Paninis Photoshop-Seminar

173. Soviele Sticker fehlen mir noch, um das komplette Sammelalbum zur EM 2008 in Händen zu halten. Inzwischen befällt mich die Sammelleidenschaft nur noch alle zwei Jahre, wenn es wirklich wichtig ist. Das war schon anders. Damals, 1983 wars, verfügte ich aber noch nicht über die finanziellen Mittel, um richtig ins Panini-Geschäft einsteigen zu können. Heute ziehe ich kalt lächelnd an den Kids vor der Bude vorbei und hole mir meine täglichen zehn Päckchen zum stolzen Preis von sechs Euro. Und wozu das Ganze? Um auf dem Laufenden zu bleiben, was mit Photoshop alles möglich ist.

1983 hatte der HSV gerade durch ein Tor von Felix Magath gegen Juventus Turin den Europapokal der Landesmeister geholt und der Aschaffenburger zierte folgerichtig das Cover meines ersten Panini-Sammelalbums. Gepfuscht werden konnte damals nicht, jeder Spieler musste wirklich vor die Kamera treten. Extravaganzen wie eine silbernglänzende Oberfläche gab es nur bei Wappen, dafür aber wunderbare Karikaturen bekannter Kicker. Ihr Wert: unschätzbar.

Heutzutage hat Panini vor allem damit zu tun, von jedem Verband und jedem Verein die entsprechende Lizenz zu bekommen. Verfügt mit moderner Bilbearbeitungssoftware allerdings auch über ein mächtiges Tool. Dessen Einsatz allerdings nicht jeder Zweck heiligt. Aber der Reihe nach.

Das aktuelle Sammelalbum zur EM 2008 ist der bisherige Gipfel der Geldmacherei. Egal, wie man es wendet: 16 Mannschaften sind keine 32 Mannschaften. Wo bei der WM vor zwei Jahren auch noch die letzte Seite mit den Spielern von Saudi-Arabien zu füllen war, feiert im aktuellen EM-Heft das vierteilige Mannschaftsbild seine Renaissance. Kein Mensch kann die unsauber geschnittenen Bildchen auch nur ansatzweise so kleben, dass alle Gesichtsteile aufeinander passen.

Damit nicht genug, jeder der acht Spielorte wird gleich mehrfach abgefeiert. Wien, Zürich, Bern, Klagenfurt, Innsbruck, Genf, Salzburg und Basel verfügen jeweils über ein eigenes Wappen, ein zweiteiliges Stadionbild und eine zweiteilige Stadtansicht. Hallo, geht´s noch? Aber es kommt noch schöner: Jedes Team wird nicht nur durch ein Wappen repräsentiert, sondern auch durch die zwei idiotischen Maskottchen Trix und Flix. Noch ein Bildchen mehr pro Team, das keiner braucht.

Dafür entschädigt aber das Photoshop-Team von Panini. Ganze Herrscharen von angehenden Mediendesigner dürfen sich hier austoben und viel Ausschuß für Photoshopped produzieren. Erster Höhepunkt, die sogennanten „In Action“-Bildchen, die es auch von echten europäischen Superstars wie Rene Aufhauser, Gökhan Inler und Sergei Iganshevich gibt. Lukas Podolski gehört auch zu den Stars „In Action“ und trägt auf seinem Bild ein Leibchen, dass die deutsche Nationalmannschaft zuletzt vielleicht in den 70er Jahren getragen hat. Mit dem aktuellen Trikot der Nationalmannschaft hat es jedenfalls nichts zu tun.

Weitere wunderbare Beispiele für die hohe Kunst der Bildbearbeitung lassen sich im gesamten Heft finden, doch nirgends so ein schönes Kunstwerk wie das Mannschaftsfoto der deutschen Nationalmannschaft. Man muss sich schon ein bisschen in dieses vierteilige Bild versenken, ehe man die Feinheiten wahrnimmt. Clemens Fritz Kopf wirkt seltsam unförmig und Mario Gomez trägt normalerweise auch nicht die Nummer 41, wie man nur eine Seite weiter auf seinem Portrait sehen kann. Richtig absurd wird die Zusammenstellung des Mannschaftsfotos allerdings erst, wenn man sich vergegenwärtigt in welcher Aufstellung der zukünftige Europameister auf diesem Bild abgebildet ist:

Im Tort steht Jens Lehmann, die Abwehrarbeit teilen sich Per Mertesacker, Clemens Fritz und Philipp Lahm, im Mittelfeld tummeln sich Schneider, Schweinsteiger, Hitzelsperger und Ballack, während vorne drin Klose, Gomez und Kuranji stürmen. Hat Deutschland jemals in dieser Formation gespielt? Ich glaube nicht!

Wie dem auch sei, ich will mein Album trotzdem komplett haben und firmiere deshalb unter www.stickermanager.de unter dem Kampfnamen flobo. Wer also tauschen möchte, schicke mir eine Anfrage. 173 Bildchen brauche ich schließlich noch.

Bild: www.stickerfreak.de

Über den Autor: esleben

Verrät als Freiburg-Fan Heimat wie auch Elternhaus und trinkt ansonsten ausschließlich Veuve Clicquot. Wer wohnt schon in Düsseldorf? Mehr über Esleben auf Google+

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