#finale – ein Twörspiel

Wir werden Stars! Wird unser Twitter-Gezwitscher inzwischen doch als Material für Hörspiele verbraten (Okay, einer unserer Tweets, aber immerhin…). Reeses Sportkultur, dessen Lektüre wir jetzt hier mal uneingeschränkt empfehlen, hat sich nach dem EM-Finale mit ein paar Kumpels zusammengesetzt und aus der Masse der Final-Tweets ein Hörspiel gebastelt, dass – aufmerksame Leser werden es sich schon denken können – komplett aus Tweets besteht. Dass das durchaus seinen Witz und noch mehr seine Berechtigung hat, weil quasi: Kunst, dürfen sich unsere Web 2.0-Skeptiker Buxe und „Goldschuhe aus“ mal hinter die Ohren schreiben. Für Menschen wie den Don, die sich immer noch hauptsächlich in Foren herumtreiben und ein Handy ohne Farbdisplay ihr eigen nennen, kommt eh alles zu spät.

Langer Rede kurzer Sinn, wer unseren Epoche machenden Beitrag zu „#finale – Quelle: Fremdmaterial“ hören möchte, sollte die gesamten 13 Minuten durchhalten, wir kommen erst ganz zum Ende hin, dann aber gewaltig, weist unser Tweet doch mal wieder auf das hin, was uns auszeichnet. Nein, nicht fußballerische Expertise, sondern der Blick fürs große Ganze, in die Zukunft über das rein sportliche des Fußballs hinaus. Ja, ich möchte gar politische, zumindest tiefenpsychologische Bezüge in unserem Beitrag erkennen.

Was machen wir jetzt nur ohne Oceana, Linkin Park und die Usedomina?

Wer auf solche Einlassungen zukünftig nicht verzichten möchte, der kann uns auf Twitter unter @5freundeabseits folgen, da wird zwar eher unregelmäßig gezwitschert, zumeist bei wichtigen Spielen, dann aber auch im Sekundentakt. Mehr Infos, wie die verwendeten Tweets, zum wirklich gelungenen „Twörspiel“ von Reeses Sportkultur gibt’s hier.

#final – Quelle: Fremdmaterial

Bild: fihu/flickr.com

Über den Autor: esleben

Verrät als Freiburg-Fan Heimat wie auch Elternhaus und trinkt ansonsten ausschließlich Veuve Clicquot. Wer wohnt schon in Düsseldorf? Mehr über Esleben auf Google+

Spanische Fairness

Eigentlich wollten wir uns jetzt endlich um die 50. Bundesligasaison kümmern, welche die DFL seit heute mit einem von Schneider 1 handgeklöppelten Videotrailer bewirbt, doch das fußballerische Ereignis des Sommers, namentlich die Endrunde der Europameisterschaft alias EM 2012, lässt uns noch nicht los.

Im spanischen Fußball pflegt man ein  besonderes Verhältnis zur Fairness und zum Respekt vor dem Gegner. Das führt bisweilen zu grotesken Situation, wenn zum Beispiel der FC Barcelona im Bernabeu für Real Madrid Spalier stehen und klatschend zur Meisterschaft gratulieren muss. Andere Vereine wie Espanyol Barcelona haben – vielleicht auch deshalb, wir können nur mutmaßen – vor einigen Jahren jeglicher Fairness in punkto „Ball ins Aus schießen bei Verletzungen“ eine Absage erteilt. Offenbar macht das Beispiel von Espanyol langsam Schule, denn  nicht nur bei der EM war zu beobachten, dass weitergespielt wird, bis der Schiedsrichter die Partie unterbricht.

Was der spanische Welttorhüter Iker Cassilas im Finale der EM gemacht hat, ist entweder die ganz alte Schule der Fairness, die ihm der „Lehrmeister der Demut“ Vicente del Bosque (Sprich man den eigentlich Bosk aus, Herr Bartels?) vermittelt hat, oder unfassbare Arroganz. Ich tendiere zu ersterem, denn Casillas hat sich in der Vergangenheit keinen Ruf als unfairer Sportsmann erarbeitet. Trotzdem ist die nett gemeinte Geste dank der Gedächtnismaschine Internet inzwischen bestimmt auch in Italien Gesprächsthema. Leider ist mein Italienisch zu schwach, ergo mit Pizza, Pasta und „zwei Espressos“ erschöpft, um die Reaktionen der italienischen Öffentlichkeit zu recherchieren. Ich hoffe, sie fassen sie als das auf, was sie ist: eine dieser wunderbaren Geschichten, die einem selbst im durchkommerzialisierten Spitzenfußball noch an das Gute im Menschen glauben lassen. Hier die Szene in ihrer ganzen epischen Pracht:

Foto: Alfonso Jimenez/flickr.com

Über den Autor: esleben

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Die Leiden des jungen Schweinsteigers

Bevor die deutsche Nationalmannschaft überhaupt eine Minute gespielt hat, steht die erste Enttäuschung des Turniers bereits fest: Bastian Schweinsteiger wird auch diesmal wieder genau dann keine Leistung zeigen, wenn es darauf ankommt. Denn, Schweinsteiger ist gnadenlos überschätzt und versagt in wichtigen Spielen in einer fast schon beängstigenden Regelmäßigkeit. Seine Reputation als Fußballspieler beruht in erster Linie auf einem Missverständnis beziehungsweise Blendung: Gute Leistungen ruft der Mittelfeldakteur immer nur dann ab, wenn das Spiel von geringer bis mittlerer Bedeutung ist.

Meine Aussagen nähren sich dabei nicht von Hass (im Gegenteil, ich finde Schweini sogar fast sympathisch), sondern von einem Blick in die Geschichstbücher des jüngeren, deutschen Fußballs. Ich denke wir sind uns einig, wenn ich sage, dass herausragende Fußballspieler ihre Leistung sowohl für ihre Nationalmannschaft als auch für ihren Club „abrufen“ und sie ihr Team mit dieser Leistung „am Ende des Tages“ auch zu Titeln führen. Zwei exemplarische Spiele zeigen, dass Schweinsteiger hierzu nicht in der Lage ist.

WM 2006: Ganz Deutschland ist geil. Bis ins Halbfinale hat sich der Stahlhelm haben sich Klinsis Recken gekämpft und sollten doch am späteren Weltmeister Italien scheitern. Schweinsteiger, der bis dahin ein eher mittelmäßiges Turnier spielte, wird spät eingewechselt. Jedoch geschieht der Wechsel noch früh genug, um ihm die schlechteste Kicker-Note des Spiels einzuhandeln. Im wichtigsten Spiel des Turniers zeigt er keine Leistung. Vier Tage später kommt es im, vollkommen bedeutungslosen, Spiel um Platz drei zum Duell mit Portugal. Schweinsteiger blüht auf, schießt zwei Tore, wird Spieler des Spiels. Scheinbar kann er seine beste Leistung nur dann ‚bringen‘, wenn er keinen „unmenschlichen Druck“ (O. Kahn) verspürt. Ein ähnlich frappierender Leistungsunterschied zwischen Halbfinale und Spiel um Platz drei ließ sich übrigens auch beim letzten Weltmeisterschaftsturnier beobachten.

Aber springen wir ins Jahr 2012: Die Champions League, die „Königsklasse“, das Turnier um die wertvollste Clubtrophäe der Welt. Die Bayern besiegen im Halbfinale Real Madrid und dürfen das ersehnte Finale im eigenen Stadion bestreiten. Gefeierter Star des Spiels: Bastian Schweinsteiger, der sich, leicht verletzt, durch 120 Minuten Fußball kämpft und dann denn entscheidenden Elfmeter verwandelt. Soweit eigentlich eine Geschichte, die meiner These widersprechen würde. Hätte es da nicht eben jenes Finale gegen den Chelsea FC gegeben. Wieder kommt es zum Elfmeterschießen. Und was macht Schweinsteiger? Er versagt erneut und setzt den vielleicht wichtigsten Elfmeter seiner Karriere ans „Aluminium“.

Auch Dirk Nowitzki galt in der NBA als sehr guter Spieler, dem jedoch etwas Entscheidendes fehlte: ein Titel. Letzte Saison konnte er diese Scharte endlich auswetzen, im beinahe schon hoch zu nennenden Sportleralter von 33 Lenzen. Wie lange wird Schweinsteiger dazu brauchen? Und, wird er es überhaupt jemals schaffen?

Über den Autor: schneider3

Mildernde Umstände aufgrund familiärer Vorschädigung durch zwei dominante Brüder. Normalerweise erlebt das Weißbier bei ihm das Mittagsläuten nicht. Kaiserslautern-Fan. Weiß der Teufel, warum.

Wenn nicht nur Roger Cicero scheitert…

Autsch! Als mich die Nachricht erreichte, dass 2012 Roger Cicero den „Xaver“ Naidoo für das DFB-Team macht, schrillten schon alle Alarmglocken in meinem musikalisch etwas sensibler eingestellten Hirn. Der Schmalspur-Swinger, der Big Band-Herzensbrecher aller Sekretärinnen und Fußball – wie soll das zusammen passen? Ganz abgesehen von der Frage, ob Cicero überhaupt eine Verbindung zum Fußball hat (nicht dass es mich interessieren würde), krankt sein Song in fast allen Momenten und versucht sich mit Taschenspielertricks ins Ziel zu retten. Doch der Reihe nach:

„Für nichts auf dieser Welt“ ist noch keine zwei Minuten Sekunden alt und schon ist die Stimmung am Boden. „Sie reden vom Scheitern“ ist die erste Zeile eines Songs, der das DFB-Team bis ins Finale nach Kiew tragen soll. Vergiss es! Da kann Oliver „Dressman“ Bierhoff noch so lange dem Sinatra-Imitanten Honig ums Maul schmieren:

„Der Text des Songs ist wie geschaffen für den Anlass. Die Musik hat einiges mit der Spielweise unserer Mannschaft gemein: Kreativität, Spielfreude und unbändige Energie – das sind Eigenschaften, die das Team auf den Platz bringt, und genau die gleichen bringt Roger Cicero mit seiner Band auf die Bühne.“

Ganz ehrlich: Wenn Löws Truppe so spielt, wie Cicero singt und „swingt“, dann ist das Team mit dem frühzeitigen Vorrundenaus noch gut bedient. Denn: Cicero traut seinem Song selbst nicht über den Weg. Und setzt stattdessen auf den ältesten Trick, mit dem man selbst in der wenig zimperlichen Bild-Redaktion nur in Ausnahmefällen ankommen darf: Kinder. Im konkreten Fall ein Kinderchor, der Cicero im „Refräng“ (Goldschuhe aus) unterstützt. So weit, so peinlich, hört der „Refräng“ (ebd.) zudem auf die Worte: „Für nichts auf der Welt, geb ich uns verloren, an Tagen wie diesen werden Sterne geboren!“

Hört sich irgendwie verdächtig nach dem Song an, den Die Toten Hosen um den berufsjugendlichen Sänger, der inzwischen eigentlich Paradiesfrüchte heißen müsste, für den Aufstieg ihres Leib- und Magenvereins geschrieben haben. Und der bei allen Ressentiments, die ich gegen diese Band hege, auch ohne offizielle DFB-Anerkennung das Rennen in Sachen „EM-Song der Herzen“ für sich entscheiden wird. Immer noch besser als Oliver Pocher, der an seinen WM-Song nahtlos eine Karriere als Fußballexperte im TV angeschlossen hat. Dass der DFB um Oliver Bierhoff, dem ich bei dieser Wahl die Prokura in die Schuhe schieben möchte, damit nicht weniger desolaten Musikgeschmack beweist wie ZDF oder die UEFA, hilft auch nicht wirklich weiter. Wo ist eigentlich DJ Asamoah, wenn man ihn braucht?

Über den Autor: esleben

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FC Zestafoni: Die georgische Provinz in Europa

Unser Korrespondenten-Netz erstreckt sich auch in Zeiten von „online“ über den ganzen Erdball. Diesmal berichtet Gastautor BizDanIshVili aus Georgien:

Ungewöhnliche Situationen erfordern ungewöhnliche Maßnahmen. Und da für mich der Besuch eines Euro-League-Qualispiels des sagenumwobenen FC Zestafoni in Tifils eine solch ungewöhnliche Situation darstellt und es dazu noch ein ziemlich außergewöhnliches Spiel werden sollte, lass ich mich (der sonst ausschließlich per Brieftaube mit der Außenwelt kommuniziert) hiermit auch mal zu einem Blogbeitrag hinreißen.

Der FC Zestafoni ist in der vergangenen Saison erstmals georgischer Meister geworden – keine ganz schlechte Leistung für ein Kaff mit 26.000 Einwohnern in der Nähe von Kutaisi, das selbst dem Lonely Planet keine Erwähnung Wert ist. Allerdings sieht man sich offensichtlich nach der Meisterschaft selbst nicht (mehr) als Underdog und war aufgrund des denkbar knappen Scheiterns in Champions-League-Quali gegen Sturm Graz (1:1; 0:1) so enttäuscht, dass der Meistertrainer kurzerhand das Handtuch warf. Die Qualifikation für die Euro League-Gruppenphase wurde also ohne Trainer angegangen.

Das Spiel wurde, vermutlich aufgrund von UEFA-Regularien, im Boris-Paitschadse-Stadion des georgischen Rekordmeisters Dinamo Tiflis ausgetragen. Eine riesige Sowjet-Betonschüssel aus den Siebzigern (hieß damals natürlich Wladimir-Iljitsch-Lenin-Stadion), das von außen nach mehr als 55.000 Plätzen aussieht. Das Zentral-Stadion Zestafoni mit seinen 8.000 Plätzen wird dagegen wahrscheinlich kaum für europäische Wettbewerbe zugelassen sein. Und da man sich in Georgien vor allem für Rugby interessiert, muss man sich auch für Spiele in europäischen Wettbewerben nicht frühzeitig um Karten kümmern. Und so kamen wir zehn Minuten vor Anpfiff am Stadion an, um uns Karten zu besorgen. Glücklicherweise war ich in Begleitung von Menschen mit Lokalkompetenz unterwegs, denn die Verkaufsstellen – winzige Löcher in der Stadionwand, die von anstehenden Menschen verdeckt wurden – hätte ich niemals gefunden. Die Karten für 5 Lari (etwa 2 Euro) mussten in dieser georgischen Schlange, die eher als Rudel mit Faustrecht zu bezeichnen ist, allerdings auch erst mal erkämpft werden. Pünktlich zum Anpfiff betraten wir aber dennoch das ehemals drittgrößte Stadion der Sowjetunion, um uns ein Bild von der Konkurrenzfähigkeit des georgischen Fussballs zu machen.

Gegner des FC Zestafoni war/ist der glorreiche FC Brügge, aktueller Tabellenführer der belgischen „Jupiter League“ und 13-facher belgischer Meister, dem die Region noch aus der vorherigen Runde bekannt ist. Da setzte man sich nämlich gegen den FK Karabakh Agdam aus Aserbaidschan durch (4:1; 0:1). Auf der einen Seite also ein westeuropäischer Traditionsclub (Gründung 1891), der in den Siebzigern sowohl im UEFA-Cup als auch im Pokal der Landesmeister das Finale erreichte und in den 2000er Jahren immerhin schon dreimal in der Champions League gespielt hat. Und auf der anderen Seite ein 2004 auf von dem Besitzer des Stahlwerks Zestafoni gegründete georgische Provinzclub, der ohne seinen besten Spieler antrat. Denn die Mannschaft von Zestafoni hatte Buba Daushvili nach Bekanntwerden seines bevorstehenden Wechsels nach Lemberg sofort aus der Mannschaft geworfen, obwohl er noch bis Saisonende für Zestofoni hätte spielen können. Über die Frage, wem in diesem Duell die Favoritenrolle zukam, muss man daher wohl nicht lange diskutieren.

Und exakt so begann das Spiel auch. Es war hinsichtlich taktischer Disziplin und technischen Fähigkeiten doch ein deutlicher Unterschied zwischen den Teams auszumachen, der nach einer kurzen Abtastphase zu einer Reihe sehr guter Torchancen für den FC Brügge führte. Beim FC Zestafoni konnte man die Abwesenheit eines Trainers deutlich spüren, z.B. wenn sich etwa Spieler der Mannschaft nach einem Fehlpass lieber gegenseitig die Meinung sagten, als den nun ballführenden Spieler des Gegners zu attackieren. Kurz: die Führung für den FC Brügge schien eine Frage der Zeit und kam dann auch in Form eines Doppelschlags in der 27. und 31. Minute. Der nigerianische Nationalstürmer Joseph Akpala (15) – auch sonst überragender Mann auf dem Platz – erzielte den ersten Treffer und der isrealische Neuzugang Lior Rafaelov (8) legte wenig später nach.

Die bislang mäßige Stimmung im mäßig gefüllten Stadion kippte nun vollends. Bereits zuvor hatte man gemerkt, dass nur wenige wirkliche Anhänger des FC Zestaponi den Weg nach Tiflis auf sich genommen hatten und die meisten Zuschauer eher des Spektakels wegen gekommen waren. Sofort nach dem 0:2 wurde das durch laute „Dinamo, Dinamo“-Rufe deutlich. Der Provinzclub wurde von den Haupstädtern jetzt nur noch belächelt. Die Spieler antworteten mit teils aberwitzigen Fehlpässen, vom Publikum mit höhnischem Applaus quittiert. Nach einem besonders miesen Spielzug des FC Zestaponi verließ die komplette Reihe vor uns, aufgrund einer wohl ausgiebigen nullten Halbzeit wankend und schimpfend, das Stadion (im Stadion gibt es keinen Alkohol, was von einem Großteil des Publikums offensichtlich durch intensives Vorglühen kompensiert wurde).

Diese Atmosphäre führte dazu, dass niemand – inklusive der Spieler beider Mannschaften – den FC Zestafoni noch ernst nahm und so vertändelte der FC Brügge noch vor der Pause eine Reihe von Torchancen, die für ein 5:0 oder 6:0 zur Pause ausgereicht hätten. Dementsprechend fielen dann auch unsere Halbzeitprognosen des Endergebnisses aus: sie reichten von 4:1 bis 5:0 für den FC Brügge.

Als wären sie fest entschlossen, unsere Prognosen zu bestätigen, spielten die jetzt komplett lustlos wirkenden Spieler von Zestafoni den Anstoß zur zweiten Halbzeit gleich mal direkt zum gegnerischen Torwart. Allerdings erst im zweiten Versuch. Dann wie auch schon beim Anstoß nach dem 0:2 wurde dieser erstmal falsch ausgeführt, wie auch diverse Einwürfe von Zestafoni abgepfiffen werden mussten. Weiterhin gab also Brügge den Ton an, weiterhin vergaben sie hundertprozentige Torchancen auf teilweise lächerliche Art und Weise. Das Spielt hatte nun den Charakter einer Katerkicks am Sonntag im Park. Besonders deutlich wurde das am Kapitän des FC Zestafoni, Tornike Aptsiauri, dem man einen leichten Hang zur Selbstdarstellung nachsagen kann. Die Nummer 55 auf dem Rücken, hielt sich dieser technisch mit Abstand beste Spieler der Georgier an keinerlei taktische Vorgaben (gab es aufgrund der Abwesenheit des Trainers ja vermutlich auch nicht): er wechselte die Seiten nach Lust und Laune (immer riesige Lücken hinterlassend) und spielte ausschließlich mit Außenrist und Hacke.

So plätscherte das Spiel unaufgeregt und unattraktiv vor sich hin und die Zuschauer konzentrierten sich auf das Kauen von Sonnenblumenkernen oder auf ihre Planungen für die dritte Halbzeit – bis zur 59. Minute. Da führte ein erstaunlich durchdachter und gut ausgespielter Spielzug zum 1:2 Anschlusstreffer durch Zestafoni-Stürmer Gelashvili (9). Plötzlich doch ein Hauch von Stimmung und Hoffnung im Stadion, doch so recht traute noch niemand dem Ganzen. Gelashvili feierte sein Tor komplett ohne die Mannschaftskameraden und auch die Zuschauer waren eher ungläubig als euphorisiert – zu deutlich war der Klassenunterschied bislang gewesen. Aber den FC Brügge schien das Tor etwas aus der Bahn zu werfen und so spielte plötzlich nur noch der FC Zestafoni. Insbesondere Kapitän Aptsiauri (55) und der mit Abstand schlechteste Mann der ersten Halbzeit, Shota Grigalashvili (13), leiteten nun aus dem Mittelfeld einige gut aussehende Angriffe ein. Und einer dieser Angriffe führte dann in der 65. Minute zum Ausgleich, der ein Fall für das Tor des Monats wäre, wenn dieses Spiel denn jemand in Deutschland gesehen hätte. Der bislang nur in Sachen Hauptbehaarung, Gestik und Eigensinnigkeit an Arjen Robben erinnernde Djaba Dvali (11) wurde am Sechzehner schön angespielt und hielt aus der Drehung aus 20 Metern einfach drauf. Dabei gelang ihm ein wahnsinniges Geschoss, das am rechten Innenpfosten landete und von dort im Tor. Der belgische Torwart konnte nicht mal zucken.

Das Stadion schien plötzlich zu platzen. Binnen Sekunden wurden die gelangweiltesten Dinamo-Anhänger zu glühenden Zestafoni-Fans und im Stadion kam jetzt eine wirklich euphorisch-aggressive Stimmung auf. Und der FC Zestafoni ließ sich davon nach vorne peitschen und spielte zielstrebige und präzise Angriffe, die kein Zeitzeuge der ersten Halbzeit je für möglich gehalten hätte. Gute Einwechslungen belebten das Spiel zusätzlich, vor allem der junge Alex Benashvili (7) leitete über die rechte Seite viele Angriffe ein und schlug ziemlich gefährliche Flanken.

Mitten in diese Drangphase schlich sich aber eine völlig unnötige Disziplinlosigkeit in Form eines absichtlichen Handspiels, das zu einem Freistoß für Brügge aus gefährlicher Distanz führte. Und wie es so oft ist, resultierte aus der Freistoßflanke ein Gewühl im Strafraum, aus dem Carl Hoefkens in der 73. Minute das 2:3 für Brügge erzielte. Auf das gesamte Spiel gesehen, bis dahin vielleicht noch ein gerechter Zwischenstand, aber in dieser Phase völlig unverdient. Dementsprechend ernüchtert war das zuvor lärmende Publikum und es wurde kurz vollkommen still. Dann aber war die Reaktion vollkommen anders als nach dem letzten Tor: anstatt sich mit „Dinamo, Dinamo“-Rufen vom georgischen Team zu distanzieren, wurde es jetzt weiter angefeuert: „Zestafoni, Zestafoni!“. Das Team hatte sich die Unterstützung des Publikums mittlerweile verdient.

Und dementsprechend spielte es auch nach dem Gegentor weiter wie zuvor und kam zu etlichen guten Torchancen. Eine davon führte dann zehn Minuten später zum mittlerweile verdienten Ausgleich. Kapitän Aptsiauri (55) flankte von rechts scharf vor das Tor, Torjäger Gelashvili (9) nahm den Ball gut runter und erzielte per Flachschuss aus der Drehung das 3:3. Danach blieben mit Nachspielzeit noch etwa zehn Minuten, die weiterhin vor allem Zestafoni bestimmte und auf den Siegtreffer drängte. Das führte aufgrund der teilweise undisziplinierten Defensivarbeit zu dem einen oder anderen Konter der Belgier, aber Torwart Kvaskhvadze (89) musste nur einmal parieren. Zestofoni konnte noch einige gefährliche Flanken in Richtung Brügger Tor schlagen und hätte mit etwas Glück den Siegtreffer erzielen können, aber am Ende blieb es beim gerechten 3:3 nach zwei vollkommen unterschiedlichen Halbzeiten.

So würde dem FC Zestafoni nächste Woche ein 1:0-Sieg in Brügge zur sensationellen Qualifikation für die Gruppenphase der Europe League reichen, den ich der Mannschaft von Herzen gönnen würde. Allein mir fehlt der Glaube…

Über den Autor: schneider3

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Zur Einstimmung aufs Pokalfinale

Sollte der MSV Duisburg heute Abend sein insgesamt viertes Pokalfinale „sieglos gestalten“ (kicker), wäre der Verein alleiniger Rekordhalter in der wichtigen Kategorie verlorene Pokalendspiele. Und an dieser Stelle muss ich dann tatsächlich mal das DSF Sport1 loben, das kurze Special zu der Meidericher ersten Pokalfinale ist nämlich äußerst gelungen ausgefallen. Die ersten Ultras bei Minute 2:08, ein Kommentator, der sich für keine Oldschool-Phrase zu schade ist und ein großartiger Schiedsrichter.

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Bildquelle?????

Über den Autor: schneider3

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