Hoffenheim? Absolut unschuldig!

Jetzt ist es amtlich, die TSG Hoffenheim hat keine Strafe in der sogenannten „Schallkanonenaffäre“zu erwarten. Der DFB hat das Verfahren nicht, wie von uns prophezeit, in der Winterpause geräuschlos beendet, sondern lieber die gestrige Trainerentlassung genutzt, um die ganze Sache „zu den Akten“ zu legen, wie der Kicker in seiner unnachahmlichen Art schreibt.

Nun „bei den Akten“ lag das Verfahren gegen Hoffenheim ja schon länger und das Geschäftsgebaren des DFB in dieser Sache bleibt auch nach der Einstellung zumindest bemerkenswert. Fast ein halbes Jahr ist zwischen der „Lautsprecherattacke“ und dem Urteil vergangen. Auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen: Wie schnell so etwas normalerweise geht, hat zuletzt Holstein Kiel leidvoll erfahren. Ihr „BVB Hurensöhne“-Gesang live in der ARD kostete den Verein 12.000 Euro Strafe und ein lächerliches Entschuldigungsvideo.

Unverzeilich mit welcher kriminellen Energie die Spieler und Fans von Holstein Kiel ihren Konkurrenten im DFB-Pokal schmähten. Jedenfalls bestrafenswerter als die Aktion eines beim Verein angestellten Mitarbeiters, der in stundenlanger Heimarbeit eine „eigentümliche Konstruktion“ (kicker) zusammen zimmerte, ins Stadion karrte, an den Strom anschloss und gezielt gegen die gegnerischen Fans richtete. Mag sein, dass die Lautsprecheranlage, wie die Staatsanwaltschaft Heidelberg in ihrem Schallgutachten festgestellt hat, nicht das Zeug zur Körperverletzung hatte, „ein unsportliches Verhalten“ stellt sie in jedem Fall dar. Für den DFB in persona des Kontrollausschussvorsitzenden Dr. Anton Nachreiner allerdings eines, das „als geringfügig einzustufen“ ist.

Die emotionale und spontane Reaktion der Kieler Fans und Spieler, die sich sehr wahrscheinlich nicht gewahr gewesen sind, dass sie gerade live über den Äther gehen, ist demnach als schwerwiegender einzustufen als der Bau einer „Schallkanone“. Ganz ehrlich, mir fehlen angesichts solcher Ungerechtigkeit die Worte. Zumal dieses Urteil tief in die Denkweise des DFB blicken lässt: Verfehlungen auf Seiten der Fans sind härter zu bestrafen als die mit viel Energie geplanten Aktionen von Vereinsmitarbeitern. Man darf gespannt sein, wann der Hoffenheimer Kollege erste Nachahmer findet und was der DFB dann entscheidet. Wobei eher davon auszugehen ist, dass die unbarmherzigen Stadion-DJs zwischen München und Hamburg das Übertönen der Gästefans schon bald ganz alleine übernehmen. Die entsprechenden „Schallkanonen“ dazu findet man ja längst in jedem Stadion…

Zitate aus „DFB legt Beschallungsaffäre zu den Akten“ auf kicker.de

Foto: Gustavo Verissimo/flickr.com

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Loudspeaker

Freiheit für Hoffenheim

Verfahren eingestellt, Unschuld bewiesen. „Viel Lärm um Nichts“ um Shakespeare zu bemühen, nur ein „Altherren-Streich“? Fest steht, die Staatsanwaltschaft Heidelberg hat die „Schallaffäre“ und damit das Verfahren wegen Körperverletzung eingestellt. Fünf Zeilen war der Presseabteilung der Heidelberger Staatsanwaltschaft die Erkenntnis wert, dass ein Lärmgutachten zweifelsfrei festgestellt hätte, dass durch die Schallkanone des Hoffenheimer Stadionhausmeisters zu keiner Zeit Gefahr für Leib und Leben bestanden hätte. Erreiche sie doch maximal einen Pegel von 90 Dezibel, in einem Stadion herrschten aber normalerweise mehr als 100 Dezibel. Das Verfahren sei deshalb wegen „erwiesener Unschuld“ einzustellen. Fünf Zeilen, die leider noch nicht ihren weg ins Internet und auf die Seiten des Staatsanwaltschaft gefunden haben.

Guantanamo in Hoffenheim

Soweit die rechtsstaatliche Abwicklung der „Schallaffäre“, die wohl stärker am Hoffenheimer Selbstverständnis genagt hat, als man öffentlich zugeben mag. Stellvertretend dafür sei ein Artikel des Lokaljournalisten Wolfgang Brück von der Rhein-Neckar-Zeitung zitiert, in dem auch einige der Hoffenheimer Verantwortlichen zu Wort kommen, in erster Linie aber Herr Brück seinem Unmut gegenüber all denen los werden muss, die Hoffenheim angeblich in Misskredit gebracht haben. Brück behauptet, ich zitiere, „Hoffenheim wurde in die Nähe von Guantanamo gebracht, als autoritäres System dargestellt, das mit folterähnlichen Methoden Andersdenkende zum Schweigen bringen will“. Besonders im Visier des Herrn Brück: die Kollegen vom Berliner Tagesspiegel, die im Rhein-Neckar-Raum eh als Personae non grata behandelt werden und wegen unliebsamer Äußerungen kurzzeitig mit einem Boykott belegt wurden: „Noch vor kurzem schrieb der Berliner Tagesspiegel von „krimineller Energie“ und nannte als mögliche Bestrafung den Zwangabsteig aus der Bundesliga“. Das ist natürlich aus dem Zusammenhang gerissen, wie ein kurzer Blick in den betreffenden Artikel zeigt:

 „Der FC St. Pauli wurde zum Beispiel in der vergangenen Saison wegen eines Becherwurfs eines Einzelnen mit einer Platzsperre belegt. Was müsste also nach einem vernünftigen Maß den Hoffenheimern drohen, die in ihrem Stadion weitaus mehr kriminelle Energie beherbergten als nur einen Becherwerfer, der sich spontan und einmalig zu einer Dummheit hinreißen ließ? Zwangsabstieg?“

 

„Eine Art Notwehr“

Auch wenn sich Dietmar Hopp in Brücks Artikel erleichtert zeigt und hofft, dass die Einstellung des Verfahrens eine Lehre für diejenigen sei, die Hoffenheim vorschnell verurteilt hätten, bleiben doch einige Fragen offen. Wohl kaum die nach der Bestrafung durch den DFB. Der wird die Vorlage der Staatsanwaltschaft wohl dazu nutzen, das Verfahren in der Winterpause geräuschlos gegen Zahlung einer geringen Geldbuße einzustellen. Genauso wie es die TSG Hoffenheim in Person von Ernst Tanner ja selbst vorgeschlagen hat. Moralisch bleibt die gesamte Affäre fragwürdig. Wenigstens soll arbeitsrechtlich gegen den Hausmeister vorgegangen werden, trotzdem versucht man bei Hoffenheim den Vorfall weiter zu bagatellisieren: „Der Geschäftsführer versicherte nochmals, dass die Führungsebene nicht informiert gewesen sein, dass es sich um eine „Art Notwehr“ des Hausmeisters gehandelt habe, der sehr unter den Pöbeleien gegen Hopp gelitten habe.“ Der Arme, hoffen wir das allerbeste für ihn und ein schnelles Ende seines Leidens.

Alle kursiven Zitate aus „Viel Lärm um Nichts“ (Link expired)aus der Rhein-Neckar-Zeitung

Bild: jan_krutisch/flickr.com

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Hoffenheim? Kein Kommentar!

Angeblich war es der große Skandal der im August noch jungen Saison. Bei vier Heimspielen der TSG Hoffenheim beschallten ein Stadion-Hausmeister und sein Komplize den Fanblock der Gästefans mit einer Schallkanone. Seitdem ermittelt der DFB und die Staatsanwaltschaft.

Während die Mühlen der Justiz bekanntlich langsam mahlen, ist man beim DFB normalerweise schnell bei der Hand mit einer Bestrafung. Kleines Beispiel gefällig? Dynamo Dresden spielte am 25.10. im DFB-Pokal gegen Borussia Dortmund, die harte Strafe folgte vier Wochen später: Ausschluss aus dem DFB-Pokal in der nächsten Saison. Fans des HSV brannten im September beim Auswärtsspiel in Bremen Bengalos ab, und benahmen sich Ende Oktober beim Pokal-Spiel gegen Eintracht Trier „daneben“, gestern wurde der Verein zu einer 7000 Euro hohen Geldstrafe verurteilt, wegen „fortgesetzten unsportlichen Verhaltens“. Das Thema Hoffenheim wird dagegen weiterhin beim DFB verhandelt, die Presse hat das Interesse an dem Fall längst verloren.

Man muss sich bei Google schon auf die vierte Seite der News klicken, um einen Artikel zu finden, der die berechtigte Frage stellt, wann der DFB in der „Causa Hoffenheim“ denn ein Urteil zu sprechen gedenke. Der kurze Artikel (Danke an Trainer Baade für den Hinweis) stammt vom 19. November und ist im Tagesspiegel erschienen. Autor Benjamin Apitius ruft darin noch einmal das Motiv für den Einsatz der Schallkanone ins Gedächtnis: Rache. Rache wird im StGB als niederer Beweggrund angesehen: „Wer einen Menschen aus niedrigen Beweggründen heraus tötet, ist als Mörder – und nicht nur als Totschläger – zu bestrafen.“ (Wikipedia). Aus Rache wurde also die mögliche Verletzung von Auswärtsfans in gleich vier Begegnungen in Kauf genommen, man könnte also sowohl von einem geplanten Vorgehenm wie von einem Widerholungstäter sprechen, der seine Taten mit einer hohen kriminellen Energie ausführte und zumindest über Mittelsmänner in höheren Spähren des Vereins verfügen musste, denn zu übersehen war die Kanone nicht:

„(…) bei einer Größe von 1,30 Meter, auf einen rollbaren Untersatz geschraubt und mit 60 Kabeln an das Stromnetz des Stadions angeschlossen.“ (Hervorhebung von mir)

In meiner Rechtsauffassung sind dies alles Gründe, bei denen die Öffentlichkeit ein berechtigtes Interesse daran hat, dass zügig ein Urteil gefällt wird und eine angemessen hohe Strafe gegen Hoffenheim ausgesprochen wird. Doch was passiert beim DFB:

„Aus der DFB-Zentrale werden Telefonanrufe zu diesem Thema freundlich abgewehrt, bitte schreiben Sie doch eine E-Mail, heißt es von dort. Und auf eine E-Mail hin erhält man die Antwort: Kein Kommentar während eines laufenden Verfahrens! Aber was hat die TSG als Strafe zu erwarten? – Kein Kommentar!“

Und weiter:

„Zumindest scheint das Verhältnis zwischen Verband und Verein von den laufenden Untersuchungen nicht belastet zu sein. Denn erst vor ein paar Wochen wurde bekannt gegeben, dass die deutsche Nationalmannschaft ihre EM-Vorbereitung in einem südfranzösischen Hotel absolvieren wird, das Dietmar Hopp gehört. Hätte man nicht erst zu einem Urteil kommen sollen, bevor man wieder gemeinsam Geschäfte macht? – Kein Kommentar!“

Gleiches Recht für alle gilt offenbar nicht, wenn es um die Gerichtsbarkeit des DFB geht. Weder was die Verfahrensdauer angeht, noch das Strafmaß. Es scheint dem DFB noch nicht einmal merkwürdig vorzukommen, mit dem Repräsentanten eines Vereins Geschäfte zu machen, gegen den noch ein laufendes Verfahren anhängig ist. Man stelle sich nur einmal vor, ein Staatsanwalt würde ähnlich verfahren, seine Karriere wäre am Ende. Das letzte bisschen Glaubwürdigkeit hat sich der DFB spätestens mit dieser Posse verspielt, wer mehr über die Verstrickungen von DFB und Hoffenheim erfahren möchte, dem sei press-schlag.de empfohlen.

Zitate aus „Lange nichts gehört„, erschienen am 19.11. im Tagesspiegel

Foto: cosmonautirussi/flickr.com (CC BY-SA 2.0)

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