Wenn nicht nur Roger Cicero scheitert…

Autsch! Als mich die Nachricht erreichte, dass 2012 Roger Cicero den „Xaver“ Naidoo für das DFB-Team macht, schrillten schon alle Alarmglocken in meinem musikalisch etwas sensibler eingestellten Hirn. Der Schmalspur-Swinger, der Big Band-Herzensbrecher aller Sekretärinnen und Fußball – wie soll das zusammen passen? Ganz abgesehen von der Frage, ob Cicero überhaupt eine Verbindung zum Fußball hat (nicht dass es mich interessieren würde), krankt sein Song in fast allen Momenten und versucht sich mit Taschenspielertricks ins Ziel zu retten. Doch der Reihe nach:

„Für nichts auf dieser Welt“ ist noch keine zwei Minuten Sekunden alt und schon ist die Stimmung am Boden. „Sie reden vom Scheitern“ ist die erste Zeile eines Songs, der das DFB-Team bis ins Finale nach Kiew tragen soll. Vergiss es! Da kann Oliver „Dressman“ Bierhoff noch so lange dem Sinatra-Imitanten Honig ums Maul schmieren:

„Der Text des Songs ist wie geschaffen für den Anlass. Die Musik hat einiges mit der Spielweise unserer Mannschaft gemein: Kreativität, Spielfreude und unbändige Energie – das sind Eigenschaften, die das Team auf den Platz bringt, und genau die gleichen bringt Roger Cicero mit seiner Band auf die Bühne.“

Ganz ehrlich: Wenn Löws Truppe so spielt, wie Cicero singt und „swingt“, dann ist das Team mit dem frühzeitigen Vorrundenaus noch gut bedient. Denn: Cicero traut seinem Song selbst nicht über den Weg. Und setzt stattdessen auf den ältesten Trick, mit dem man selbst in der wenig zimperlichen Bild-Redaktion nur in Ausnahmefällen ankommen darf: Kinder. Im konkreten Fall ein Kinderchor, der Cicero im „Refräng“ (Goldschuhe aus) unterstützt. So weit, so peinlich, hört der „Refräng“ (ebd.) zudem auf die Worte: „Für nichts auf der Welt, geb ich uns verloren, an Tagen wie diesen werden Sterne geboren!“

Hört sich irgendwie verdächtig nach dem Song an, den Die Toten Hosen um den berufsjugendlichen Sänger, der inzwischen eigentlich Paradiesfrüchte heißen müsste, für den Aufstieg ihres Leib- und Magenvereins geschrieben haben. Und der bei allen Ressentiments, die ich gegen diese Band hege, auch ohne offizielle DFB-Anerkennung das Rennen in Sachen „EM-Song der Herzen“ für sich entscheiden wird. Immer noch besser als Oliver Pocher, der an seinen WM-Song nahtlos eine Karriere als Fußballexperte im TV angeschlossen hat. Dass der DFB um Oliver Bierhoff, dem ich bei dieser Wahl die Prokura in die Schuhe schieben möchte, damit nicht weniger desolaten Musikgeschmack beweist wie ZDF oder die UEFA, hilft auch nicht wirklich weiter. Wo ist eigentlich DJ Asamoah, wenn man ihn braucht?

Über den Autor: esleben

Verrät als Freiburg-Fan Heimat wie auch Elternhaus und trinkt ansonsten ausschließlich Veuve Clicquot. Wer wohnt schon in Düsseldorf? Mehr über Esleben auf Google+

Vorrundenaus – Jogis Kader für die EM!

Ich weiß. Wer den Bundestrainer kritisiert, kann eigentlich nur verlieren. Besonders in einer Stimmung, in der sich die meisten Fans eigentlich nur noch fragen, wen wir im EM-Finale weghauen. Denn die vergangenen Jahren zeigten: Meist macht der nette Herr Löw doch meist mehr richtig als man selbst hätte glauben können. Und dennoch kann ich nicht aus meiner pessismistischen Haut und erlaube mir, die Kadernominierung für die EM zu hinterfragen. Denn so wird das leider nichts.

 Zu wenig Dortmunder

Der BVB ist klar die national dominierende Mannschaft der vergangenen zwei Saisons. Die Spieler sind topfit, hochmotiviert und scheinen charakterlich ebenfalls sehr umgänglich zu sein. Zudem verpasst man die Chance, die Dortmunder Euphorie mit ins Turnier zu nehmen. Fahrlässig: Der falsche Bender-Bruder wurde mitgenommen, ich denke, den hat Jogi einfach verwechselt. In dieser Saison war Sven Bender in Dortmund sicherlich der wichtigere Faktor als Lars in Leverkusen. Außerdem hätte ich auf jeden Fall Kevin Großkreutz mitgenommen, egal, was man von ihm als Typ hält. Mit seiner wahnwitzigen Einsatzfreude wäre er vielleicht ein Spieler gewesen, den man mal bringen kann, wenn ein Spiel mal nicht übers Füßchen entschieden wird. Er würde zudem sicher für gute Stimmung sorgen, auch wenn er auf der Bank säße.

 Zu wenig angriffslustig

Drei Stürmer wären in Anbetracht der Formkrise des einen und der jüngsten Verletzungshistorie des anderen schon wenig gewesen. Nun ist also Cacau weg (wofür es sicherlich Gründe geben mag) und mit Gomez nur ein fitter Stürmer im Kader. Klar, Poldi kann auch vorne drin spielen, Reus will der BuTrä ebenfalls als Stürmer probieren. Aber etwas wohler wäre es mir schon, noch einen richtigen Mittelstürmer dabeizuhaben. Und sei es für den Fall der Fälle. Ein hoher Anspruch an die Fußballästhetik ist ja gut und schön. Manchmal braucht es aber auch einen, der die Pille einfach mal reinzimmert. Die Bayern können nach dem Champions-League-Finale ein Lied davon singen. Helmes ist ja auch nicht gerade schlecht drauf und dürfte – Felix sei Dank – auch einigermaßen austrainiert sein. Abgesehen davon: Was ist es für ein Signal an die Mannschaft, mit zwei Stürmern in ein Turnier zu gehen?

 Verhängnisvolle Vernachlässigung der Abwehr

Ich gebe zu, dies mag ein subjektiver Eindruck sein, aber die gesamte Zusammenstellung der Abwehr erschließt sich mir nicht so ganz. Mertesacker war in England dauerverletzt, ist aber nun dabei. Badstuber halte ich persönlich für gnadenlos überschätzt. Mag sein, dass er einen guten Ball hinten raus spielt, in den Primäreigenschaften, die ein Innenverteidiger mitbringen sollte, fand ich ihn aber stets eher mau, wenn ich ihn gesehen habe. Es gibt nur einen überzeugenden Innenverteigier, nämlich Hummels, der in seinem Verein allerdings ein komplett anderes System und eine komplett andere Spieleröffnung praktiziert als in der Nationalelf.

 Lahm ist für mich trotz rechtem Fuß einfach Linksverteidiger. Es wurde in den letzten Jahren versäumt, einen Rechtsverteidiger aufzubauen. Was Boatang im Kader zu suchen hat, habe ich noch nie verstanden, aber falls er eine Daseinsberechtigung hat, dann definitiv eher als Innen- denn als Außenverteidiger. So kann Löw eigentlich nur eines tun: Lahm auf die „falsche“, weil rechte Seite ziehen und den zumindest soliden Schmelzer mangels Alternativen auf links bringen.

 Der zunehmende Konservatismus

Die Kadernominierung ist alles in allem langweilig und bieder. Man verlässt sich zu sehr auf die Eingespieltheit der Mannschaft und die gestiegene Erfahrung der Hauptakteure. Die Verweigerung jeglicher Veränderung wird irgendwann zu einer Lähmung der Entwicklung führen. Wir können nur hoffen, dass diese nicht schon bei diesem Turnier eintritt. Zu Beginn der Arbeit für die Nationalelf sorgte Löw (mit Klinsmann) für verwunderte Gesichter als er Odonkor mitnahm. Solche Überraschungen bedeuten erstmal für eine gewisste Lebendigkeit, Durchlässigkeit in der Mannschaft, bleiben heute aber komplett aus. Es steigert den Konkurrenzdruck, wenn immer mal ein neuer Spieler einsteigt. Zudem kann man den Überraschungsmoment als taktisches Mittel einsetzen, um  den Gegner zu verwirren (vgl. Odonkor im Spiel gegen die Polen 2006).

Von dieser gedanklichen Kreativität ist nichts mehr übrig. Die üblichen Verdächtigen werden nominiert. Mit Draxler hätte man die Chance gehabt, frischen Wind zu bringen, aber der Junge wurde nach Hause geschickt. Auf Grund der Konkurrenz im offensiven Mittelfeld verständlich. Als Zeichen an die Mannschaft unverständlich, denn es heisst übersetzt: „Wir bleiben schön unter uns und machen es uns gemütlich„.

Wenn das alles mal nicht zu gemütlich wird. Man kann auch in guter Stimmung Gruppendritter werden. Und für drei Spiele reichen wohl tatsächlich zwei Stürmer.

 

Bildquelle: Wikipedia

Über den Autor: Goldschuhe aus

Agent provocateur erster Güte. Ansonsten Misanthrop und Eintracht Frankfurt-Fan. Frisur: vorhanden.

In eigener Sache

Na, steigt trotz der Skandale und Skandälchen (Stichwort: Relegation, Robben, Fans, Pyro, TV-Tal der Ahnungslosen) so langsam die Vorfreude auf die EM 2012 in Polen und der Ukraine? Eigentlich bräuchte der Fußball und wir vom Fußball mal eine dringende Pause, stattdessen muss man jetzt Panini-Bildchen sammeln, EM-Spielpläne ausdrucken und mit dem HandySmartphone kurzschließen, das TV-Geräte abstauben oder schon mal schauen, wo man die EM 2012 beim „Paplick Wjuing“ (M. Breuckmann) verfolgen kann.

Genau das habe ich in den letzten Wochen gemacht, und dabei aufs schönste Beruf und Hobby verbunden. Wer also wissen möchte, wo man in Düsseldorf sich rudelmäßig vor der Mattscheibe versammelt, der geht jetzt bitte gefälligst zum Kiosk und investiert 2,90 Euro in die aktuelle Ausgabe des PRINZ Düsseldorf. Wer nicht in Düsseldorf wohnt, macht bitte das gleich in Hamburg, Berlin, Frankfurt, München und ein paar anderen Städten. Und sichert so Arbeitsplätz. Auch 5 Freunde im Abseits haben Familie. Obendrein gibt’s in der Düsseldorfer Ausgabe als besonderes Bonbon Guru von der Kreuzeiche in einer Pose, die er sich niemals hätte träumen lassen. Echte Fans zahlen für so etwas ein Vermögen.

Disclaimer:
Als politisch korrekter Blogger braucht’s bei solchen Einträgen ja immer einen Disclaimer, dabei arbeite ich nur als freier Redakteur für die Düsseldorfer Ausgabe des Stadtmagazins Prinz. Ihr könnt mir gerne also auch direkt Geld überweisen, meine Paypal-Daten gibt’s auf Anfrage.

Über den Autor: esleben

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DON (de) Lillo

Ich weiß, ich nerve. Meine Begeisterung für das Spiel des FC Barcelona ist grenzenlos. Ich kann mich daran nicht sattsehen. Ich gebe mich dem Zauber hin, genießend, frage mich in wachen Momenten dennoch manchmal, was genau das Spiel ausmacht, wie es funktioniert, was der innerste Kern ist, was es von dem Spiel anderer Mannschaften unterscheidet, es einmalig macht.

Über den Autor: Buxe

Macht in Unterhosen und Lotto. Kunstverständiger Lebemann, der seinem Verein Schalke 04 in unerschütterlicher Hassliebe verbunden ist. Wurstvegetarier und Minigolfgott in Personalunion.

Lothars Traum

Lothar Matthäus gilt als schwer vermittelbar auf dem Arbeitsmarkt. Obwohl er als gelernter Raumausstatter schon in einigen Hotels erfolgreich gewirkt hat und eine durchaus eindrucksvolle Vita als Fußballspieler vorzuweisen hat, will ihm der Sprung auf eine Trainerbank in der Bundesliga einfach nicht gelingen. Mit seinem jüngsten Karrieremove dürfte Matthäus diesen Traum endgültig begraben und vollständig ins „Unterhaltungsfach“ wechseln.

Bei Vox wird Matthäus nämlich Protagonist einer eigenen Doku-Soap. Der ausstrahlende Sender hat zwar noch keinen Sendetermin bekanntgegeben, ordnet Matthäus aber auf einer Skala mit Daniela Katzenberger ein. Wenn Loddar also demnächst ein Café auf Malle eröffnet, kann keiner mehr sagen, er hätte von nichts gewusst:

„Die Kamera wird mich bei allem begleiten, was mein Leben ausmacht: Meine Freundin Joanna, meine Kinder, meine Reisen, meine Arbeit, meine Freizeit. Ich möchte den Menschen zeigen, wie ich wirklich bin. Die meisten kennen ja nur irgendwelche Schlagzeilen. Ich denke, da werden viele positiv von mir überrascht sein.“

Obwohl Freundin Joanna als Unterwäsche-Model reüssieren konnte, schließt der Ehrenspielführer und Rekordnationalspieler eines aus:

„Dusche und Schlafzimmer seien tabu, Sex-Szenen werde es ‚mit Sicherheit nicht geben‘ „

Es passt zur Matthäus’schen Hybris, dass er sich dabei mal wieder der Bild-Zeitung offenbarte, die in seiner Post-Spieler-Karriere kein Fettnäppchen des Kickers unkommentiert gelassen hat. Offenbar ist die Verzweiflung im Hause Matthäus so groß – zumal er ja neulich noch als verschollen galt und wegen ausstehender Zahlungen gesucht wurde – dass er damit auch seinen Traum vom Job als Bundesligatrainer aufgibt. Das muss für Matthäus die größte Niederlage seiner Karriere sein, obwohl zu befürchten ist, dass ihm dieses Maß an Selbstreflexion leider fehlt:

„Ein Lothar Matthäus lässt sich nicht von seinem Körper besiegen, ein Lothar Matthäus entscheidet selbst über sein Schicksal.“

Foto: Florian K./wikipedia.org

Zitate: vox.deхудожник на икони

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Weidenfeller weint

Der arme Roman Weidenfeller! Er musste am Sonntag von der Tribüne aus zusehen, wie sein BVB den HSV mit 5:1 abfertigte. Ob er deswegen so schlechte Laune hatte, dass er am gleichen Tag in der FASZ mal wieder die alte Platte „Beim DFB hat mir nie einer eine Chance gegeben“ auflegte? Nur weil er nicht einsehen möchte, dass die Nationalmannschaft mit Tim „Spiegel“ Wiese schon über einen Anachronismus aus der Abteilung „Gerry Ehrmann Torwartschule“ verfügt? Wieso in aller Welt, sollte sich Jogi Löw zwei Torhüter halten, die man bei flüchtigem Ansehen auch für Zwillinge halten könnte, die den Triathlon „Sonnenbank, Hantelbank, Friseursalon“ seit Jahren dominieren?

Aber lassen wir den armen, unverstandenen Roman W. aus D. lieber selbst zu Wort kommen. Auf die Frage, ob er sich ungerecht behandelt fühle, fällt Weidenfeller im Gespräch mit Richard Leipold in larmoyantes Gegreine:

„Man kann sich schon wundern, wenn man jahrelang bei einem großen Club wie Borussia Dortmund eine gute Rolle spielt und dennoch nie berufen wird. Doch hat mich dies nie aus dem Tritt gebracht. Ich habe beim DFB nie eine sportliche Chance erhalten, das muss ich so hinnehmen.“

Und schaltet im folgenden in den Gang „Verschwörungstheorien“, den ja auch schon Michael Ballacks Berater Michael Becker mit seinem Ausdruck von der „Schwulen-Combo in der Nationalelf“ bedient hat:

„Irgendwann habe ich aufgehört, mich zu fragen, was der Grund dafür sein könnte. Es wurde mir bis heute nie der wahre Grund mitgeteilt.“

Wie all den anderen Bundesligaspielern mit deutscher Staatsangehörigkeit, die nie ins Aufgebot des DFB berufen wurden? Der designierte DFB-Präsident Niersbach und sein Herausforderer Rüttenauer sollten sich schnellstens dafür einsetzen, dass ein formloses Schreiben aufgesetzt wird, in dem allen Nie-Berufenen der wahre Grund ihrer Nichtberücksichtigung mitgeteilt wird. Aber Weidenfeller ist noch nicht fertig mit der Geißelung der Waschlappen namens Nationalelf. Auf die Frage, ob man als weicherer Typ bessere Chance beim Bundestrainer hätte, antwortet Weidenfeller:

„Ich möchte jetzt keine Lawine lostreten, dennoch glaube ich, dass dies zutreffend ist. Man hat es zuletzt bei Michael Ballack gesehen. Es gibt eben Charaktere, die nicht alles hinnehmen, und es gibt solche, die wenig hinterfragen.“

Völlig klar, welche Spieler das Zeug zum Leader haben:

„Für einen Trainer ist es schwieriger, mit Spielern zu arbeiten, die einen eigenen Kopf haben. Jedoch sind genau solche Spieler in der Lage, ein Spiel zu drehen, wenn es darauf ankommt.“

Um letztendlich mit einem Bonmot zu schließen, das beinahe so philosophisch ist, wie Otto Rehhagels Satz „Modern spielt, wer gewinnt“:

„Was ist modern? Das Wichtigste ist, dass der Torwart den entscheidenden Ball hält!“

Süffisant an Weidenfellers Verschwörungstheorie ist dabei, dass er lange Zeit – nämlich bis November 2010 – ebenfalls von Michael Becker, dem Ballack-Berater vertreten wurde, ehe man sich im Streit entzweite und um knapp 700.000 Euro stritt.

P.S. Der größte Lacher des Interviews ist jedoch Weidenfellers Aussage zu seinem Vorgänger im Tor der Borussia, Jens Lehmann:

„Ich durfte viel von ihm lernen, und es würde mich extrem reizen, so lange spielen zu können.“

Foto: Pro2/wikipedia.org

Alle Zitate aus der FASZ vom 22.01.2012

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Hoffenheim? Kein Kommentar!

Angeblich war es der große Skandal der im August noch jungen Saison. Bei vier Heimspielen der TSG Hoffenheim beschallten ein Stadion-Hausmeister und sein Komplize den Fanblock der Gästefans mit einer Schallkanone. Seitdem ermittelt der DFB und die Staatsanwaltschaft.

Während die Mühlen der Justiz bekanntlich langsam mahlen, ist man beim DFB normalerweise schnell bei der Hand mit einer Bestrafung. Kleines Beispiel gefällig? Dynamo Dresden spielte am 25.10. im DFB-Pokal gegen Borussia Dortmund, die harte Strafe folgte vier Wochen später: Ausschluss aus dem DFB-Pokal in der nächsten Saison. Fans des HSV brannten im September beim Auswärtsspiel in Bremen Bengalos ab, und benahmen sich Ende Oktober beim Pokal-Spiel gegen Eintracht Trier „daneben“, gestern wurde der Verein zu einer 7000 Euro hohen Geldstrafe verurteilt, wegen „fortgesetzten unsportlichen Verhaltens“. Das Thema Hoffenheim wird dagegen weiterhin beim DFB verhandelt, die Presse hat das Interesse an dem Fall längst verloren.

Man muss sich bei Google schon auf die vierte Seite der News klicken, um einen Artikel zu finden, der die berechtigte Frage stellt, wann der DFB in der „Causa Hoffenheim“ denn ein Urteil zu sprechen gedenke. Der kurze Artikel (Danke an Trainer Baade für den Hinweis) stammt vom 19. November und ist im Tagesspiegel erschienen. Autor Benjamin Apitius ruft darin noch einmal das Motiv für den Einsatz der Schallkanone ins Gedächtnis: Rache. Rache wird im StGB als niederer Beweggrund angesehen: „Wer einen Menschen aus niedrigen Beweggründen heraus tötet, ist als Mörder – und nicht nur als Totschläger – zu bestrafen.“ (Wikipedia). Aus Rache wurde also die mögliche Verletzung von Auswärtsfans in gleich vier Begegnungen in Kauf genommen, man könnte also sowohl von einem geplanten Vorgehenm wie von einem Widerholungstäter sprechen, der seine Taten mit einer hohen kriminellen Energie ausführte und zumindest über Mittelsmänner in höheren Spähren des Vereins verfügen musste, denn zu übersehen war die Kanone nicht:

„(…) bei einer Größe von 1,30 Meter, auf einen rollbaren Untersatz geschraubt und mit 60 Kabeln an das Stromnetz des Stadions angeschlossen.“ (Hervorhebung von mir)

In meiner Rechtsauffassung sind dies alles Gründe, bei denen die Öffentlichkeit ein berechtigtes Interesse daran hat, dass zügig ein Urteil gefällt wird und eine angemessen hohe Strafe gegen Hoffenheim ausgesprochen wird. Doch was passiert beim DFB:

„Aus der DFB-Zentrale werden Telefonanrufe zu diesem Thema freundlich abgewehrt, bitte schreiben Sie doch eine E-Mail, heißt es von dort. Und auf eine E-Mail hin erhält man die Antwort: Kein Kommentar während eines laufenden Verfahrens! Aber was hat die TSG als Strafe zu erwarten? – Kein Kommentar!“

Und weiter:

„Zumindest scheint das Verhältnis zwischen Verband und Verein von den laufenden Untersuchungen nicht belastet zu sein. Denn erst vor ein paar Wochen wurde bekannt gegeben, dass die deutsche Nationalmannschaft ihre EM-Vorbereitung in einem südfranzösischen Hotel absolvieren wird, das Dietmar Hopp gehört. Hätte man nicht erst zu einem Urteil kommen sollen, bevor man wieder gemeinsam Geschäfte macht? – Kein Kommentar!“

Gleiches Recht für alle gilt offenbar nicht, wenn es um die Gerichtsbarkeit des DFB geht. Weder was die Verfahrensdauer angeht, noch das Strafmaß. Es scheint dem DFB noch nicht einmal merkwürdig vorzukommen, mit dem Repräsentanten eines Vereins Geschäfte zu machen, gegen den noch ein laufendes Verfahren anhängig ist. Man stelle sich nur einmal vor, ein Staatsanwalt würde ähnlich verfahren, seine Karriere wäre am Ende. Das letzte bisschen Glaubwürdigkeit hat sich der DFB spätestens mit dieser Posse verspielt, wer mehr über die Verstrickungen von DFB und Hoffenheim erfahren möchte, dem sei press-schlag.de empfohlen.

Zitate aus „Lange nichts gehört„, erschienen am 19.11. im Tagesspiegel

Foto: cosmonautirussi/flickr.com (CC BY-SA 2.0)

Über den Autor: esleben

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Tom meets Zizou – Kein Sommermärchen

Gestern Abend übertrug die ARD das Freundschaftsspiel Deutschland – Brasilien und der 19-Jährige Mario Götze hat ein überragendes Spiel abgeliefert. Er war in der letzten Saison schon extrem gut und scheint diese Leistung ohne Probleme fortsetzen zu können. Er ist wohl das, was man einen Hoffnungsträger nennt. Ein junger Spieler an den besonders hohe Erwartungen gestellt werden, seitens des Publikums und seitens der Medien. Solche „Hoffnungsträger“ gibt es immer wieder.

Zum Beispiel vor zehn Jahren. Damals hießen Sie Sebastian Deisler, Bastian Schweinsteiger, Philipp Lahm oder Thomas Broich. Schweinsteiger und Lahm spielen immer noch in der Nationalmannschaft, Deisler beendete seine Karriere aufgrund von Depressionen und Broich spielt inzwischen in der australischen A-League. Aber nur letzterer wurde acht Jahre lang von einem Dokumentarfilmer begleitet.

Herausgekommen ist dabei ein sehr gelungener Film, der tiefe und interessante Einblicke gewährt: Einerseits in die Funktionsmechanismen des Profifußballs und der dazugehörigen Medienlandschaft in Deutschland, andererseits in die Psyche eines, im Wortsinne, außergewöhnlichen Fußballspielers. Mir war gar nicht mehr bewusst, welcher Hype einst um Broichs Leistungen bei Wacker Burghausen und Borussia Mönchengladbach gemacht wurde und wie nah er in frühen Jahren an der Nationalmannschaft war.

Wie es dazu kam, dass er dieses Ziel nie erreichen konnte und inzwischen (glücklich und erfolgreich) in Brisbane kickt, erzählt der Film in ruhigen (manchmal etwas zu ruhigen) Bildern und ohne aufdringlich oder belehrend zu wirken. Die chronologisch aufeinanderfolgenden Stationen und Aussagen werden immer wieder vom heutigen Thomas Broich kommentiert und reflektiert. Es ist das Portrait eines Spielers, der sich sich seinen Traum vom Profikicker ganz anders vorgestellt hatte, als dieser dann tatsächlich war. Der aber auch oft genug sich selbst und seinem möglichen Erfolg im Weg stand. Man kann Mario Götze nur wünschen, dass es bei ihm besser läuft.

Wer sich auch nur minimal für (deutschen) Fußball interessiert, dem sei dieser Film ans Herz gelegt. Besonders das ausführliche Portrait des Verhältnisses zwischen Christoph Daum und Broich weiß zu fesseln und reicht eigentlich schon als Berechtigung für diesen Film aus. Also, Programmkino raussuchen und reingehen!

Bild: tommeetszizou.com

Über den Autor: schneider3

Mildernde Umstände aufgrund familiärer Vorschädigung durch zwei dominante Brüder. Normalerweise erlebt das Weißbier bei ihm das Mittagsläuten nicht. Kaiserslautern-Fan. Weiß der Teufel, warum.

Silvia Neid – absolut nicht mehr tragbar

Wochenlang stand der Frauenfußball nun im Fokus der Aufmerksamkeit. Er sollte „salonfähig“ gemacht werden, wenn es sein muss auch mit der Brechstange. Es gab sogar positive Überraschungen – der ansonsten kaum zu ertragende Tom Bartels machte als Kommentar von Frauenfußballspielen eine richtig gute Figur und sollte nur noch in dieser Sparte tätig sein. Aber eine entscheidend beteiligte Frau machte sich von Anfang an zielstrebig daran, alles mit dem Arsch einzureißen, was Medien, DFB, Birgit Prinz und Rolf Töpperwien mühsam mit den Händen aufbauten: Silvia Neid.

Über den Autor: Vollspann!

Optimistischer Pessimist und Schöngeist aus dem Ruhrgebiet (Herne). Als hochtalentierter Passivsportler und Dauergast beim BVB kennt er Höhen und Tiefen des Fußballsports.

Toni Schumacher: Ich bin erst gut mit einer Menge Wut im Bauch

Wenn sich eine Anekdote aus dem Leben von Harald „Toni“ Schumacher in mein Gedächtnis eingebrannt hat, dann ist das seine Entlassung als Trainer von Fortuna Köln. Nicht nur, weil er in der Halbzeitpause entlassen wurde. Sondern auch, weil Jean „ich als Verein musste reagieren“ Löring charmante Worte für die ganze Aktion fand: „Du hast hier nichts mehr zu sagen, du Wichser!“

Über den Autor: schneider3

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