kicker 2.0 [Video]

Lan-Party

Der kicker überrascht mich doch immer wieder. Jaja, richtig gelesen, der kicker. Normalerweise ist das Zentralorgan des gutbürgerlichen Fußballfans ja eher bekannt für Altherren-Phrasengedresche und Bildunterschriften wie zum Beispiel: „Humor ist, wenn man trotzdem lacht: Dani Alves setzte am Sonntag ein kurioses Zeichen gegen Rassismus.“ Es scheint beim kicker allerdings mindestens zwei Redaktionsmitglieder unter 60 Jahren zu geben. Wer sonst sollte auf der Homepage die Rubrik „E-Sport“ betreuen?

Über den Autor: schneider3

Mildernde Umstände aufgrund familiärer Vorschädigung durch zwei dominante Brüder. Normalerweise erlebt das Weißbier bei ihm das Mittagsläuten nicht. Kaiserslautern-Fan. Weiß der Teufel, warum.

Reaktionäre Dialektik

Das Investigativblatt Kicker setzt einen neuen Themenschwerpunkt. „Fan-Problematik“ (siehe Bild) macht, wie es sich derzeit für Artikel dieser Art gehört, mit einem stimmungsvollen Bild des Lauterer Fanblocks in Stuttgart unter Pyrobeleuchtung auf. Eyecatcher für einen Artikel über die gestern ausgesprochene Geldstrafe gegen Kaiserslautern in Höhe von 12.000 Euro, der mit einem echten Kicker in der Headline aufwarten kann: „Feuer-Teufel: DFB bestraft auch den FCK“.

Darunter findet man einige weitere Artikel aus den letzten Tagen, in denen sich der Kicker den Urteilen des DFB widmet. Die nach Meinung des Kickers nicht nur jedes einen eigenen Artikel, sondern einen Themenschwerpunkt verdient haben. Dass darin munter heimtückische Angriffe wie der von Hooligans auf den Leverkusener Spieler Kadlec, die Frankfurter Aufstiegsfeierlichkeiten, die in einer Teilrenovierung des Aachener Tivoli endeten, und den Urteilen wegen des Einsatzes von Pyrotechnik durcheinander geworfen werden, muss man derzeit wohl als Kollateralschaden hinnehmen.

Doch das Highlight der neu geschaffenen Rubrik verbirgt sich hinter der harmlosen Überschrift „Kommentar: Das doppelte Zeichen der St.Pauli-Ultras“. Wer dahinter allerdings einen elaborierten Beitrag zu den Ereignissen rund um das Spiel am vergangenen Wochenende zwischen St. Pauli und Hansa Rostock erwartet hätte, wird enttäuscht. Kommentator Sebastian Wolff, der auf dem neben seinem Beitrag abgebildeten Foto wirkt, als würde ihm seine Arbeit richtig Spaß machen, hat sich mit viel Wohlwollen ganze sieben Sätze dazu abgerungen. Sieben Sätze, in denen er offenbart, dass er leider gar nicht verstanden hat, worum es den Ultras mit ihrem Protest ging. Sieben Sätze, die wir uns erlauben in voller Länge zu zitieren.

„Tausend St. Pauli-Ultras wollten ein Zeichen setzen mit ihrem Fernbleiben vom Spiel gegen Hansa Rostock (3:0). Das ist ihnen gleich in doppelter Hinsicht gelungen.

Dass der gemeinsame Protest ausgerechnet der rivalisierenden Fangruppen von St. Pauli und Hansa gegen den Ausschluss von Rostocker Anhängern zunächst friedlich verlief, ist bemerkenswert. Einerseits.

Andererseits dokumentierten die St. Pauli-Ultras mit ihrem Fernbleiben im Aufstiegsrennen auch, was für sie im Vordergrund steht: an erster Stelle die eigene Darstellung und nicht der Sport und die Liebe zum Verein. Vermisst wurden sie nicht.

Im Gegenteil: Das demonstrative Lob von Sportchef Schulte, dass diesmal spielbezogene Unterstützung geherrscht habe, ist ein deutliches Statement.“
(aus „Das doppelte Zeichen der St.Pauli-Ultras„)

Möglich, dass sich Sebastian Wolff Hoffnungen macht, beim Kicker der Franz-Josef Wagner des Sports zu werden, doch dazu braucht es schon ein wenig mehr sprachliches Feingefühl und – wenn einem schon die Expertise fehlt – wenigstens ein bisschen mehr Empathie und Emotionen. So bleibt ein hochnotpeinlicher Beitrag, der hinter seiner geheuchelten Dialektik nichts als reaktionäre Gedanken verbirgt.

Foto: Arran Edmonstone/flickr.com

Über den Autor: esleben

Verrät als Freiburg-Fan Heimat wie auch Elternhaus und trinkt ansonsten ausschließlich Veuve Clicquot. Wer wohnt schon in Düsseldorf? Mehr über Esleben auf Google+

Nachbarschaftsduelle

Englische Woche in der Liga, englische Woche für den Blogger. Atemlos müssen hier die Texte raus gehauen werden, deshalb ballt es sich derzeit in Sachen Derby mächtig auf der Startseite. Aber bald ist die Saison vorbei, und die Derby-Vorschau geht in die wohlverdiente Sommerpause. Unser fünfjähriges Jubiläum muss schließlich vorbereitet werden und EM ist ja auch noch. Herrgott, macht dieser Fußball denn nie Pause?

Sa, 13:00 Uhr

Eintracht Frankfurt – Erzgebirge Aue: Das Taunus-Erzgebirge-Derby 4:0

WismutErzgebirge Aue, das Schalke des Ostens, zu Gast bei der launischen Diva. Zuletzt brillierten Hoffer und Co. beim 1:1 gegen Ingolstadt, und zeigten sich wie ein würdiger Aufsteiger. Vielleicht gelingt es ihnen ja mit einer „Goodwill“-Aktion gegen Aue den Aufstiegskampf noch ein bisschen spannender zu gestalten.

Sa, 15:30 Uhr

SSV Reutlingen – FC Nöttingen: Das Panorama-Derby: 4:0

Das Stadion in Remchingen-Nöttingen heißt tatsächlich „Panoramastadion“. Wahrscheinlich, weil man von hier aus einen wunderbaren Blick auf den Nordschwarzwald hat. Für Fans des SSV führt der Weg nach Nöttingen immer über Pforzheim, Stichwort „Goldschmuggler“. Früher einmal einer der wichtigsten Konkurrenten des SSV, heute leider insolvent. Inzwischen firmiert der Club, der 2001 an der TSG Hoffenheim beim Versuch in die Regionalliga aufzusteigen gescheitert war, unter dem Namen 1. CFR Pforzheim.

UPDATE: Niemals auf den Kicker verlassen, Anstoss zur Partie gegen Nöttingen war bereits am Freitag um 19:30 Uhr.

FC Schalke 04 – Borussia Dortmund: Das Derby-Derby 1:2

Für Außenstehende mag das Revierderby vor allem eins sein: Ruhrgebiets-Folklore. Die Beteiligten tun lieber so, als würde mit diesem Spiel Wohl und Wehe der Saison entschieden. Dabei wäre für beide Teams die berühmte Punkteteilung das beste. Dortmunds Meisterschaftsambitionen kämen dadurch nicht ernsthaft in Gefahr, und Schalke könnte Senor Raul nochmal eine Million aus der Champions League in Aussicht stellen, oder wahlweise Hack für lau auf Lebenszeit.

1.FC Kaiserslautern – 1.FC Nürnberg: Das Fritz-Walter-Max-Morlock-Derby 0:2

Was in Kaiserslautern (noch) Realität ist, danach strebt man in Nürnberg. Max Morlock statt Easy Credit, ein Vermächtnis des lieben Michael Adolf Roth, soll dort am Stadion stehen, analog zum Pfälzer Modell mit Fritz Walter, die entsprechende Initiative gibt sich kämpferisch. Fraglich allerdings wie lange die Pfälzer sich diesen wirtschaftlichen Anachronismus angesichts der Tabellensituation noch leisten können.

So, 13:30 Uhr

VfL Bochum – 1860 München: Das Derby in blau-weiß 2:2

Der VfL aus Bochum pflegt ja eine Fanfreundschaft mit dem ewigen Erzrivalen der Löwen, von einem Hochrisikospiel dürfte trotzdem keine Rede sein. Dem VfL wird inzwischen nur noch mit Resignation begegnet, die einzig und allein „aufgrund der Tatsache“ (P.Neururer), dass immer noch fünf Punkte Vorsprung zu den Abstiegsplätzen übrig sind, nicht in blankes Entsetzen umschlägt. Spielt der VfL aber so weiter wie in den letzten acht Spielen, sind auch die schnell verdaddelt. Wie gut, dass 1860 derzeit nicht in Form ist… *hüstel*

So, 17:30 Uhr

SC Freiburg – 1899 Hoffenheim: Das Baden-Derby 0:0

193 Kilometer trennen die Stadien der beiden Kontrahenten um den inoffiziellen Titel des „Badischen Meister“. Nah genug also, um ein Derby zu konstruieren, wo es keines gibt. Belege? Aber gerne doch. Unter der Woche vermeldete der SC, dass Hoffenheim ganze 250 Tickets für den Gästeblock in Freiburg verkauft hat, und deshalb den Freiburgern knapp 1000 Tickets mehr zur Verfügung stehen. Wohl gemerkt, die Fahrt mit dem Auto dauert knapp zwei Stunden vom Stadion in Sinsheim bis vor die Südtribüne an der Schwarzwaldstraße. Zu lang für den Samstagmittag?

Foto: Lulu Hoeller/flickr.com

Über den Autor: esleben

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Derby der Heinis und Pappnasen

Pyro als Metapher für Gewalt zwischen Fußball-Fans, ein polizeiliches Verbot, das dem FC St.Pauli untersagt Auswärtstickets an Hansa Rostock zu verkaufen – was ist derzeit eigentlich los rund um die deutschen Fußballstadien? Trotz der Versuche durch Polizei und Medien, Angst zu schüren, dürften die Stadien am Wochenende wieder voll werden. Uns wundert das keinesfalls, stehen doch einige wunderbare Nachbarschaftsduelle an, Reporterdeutsch „Derby“ genannt, egal ob zwei oder zweitausend Kilometer zwischen den beteiligten Städten liegen.

Fr, 18:00 Uhr

SC Paderborn – VfL Bochum (Das (Ost)-Westfalen-Derby)

Okay, Bochum plant schon für die nächste Saison in der zweiten Liga. Sollte gegen Paderborn nicht mal wieder etwas Zählbares gelingen, dürfte die Planung so langsam wieder ins Wanken geraten. Also ab nach Paderborn, mit dem Selbstbewusstsein der einst Unabsteigbaren diesen Provinzbauern zeigen, wie man im Ruhrgebiet Fußball malocht. Ohne Pathos wäre man wohl schon mit einer knappen Niederlage zufrieden…

Fr, 20:30 Uhr

VfB Stuttgart – 1.FC Kaiserslautern (Das Südwest-Derby)

Was eint Stuttgart und Kaiserslautern? Das gleiche beschissene Radioprogramm des SWR. Sonst liegen Welten zwischen der Landeshauptstadt Baden-Württembergs und der Stadt Fritz Walters. Hier der schöne Bruno, dort der spröde Marco, hier der Arbeitgeberchef, dort Stefan Kuntz, hier Puff-Sippel, dort Sven Ulreich. Hier eine weitere Niederlage, mit der man Richtung zweite Liga taumelt, dort weiter erratisches Gekicke im Niemandsland der Tabelle.

Sa, 15:00 Uhr

SSV Reutlingen – FC Astoria Walldorf (Das Fünf-Sterne-Derby)

Endlich tritt der glorreiche SSV wieder an. Beim Namen des heutigen Gegners kommen sofort Hoffnungen auf, Astoria Walldorf würden es ihren Gegnern mindestens so bequem wie die (fast) gleichnamigen Hotels machen. Egal, der „EssEss“ braucht drei Punkte!.

Sa, 15:30 Uhr

Borussia Mönchengladbach – SC Freiburg (Das Oberrhein-Niederrhein-Derby)

Obwohl Mönchengladbach keine 30 Minuten von Düsseldorf entfernt liegt, werden mich auch an diesem Samstag keine zehn Pferde in ein namenloses Stadion namens „Borussiapark“ bringen, das nicht ansatzweise über den Charme des Bökelbergs verfügt. Dann lieber Zuhause vor dem Radio, während ich mir vorstellen, wie ich auf den extrem steilen Stufen des Gästebereichs bei minus zehn Grad auf dem Bökelberg Richtung Spielfeldrand purzelte…

Sa, 18:30 Uhr

FC Augsburg – Borussia Dortmund (Das Schnauz-Unrasiert-Derby)

Dortmund kann sich inzwischen nur noch selbst auf dem Weg zur Titelverteidigung stoppen. In keinem Fall jedenfalls das Team von „Schnauz“ Luhukay, dem in keinster Weise erstligareifen Trainer der „Fuggerstädter“. Eher stolpert „Kloppo“ Klopp über sein überbordendes Selbstvertrauen oder Kevin Großkreutz über sein Michael Schumacher Gedächtniskinn.

So, 13:30 Uhr

Hansa Rostock – Eintracht Frankfurt (Das Ex-Bundesligisten-Derby)

Noch nie war der Ostfußball soweit von der Bundesliga entfernt wie derzeit. Und dann kommt auch noch die omnipotente Eintracht, die zum Aufstieg verdammt ist, an der Ostsee dabei. Beim Kicker und anderswo werden schon mal die Ordner mit Schifffahrts-Metaphern aus dem Schrank geholt, um die neuerliche Niederlage der Hansa möglichst sinnfrei zu kommentieren, statt sich um strukturelle Probleme Gedanken zu machen. „Fußball ist eben Ergebnissport“.

So, 17:30 Uhr 

FC Schalke 04 – HSV (Das Blau-weiß-rot-Derby)

Wer ist eigentlich dieser HSV? Und wann bekommt Horst Heldt seine eigene Fernsehsendung. „Rauchen und Schimpfen mit Horst“? Traumhaft jedenfalls sein Auftritt nach der Niederlage gegen Enschede, mit denen der FC Schalke 04 ja auch eine Fanfreundschaft unterhält. Merken die „Knappen“ eigentlich nicht, dass sich so etwas nur Teams leisten, die sonst nie am Erfolg schnuppern würden, Beispiel: Nürnberg, Beispiel: Bochum. Wobei, wann hat Schalke den letzten Erfolg gefeiert? Waren die überhaupt schon mal Meister?

Foto: Jason Dean/flickr.com

Über den Autor: esleben

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Hoffenheim? Absolut unschuldig!

Jetzt ist es amtlich, die TSG Hoffenheim hat keine Strafe in der sogenannten „Schallkanonenaffäre“zu erwarten. Der DFB hat das Verfahren nicht, wie von uns prophezeit, in der Winterpause geräuschlos beendet, sondern lieber die gestrige Trainerentlassung genutzt, um die ganze Sache „zu den Akten“ zu legen, wie der Kicker in seiner unnachahmlichen Art schreibt.

Nun „bei den Akten“ lag das Verfahren gegen Hoffenheim ja schon länger und das Geschäftsgebaren des DFB in dieser Sache bleibt auch nach der Einstellung zumindest bemerkenswert. Fast ein halbes Jahr ist zwischen der „Lautsprecherattacke“ und dem Urteil vergangen. Auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen: Wie schnell so etwas normalerweise geht, hat zuletzt Holstein Kiel leidvoll erfahren. Ihr „BVB Hurensöhne“-Gesang live in der ARD kostete den Verein 12.000 Euro Strafe und ein lächerliches Entschuldigungsvideo.

Unverzeilich mit welcher kriminellen Energie die Spieler und Fans von Holstein Kiel ihren Konkurrenten im DFB-Pokal schmähten. Jedenfalls bestrafenswerter als die Aktion eines beim Verein angestellten Mitarbeiters, der in stundenlanger Heimarbeit eine „eigentümliche Konstruktion“ (kicker) zusammen zimmerte, ins Stadion karrte, an den Strom anschloss und gezielt gegen die gegnerischen Fans richtete. Mag sein, dass die Lautsprecheranlage, wie die Staatsanwaltschaft Heidelberg in ihrem Schallgutachten festgestellt hat, nicht das Zeug zur Körperverletzung hatte, „ein unsportliches Verhalten“ stellt sie in jedem Fall dar. Für den DFB in persona des Kontrollausschussvorsitzenden Dr. Anton Nachreiner allerdings eines, das „als geringfügig einzustufen“ ist.

Die emotionale und spontane Reaktion der Kieler Fans und Spieler, die sich sehr wahrscheinlich nicht gewahr gewesen sind, dass sie gerade live über den Äther gehen, ist demnach als schwerwiegender einzustufen als der Bau einer „Schallkanone“. Ganz ehrlich, mir fehlen angesichts solcher Ungerechtigkeit die Worte. Zumal dieses Urteil tief in die Denkweise des DFB blicken lässt: Verfehlungen auf Seiten der Fans sind härter zu bestrafen als die mit viel Energie geplanten Aktionen von Vereinsmitarbeitern. Man darf gespannt sein, wann der Hoffenheimer Kollege erste Nachahmer findet und was der DFB dann entscheidet. Wobei eher davon auszugehen ist, dass die unbarmherzigen Stadion-DJs zwischen München und Hamburg das Übertönen der Gästefans schon bald ganz alleine übernehmen. Die entsprechenden „Schallkanonen“ dazu findet man ja längst in jedem Stadion…

Zitate aus „DFB legt Beschallungsaffäre zu den Akten“ auf kicker.de

Foto: Gustavo Verissimo/flickr.com

Über den Autor: esleben

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Das Orakel spricht

Dank eindrucksvoller Multi-Tasking-Fähigkeiten habe ich soeben während der Mittagsmahlzeit den fantastischen kicker-Tabellenrechner bemüht, um herauszufinden, ob es sich für einen
seherisch begabten Menschen wie mich noch lohnt, weiter die Fußball-Bundesliga zu verfolgen.

Über den Autor: Buxe

Macht in Unterhosen und Lotto. Kunstverständiger Lebemann, der seinem Verein Schalke 04 in unerschütterlicher Hassliebe verbunden ist. Wurstvegetarier und Minigolfgott in Personalunion.

Die Menschlichkeit des Theo Zwanziger

Wer bislang völlig taub und blind durchs Leben ging, hat es wahrscheinlich endlich in den vergangenen Tagen und Wochen bemerkt: Dr. Theo Zwanziger ist nicht nur ein unglaublicher Demagoge, sondern auch ein echtes Desaster für den deutschen Fußball. Das desolate Handeln des DFB-Präsidenten im Fall Babak Rafati stellt in diesem Zusammenhang nur noch einen weiteren Tiefpunkt dar.

Ein Schiedsrichter begeht einen Suizidversuch und logischerweise weiß zunächst einmal keiner warum. Und das ist auch gut so. Die Gründe von Babak Rafati gehen nämlich die Öffentlichkeit überhaupt nichts an. Das einzige, was die Leute wissen müssen ist, dass das Spiel abgesagt wird und damit ist das Thema auch erst einmal erledigt.

Dass sich die elende Boulevardjournalisten-Meute dann die Informationen beschafft und wenige Minuten nach Entdeckung der Tat schon die ersten Details bekannt werden, muss man wohl hinnehmen. Um das Geschäftsgebaren von Bild und Co. soll es hier auch überhaupt nicht gehen. Aber dass Theo Zwanziger, seines Zeichens oberster Vorgesetzter von Babak Rafati und daher mit einer besonderen Sorgfaltspflicht für seine Mitarbeiter ausgestattet, sich allen Ernstes nach Köln begibt, um dort eine Pressekonferenz zu geben, die wirklich jeder Beschreibung spottet, zeigt die komplette Perversität seiner Führung des Verbands DFB.

Rücksichtnahme à la Zwanziger

Wenn man keine Ahnung hat, ist es manchmal besser, einfach mal die Fresse zu halten. Doch was macht Theo, Wächter über Fußballs Gnaden? Er sagt, dass sich alle Spekulationen verbieten würden und dass man Rücksicht nehmen müsse, um im gleichen Atemzug die wildesten Spekulationen zu verbreiten: Der Druck auf die Schiedsrichter sei zu groß, das wäre der Grund für den Suizidversuch. Natürlich der mediale Druck. Denn von dem Druck, den der DFB auf die Schiedsrichter über Bewertungen und Ranglisten aufbaut, war in diesem Zusammenhang logischerweise keine Rede. Minutiös schildert Zwanziger die Situation und den zeitlichen Ablauf im Hotel. Details wolle er allen ersparen, aber der Schiedsrichter habe in der Badewanne gelegen und es habe „viel Blut gegeben“. Auch von „Notizen“ im Hotelzimmer ist die Rede und auch über die Familiensituation informiert der DFB-Präsident sehr gerne: „Die Lebensgefährtin von Babak Rafati ist seine engste Angehörige.“

Wie verlogen kann man sein? Sich bestürzt und tieftraurig über den Suizidversuch zeigen, gleichzeitig bereitwillig über die  Details informieren und schon einmal die vermeintlichen Beweggründe offenlegen. Damit tut man natürlich dem Geschädigten einen echten Gefallen. Die Medien sprangen gerne auf den Zug aus. Denn es passte ja auch so schön ins Bild, in die so oft gezeichnete Linie Enke-Miller-Rangnick. Da war doch ein Rafati, der sich aufgrund des mörderischen Drucks der Bundesliga versucht, das Leben zu neben nur ein weiterer willkommener Mosaikstein in einer bescheuerten Argumentationskette. Jetzt ist allen Ernstes davon die Rede, die Schiedsrichter-Noten im Kicker abzuschaffen, obwohl mittlerweile bekannt ist, dass Rafati private Gründe für sein Handeln hatte.

Emotionen schaffen Fakten

Aber die Moralmaschine war schon wieder heißgelaufen. Munter wurden Zusammenhänge gesucht konstruiert und Verbindungen geschaffen, wo keine sind. Sogar von einer eigentlichen Qualitätssendung wie Sport Inside, die den Umgang mit dem Schiedsrichter aus dem Freiburg-Spiel verurteilte. Sinngemäßes Zitat: „Wenige Stunden nach dem Selbstmordversuch von Schiedsrichterkollege Babak Rafati wurde Wingenbach von Spielern und Zuschauern massiv angegangen.“ Man möchte diesen Journalisten an die Stirn klopfen und „Hallo, jemand zuhause?“ (H. Strunk) zurufen. Was hat das eine mit dem anderen zu tun? Für einen Bericht, der ordentlich auf die Tränendrüse drückt und Empörung für diesen unmenschlichen Fußball wecken soll, werden halt auch beim WDR gerne Fakten missachtet. Die Quote nimmt man ja gern mit. Aber die Absurdität ist schon bemerkenswert. Folgendes Szenario: Angenommen, ein Mitarbeiter eines DAX-Unternehmens begeht einen Selbstmordversuch und schreibt in seinem Abschiedsbrief, dass seine Frau ihn verlassen habe und dass er zudem nach dem Tod seiner Eltern auch keinen Grund mehr sähe, weiterzuleben. Wer würde auf die Idee kommen und davon sprechen, dass der Druck auf der Arbeit dazu geführt hätte und dass man jetzt auch wirklich einmal die Geschäftspraktiken dieses Unternehmens zu untersuchen habe?

Zwanzigers Realität

Doch zurück zu Zwanziger, dem es gelingt, jede noch so starke Verlogenheit spielend zu toppen. Der DFB-Präsident spricht immer gerne von Menschlichkeit, Rücksichtnahme und Fairness. Davon, dass der Fußball nicht alles ist, dass man Druck von den handelnden Personen nehmen müsse, dass vieles im Leben doch wichtiger wäre. Gerade nach den Fällen Enke, Rangnick und Rafati wird eben diese Menschlichkeitskeule gerne geschwungen. Alles völlig richtig. Doch in der gelebten Realität von Theo Zwanziger sieht es immer etwas anders aus. Oder bin ich der einzige, der sich noch an den geradezu brutalen Umgang mit seinem Vize-Präsidenten Rainer Koch erinnert, dem – nachdem dieser  sich wohl auf Geheiß Zwanzigers mit Manfred Amerell und Bischof Huber getroffen hatte, um in der Schiedsrichter-Affäre zu schlichten – er in Form einer Pressemitteilung massiv eins überzog. Das Ende vom Lied: Koch musste sich allen Ernstes entschuldigen und  zudem noch zahlreiche Kompetenzen abgeben. Ist das der menschliche Umgang, den Zwanziger meint? Mitarbeiter öffentlich zu demütigen? Ist das ein Vorgehen, das Druck von den handelnden Personen nimmt?

Theo Zwanziger hat sich in seiner Amtszeit schon so viel Ungeheuerliches geleistet, dass jede einzelne Episode eigentlich zwingend einen Rücktritt nach sich ziehen müsste. Angedroht hat er es ja lächerlicherweise schon oft. Wenn es ihm jetzt wirklich endlich ernst ist mit der Menschlichkeit im Fußball, wäre spätestens jetzt der Zeitpunkt für den Rücktritt gekommen.

Bildquelle: © Manuel Heinrich / Wikimedia Commons / CC-BY-SA-2.5

Über den Autor: Guru von der Kreuzeiche

Leidensbereiter sowie leiderprobter SSV-Reutlingen-Fan und Unsympath. Empfindet die Bezeichnung “Unglaublicher Demagoge” als Kompliment. Trinkt was Schnäpse angeht nur klar.

Stilblüten der Fachpresse I

Deutschland, deine Fachjournaille! In Sachen Fußball meint jeder mitreden zu können, leben doch in Deutschland gefühlt 80 Mio. Nationaltrainer. Inmitten dieser Kakophonie benötigt man Leuchttürme, die einem den richtigen Weg weisen, Recken, welche die Fackel der Wahrheit durch das scheinbar undurchdringbare Dunkel der Spekulation tragen.

Über den Autor: schneider3

Mildernde Umstände aufgrund familiärer Vorschädigung durch zwei dominante Brüder. Normalerweise erlebt das Weißbier bei ihm das Mittagsläuten nicht. Kaiserslautern-Fan. Weiß der Teufel, warum.

Miss Dich mit den Besten – WM Edition

Josef "Ich bin der Geilste" Ackermann„Freunde der Sonne“, wer bis jetzt noch nicht vom WM-Fieber gepackt wurde, den sollte die Ankündigung aufwecken, dass er sich in der Kicker-Managerliga 5 Freunde im Abseits mit der Elite dieses Blogs messen darf. 32 Teilnehmer erlaubt die Liga des Managerspiel Pro zur WM 2010. Das Fußballfachblatt reagiert damit auf vehemente Forderungen von Teilen der 5 Freunde, die da behaupten: Wahre Kennerschaft erweise sich nur in der Pro-Liga. Zeit also für alle selbsternannten Trainergurus, Lautsprecher und sonstige Fachkräfte sich anzumelden.

Über den Autor: esleben

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