Danke, Red Bull!

Bulle Ich bin verunsichert. Bisher war mein fußballerisches Weltbild eigentlich recht schlüssig. Von Kindesbeinen an wusste ich, dass die BauernBayern scheiße sind und Lautern geil. An dieser Dichotomie konnte ich mich bisher im Zweifelsfall immer orientieren. Als vor einiger Zeit plötzlich Vereine wie die TSG Hoffenheim von 1899 n. Chr. oder RB (steht nicht für den Getränkehersteller!) Leipzig auftauchten, wusste ich relativ schnell, dass diese wohl in die erste Kategorie einzuordnen sind.

Jetzt allerdings ist dieses Weltbild bedrohlich ins Wanken geraten. Der Grund dafür sind zwei hervorragende Beispiele für gelungenen Sportjournalismus. Den Anfang machte Anfang des Monats Christoph Ruf auf Spiegel-Online, heute folgte dann Claus Vetter vom Tagesspiegel.

Was die beiden Herren vereint, ist ihre Begeisterung für das „Projekt“ RasenBallsport Leipzig e.V. (sic!). Außerdem gemeinsam ist den beiden ihre seltsame Mischung aus Will­fäh­rig­keit gegenüber RB Leipzig und Hoffärtigkeit gegenüber dem Leser.

Wir erinnern uns: RB Leipzig wurde 2009 gegründet und übernahm umgehend das Startrecht des SSV Markranstädt für die Oberliga Nordost. Dass der neue Verein RB hieß war angesichts des Engagements des „Getränke“herstellers Red Bull und vergleichbarer Aktionen im Ausland kein Zufall. Und als das erste Wappen durch den Sächsischen Fußballverband abgelehnt wurde, wurde es zwar wenig überarbeitet, erinnert aber immer noch an die Brausefirma mit der nahezu mes­si­a­nischen Marketingabteilung.

„Alles halb so wild,“ meinen nun Ruf und Vetter und versuchen den Verein RB Leipzig ins rechte Licht zu rücken. Claus Vetter vom Tagesspiegel ist sich dabei nicht einmal zu Schade, den Verein „eine Wohltat“ zu nennen. Aber dazu später mehr.

Wer in Leipzig und Umgebung Fußball sehen will hat anscheinend zwei Möglichkeiten. Entweder er wird Gerüstbauer, rechtsradikal und Hooligan (in beliebiger Reihenfolge) und geht zu Lokomotive Leipzig. Oder er wird friedliebender Familienvater und Fußballfan und geht zu RB Leipzig. Denn nicht nur, aber vor allem im „Osten“ gilt:

„[…] viele Traditionsklubs […] haben Anhang, in dem mancher Krawall mag.“(Tagesspiegel)

Da ist man doch direkt froh, dass sich im Stadion von RB Leipzig deutlich harmloseres Personal einfindet.

„[…] ultra-affine Fans, die sich nicht in den bislang zehn offiziellen Fanclubs organisieren wollen, die der RB-Fanbeauftragte und ehemalige Nationalspieler (sic!) Ingo Hertzsch verwaltet.“ (Spiegel-Online)

Zudem diese Fans auch in schlechten Zeiten zu ihrem „Verein“ stehen und ihn unterstützen.

„Auch in der ersten Halbzeit gegen Holstein Kiel, in der RB ausgesprochen schwach spielt, unterstützt die gut gefüllte Fankurve die Mannschaft. Nach dem zwischenzeitlichen 2:1 dreht sie völlig durch, die Dezibelzahlen würden den Fans der Traditionsclubs imponieren.“ (Spiegel-Online)

Ich lasse diesen Satz unkommentiert.

Wie bereits erwähnt, sieht der Kollege Vetter das Ganze nicht nur genauso unkritisch, vielmehr erkennt er sogar eine Wohltat seitens Red Bull. Zunächst müssen aber die Verhältnisse geklärt werden. Denn Vetter weiß, dass andere Vereine genauso abhängig von Sponsoren sind wie RB Leipzig.

„[W]elcher Milliardär wird schon breitflächig geliebt? Und warum sollten andere Klubsponsoren in Schalke oder die Werder-Bremen-Wiesenhof-Hähnchen auf der Brust in eine moralisch bessere Kategorie fallen? Hat Bayer aus Leverkusen immer nur Gutes für die Menschheit getan? Und welcher Sponsor im Sport will nicht, dass seine Marke durch seinen Verein an Popularität gewinnt?“

„[W]arum soll der Fan Hansa Rostock sympathischer finden als RB Leipzig? Weil sie bei Hansa schlechter wirtschaften als in Leipzig, die Marketingabteilung nicht das Glück hat, einen so großen Mäzen wie Red Bull zu finden? Oder sitzen dort Menschen, die mögliche Finanziers erst mal moralisch abklopfen?“

Ein stichhaltiges Argument! Weil andere Vereine bei der Auswahl ihres Sponsors auch gerne mal daneben greifen und auch sonst fehlbar sind, möge man doch bitte Abstand davon nehmen, Red Bull zu kritisieren! Immerhin wird erwähnt, dass es im Rahmen verschiedener Marketing-Events von Red Bull in den letzten Jahren nicht wenige Todesfälle gab. Das wird jedoch mindestens dadurch aufgewogen, dass bei RB Leipzig nicht nur Marketingexperten, sondern auch Wohltäter arbeiten.

„Der Klub investiert in Sachsen, Mateschitz hat schon 100 Millionen Euro in RB Leipzig gepumpt, nebenbei hat sich sein neuer Klub auch Sympathien in der Leipziger Sportszene erkauft.“

Das absolute Highlight hat sich der Autor jedoch für den Schluss aufgehoben. So wie man das eben macht bei einer sauber ausgeführten Erörterung. Zu diesem Zweck wird eine blitzsaubere Analogie herangezogen. Nämlich die zwischen einem Fußballverein und einem Rennstall der Formel 1. Macht ja auch keinen Unterschied. Schließlich gibt es in der Formel 1 ja auch seit über 100 Jahren währende Traditionen, Breitensport und unzählige ehrenamtlich Engagierte.

„Vieles, was RB Leipzig an Hass entgegenschlägt, ist durch Unsinn motiviert. Und macht die Marke letztlich nur stärker. Denn was polarisiert, ist auch interessant. Ob RB-Hasser eigentlich auch gerne Formel-1-Rennen schauen? Für Red-Bull-Pilot Sebastian Vettel jubeln und RB Leipzig alles Schlechte wünschen, das ist heuchlerisch.“

Und bevor es jetzt hier zu Protesten kommt, gewöhnt euch besser dran! Denn:

„So funktioniert Kapitalismus, so funktioniert Profisport.“

Amen.

 

Christoph Ruf „Drittligist RB Leipzig: Fußball-Party beim Retortenclub„, Spiegel-Online, 04.09.2013.

Claus Vetter „RB Leipzig: Die guten Bullen„, Der Tagesspiegel, 13.09.2113.

Über den Autor: schneider3

Mildernde Umstände aufgrund familiärer Vorschädigung durch zwei dominante Brüder. Normalerweise erlebt das Weißbier bei ihm das Mittagsläuten nicht. Kaiserslautern-Fan. Weiß der Teufel, warum.

Mildernde Umstände aufgrund familiärer Vorschädigung durch zwei dominante Brüder. Normalerweise erlebt das Weißbier bei ihm das Mittagsläuten nicht. Kaiserslautern-Fan. Weiß der Teufel, warum.
10 comments
  1. Der Artikel im Tagesspiegel wurde übrigens unter „11 Freunde freitags“ veröffentlicht…

  2. Wes Brot ich ess, des Lied ich sing… Bin ansonsten sprachlos.

  3. Einem geschenkten Gaul…

    Ansonsten Ring frei für alles. Am Liebsten warm. Und einseitig. Vor allem aber für Verschwörungstheorien.
    Eine Wohltat wäre es auch, wenn jeder Sprachlose an dieser Stelle kritisch mitdenkt, auch anderweitige Artikel zum Thema sucht und zB auf Ruf’s sonstige Einlassungen stößt. Und was noch besser wäre. RB nicht als Teufel an die Wand zu malen.

    PS: Danke fürs Ausschreiben des Vereins-Namen. Manch einer mag das so in Leipzig. Ich auch.

  4. Okay, Rufs Heuschrecken-Artikel hätte man finden können, der ist ja gerade einmal fünf Tage alt. Was den Artikel im Tagesspiegel aber noch seltsamer erscheinen lässt. Oder schreibt da einer immer das, was die jeweilige Klientel lesen will?

  5. Was genau bringt es, wenn ich mir die anderen „Einlassungen“ von Christoph Ruf anschaue? Dann sehe ich, dass der für das „Neue Deutschland“ den Kapitalismus-Kritiker gibt, während er für SPON das Familienerlebnis in den Vordergrund stellt. Und daran, dass der Artikel aus dem Tagesspiegel total desolat ist, ändert das ja schonmal gar nichts.

    Ich male RB außerdem nicht als Teufel an die Wand. Wahrscheinlich muss man sich daran gewöhnen, dass es solche Phänomene in Zukunft noch öfter geben wird und dass es immer Menschen gehen wird, denen das Als Fußball-Angebot reicht. Mir reicht es jedenfalls nicht.

  6. Sehr Richtige, Schneider3. Scheißegal, was der Typ sonst schreibt. Das im Tagesspiegel ist dummes Gelaber und als solches kann man das auch darstellen. Punkt.

  7. @dritter schneider: „Wahrscheinlich muss man sich daran gewöhnen,…“ – pfeifte das Schwein vergnügt, unwissend auf dem Weg ins Schlachthaus.

    Nein nein, Konstrukten wie RB und Ho$$enheim muss immer Gegenwind ins Gesicht wehen.
    Und sei es nur, weil die die Mäzene fanden und wir in Rostock nicht. Obwohl wir doch jeden Tag suchen. Jeden Tag.

  8. Gott sei Dank habe ich noch keinen der sonstigen 5-Freunde mit einer RB-Dose in der Hand erwischt. Denn die ganze Scheiße fing ja damit an, dass diese Trendkacke so beliebt wurde. Heuchlerei könnte ich also nur dann erkennen, wenn sich Schneider3 beim Schreiben des Artikels 15 Wodka-RB einverleibt hätte.

  9. Stimmt Don, du würdest ja nie ein Produkt eines Unternehmens kaufen, das sich beim Sponsoring engagiert. Jetzt lass die Kirche mal im Dorf, sonst wird es albern.

  10. Ich konsumiere ausschließlich sympathische Produkte von sympathischen Unternehmen. Am Samstag erst wieder Schumacher und Kürzer Alt.

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