Weidenfeller weint

Der arme Roman Weidenfeller! Er musste am Sonntag von der Tribüne aus zusehen, wie sein BVB den HSV mit 5:1 abfertigte. Ob er deswegen so schlechte Laune hatte, dass er am gleichen Tag in der FASZ mal wieder die alte Platte „Beim DFB hat mir nie einer eine Chance gegeben“ auflegte? Nur weil er nicht einsehen möchte, dass die Nationalmannschaft mit Tim „Spiegel“ Wiese schon über einen Anachronismus aus der Abteilung „Gerry Ehrmann Torwartschule“ verfügt? Wieso in aller Welt, sollte sich Jogi Löw zwei Torhüter halten, die man bei flüchtigem Ansehen auch für Zwillinge halten könnte, die den Triathlon „Sonnenbank, Hantelbank, Friseursalon“ seit Jahren dominieren?

Aber lassen wir den armen, unverstandenen Roman W. aus D. lieber selbst zu Wort kommen. Auf die Frage, ob er sich ungerecht behandelt fühle, fällt Weidenfeller im Gespräch mit Richard Leipold in larmoyantes Gegreine:

„Man kann sich schon wundern, wenn man jahrelang bei einem großen Club wie Borussia Dortmund eine gute Rolle spielt und dennoch nie berufen wird. Doch hat mich dies nie aus dem Tritt gebracht. Ich habe beim DFB nie eine sportliche Chance erhalten, das muss ich so hinnehmen.“

Und schaltet im folgenden in den Gang „Verschwörungstheorien“, den ja auch schon Michael Ballacks Berater Michael Becker mit seinem Ausdruck von der „Schwulen-Combo in der Nationalelf“ bedient hat:

„Irgendwann habe ich aufgehört, mich zu fragen, was der Grund dafür sein könnte. Es wurde mir bis heute nie der wahre Grund mitgeteilt.“

Wie all den anderen Bundesligaspielern mit deutscher Staatsangehörigkeit, die nie ins Aufgebot des DFB berufen wurden? Der designierte DFB-Präsident Niersbach und sein Herausforderer Rüttenauer sollten sich schnellstens dafür einsetzen, dass ein formloses Schreiben aufgesetzt wird, in dem allen Nie-Berufenen der wahre Grund ihrer Nichtberücksichtigung mitgeteilt wird. Aber Weidenfeller ist noch nicht fertig mit der Geißelung der Waschlappen namens Nationalelf. Auf die Frage, ob man als weicherer Typ bessere Chance beim Bundestrainer hätte, antwortet Weidenfeller:

„Ich möchte jetzt keine Lawine lostreten, dennoch glaube ich, dass dies zutreffend ist. Man hat es zuletzt bei Michael Ballack gesehen. Es gibt eben Charaktere, die nicht alles hinnehmen, und es gibt solche, die wenig hinterfragen.“

Völlig klar, welche Spieler das Zeug zum Leader haben:

„Für einen Trainer ist es schwieriger, mit Spielern zu arbeiten, die einen eigenen Kopf haben. Jedoch sind genau solche Spieler in der Lage, ein Spiel zu drehen, wenn es darauf ankommt.“

Um letztendlich mit einem Bonmot zu schließen, das beinahe so philosophisch ist, wie Otto Rehhagels Satz „Modern spielt, wer gewinnt“:

„Was ist modern? Das Wichtigste ist, dass der Torwart den entscheidenden Ball hält!“

Süffisant an Weidenfellers Verschwörungstheorie ist dabei, dass er lange Zeit – nämlich bis November 2010 – ebenfalls von Michael Becker, dem Ballack-Berater vertreten wurde, ehe man sich im Streit entzweite und um knapp 700.000 Euro stritt.

P.S. Der größte Lacher des Interviews ist jedoch Weidenfellers Aussage zu seinem Vorgänger im Tor der Borussia, Jens Lehmann:

„Ich durfte viel von ihm lernen, und es würde mich extrem reizen, so lange spielen zu können.“

Foto: Pro2/wikipedia.org

Alle Zitate aus der FASZ vom 22.01.2012

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Derby, Conneticut

Die Derbys der Woche

Tausend kleine Derbys. Jedes Wochenende werden in den Redaktionsstuben von TV und Print neue, noch absurdere Derbys konstruiert. Das können wir schon lange. Deshalb gibt es ab jetzt jeden Freitag unsere ganz subjektive Sicht auf die Derbys des kommenden Wochenendes. Eine Spieltagsvorschau unter besonderer Berücksichtigung jener absoluten Top-Vereine, an denen unser Herz hängt – egal in welcher Liga und zu welchen Familien unfreundlichen Zeiten deren Spiele angestoßen werden.

Sa, 13 Uhr:
Eintracht Frankfurt – Karlsruher SC (Kurpfalz-Hessen-Derby)

Glückliche Fügung des Schicksals, aber dieses Wochenende fängt das Wochenende nicht schon am Freitag um 18 Uhr an. Stattdessen ausschlafen und zum Frühstück in die Commerzbank-Arena. Vehs Mannen empfangen den KSC zum traditionsreichen Kurpfalz-Hessen-Derby, hüstel. Zur Erinnerung: Frankfurt steckt in einer veritablen Mini-Krise, gabs zuletzt doch die erste Saisonniederlage gegen 1860 München. Karlsruhe befindet sich dagegen eigentlich seit Menschengedenken in der Krise, zumindest aber seit Euro-Eddy nicht mehr für die Badener aufläuft und lieber für die Lotto-Traditionself Rheinland-Pfalz auf Torejagd geht. Mein Tipp: 3:0 und Bushido-Köhler mal wieder der überragende Mann auf dem Platz, nur keiner weiß warum.

Sa, 14 Uhr:
FSV Hollenbach – SSV Reutlingen (Winterpausen-Derby)

Weiter gehts um 14 Uhr in Hollenbach. Hollenbach? Ja, gleich bei Mulfingen und Ailringen. Wieso uns das interessieren muss? Weil der glorreiche SSV Reutlingen dort zu seinem letzten Spiel vor der Winterpause antritt. Klarer Fall von Winterpausen-Derby. Die, die Winterpause nämlich, dauert in den Niederungen der baden-württembergischen Oberliga mal schön bis Anfang März. Muckelige Stadionheizungen gibt es in dieser Liga nämlich nicht, dafür mit wenig Glück ordentlich „Schnaps auf’m Platz“, natürlich schwarz gebrannter „Obschdler“.

Sa, 15:30 Uhr:
SC Freiburg – Hannover 96 (Nord-Südwest-Derby),
1.FC Kaiserslautern – Hertha BSC (Provinz-Metropolen-Derby)
Borussia M’Gladbach – Borussia Dortmund (Borussia-Derby)

Gleich drei Derbys stehen um 15:30 Uhr an, also zur einzig wahren Zeit. Echten Spitzenfußball darf man vielleicht beim Borussia-Derby erwarten. Normalerweise fühlen wir uns in diesen Tabellenregionen eher unwohl, Stichwort: Schwindel. Wie gut, dass es bei den Duellen zwischen Freiburg und Hannover bzw. Lautern und Berlin eigentlich nur eins zu erwarten gibt: schlechten, unterdurchschnittlichen Bundesliga-Fußball, ganz so, wie man es mag.

So, 13:30 Uhr:
VFfL Bochum – Erzgebirge Aue (Malocher-Derby)

Zeit zu verschnaufen und für die beste Sportsendung im deutschen Fernsehen bleibt nicht, bereits um 13:30 Uhr muss das Mittagessen, bestehend aus einer lauwarmen, halb durchgebratenen und trotzdem verbrannten Aramak-Wurst und köstlichem Fiege Pils im schönsten Stadion Deutschlands verdrückt werden. Malocher-Fußball steht an, bei dem die Bochumer Depressionsskala wie immer nach unten völlig offen ist. Auch wenn man das nach der letzten 0:4 Niederlage nicht glauben mag.

So, 17:30 Uhr:
FC Schalke 04 – FC Augsburg (FC-Derby)

Was haben wir Augsburg eigentlich zu verdanken, der „Fugger-Stadt“, mit ihren „Fugger-Städtern“? Nicht, dass die ausnehmend hässliche Stadt Gelsenkirchen eine größere Bedeutung als die Metropole des bayerischen Teils von Schwaben hätte. Also, was haben wir Augsburg zu verdanken? Außer Helmut Haller meine ich? Okay, Bernd Schuster, der konnte auch noch was am Ball, aber jetzt im Jahr 2011? Der dreifache Preisträger für absurde Bartmode auf der Bank, „Power-Mischi“ Thurk auf der Tribüne und Simon Jentzsch, der einzige Torwart aus der Gerry Ehrmann-Schule, der nicht bei Gerry persönlich gelernt hat. Aber sonst ist da doch nichts, außer 20 weiteren Spiele dieses Teams in der Bundesliga, die man nicht sehen möchte.

Foto: dougtone/flickr.com

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FC Zestafoni: Die georgische Provinz in Europa

Unser Korrespondenten-Netz erstreckt sich auch in Zeiten von „online“ über den ganzen Erdball. Diesmal berichtet Gastautor BizDanIshVili aus Georgien:

Ungewöhnliche Situationen erfordern ungewöhnliche Maßnahmen. Und da für mich der Besuch eines Euro-League-Qualispiels des sagenumwobenen FC Zestafoni in Tifils eine solch ungewöhnliche Situation darstellt und es dazu noch ein ziemlich außergewöhnliches Spiel werden sollte, lass ich mich (der sonst ausschließlich per Brieftaube mit der Außenwelt kommuniziert) hiermit auch mal zu einem Blogbeitrag hinreißen.

Der FC Zestafoni ist in der vergangenen Saison erstmals georgischer Meister geworden – keine ganz schlechte Leistung für ein Kaff mit 26.000 Einwohnern in der Nähe von Kutaisi, das selbst dem Lonely Planet keine Erwähnung Wert ist. Allerdings sieht man sich offensichtlich nach der Meisterschaft selbst nicht (mehr) als Underdog und war aufgrund des denkbar knappen Scheiterns in Champions-League-Quali gegen Sturm Graz (1:1; 0:1) so enttäuscht, dass der Meistertrainer kurzerhand das Handtuch warf. Die Qualifikation für die Euro League-Gruppenphase wurde also ohne Trainer angegangen.

Das Spiel wurde, vermutlich aufgrund von UEFA-Regularien, im Boris-Paitschadse-Stadion des georgischen Rekordmeisters Dinamo Tiflis ausgetragen. Eine riesige Sowjet-Betonschüssel aus den Siebzigern (hieß damals natürlich Wladimir-Iljitsch-Lenin-Stadion), das von außen nach mehr als 55.000 Plätzen aussieht. Das Zentral-Stadion Zestafoni mit seinen 8.000 Plätzen wird dagegen wahrscheinlich kaum für europäische Wettbewerbe zugelassen sein. Und da man sich in Georgien vor allem für Rugby interessiert, muss man sich auch für Spiele in europäischen Wettbewerben nicht frühzeitig um Karten kümmern. Und so kamen wir zehn Minuten vor Anpfiff am Stadion an, um uns Karten zu besorgen. Glücklicherweise war ich in Begleitung von Menschen mit Lokalkompetenz unterwegs, denn die Verkaufsstellen – winzige Löcher in der Stadionwand, die von anstehenden Menschen verdeckt wurden – hätte ich niemals gefunden. Die Karten für 5 Lari (etwa 2 Euro) mussten in dieser georgischen Schlange, die eher als Rudel mit Faustrecht zu bezeichnen ist, allerdings auch erst mal erkämpft werden. Pünktlich zum Anpfiff betraten wir aber dennoch das ehemals drittgrößte Stadion der Sowjetunion, um uns ein Bild von der Konkurrenzfähigkeit des georgischen Fussballs zu machen.

Gegner des FC Zestafoni war/ist der glorreiche FC Brügge, aktueller Tabellenführer der belgischen „Jupiter League“ und 13-facher belgischer Meister, dem die Region noch aus der vorherigen Runde bekannt ist. Da setzte man sich nämlich gegen den FK Karabakh Agdam aus Aserbaidschan durch (4:1; 0:1). Auf der einen Seite also ein westeuropäischer Traditionsclub (Gründung 1891), der in den Siebzigern sowohl im UEFA-Cup als auch im Pokal der Landesmeister das Finale erreichte und in den 2000er Jahren immerhin schon dreimal in der Champions League gespielt hat. Und auf der anderen Seite ein 2004 auf von dem Besitzer des Stahlwerks Zestafoni gegründete georgische Provinzclub, der ohne seinen besten Spieler antrat. Denn die Mannschaft von Zestafoni hatte Buba Daushvili nach Bekanntwerden seines bevorstehenden Wechsels nach Lemberg sofort aus der Mannschaft geworfen, obwohl er noch bis Saisonende für Zestofoni hätte spielen können. Über die Frage, wem in diesem Duell die Favoritenrolle zukam, muss man daher wohl nicht lange diskutieren.

Und exakt so begann das Spiel auch. Es war hinsichtlich taktischer Disziplin und technischen Fähigkeiten doch ein deutlicher Unterschied zwischen den Teams auszumachen, der nach einer kurzen Abtastphase zu einer Reihe sehr guter Torchancen für den FC Brügge führte. Beim FC Zestafoni konnte man die Abwesenheit eines Trainers deutlich spüren, z.B. wenn sich etwa Spieler der Mannschaft nach einem Fehlpass lieber gegenseitig die Meinung sagten, als den nun ballführenden Spieler des Gegners zu attackieren. Kurz: die Führung für den FC Brügge schien eine Frage der Zeit und kam dann auch in Form eines Doppelschlags in der 27. und 31. Minute. Der nigerianische Nationalstürmer Joseph Akpala (15) – auch sonst überragender Mann auf dem Platz – erzielte den ersten Treffer und der isrealische Neuzugang Lior Rafaelov (8) legte wenig später nach.

Die bislang mäßige Stimmung im mäßig gefüllten Stadion kippte nun vollends. Bereits zuvor hatte man gemerkt, dass nur wenige wirkliche Anhänger des FC Zestaponi den Weg nach Tiflis auf sich genommen hatten und die meisten Zuschauer eher des Spektakels wegen gekommen waren. Sofort nach dem 0:2 wurde das durch laute „Dinamo, Dinamo“-Rufe deutlich. Der Provinzclub wurde von den Haupstädtern jetzt nur noch belächelt. Die Spieler antworteten mit teils aberwitzigen Fehlpässen, vom Publikum mit höhnischem Applaus quittiert. Nach einem besonders miesen Spielzug des FC Zestaponi verließ die komplette Reihe vor uns, aufgrund einer wohl ausgiebigen nullten Halbzeit wankend und schimpfend, das Stadion (im Stadion gibt es keinen Alkohol, was von einem Großteil des Publikums offensichtlich durch intensives Vorglühen kompensiert wurde).

Diese Atmosphäre führte dazu, dass niemand – inklusive der Spieler beider Mannschaften – den FC Zestafoni noch ernst nahm und so vertändelte der FC Brügge noch vor der Pause eine Reihe von Torchancen, die für ein 5:0 oder 6:0 zur Pause ausgereicht hätten. Dementsprechend fielen dann auch unsere Halbzeitprognosen des Endergebnisses aus: sie reichten von 4:1 bis 5:0 für den FC Brügge.

Als wären sie fest entschlossen, unsere Prognosen zu bestätigen, spielten die jetzt komplett lustlos wirkenden Spieler von Zestafoni den Anstoß zur zweiten Halbzeit gleich mal direkt zum gegnerischen Torwart. Allerdings erst im zweiten Versuch. Dann wie auch schon beim Anstoß nach dem 0:2 wurde dieser erstmal falsch ausgeführt, wie auch diverse Einwürfe von Zestafoni abgepfiffen werden mussten. Weiterhin gab also Brügge den Ton an, weiterhin vergaben sie hundertprozentige Torchancen auf teilweise lächerliche Art und Weise. Das Spielt hatte nun den Charakter einer Katerkicks am Sonntag im Park. Besonders deutlich wurde das am Kapitän des FC Zestafoni, Tornike Aptsiauri, dem man einen leichten Hang zur Selbstdarstellung nachsagen kann. Die Nummer 55 auf dem Rücken, hielt sich dieser technisch mit Abstand beste Spieler der Georgier an keinerlei taktische Vorgaben (gab es aufgrund der Abwesenheit des Trainers ja vermutlich auch nicht): er wechselte die Seiten nach Lust und Laune (immer riesige Lücken hinterlassend) und spielte ausschließlich mit Außenrist und Hacke.

So plätscherte das Spiel unaufgeregt und unattraktiv vor sich hin und die Zuschauer konzentrierten sich auf das Kauen von Sonnenblumenkernen oder auf ihre Planungen für die dritte Halbzeit – bis zur 59. Minute. Da führte ein erstaunlich durchdachter und gut ausgespielter Spielzug zum 1:2 Anschlusstreffer durch Zestafoni-Stürmer Gelashvili (9). Plötzlich doch ein Hauch von Stimmung und Hoffnung im Stadion, doch so recht traute noch niemand dem Ganzen. Gelashvili feierte sein Tor komplett ohne die Mannschaftskameraden und auch die Zuschauer waren eher ungläubig als euphorisiert – zu deutlich war der Klassenunterschied bislang gewesen. Aber den FC Brügge schien das Tor etwas aus der Bahn zu werfen und so spielte plötzlich nur noch der FC Zestafoni. Insbesondere Kapitän Aptsiauri (55) und der mit Abstand schlechteste Mann der ersten Halbzeit, Shota Grigalashvili (13), leiteten nun aus dem Mittelfeld einige gut aussehende Angriffe ein. Und einer dieser Angriffe führte dann in der 65. Minute zum Ausgleich, der ein Fall für das Tor des Monats wäre, wenn dieses Spiel denn jemand in Deutschland gesehen hätte. Der bislang nur in Sachen Hauptbehaarung, Gestik und Eigensinnigkeit an Arjen Robben erinnernde Djaba Dvali (11) wurde am Sechzehner schön angespielt und hielt aus der Drehung aus 20 Metern einfach drauf. Dabei gelang ihm ein wahnsinniges Geschoss, das am rechten Innenpfosten landete und von dort im Tor. Der belgische Torwart konnte nicht mal zucken.

Das Stadion schien plötzlich zu platzen. Binnen Sekunden wurden die gelangweiltesten Dinamo-Anhänger zu glühenden Zestafoni-Fans und im Stadion kam jetzt eine wirklich euphorisch-aggressive Stimmung auf. Und der FC Zestafoni ließ sich davon nach vorne peitschen und spielte zielstrebige und präzise Angriffe, die kein Zeitzeuge der ersten Halbzeit je für möglich gehalten hätte. Gute Einwechslungen belebten das Spiel zusätzlich, vor allem der junge Alex Benashvili (7) leitete über die rechte Seite viele Angriffe ein und schlug ziemlich gefährliche Flanken.

Mitten in diese Drangphase schlich sich aber eine völlig unnötige Disziplinlosigkeit in Form eines absichtlichen Handspiels, das zu einem Freistoß für Brügge aus gefährlicher Distanz führte. Und wie es so oft ist, resultierte aus der Freistoßflanke ein Gewühl im Strafraum, aus dem Carl Hoefkens in der 73. Minute das 2:3 für Brügge erzielte. Auf das gesamte Spiel gesehen, bis dahin vielleicht noch ein gerechter Zwischenstand, aber in dieser Phase völlig unverdient. Dementsprechend ernüchtert war das zuvor lärmende Publikum und es wurde kurz vollkommen still. Dann aber war die Reaktion vollkommen anders als nach dem letzten Tor: anstatt sich mit „Dinamo, Dinamo“-Rufen vom georgischen Team zu distanzieren, wurde es jetzt weiter angefeuert: „Zestafoni, Zestafoni!“. Das Team hatte sich die Unterstützung des Publikums mittlerweile verdient.

Und dementsprechend spielte es auch nach dem Gegentor weiter wie zuvor und kam zu etlichen guten Torchancen. Eine davon führte dann zehn Minuten später zum mittlerweile verdienten Ausgleich. Kapitän Aptsiauri (55) flankte von rechts scharf vor das Tor, Torjäger Gelashvili (9) nahm den Ball gut runter und erzielte per Flachschuss aus der Drehung das 3:3. Danach blieben mit Nachspielzeit noch etwa zehn Minuten, die weiterhin vor allem Zestafoni bestimmte und auf den Siegtreffer drängte. Das führte aufgrund der teilweise undisziplinierten Defensivarbeit zu dem einen oder anderen Konter der Belgier, aber Torwart Kvaskhvadze (89) musste nur einmal parieren. Zestofoni konnte noch einige gefährliche Flanken in Richtung Brügger Tor schlagen und hätte mit etwas Glück den Siegtreffer erzielen können, aber am Ende blieb es beim gerechten 3:3 nach zwei vollkommen unterschiedlichen Halbzeiten.

So würde dem FC Zestafoni nächste Woche ein 1:0-Sieg in Brügge zur sensationellen Qualifikation für die Gruppenphase der Europe League reichen, den ich der Mannschaft von Herzen gönnen würde. Allein mir fehlt der Glaube…

Über den Autor: schneider3

Mildernde Umstände aufgrund familiärer Vorschädigung durch zwei dominante Brüder. Normalerweise erlebt das Weißbier bei ihm das Mittagsläuten nicht. Kaiserslautern-Fan. Weiß der Teufel, warum.

Jens Lehmann: Größer als Gott

Wer ist eigentlich dieser Jens Lehmann? Wer naiverweise glaubt, in der Autobiographie „Der Wahnsinn liegt auf dem Platz“ etwas über den „Menschen Lehmann“  (J. B. Kerner, R. Beckmann, M. Lanz) zu erfahren, wird auf jeden Fall enttäuscht. Denn auch wenn sonst nicht viel Inhalt drinsteckt, zumindest eines wird klar: Der ehemalige Nationaltorhüter ist kein Mensch, sondern ein  – zumindest in der bescheidenen Sicht seiner selbst – gottgleicher Torhüter. Natürlich der beste der Welt, selbstverständlich Vergangenheit und Zukunft mit eingeschlossen. Ein geiler Typ ist er natürlich obendrein.

Über den Autor: Guru von der Kreuzeiche

Leidensbereiter sowie leiderprobter SSV-Reutlingen-Fan und Unsympath. Empfindet die Bezeichnung “Unglaublicher Demagoge” als Kompliment. Trinkt was Schnäpse angeht nur klar.

Toni Schumacher: Ich bin erst gut mit einer Menge Wut im Bauch

Wenn sich eine Anekdote aus dem Leben von Harald „Toni“ Schumacher in mein Gedächtnis eingebrannt hat, dann ist das seine Entlassung als Trainer von Fortuna Köln. Nicht nur, weil er in der Halbzeitpause entlassen wurde. Sondern auch, weil Jean „ich als Verein musste reagieren“ Löring charmante Worte für die ganze Aktion fand: „Du hast hier nichts mehr zu sagen, du Wichser!“

Über den Autor: schneider3

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Auf der Suche nach dem rechten Maß

Zollstock (Foto: www.pixelio.de)Zwei Tage Durchschnaufen! Die EM pausiert und erstmals seit Jahren bin ich während eines großen Turniers froh darüber, vor der Wahl zu stehen, was ich mit dem Abend anfangen soll. 16 fußballerisch äußerst intensive Tagen liegen hinter allen Beteiligten, die nachwievor auf der Suche nach dem rechten Maß sind. Spieler, Fans, Medien und Offizielle. Einige Beispiele, Aufzählung unvollständig.

Über den Autor: esleben

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