignet hat.

Er bemängelt zum Beispiel bei Fußballprofis das reflexartige Nennen von Bayern München als Meisterschaftsfavorit. Selbst die Spieler von Bielefeld und Duisburg seien es den Fans und auch sich selbst schuldig, ihren eigenen Verein zu nennen. „Das darf jeder und das muss auch so sein.“ Und Wetten gegen den eigenen Club bzw. auf einen verhassten Verein lehnt Ulmen strikt ab. Richtig so.

Am Ende kommt der Leser wieder ins Grübeln. Der Schauspieler meint, Reinhold Beckmann müsse aufgrund dessen, dass er 2008 immer noch „Pille“ sage, vom Mikrofon entfernt werden. Und auch Marcel Reif erzähle viel zu viele Anekdötchen. Beides korrekt. Aber dass Johannes B. Kerner „hingegen sehr gut ist, weil der auch mal seine Klappe halten kann und das Spiel ansonsten laufen lässt“, regt zum Nachdenken an. Stimmt es tatsächlich, dass Kerner kein so schlechter Kommentator ist? Wir werden es nie mehr erfahren. Denn der Hobbykoch gibt ja fatalerweise lieber den Sportmoderator, damit sein Gesicht zu sehen ist.

Über den Autor: Vollspann!

Optimistischer Pessimist und Schöngeist aus dem Ruhrgebiet (Herne). Als hochtalentierter Passivsportler und Dauergast beim BVB kennt er Höhen und Tiefen des Fußballsports.

Optimistischer Pessimist und Schöngeist aus dem Ruhrgebiet (Herne). Als hochtalentierter Passivsportler und Dauergast beim BVB kennt er Höhen und Tiefen des Fußballsports.
38 comments
  1. Gibt es das Interview auch online? Würde mich ja doch auch interessieren…

  2. Leider wohl (noch) nicht online.

  3. Der Mann ist mir so sympathisch wie kaum ein anderer „Promi“. Selbst, dass er sich erst seit kurzer Zeit für Fußball interessiert, finde ich nicht schlimm, da er es wenigstens zugibt. Nicht jeder ist so stark wie wir, sich gleich in der Kindheit gegen die Bürgerlichkeit zu wehren…;-)

  4. @Vollspann: Du hast den Artikel doch nur geschrieben, um fallen zu lassen, dass du bei MTV warst und den Ulmen kennst, oder? ;-)

  5. Ich kenne den Typen komplett gar nicht. Noch nie von ihm gehört.

    B- oder C-Promi?

  6. Für alle, die Ulmen noch ned kennen.
    Schaut euch den Film „Herr Lehmann“ an nach dem Roman von Sven Regener. Beides sehr zu empfehlen.

  7. Oder „Mein neuer Freund“. Großer Fremdschämfaktor insgesamt.
    Man kann alle Folgen auf youtube anschauen. Hier der erste Teil einer Folge:

  8. Ich habe das Interview als erstes gelesen und war eigentlich ganz zufrieden und kann deine Kritik zu Ulmens Aussagen nicht nachollziehen. Sicher steht Dieter immer wieder auch wichtigen Entwicklungen im Wege. Aber man kann ihn – wenn er dann mal abtritt – auch für seine Verdienste ehren. Er mag vieles falsch gemacht haben, aber die Verdienste muss man auch anerkennen. Ich bin da voll auf der Linie von Ulmen, auch wenn Dieter in der Hertha-Soap bei mir meistens schlecht wegkommt! ;-)

  9. @5: Was meinst Du, wen ich noch alles kenne! ;-)

    @ Kollege Easyfunk: Vielleicht sieht man das als Herthaner alles etwas mehr durch die Berliner Brille. ;-)

    Welche Verdienste hat er denn nun vorzuweisen?

  10. Verdienste: Dieter hat den einzigen PC der Hertha Geschäftsstelle zur Verfügung gestellt, damit das Training der Mannschaft live ins Internet gestreamt werden kann. Nicht wahr, Easyfunk ;-)

  11. Nicht nur das! ;-)

    Er hat sich viel für die Hertha engagiert und die alte Dame auf gutes Bundesliagniveau gehoben. Dass die Hertha nicht mehr in der zweiten Liga rumdümpelt, sondern bald wieder im oberen Drittel zu finden sein wird, ist ein großer Verdienst von Dieter Hoeneß. Man hätte vieles besser machen können, aber deswegen war noch lange nicht alles schlecht!

  12. @12: Ich glaube aber, dass andere Manager diesen von dir geschilderten Prozess besser durchgeführt hätten. Berlin ist jetzt ja auch kein Kleinstadt-Club. Da ist ja großes Potential da und das zu nutzen wurde von Hoeneß über die Jahre völlig verpasst.

  13. Sensationelles Interview vom Ahlenfelder in 11Freunde, daher packe ich das hier mal hin:

    http://www.11freunde.de/bundesligen/109066

    Den hätte ich gerne mal als Co-Kommentator!

  14. @14 wirklich sensationell! Der Typ ist ne Granate!

    Die besten Zitate:
    „Eins steht aber fest: Dieser sagenhafte Trainer Doll, der heißt ja nicht nur so, der ist auch doll in der Birne. Wenn der über jede Schiedsrichterentscheidung motzt und mault, dann muss er damit rechnen, dass die Schiedsrichter contra sind.“
    „Aber es stimmt schon, die Schiedsrichterleistungen in der Bundesliga hängen zur Zeit ganz schön im Graben.“
    „Denn besonders die Linienrichter zeigen ja schlechte Leistungen. Vielleicht liegt es daran, dass die Linienrichter Hauptschiedsrichter werden wollen, denn da sind ja welche dabei, die sind nur noch Assistenten, die pfeifen kein einziges Spiel mehr selber.“
    Der folgende Teil des Interviews ist ein absoluter Hochgenuss:
    -Meinen Sie bestimmte Kollegen?
    „Ich habe da ein paar Namen im Kopf, da fällt mir nichts mehr ein, zum Beispiel Michael Weiner. Wenn der angekündigt wird, sage ich zu meiner Frau schon: »Der Skandal ist perfekt.« Und nach dreißig Minuten ist es schon passiert. Wenn die das Zeug dazu nicht haben, dann sollte man die rausnehmen. Entweder man kann es, oder man kann es nicht. Und über mich hat man gesagt: der Ahlenfelder kann es! Vielleicht war ich begnadet, der liebe Gott hat mir dieses Talent gegeben.“
    -Was fehlt den heutigen Schiedsrichtern?
    Ein eigenes Ego, Ausstrahlung. Und nicht diese Arroganz, die viele an den Tag legen. Entschuldigen Sie bitte, aber für jeden Scheißdreck gibt es heute eine gelbe Karte, was soll der Quatsch denn? Und wenn einer das Wadenbein eingetreten bekommt, gibt es nicht mal Gelb. Irgendwas stimmt doch da nicht. Das muss doch an der Schulung der Schiedsrichter liegen, denn so schwierig ist es doch nicht.

  15. Am coolsten ist einfach der (für ihn) selbstverständliche Eigenlob…

  16. Und denn kommt ja noch die zweite Seite des Interviews, die könnte man komplett abdrucken, wirklich unglaublich geil.

  17. Aber widerspricht sich im Interview etwa zehn Mal. Erst ist der Merk schlecht, dann liegt es an den Linienrichtern. Erst ist der Fehler gravierend, dann soll man mal wieder die Kirche im Dorf lassen. Erst soll das Spiel wiederholt werden, dann war Bremen besser und es ist gut so.

    Er hat mit manchem Recht aber der geht mir in jedem Interview kolossal auf die Eier.

  18. …Und über mich hat man gesagt: der Ahlenfelder kann es! Vielleicht war ich begnadet, der liebe Gott hat mir dieses Talent gegeben…..
    Superklasse! Mehr davon!

  19. …aber was macht Doll? Er hackt auf dem Schiedsrichter rum. Wenn ich Präsident wäre, hätte ich ihn schon längst in die Wüste geschickt, denn das kann nicht gut gehen….

  20. Natürlich widerspricht der Typ sich, ich finds einfach witzig, was er so von sich lässt. Ich kannte den auch vorher ned.

  21. …Vielleicht will die Frau zu Hause ja auch noch ein Nerzjäckchen und drängt deswegen, noch mehr Spiele zu pfeifen. Ich hatte Spaß am Pfeifen….

  22. @18: Da hast Du sicherlich recht, aber darum gehts beim Ahlfelder doch gar nicht…;-)

  23. Ahlenfelder kommt halt überhaupt nicht damit klar, dass er Vergangenheit ist und sich niemand mehr für ihn interessiert. Er wirkt ein wenig wie der Lothar Matthäus der Schiedsrichter. Aber trotzdem hat er auf ewig Kultstatus, allein schon wegen seiner Korn/Pils-Aktion. Bestell mal in Bremen einen „Ahlenfelder“, die wissen sofort bescheid.

    Zu Doll: Welche Reaktion soll man denn als Trainer zeigen, wenn zuerst ein Tor der eigenen Mannschaft wegen vermeintlichem Foulspiel nicht gegeben wird, dafür aber eine Viertelstunde später ein klares Abseitstor des Gegners?
    Und dass ein Trainer wegen Schirischelte vom Präsidenten (der darüber meistens auch gar nicht entscheiden darf) gefeuert wird, wäre ja ein absolutes Novum in der Bundesliga.

  24. @25 Es gleicht sich alles aus. ;-)
    Vor ein paar Wochen haben die Bochumer gegen die Bremer ein klares Abseitstor gemacht. Jetzt eben die Bremer gegen die Dortmunder.

  25. @25: Aber der Doll regt sich bei jeder Entscheidung über den Schiri auf. Das würde mir als Schiri auch am Arsch vorbeigehen. Der König in dieser Disziplin ist und bleibt aber unser Friedhelm. Das ist es auch, was ich an ihm am meisten hasse.

    @26: Sauber, Herr Latteck.

  26. @25: Heißt das also, der BVB muss für den VfL den Kopf hinhalten? ;-)

  27. @28: Sowas fällt doch unter Nachbarschaftshilfe oder?
    Und dem „Ruhrpottmeister“ hilft man doch gerne oder liege ich da falsch. ;-)

    @27 Lattek… Ziemlich blöder Vergleich. Ich trinke doch viel mehr. ;-)

  28. Solange sie sich dieses Jahr die Ruhrpottmeisterschaft sichern, gerne. ;-) Der BVB kann das ja nicht mehr, bei mageren vier Punkten und noch einem ausstehenden Spiel.

  29. @24: Ben Redelings hat sich schon in einem Spiegel Online-Artikel richtig über Ahlenfelder lustig gemacht. Finde ich eher bedenklich, hinterher draufhauen ist immer einfach.

  30. @31: Ahlenfelder macht doch auch nichts anderes als hinterher auf andere draufzuhauen.
    Und solange er von sich so überzeugt ist, werden ihm ein paar Journalisten-Verarschungen wohl kaum weh tun.

  31. Das ist doch was völlig anderes. Da wurde ein Interview gemacht und offensichtlich auch Filmaufnahmen. Und dann wird da so ein Schmähzeugs draus gebastelt. Im Artikel macht er sich darüber lustig, dass Ahlenfelder im Schiritrikot da saß. Wahrscheinlich hat er im Vorfeld gesagt: Wäre schön, wenn sie ihr Originaltrikot während des Interviews anziehen würden.
    Und dass er ihn in diesem TV-Beitrag noch subtil in die rechte Ecke stellt, indem er diesen Allah-Spurch zitiert, setzt dem ganzen die Krone auf.
    Ich war jedenfalls enttäuscht und ein Scudetto-Besuch ist für mich damit erstmal abgehakt. Da lob ich mir Arnd Zeigler, der jeden mit Respekt behandelt.

  32. @33 Schon gut, ich kannte ja den Beitrag gar nicht. ;-)

  33. Wenigstens hat der Mann erkannt, dass Weiner der mit Abstand schlechteste Schiedsrichter der Welt ist. Obwohl ich mir damit seit Gagelmanns Leistung in Freiburg nicht mehr ganz sicher bin…

  34. In den letzten Wochen bin ich auch zu der Meinung gelangt, dass anscheinend Peter Gagelmann der schlechteste deutsche Schiri ist.

  35. Nee, nee. Der Gagelmann hat manchmal lichte Momente und macht nicht immer schlechte Spiele.

  36. Ich glaube eher, Gagelmann ist durch das ganze Draufhauen auf Fandel und Co. ganz unbemerkt durchgerutscht.

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