Fußball aus den 80ern – eine Begegnung mit Berliner Hooligans

Als ich einmal in Koblenz auf einem Auswärtsspiel war, hatte ich die zweifelhafte Ehre, einige (ehemalige) Hooligans des 1. FC Kaiserslautern und ihre sehr verqueren Moralvorstellungen bei einem „gemütlichen“ Bier kennen zu lernen. Dabei konnte ich auch lernen, dass diese Menschen ein Verhältnis zur Gewalt haben, wie ich zum Biertrinken: es ist Teil der Freizeitgestaltung und hin und wieder erlebt man lustige Anekdoten, die man dann später in geselliger Runde zum Vergnügen aller Beteiligten zum Besten geben kann. Die meisten dieser Geschichten drehten sich dabei um die 80er Jahre, als der Zuschauerschnitt nicht zuletzt wegen zahlreicher Gewalttaten in und um die Stadien unter die Marke von 20.000 pro Spiel sank. Wer in den letzten Jahren wieder verstärkt „Chaoten“ und Gewalttäter die Bundesliga unsicher machen sieht, möchte doch mal bitte einen Blick in die Archive werfen, um das Ganze wieder etwas zu relativieren.

Beim Gang in die unteren Ligen jedoch bietet sich ein etwas anderes Bild. Wohl auch aufgrund geringerer Polizeipräsenz und sonstiger Sicherheitsinfrastruktur kommt es hier zu Ausschreitungen ganz anderer Qualität als in der „bel étage des deutschen Fußballs“ (kicker). Nicht allzu selten war dabei der berüchtigte BFC Dynamo beteiligt, sodass man von diesem eigentlich weniger mehr kennt als dessen Stasi-Vergangenheit und seine Hooligans.

Wie es der Zufall so wollte, kreuzten sich am vergangene Wochenende meine und die Wege des „sympathischen Underdogs“ (USP von Mainz 05). DFB-Pokal, erste Runde, BFC Dynamo – 1. FC Kaiserslautern. Ich freute mich richtig auf dieses Spiel abseits von Event- und Hochglanzfußball. Dass das Spiel zu einem meiner bisher prägendsten Stadionerlebnisse überhaupt wurde lag dann aber nicht am Spielverlauf oder der sportlichen Dramatik.

Schon bei der Anreise zum Stadion fiel mir auf, dass das Publikum hier wohl ein anderes ist, als ich es aus der 1. und 2. Bundesliga gewohnt war. In meiner Bahn fuhren keine Frauen, keine Kinder, sondern beinahe ausschließlich trainierte Mittdreißiger mit, ichsachmal, praktischen Frisuren. Ich traf meine beiden Freunde an der Stadionhaltestelle und wir suchten eine, unserer Meinung nach, echte Berliner Kneipe auf. Das Publikum war ein ähnliches wie in meiner Tram, die Biere wurden uns wegen eines Glasverbots in Plastikbechern ausgeschenkt.

Nach dem Genus eines wundervoll süffigen „Schultheiss“ flohen wir in Richtung Stadion. Der Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark liegt ist wohl das, was man einen „Oldchool-Ground“ nennen würde; mitten im Wohnviertel gelegen sind die vier Flutlichtmasten das prägende Charakteristikum des Stadions. Der Gästesektor war, bei Dauerregen, selbstverständlich nicht überdacht und wir nahmen unsere Stehplätze in der Nähe der Eckfahne ein, holten uns ein weiteres Bier und warteten auf den Anpfiff.

Die Stimmung war ordentlich, der Spielverlauf erwartungsgemäß. Lautern führte zur Halbzeit mit 2:0, das 1:0 war richtig schön herausgespielt und die Amateure vom BFC hatten eigentlich keinen Auftrag. Die Lauterer sangen fröhlich ihre Liedchen und auch die BFC-Fans boten einiges an Anfeuerung und Schlachtrufen auf. Um die 80. Minute herum dann wurde die Stimmung etwas hitziger, ein, zwei Rauchbombem stiegen aus dem Fanblock von Dynamo auf und eine Reihe von Böllern wurde gezündet. Weltschiedsrichter Rafati ließ aber nach fünf Minuten weiterspielen. Schließlich folgte der Abpfiff und wir erklommen die Treppen, um das Stadion zu verlassen.

Von den Leuten, die uns entgegen strömten ließen wir uns nicht irritieren und waren schon fast ganz oben angelangt, als uns auffiel, dass da eine massive Prügelei im Gange war, einige Augenblicke später lagen die Ersten auf dem Boden und hatten das eine oder andere Polizistenknie im Rücken. Wir machten uns langsam wieder auf den Weg nach unten, nur um zu sehen, dass auf der anderen Seite des Pufferblocks erste Sicherheitstore aufgingen und ein paar Dynamofans durch den Innenraum auf den lauterer Ultrablock losrannten. Komischerweise sah sich die sympathische Ordnerin, die einige Minuten zuvor noch grinsend einen einzelnen Lauternfan von Zaun stoßen wollte nicht in der Lage, zusammen mit Ihrem Kollegen auch nur einen Berliner aufzuhalten. Es folgte ein lustiges Handgemenge mit Fahnenstangen, bis uns bewusst wurde, dass von Links oben, unten und aus der Mitte BFCler auf den Gästeblock zurannten. So schnell wie wir waren wohl manche Familienväter und andere Fans nicht und bekamen seitens der Hooligans aus Ostberlin einiges ab. Nach zehn Minuten schien die Situation schließlich halbwegs unter Kontrolle, auch wenn aus allen Richtungen noch gegen Fans aus Kaiserslautern gepöbelt wurde; ob nun von einem 50-Jährigen mit seiner Tochter (?) im Arm oder oder von einigen Kandidaten, deren Foto man in den entsprechenden Bildstrecken einschlägiger Onlinemedien wiederfindet.

Insgesamt bleiben einige Fragen unbeantwortet, die den Ordnerdienst, die Polizeitaktik und einige andere Dinge betreffen. An diesem Samstag hatte sich jedenfalls scheinbar die gesamte Berliner Assozialität versammelt, um den Gästen aus der Pfalz mal wieder zu zeigen, wo der Hammer hängt. Ob der Sturm eines bunt gemischten Gästeblocks dafür die richtige Maßnahme ist, bleibt jedem selbst überlassen. Ich war am Ende jedenfalls froh, dass ich meinen Schal in der Eile doch nicht mehr gefunden haben…

Über den Autor: schneider3

Mildernde Umstände aufgrund familiärer Vorschädigung durch zwei dominante Brüder. Normalerweise erlebt das Weißbier bei ihm das Mittagsläuten nicht. Kaiserslautern-Fan. Weiß der Teufel, warum.

Über Ultras und die Ohnmacht der Fans

Die BILD-Zeitung ist ja bekanntlich schnell bei der Hand, wenn es um griffige Schlagzeilen geht. Nachdem es vor einigen Tagen zu Zusammenstößen zwischen Fans und Sicherheitskräften am Frankfurter Waldstadion kam, schrieb das DrecksBlatt schließlich von der „unheimlichen Macht der Fans“.

Ohne, dass in dem Artikel beschrieben wurde, worin diese Macht denn eigentlich begründet ist und vor allem, wie sie sich äußert, scheint dieses Thema derzeit an allen Ecken und Enden aus dem Boden zu schießen. 11Freunde phantasierte darletzt sogar eine Revolution von der Tribüne herbei. Dabei beschreibt diese Titelstory nicht viel mehr als eine Handvoll Initiativen, die eine Handvoll „unbequemer“ Entscheidungen auf Jahreshauptversammlungen erreichen konnten. Und auch die Ultras stehen nach einigen öffentlichkeitswirksamen Aktionen in der jüngeren Vergangenheit immer mehr im Fokus der Medien. Aber sollte man deswegen von einem Umbruch oder gar von neu gewonnener Macht sprechen?

Man muss an dieser Stelle unterscheiden, wie Fans versuchen Einfluss zu nehmen und worauf. Landauf, landab halten aktive Fußballfans allwöchentlich Transparente und Spruchbänder in die Luft über den Stehrängen, raffen sich sogar mal für eine gemeinsame Demonstration zusammen oder versuchen, wie in Frankfurt geschehen, die Spieler zur Rede zu stellen, die ihre Hoffnungen Woche für Woche auf dem Rasen zerstören.

Besonders die Ultras haben es sich dabei nicht nur auf die Fahnen geschrieben, alles für ihren Verein zu geben, sondern zudem noch für einen Fußball zu kämpfen, wie es ihn wahrscheinlich noch nie gegeben hat: Fangerecht, frei von Kommerz und Event und geprägt von Identifikation und Vereinstreue. Erreicht haben Sie von diesen Zielen schlicht und ergreifend nicht ein einziges. Im Gegenteil, die Spieltage werden weiter zerstückelt, Repressionen nehmen eher zu als ab und die Ultras werden in der Öffentlichkeit, ohne Ansehen der Vielschichtigkeit dieser Jugendkultur, immer noch als Störenfriede und Randalierer wahrgenommen. Die Geschäftsführer der Fußball-AGs und GmbHs akzeptieren die konsumverweigernden Stimmungsmacher ohnehin nur mit einem Zähneknirschen und als notwendiges Übel, welches das Erlebnis Stadionbesuch für das zahlungskräftige Event-Publikum abrundet. Kommt es zur Aussprache zwischen Fans und Mannschaft in schlechten Stunden, gibt es von den Spielern die immergleichen Phrasen vom Arsch aufreißen zu hören, wohlwissend, dass ihr aktueller Verein nur ein Arbeitgeber ist und nicht die Liebe ihres Lebens.

Die Ultras in Deutschland waren derart lange mit sich selbst beschäftigt, dass sie gar nicht gemerkt haben, welch unüberwindbare Gräben zwischen Ihnen und den anderen Fußballfans und dem Geschäft Profifußball entstanden sind. Es ist kein Vorwurf, sondern eine Feststellung, dass sich aktive Fußballfans und der Profifußball in vollkommen unterschiedlichen Sphären ohne jegliche Berührungspunkte bewegen. Wenn in München die Schickeria gegen die Verpflichtung von Manuel Neuer protestiert, prallen zwei grundsätzlich verschiedene Welten und Wertevorstellungen aufeinander. Der FC Bayern will mit dem Fußballunternehmer Manuel Neuer den besten Torwart Deutschlands verpflichten, während die Südkurve den provozierenden Hardcore-Fan eines Erzfeindes zwischen den Pfosten stehen sieht. Und in Frankfurt endet eine Kontaktaufnahme zwischen Fans und Mannschaft in einer beinahe-Katastrophe. Während die Fans von lebensbestimmenden Sorgen um ihren Verein geplagt werden, möchte ein Patrick Ochs „den nächsten Schritt“ machen, wechselt nach Wolfsburg und kümmert sich in wenigen Wochen wohl kaum noch um den möglichen Abstieg der Eintracht.

Auf der anderen Seite können auch nur wenige andere Stadionbesucher und Fernsehzuschauer diese allesverzehrende Ernsthaftigkeit im Umgang mit dem Fußballsport nachvollziehen. Für die meisten ist es wichtiger, ein gutes Fußballspiel zu sehen und vor und nach dem Spiel ein komplettes Event zu erleben, als dass sie irgendwelche moralischen Maßstäbe an das Theater zu Ihren Füßen anlegen würden. Diese Fans wollen die besten und nicht die integersten Spieler auf dem Rasen ihr Ballett aufführen sehen und auch ansonsten kümmert sich nur ein geringer Teil der Zuschauer um das, was mit dem Schlagwort Fußballpolitik wohl am besten beschrieben ist. Wenn nach der Heimniederlage der Eintracht gegen den 1. FC Köln der Platz gestürmt wird, ist das in der Gedankenwelt der einen ein nachvollziehbarer und angemessener Ausbruch von Emotionen, während andere dieses Verhalten in aller Konsequenz verurteilen. Allein deswegen wird es auch in Zukunft unmöglich sein, dass radikale Ideen in den Kurven der Profivereine weite Verbreitung finden. Den meisten Fans sind Detailthemen wie die Längenbegrenzung von Fahnenstöcken schlicht und ergreifend egal oder gar fremd.

Und auch dem großen, schwammigen Thema „moderner Fußball“ stehen die meisten Fußballfans neutral gegenüber. Otto Normalzuseher profitiert sogar von der medialen Überpräsenz des Sports und erfreut sich am Rahmenprogramm in den Event-Arenen dieses Landes. Im Leben der Mehrheit der Stadionbesucher spielen die Probleme und die Kritik der lautstarken Minderheit einfach keinerlei Rolle. Was für die einen der wirklich ernstzunehmende Teil ihres Lebens ist, ist für die anderen Ablenkung von eben diesem Ernst. Die Masse gibt sich damit zufrieden, wie sich der Fußball derzeit präsentiert und hegt auch daher keinerlei Ambitionen, die aktuelle Entwicklung vom Sport zum Event aufzuhalten oder überhaupt proaktiv gestalten zu wollen.

Auch deswegen wird der andere Weg, den Fans einschlagen können nie zum breiten Boulevard der Massen werden: 11Freunde dient die Jahreshauptversammlung des 1. FC Köln im letzten Jahr als Beispiel dafür, dass Fans auf dem langen Marsch durch die Institutionen versuchen, Einfluss auf ihren Verein nehmen zu wollen. Damals war dem amtierenden Vorstand um Wolfgang Overath die Entlastung verweigert worden. Mehr als geringe Zugeständnisse von Vereinsseite sind auf diesem Weg allerdings auch nicht zu erwarten. Gründe dafür gibt es genug: Einerseits existieren im Profibereich kaum noch eingetragene Vereine, in der 1. Bundesliga sind es aktuell noch genau acht, die Macht der Jahresversammlungen ist somit stark begrenzt. Andererseits sind diese Versammlungen ohnehin in den seltensten Fällen Austrageorte für kontroverse Diskussionen, sondern meist Arenen der Selbstbeweihräucherung und des Stimmviehs. Entscheidungen über auch langfristig bedeutsame Dinge wie die 50+1-Regel, Vermarkungsverträge der DFL etc. finden sowieso außerhalb jeglichen Einflussbereichs von Kurvengängern und Sofaguckern statt.

So traurig dies ist, komme ich zu dem Schluss, dass die aktuelle Entwicklung des Fußballs zwar vielleicht auf in Zukunft noch heftigere Konfrontationen zwischen einzelnen Fangruppen, Vertretern des Profigeschäfts und der Ordnungsmacht hinausläuft. Tatsächlich ändern wird sich der schon früh eingeschlagene, am Profit orientierte Weg, den der Profifußball bis heute genommen hat allerdings so gut wie nichts. Zu gering sind die tatsächlichen Einflussmöglichkeiten, die Fans auf ihren Sport noch nehmen können. Und zu groß sind die Unterschiede zwischen den beteiligten Parteien, zu gering das Verständnis füreinander. Außerdem funktioniert der eingeschlagene Weg ja auch, kann die DFL doch Jahr für Jahr Rekordzahlen vermelden. Einzelne, die sich enttäuscht abwenden oder in ihren Emotionen über die Stränge schlagen sind da wohl als Kollateralschäden einzuordnen.

Der Fußball wird nie wieder so werden wie er noch nie gewesen ist.

Über den Autor: schneider3

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Die verlogene Liga

Zwei Themen bestimmten in den letzten Tagen die Diskussionen abseits des Rasens: Der Spielabbruch in St. Pauli und die Fan-Proteste am Samstag in der Allianz-Arena. Deutlich wurde dabei vor allem eines: Wie verlogen Funktionäre und teilweise auch Journalisten auf einige Themen reagieren, wie mit zweierlei Maß gemessen wird und wie jede Gelegenheit genutzt wird, einen Teil der Fußballfans als pöbelnde Masse abzustempeln.

Wenden wir uns zunächst dem Becherwurf von St. Pauli zu, immerhin erst der zweite Spielabbruch in der Geschichte der Bundesliga, der von Fans provoziert wurde. Ich will jetzt nicht darauf eingehen, wieviele Münzen, Feuerzeuge und Bierbecher jeden Samstag die Hand ihres ehemaligen Besitzers verlassen und auf Reisen gehen. Wer einmal in seinem Leben ein Spiel auf den Stehrängen verfolgt hat, weiß, dass spätestens bei einem Tor nicht nur ein oder zwei Plastikbecher durch die Gegend fliegen (man könnte fast auf den Gedanken kommen, dass diese Becher deswegen aus Plastik sind, damit bei solchen emotionalen Ausbrüchen eben gerade nichts passiert und der Getroffene in den seltensten Fällen zu Boden sinken muss). Aber das ist ja alles egal, weil der Spielabbruch Aytekins in der vorletzten Minute den Regeln entsprach und vielleicht sogar richtig war.

Zweierlei Maß

Oberstes Ziel von DFB, DFL und ihrer Handlanger in den Medienhäusern ist es schließlich, das Produkt Bundesliga Wochenende für Wochenende auf Hochglanz zu polieren und kleinere Scharten so schnell wie möglich auszuwetzen. Schließlich haben sich die Genannten jahrelang Mühe gegeben, den Fußball aus den miefigen Niederungen des Proletariats hervorzuholen und zum Familienevent zu machen. Der Becherwerfer aus St. Pauli wird als irrer Einzeltäter dargestellt, der diese eine, unbedachte Aktion voraussichtlich sein Leben lang büßen wird müssen. Wir erinnern uns an Paolo Guerrero, der aus nächster Nähe einem Zuschauer eine Flasche ins Gesicht warf. Die Folgen für ihn: 5 Spiele Sperre, eine (zugegeben hohe) Geldstrafe und eine Nominierung für den Kader für den UEFA-Cup die Europa-League. Die Kameraden äußerten Verständnis, allen voran Fan-Flüsterer Frank Rost, und dem Übeltäter wurde die vielzitierte zweite Chance dargereicht. Für viele Fans der blanke Hohn, angesichts der Vergabepraxis von Stadionverboten, welche mit Rechtsstaatlichkeit nur selten etwas zu tun hat. Und nicht nur im Falle des Fans von St. Pauli spricht keiner auch nur eine Silbe von einer zweiten Chance.

Die „Unschuld verloren“

Aber anscheinend hat St. Pauli nun seine „Unschuld verloren“. Eine Unschuld, die sich der Verein durch Stripperinnen in den „Séparées“ genannten Logen erst mühsam aufgebaut hatte. Eine Unschuld, die jetzt wohl nur noch im beschaulichen Kraichgau zu finden ist, wo Wohltäter Hopp Jugendliche von der Straße holt und ihnen eine Perspektive im Fußball bietet. Und wenn das Menschenmaterial in Nordbaden nicht ausreichen, werden eben, ganz unschuldig, 14-Jährige aufs aggressivste aus Berlin abgeworben.

Der Profifußball hat seine angebliche Unschuld 1973 in Braunschweig ins Schaufenster gestellt und seitdem etliche Male verkauft, sei es nun in Hoffenheim oder Leipzig, in Salzburg oder Manchester.

Die „Grenzen des guten Geschmacks“

Doch nicht nur ihre Unschuld werfen die Fans becherweise davon, nein, sie übertreten auch noch die Grenzen des Guten Geschmacks. Am Samstag richtete sich die Wut der Kunden Fans des FC Bayern gegen den Lokalrivalen aus Giesing und gegen Beinahe-Lichtgestalt Uli Hoeneß. Es ging um die inzwischen kaum noch zu durchschauende finanzielle Zukunft des TSV 1860 München und deren Verwicklung mit den „Roten“.

Geschmacksgrenzen enden anscheinend vor dem Wort „Schwein“ und weit vor Fadenkreuzen. Diese nämlich fanden sich auf Doppelhaltern, Blockfahnen und Spruchbändern in der Münchener Südkurve wieder und gehören demnach aufs Schärfste verurteilt. Ähnlich wie einst der weitestgehend folgenlose „Pfalzüberfall“ der Frankfurter Ultras oder der berüchtigte Doppelhalter aus Dortmund. Ob die angeführten Beispiele nun zu den subtilsten Arten der Meinungsäußerung gehören ist sicher fraglich, aber solange die meisten Vorstandsetagen von professionellen Dialogverweigerern bevölkert werden, ein Großteil der Fans eindimensional als Störer abgestempelt wird und freiheitsberaubende Repressionsmaßnahmen kritiklos hingenommen werden wird bei keiner der beteiligten Parteien so etwas wie Verständnis aufkommen.

Vielleicht lohnt es sich aber auch, zu schauen, wer sich innerhalb der nun schon öfters zitierten Grenzen bewegt und auf diesem rutschigen Parkett ganz sicher unterwegs ist: Uli Hoeneß zum Beispiel, der Heribert Bruchhagen vorwarf, „irgendein Pülverchen im Kaffee“ gehabt zu haben. Eine mehr als geschmackvolle Anspielung auf Christoph Daums über zehn Jahre zurückligende Kokain-Affaire. Oder die gesamte Führungsriege des FC Bayern, die sich in dieser Saison das eine oder andere Mal in peinlichen Prognosen verlor (Dortmund, Hannover) und einst Jan Schlaudraff verpflichtete, nur um mal die Muskeln spielen zu lassen. Schlaudraffs Karriere war daraufhin beinahe beendet und der FC Bayern verfolgt heutzutage ganz andere „Strategien“.

Und auch die geschmackvolle Kunst des Verdrängens wird auf der Funktionärsebene zur Perfektion gebracht. Oliver Bierhoff zum Beispiel wertet eine satirische (und zutreffende) Äußerung in einem Tatort, der sich um das Thema Homosexuelle im Fußball bemühte, als Angriff auf seine „Familie“ (Vater, Mutter, Sohn, Tochter, Hund, Kombi, Haus) Nationalmannschaft. Und die UEFA zensiert die Zaunfahne eines Fanclubs aus Dachau.

Abkehr als letztes Mittel?

Dies alles macht es für mich Tag für Tag schwerer, dem Profifußball noch mit der Begeisterung eines Fans zu folgen. Als Fan nicht nur der Sportart und spektakulärer Aktionen einzelner Spieler, sondern als Fan eines Vereins, der Stimmung in einem Fußballstadion und als Fan eines nur mehr aus der romantisierten Vergangenheit hallenden Gemeinschaftsgefühls.

Über den Autor: schneider3

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Saddam Magath

Schalke, Schalke, Schalke. Leicht könnte hier der Eindruck entstehen, wir werden zum königsblauen Hofberichterstatter, soll es doch nach der Lobpreisung Manuel Neuers an dieser Stelle um Felix Magath gehen. Kaum ein Manager, Trainer, Alles steht derzeit so im Fokus der Medien wie der einstige „Feuerwehrmann“. Selten geht es um die Person Magath, sondern meistens nur um den Funktionsträger, der trotz Ämterhäufung und Rekordgehalt wohl knapp vor dem Scheitern steht.

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Bemerkungen zur Berichterstattung über Fans im Fernsehen

Es geht also auch differenziert…

Dass das Verhältnis zwischen Fans und der Polizei nicht das allerbeste ist, wurde letzten Samstag beim Spiel Bremen – Hamburg erneut klar. Immer wieder kommt es zu Konflikten zwischen den beiden Parteien und jeder der schon einmal bei einem Auswärtsspiel dabei war, weiß wie willkommen man sich fühlt, wenn man am Bahnhof direkt einer Hundertschaft grün schwarz dunkelblau Vermummter begegenet.

Über den Autor: schneider3

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Leverkusens Sprink ins Feld

Sport? Mit Sicherheit.

Wenn es um sogenannte Ausschreitungen bei Fußballspielen geht, hat Otto Normalzuseher meist eine klare Meinung: Chaoten! So zutreffend dieses Etikett manchmal auch sein mag, sind Fußballfans doch immer noch Menschen. Menschen für die Artikel 1 des Grundgesetzes gilt: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Oder vielmehr gelten sollte…

Über den Autor: schneider3

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Die EM 2008 live – Ein Reisebericht

Die Sache kommt relativ spontan ins Rollen: Vor sechs Wochen meldet ein Kumpel zwei freie Tickets für die Viertelfinalspiele in Wien und Basel und ob ich denn daran Interesse hätte. Was für eine Frage! „Zur Not komm ich im Piss-Pott-Schritt!“ ist meine begeisterte Antwort! Die Planungen lassen sich sehr rasch erledigen, immerhin geht es ja nur in unsere beschaulichen Nachbarländer und nicht nach Südafrika oder in die Ukraine.

Über den Autor: Don

Mag Bier und Heavy Metal genau so gerne wie Eintracht Frankfurt. Bis 5 Uhr in der Bochumer Pinte anzutreffen. Spinnt.

Die Reglementierungsmafia

Quelle: pixelio.deDeutschland im Jahr 2030. Der Fußball als ständiger Hort der Unruhe, Emotionalität und Unvernunft ist endlich kultiviert. Die Zuschauer – der Ausdruck „Fans“ oder gar „Schlachtenbummler“ wurde in einer konzertierten Aktion von Bundestag, DFB und Medien abgeschafft – pilgern gesittet in Zweierreihen zu den sterilen Arenen. Bevor jeder seinen Sitzplatz einnehmen kann, wird er von Röntgenrobotern komplett gescannt. Davor schreibt die Arenenverordnung den Erwerb eines großen Salattellers mit Tofustückchen sowie eines Orangensafts vor. Wer sich dazu noch einen Apfel kauft, nimmt an der Verlosung zum „Zuschauer des Tages“ teil. Es gibt Karotten für die ganze Familie zu gewinnen.

Über den Autor: Guru von der Kreuzeiche

Leidensbereiter sowie leiderprobter SSV-Reutlingen-Fan und Unsympath. Empfindet die Bezeichnung “Unglaublicher Demagoge” als Kompliment. Trinkt was Schnäpse angeht nur klar.

Der (in)offizielle Ösi-Supporters-Blog

Das Land, aus dem DJ Ötzi stammt. Ganz Europa, vermutlich sogar weite Teile der Welt machen sich derzeit über unser Nachbarland Österreich lustig. Grund ist das Auftreten der Fußball-Nationalmannschaft des Alpenlandes gepaart mit der Gastgeberrolle der kommenden Europameisterschaft.

Selbst im eigenen Land bekommen die Spieler um Trainer Hickersberger nur Hohn und Spott zu hören. Sogar der Verzicht auf die Teilnahme wird gefordert, um Mannschaften die Teilnahme zu ermöglichen, die aus Sicht der frustrierten Fans dort eher hingehören. Wir finden: Das muss aufhören!

Über den Autor: Goldschuhe aus

Agent provocateur erster Güte. Ansonsten Misanthrop und Eintracht Frankfurt-Fan. Frisur: vorhanden.