Die geklauten Jahre des Udo Lattek

Udo_Lattek„Udo Lattek ist an Parkinson erkrankt“ – Diese Meldung sorgt in einigen Redaktionen offenbar für erhöhte Erregtheit und den Reflex, schon mal aus der Schublade die Nachrufe zu holen, die man seit Latteks Ausscheiden aus dem Doppelpass für den Fall der Fälle vorbereitet hat. Oder wie soll man die Bildergeschichte der Welt verstehen, die heute unter der Überschrift „ Erfolgstrainer, Medienprofi, Kumpeltyp“ Latteks sportliche Vita aufrollt? Dabei ist Lattek alles andere als tot und Parkinson nicht unbedingt eine Krankheit, die dafür sorgt, dass die Betroffenen von ihrer Umwelt nichts mehr mitbekommen. Wer das nicht glauben möchte, denkt auch, dass Muhammed Ali ein schlechter Boxer war. Schlimmer als der vorzeitige Nachruf der Welt, ist jedoch sein Inhalt, der einige der erfolgreichsten Jahre von Lattek vollständig ausblendet.

Völlig richtig eröffnet die Bilderstrecke mit der Feststellung, dass Udo Lattek der erfolgreichste deutsche Vereinstrainer ist. Acht deutsche Meisterschaften, der Gewinn aller drei europäischen Vereinspokale und drei DFB-Pokale hat der Mann neben der Erkenntnis zu verantworten, dass „Aussaufen“ manchmal besser ist als „Auslaufen“. Wäre es bei so vielen Erfolgen zu viel verlangt, wenn man in der zugehörigen Bilderstrecke alle Stationen aufführte, an denen Lattek erfolgreich als Coach wirkte? Stattdessen kein Wort und kein Bild zu Latteks Zeit in Mönchengladbach, die den „Mönchen“ immerhin zwei Meisterschaften, die Teilnahme am Finale des Landesmeisterpokals und den Gewinn des UEFA-Pokals bescherte.

Akuter Fall von Bayern-Hörigkeit? Schlechte „Pep“aration? Man hat ja durchaus Verständnis, wenn eine Meldung, wie Latteks Erkrankung, in den Redaktionsräumen für Geschäftigkeit sorgt und der CvD in Sachen Online anmahnt, dass man unbedingt eine „klickfreudige“ Bilderstrecke zum Thema bräuchte. Schließlich dürfte „Udo Lattek Parkinson“ derzeit zu einem erhöhten Suchaufkommen im Netz führen. Aber deshalb gleich so schlampig zu Werke gehen? Sind das etwa schon erste Auswirkungen der Springer’schen Radikalkur, die einigen Journalisten ihre Jobs kostete? Unabhängig davon stimmen Ton und Inhalt der verfrühten Nachrufe auf Udo Lattek einfach nicht und so lange jemand so lebendig ist, wie der Erfinder des „Neid und Mißgunst“-Axioms, sollte der Blick auf seine Karriere Jubiläen vorbehalten bleiben. Am 16. Januar 2015 wäre dazu, zum Beispiel, Gelegenheit, dann wird Udo Lattek 80 Jahre alt. Bis dahin verbleiben wir mit Christoph Schlingensief (der bezog sich damit zwar auf einen anderen, nicht minder großartigen Udo, aber das ist uns in diesem Fall egal!)

>> Zur Bilderstrecke „Erfolgstrainer, Medienprofi, Kumpeltyp“

Foto: wikipedia.de/Nationaal Archiev Fotocollectie Anefo

Über den Autor: esleben

Verrät als Freiburg-Fan Heimat wie auch Elternhaus und trinkt ansonsten ausschließlich Veuve Clicquot. Wer wohnt schon in Düsseldorf? Mehr über Esleben auf Google+

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7 comments
  1. Eine Anekdote zu Lattek, die Ente Lippens bei der „50-Jahre-Bundesliga“-Veranstaltung von Ben Redelings zum Besten gab: Lippens spielte unter Rehhagel bei Dortmund. Vor dem Spiel gegen Gladbach (unter Lattek) waren beide Mannschaften zufällig Abends im gleichen Hotel-Restaurant. Die Gladbacher haben gesoffen wie sonst was, bei den Dortmundern gabs nur Wasser. Morgens beim Auschecken kam es dann zu diesem denkwürdigen Dialog, den Lippens persönlich mitbekam:

    Hotel-Page: Hatten Sie etwas aus der Mini-Bar?
    Udo Lattek (mit belegter Stimme): Alles.
    Hotel-Page: Alles?
    Udo Lattek: Alles.
    Hotel-Page: Auch die Nüsse?
    Udo Lattek: Auch die Nüsse.

    Das Spiel gewannen selbstverständlich die Gladbacher.

  2. Nachdem Lattek den Dopa verlassen hat, hätte man die Sendung eh beenden können.

  3. Was soll denn diese Lattek-Verklärung? Wird Zeit, dass hier mal wieder mehr Haß gesät wird!

  4. Gemeinsam mit dem lächerlichen Dj-Imitator der Anfang vom Ende. Jetzt sitzt da ja nur noch der Camp David-Botschafter mit dem absurden Bart. Traurig.

  5. @Goldschuhe: Neid und Missgunst, da ist es wieder, dass Lattek’sche Lieblingsthema.

  6. Udo Lattek ist seit Anbeginn Teil der 5-Freunde-Verfassung. Und der erste Mensch, den ich nach der Hochzeitsnacht erblickt habe. Schicksal.

  7. Vor allem gehts doch gar nicht um Verklärung. Es geht darum, dass Nachrufe geschrieben werden, obwohl er nicht tot ist. Und das diese Nachrufe dann auch noch die Hälfte der Karriere vergessen.

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