Samstag, 9.2.2008, 14.20 Uhr. Noch immer beseelt von der grandiosen Siegesserie meiner Eintracht erliege ich dem Angebot des Gurus und folge selbigem ins Bochumer Ruhrstadion. Die Grundvoraussetzungen sind perfekt: Der Klimawandel zeigt sich von der freundlichen Seite, die Lust auf Bier und Wurst im Stadion ist greifbar, Cottbus riecht nach zweistelligem Sieg für den Gastgeber. Ein netter Spaziergang durch den Stadtpark, Karte gekauft. Alles ist bereitet. Was dann folgte, spottet jeder Beschreibung.
Allenthalben liest und hört man vom schlechten Niveau der Bundesliga. Dass diese Unkenrufe ihre Berechtigung haben, wurde vom ersten Moment der Partie zwischen dem VfL Bochum und Energie Cottbus deutlich.
Im Gegensatz zur klassisch-hörigen Berichterstattung der Liga-Prostituierten namens „Sportschau“ ist ein 3-3 nämlich nicht automatisch ein tolles, unterhaltsames Spiel. Im Gegenteil, wir wurden Zeugen des allerletzten Dreckskicks.
Wie schlecht gezeichnete Fußball-Comic-Figuren stolperten die 22 Akteure von der ersten Minute an über die grüne Wiese des städtischen Stadions. Null Inspiration, nicht ein einziger gelungener Angriff über 90 Minuten. Desolat willkürlich-zufälliges Rumgepöhle. Hätte man mir erzählt, es sei ein Kreisligaspiel, ich hätte es geglaubt.
Dass es dennoch zu 6 Toren kam, mag auf den ersten Blick verwunderlich anmuten. Aber auch nur auf den ersten. Denn im Gegensatz zu sonstigen Spielen vergleichbaren Ausmaßes, zog sich die Konfusion auch durch beide Abwehrreihen. Vogelwild ist das Stichwort, Ingo.
Nachdem das erste Tor für den VfL wenigsten ehrlicherweise ein Eigentor war, stellten alle weiteren nur verlogene Surrogate dar. Selbst tun musste keine Mannschaft etwas, um eine Bude zu machen, das übernahm gerne die gegnerische Verteidigung. Alles war dabei: Rumhampelnde Torleute, lächerliche beim Gegner ankommende Querpässe in der eigenen Hälfte, Querschläger. Zeitweise hatte man fast den Eindruck, die Spieler wollten das Publikum verhöhne(r)n.
Übrigens habe ich auch endgültig den würdigen Nachfolger Jeff Strassers entdeckt: Es gibt keinen nicht mal ansatzweise einleuchtenden Grund, wieso Kicker wie Marcel Maltritz in der Bundesliga spielen dürfen. Hätten die Bochumer nicht das Glück, mit Yahia einen richtig guten Mann an dessen Seite zu haben, man wäre vermutlich jetzt schon rechnerisch abgestiegen. Denn besagter Yahia macht einen Job für zwei: Seine eigene Aufgabe erledigen und nebenbei noch die hanebüchenen Pass- und Stellungsfehler seines Nebenmannes ausbügeln. Respekt für Yahias Einstellung, diesen Widrigkeiten zu trotzen. Nur gegen eines kann er nichts tun: die absolut vollblinden langen Schläge Maltritz’ wahlweise ins Aus, zum gegnerischen Torwart oder auf das von zwei gegnerischen Verteidigern umstellte Kopfballungeheuer Mimoun Azouagh.
Aber genug des Rumhackens auf Maltritz, da waren noch ganz andere Kandidaten in der Verlosung. So musste ich herzhaft darüber lachen, dass ausgerechnet Benny Auer die Hütte zum 3-1 machen durfte, der bis dahin immer nur rumstand und jeden gelungenen Pass über zwei Meter verweigerte. Sowohl im Abspiel wie auch in der Ballannahme. Hier auch eine Parallele zur Abwehr: Wie muss sich ein Mann wie Sestak fühlen, der auch an eher mauen Tagen wie heute stets bemüht ist und wenigstens kämpferischen Einsatz zeigt, wenn er neben solch einer personifizierten Kicker-Note 6 agieren muss?
Es mag sein, dass Cottbus hier in diesem Artikel viel zu gut wegkommt. Das liegt aber daran, dass ich nur einen Spieler dieser Truppe kenne, mich auch nach heute an keinen anderen erinnere und diesen Umstand auch sehr begrüße. Die selben Lächerlichkeiten, die Bochum über 90 Minuten bot, ließen sich nämlich beliebig per paste & copy auch auf Cottbus übertragen. Null Inspiration, null Spielintelligenz und dazu Ervin Skela, bekanntlich ein ganz großer Sympath des Fußballs.
Normalerweise gehen Spiele wie das Heutige 0-0 aus, weil sich beide Clubs in ihrer „Leistung“ neutralisieren. Das Groteske des Samstagnachmittags wurde nur verstärkt durch die 6 Tore und die Tatsache, dass der Gastgeber sich selbst noch eine 3-1 Führung verhagelte. Einen Sieg hätte heute niemand auf dem Platz verdient.
Bester Mann auf dem Platz war übrigens – neben den Bochumer Fans, die trotz des miesen Kicks eine den Umständen entsprechend hervorragende Leistung boten – Babak Rafati. Zum vermutlich ersten Mal in seiner Karriere. Noch Fragen?
Fußball ist ein toller Sport, der Herzen erwärmt. Manchmal ist er aber auch böse und kalt. Heute habe ich mal wieder die Schlechtigkeit des Spiels gesehen. Live und in Farbe. Da kann die Sportschau erzählen, was sie will.
Über den Autor: Goldschuhe aus
Agent provocateur erster Güte. Ansonsten Misanthrop und Eintracht Frankfurt-Fan. Frisur: vorhanden.
Unterschreib ich zu hundert Prozent. Das war das schlechteste Spiel, was ich seit langem gesehen habe. Viel mehr muss man gar nicht mehr hinzufügen. Naja, immerhin war das Wetter gut und das Fiege schmeckte auch.
Eins aber noch: Wie kommt Koller eigentlich dazu, Zdebel, Dabrowski und Imhof zusammen spielen zu lassen. Da hat man doch schon nominell im Mittelfeld die personifizierte Unkreativität und Biederkeit.
Es kann ja wohl nicht sein, dass nicht ein einziges Mal Tempo über die Flügel gemacht wurde. Warum spielen da ein Grote oder ein Fuchs nicht? Es mutet geradezu lächerlich an, dass Sestak öfter auf den verwaisten Flügel ausweichen musste, um wenigstens für ein wenig Unruhe zu sorgen. Was soll der Mann denn noch alles machen?
Und noch ein Wort zu den Außenverteidigern: Wenn schon das Mittelfeld nach vorne – und zwar spielerisch wie auch läuferisch – so eklatante Schwächen aufweist, warum bequemt sich dann nicht mal einer von den Herren Pfertzel und Bönig etwas nach vorne, um wenigstens der Rolle eines modernen Außenverteidigers nur im entferntesten nahezukommen?
Ein spielerischer Offenbarungseid. Grüße gehen raus an Moritz Fiege.
Also, ich wäre lieber bei einem 3:3 mit vielen Schwächen im Stadion, als bei einem 0:0 nach beidseitiger taktischer Meisterleistung.
Du warst nicht da. Lass Dich nicht von dem Ergebnis blenden. Es war indiskutabel.
Ja und? Wenn ich zu Bochum-Cottbus gehe, erwarte ich eh nicht Fußball vom Feinsten. Dann will ich Buden sehen. So viele wie möglich. Und anscheinend haben die Mannschaften das beide beherzigt.
Ich glaube, man kann das nicht verstehen, wenn man nicht dagewesen ist. Ich hätte gern ein 0:0 und dafür ein etwas besseres Spiel gesehen.
Nach dem Spiel kann man auch endlich mal sagen, dass es völliger Quark ist, die Bundesliga im europäischen Vergleich dafür zu loben, dass pro Spiel mehr Tore als in Spanien oder England fallen. Denn wie man gesehen hat, sagt das über das Spiel rein gar nichts aus.
@Vollspann!: Schon aufgeregt?
@4: Nee. Das waren keine Buden. Das waren absolute Stümpereien. Keine Mannschaft hatte es verdient, auch nur einmal jubeln zu dürfen. Das war nicht einfach ein normal-mieses Spiel der Bundesliga-Unterklasse. Das war sehr, sehr viel schlimmer.
Zumindest von Sestak war es schön gemacht. Und beim 1:2 von Cottbus war der Pass auch einigermaßen gut in die Tiefe gespielt. Alles andere waren Quatsch-Tore.
@7: Naja, aber vor dem Sestak-Tor bolzt der Verteidiger ihn völlig uninspiriert an und bei dem Cottbus-Tor steht der Junge halt völlig frei. Ich bleibe dabei: Man konnte sich nicht mal an den Toren erfreuen, sondern selbst die waren albern.
Vielleicht bin ich auch nur fröhlich, weil ich an Spieltag 19 endlich meine ersten beiden Stürmertore in beiden Kicker-Teams feiern durfte. ;-) Koller und Sestak habe ich ja in der Winterpause verpflichtet.
Und klar bin ich schon extrem nervös. Gleich geht es auf nach DO.
@9: Sestak war in der Winterpause zu haben? Welcher Schwachmat hat denn den verkauft?
So, ich war auch im Stadion zugegen und saß sogar direkt neben Trainerlegende Rolf „Wurzelbürste raus“ Schafstall!
Selbst diverse Fiege-Pilsetten vor dem Spiel und in der Halbzeitpause konnten den Kick des Grauens nicht verschönern. Das war wirklich hahnebüchen.
Ich weiß nicht, ob Cottbus nicht besser kann – dazu sehe ich das Team zu selten. Aber was ich da von Bochum gesehen habe, ließ einem wirklich das Blut in den Adern gefrieren.
1 guter Spielzug im gesamten Spiel, der auch prompt zu einem Tor führte. Ansonsten war das nix, aber auch gar nichts. Rolf und ich saßen da und wussten nicht weiter. Zumal allein Zdebel und Lastuvka Cottbus im Spiel hielten. Bochum braucht ganz ganz dringend einen neuen Torhüter, die Aktion vor dem 3:2 war ja wirklich einzigartig panne. Da stehen zwei Bochumer direkt bei dem heruntersegelnden Ball, kein Cottbusser weit und breit und Lastuvka handlegasthenikerte den Ball zu Skela. Da kann man noch nicht einmal mehr wütend sein, da ist man nur fassungslos und voller Mitleid.
Bochum kann froh sein, dass es in der BuLi mindestens vier Teams gibt, die einen noch schlechteren Kader haben. Normalerweise müssten die mit einer solchen Leistung im Abstiegsstudel stecken.
Naja, nach dem Spiel wurde konsequenterweise der VIP-Bereich leergetrunken, bevor das Spiel dann endgültig in der Pinte gelöscht wurde.
Warum sich keiner der Herren dort blicken ließen, bleibt fraglich. Stattdessen gehen sie nach Hause und verfassen abends noch einen solchen Artikel. Das verstehe, wer will.
@13: Alter, ich wusste nicht, dass du in der Pinte bist. Ich wäre echt noch gekommen; ich saß nämlich zuhause. Sag halt Bescheid!
@14: Alter, sagt Dir das Wort „selbstverständlich“ irgend etwas?
@11: Bei Interactive…
Fuck.
@13: Ich wusste ja nicht, dass sich das Jubiläum nicht über mehrere Tage hinzieht. Sag halt wirklich mal Bescheid…
Jajaja, war auch eh spontan im Stadion, da noch Karten übrig waren und das Wetter so geil war.
Die Pinte ist aber nicht mehr dieselbe irgendwie. Man muss das Pils jetzt immer und immer wieder aktiv bestellen…
Dann müssen wir das in Zukunft mit dem diensthabenden Wirt ausmachen, dass er uns immer ohne Aufforderung ein neues hinstellen soll.
Habe ich schon versucht, das kapiert die nicht. Vielmehr hat man immer das Gefühl, die hätten angst, dass wir mit unseren vollen Deckeln einfach abhauen…..
Übrigens: Schönes Interview mit Borowski:
http://www.tagesspiegel.de/sport/Nationalmannschaft;art272,2473732
@21: Naja, Herr Goldschuhe weigerte sich zumindest einmal, die von ihm getrunkene Menge anzuerkennen. Da ist der Schritt zum Wegrennen nicht mehr groß. ;-)
@23: Ich habe sie zwar nicht anerkannt, aber bezahlt. Wenn der Don mir seine Pils auf meinen Deckel mogelt, kann ich ja auch nichts dafür…;-)
@24: Wenn Du es einem aber auch so einfach machst…:-)
Sicherlich gehörte der gestrige Nachmittag nicht zu den Höhepunkten meiner bisherigen Ruhrstadion-Karriere. Ich möchte aber jetzt nicht pauschal den Stab über allen Beteiligten brechen, die maßgeblichen Akteure der spielentscheidenden „individuellen Fehler“ wurden ja auch schon von Don und Goldschuhe aus benannt.
Interessant allerdings die Live-Berichterstattung vom Bayern/Bremenspiel am Sonntag auf WDR2. Der beflissene Kommentator wurde nicht müde auf die Pomadigkeit des „angeblichen Spitzenspiels“ hinzuweisen, um in Folge dessen eine Partie wie Bochum-Cottbus in puncto Spielkultur als klar überlegen anzupreisen.
Vom Bayern/Bremenspiel konnte ich mir noch kein Bild machen, von Bochum/Cottbus jedoch hinreichend.
@26: Dessen Drogen hätte ich auch gerne. Auch ohne das Spitzenspiel gesehen zu haben, wäre selbst ein Vranjes in unterirdischer Form bei Bochum-Cottbus ganz locker Man of the Match geworden…
Pomadig war das Spitzenspiel, ein „ordentliches Bundesligaspiel“ (alle Sportstudio-Kommentatoren) war es aber dann doch. Einen direkten Vergleich zu Bochum-Cottbus habe ich allerdings nicht.