Wenn nicht nur Roger Cicero scheitert…

Autsch! Als mich die Nachricht erreichte, dass 2012 Roger Cicero den „Xaver“ Naidoo für das DFB-Team macht, schrillten schon alle Alarmglocken in meinem musikalisch etwas sensibler eingestellten Hirn. Der Schmalspur-Swinger, der Big Band-Herzensbrecher aller Sekretärinnen und Fußball – wie soll das zusammen passen? Ganz abgesehen von der Frage, ob Cicero überhaupt eine Verbindung zum Fußball hat (nicht dass es mich interessieren würde), krankt sein Song in fast allen Momenten und versucht sich mit Taschenspielertricks ins Ziel zu retten. Doch der Reihe nach:

„Für nichts auf dieser Welt“ ist noch keine zwei Minuten Sekunden alt und schon ist die Stimmung am Boden. „Sie reden vom Scheitern“ ist die erste Zeile eines Songs, der das DFB-Team bis ins Finale nach Kiew tragen soll. Vergiss es! Da kann Oliver „Dressman“ Bierhoff noch so lange dem Sinatra-Imitanten Honig ums Maul schmieren:

„Der Text des Songs ist wie geschaffen für den Anlass. Die Musik hat einiges mit der Spielweise unserer Mannschaft gemein: Kreativität, Spielfreude und unbändige Energie – das sind Eigenschaften, die das Team auf den Platz bringt, und genau die gleichen bringt Roger Cicero mit seiner Band auf die Bühne.“

Ganz ehrlich: Wenn Löws Truppe so spielt, wie Cicero singt und „swingt“, dann ist das Team mit dem frühzeitigen Vorrundenaus noch gut bedient. Denn: Cicero traut seinem Song selbst nicht über den Weg. Und setzt stattdessen auf den ältesten Trick, mit dem man selbst in der wenig zimperlichen Bild-Redaktion nur in Ausnahmefällen ankommen darf: Kinder. Im konkreten Fall ein Kinderchor, der Cicero im „Refräng“ (Goldschuhe aus) unterstützt. So weit, so peinlich, hört der „Refräng“ (ebd.) zudem auf die Worte: „Für nichts auf der Welt, geb ich uns verloren, an Tagen wie diesen werden Sterne geboren!“

Hört sich irgendwie verdächtig nach dem Song an, den Die Toten Hosen um den berufsjugendlichen Sänger, der inzwischen eigentlich Paradiesfrüchte heißen müsste, für den Aufstieg ihres Leib- und Magenvereins geschrieben haben. Und der bei allen Ressentiments, die ich gegen diese Band hege, auch ohne offizielle DFB-Anerkennung das Rennen in Sachen „EM-Song der Herzen“ für sich entscheiden wird. Immer noch besser als Oliver Pocher, der an seinen WM-Song nahtlos eine Karriere als Fußballexperte im TV angeschlossen hat. Dass der DFB um Oliver Bierhoff, dem ich bei dieser Wahl die Prokura in die Schuhe schieben möchte, damit nicht weniger desolaten Musikgeschmack beweist wie ZDF oder die UEFA, hilft auch nicht wirklich weiter. Wo ist eigentlich DJ Asamoah, wenn man ihn braucht?

Über den Autor: esleben

Verrät als Freiburg-Fan Heimat wie auch Elternhaus und trinkt ansonsten ausschließlich Veuve Clicquot. Wer wohnt schon in Düsseldorf? Mehr über Esleben auf Google+