Wider den Kollektivismus

Carlos Valderrama - König der Stehgeiger„Der Suker ist natürlich ein Stehgeiger, der rumsteht.“ Franz Beckenbauer

„So geht das! Wenn ich der Abwehrspieler wäre, würde ich dich jedes Mal umhauen! Was du hier machst, ist zu wenig. Du bist doch nur ein Stehgeiger!“ Huub Stevens über Danijel Ljuboja

Halt, meine Herren Fussballgelehrten, da haben sie aber etwas gründlich missverstanden. Ein Stehgeiger hat im Sturm nichts zu suchen. Sein Hoheitsgebiet ist das Mittelfeld. Genauer: der Mittelkreis. Dort hält sich der Stehgeiger am liebsten auf, vergnügt sich damit seine Mitspieler anzuschnauzen, sollte der Ball mal ohne ihn in Richtung gegnerisches Tor vorgetragen werden. Denn seine Zuständigkeit ist der öffnende Pass, der geniale Moment, das punktgenaue Abspiel, der fein gezirkelte Freistoß. Solange man sich dafür nur nicht allzu sehr bewegen muss. Carlos Valderrama, größter kolumbianischer Spieler aller Zeiten, musste sich deshalb von ZDF-Reporter Bela Rethy den Spruch gefallen lassen: „Das da vorne, was aussieht wie eine Klobürste, ist Valderrama. Der hat den Aktionsradius einer Stehlampe.“

Eine Ungeheuerlichkeit und eine Beleidigung einer leider aussterbenden Spezies. Natürlich will man einen Spieler, der sich vornehmlich darauf beschränkt sein Trikot unbefleckt in die Kabine zu tragen und nur auf den einen Moment wartet, in dem er glänzen kann, nicht in der eigenen Mannschaft haben. Aber, Hand aufs Herz, schön anzuschauen sind sie doch allemal: die Baslers, Beckhams, Netzers, Schusters und Co.

Doch diese Zeiten sind wohl endgültig vorbei. David Beckham wechselt in die Major League Soccer, jene Liga, in der Valderrama seine letzten Erfolge feierte. Dort mag ein schöner Freistoß und leichter Trab zum Eckball noch reichen, um gefeiert zu werden. In den großen europäischen Ligen hingegen wird das Mittelfeld von Laufrobotern beherrscht, die dem Stehgeiger, dem genialen Strategen im Mittelfeld, den Ball schneller abnehmen als der ihn verarbeitet hat. Ein weiterer Schritt zur Kollektivierung des Spiels. Das taktische Korsett von Mannschaften wie Arsenal London hat keinen Platz für Individualisten, die sich in dem Wissen, immer für die entscheidende Aktion gut zu sein, wichtiger nehmen als die Mannschaft. Nein, für sie bleibt höchstens noch ein Job als Experte oder Werbeikone. Und selbst dort stehen sie so langsam auf dem Abstellgleis.

Über den Autor: esleben

Verrät als Freiburg-Fan Heimat wie auch Elternhaus und trinkt ansonsten ausschließlich Veuve Clicquot. Wer wohnt schon in Düsseldorf? Mehr über Esleben auf Google+

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5 comments
  1. Sehr treffende Analyse. Selbst die überragenden Fußballer müssen inzwischen eben auch eine Menge rennen (siehe Diego). Ich habe den Eindruck, dass das manchmal zu Lasten der Kreativität geht. Und was auch absolut stimmt, ist das das Kollektiv komplett überschätzt wird. Als eingeschworenerer Haufen steigt man vielleicht in die Landesliga auf, für höhere Weihen braucht es außergewöhnliche Kicker.

  2. Mag schon alles sein, aber Thorsten Frings als Blaupause eines „Laufroboters“ zu nehmen, halte ich für nicht gerechtfertigt. Der kann viel mehr.

    Ich we߸ nicht, ob es z. B. bei Diego zu Lasten der Kreativität geht, er hatte trotzdem viele geniale Momente und soooo viel laufen muss der jetzt übrigens auch nicht.

    Wenn man halt sagt, man will in Ballnähe ständige Überzahlsituationen schaffen, dann müssen eben alle Spieler mithelfen. Wenn da drei nicht mitmachen, sind halt die Mannschaftskollegen früher platt, was ja auch nicht toll sein kann.

    Entweder Pressing mit Überzahlspiel und schnellem „Verschieben“ oder eben wieder mit Libero.

  3. So ein Gelalle! Das sind mindestens 15 Euro fürs Phrasenschwein.

  4. Vielleicht Gelalle, aber leider die Wahrheit.

  5. Nein, ist es nicht! :D

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