„Ich bin wohlgemut.“

Er ist der Namhafte unter lauter Namenlosen, der Star unter den Unbekannten und der Einzige im Dunstkreis der Nationalmannschaft, der eine bessere Frisur als Joachim Löw hat. Ohne ihn würde „die Wade der Nation“ (kicker) immer noch „zwicken“ (alle dünnen und schwachen Fußballspieler). Wer jetzt noch nicht weiß, dass von Hans-Wilhelm „MüWO“ Müller-Wohlfahrt die Rede ist, hat wohl die letzten 150 Jahre Fußballgeschichte verpasst. Der Wunderheiler macht nicht nur die Spieler des „Rekordmeisters“ (kicker) wieder heile, sondern auch die „Jungz“ (B. Vogts) der „Löw-Elf“ (kicker). Zur EM hat er, der Gottgleiche, sich endlich herabgelassen, um zum einfachen Volk zu sprechen. Der Wunderarzt Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt hat zwei Lakaien Journalisten vom Magazin der Süddeutschen Zeitung ein Interview gegeben, welches an Unfassbarkeit kaum noch zu überbieten ist. Zusammenfassen lässt sich das Gespräch folgendermaßen: MüWo ist nicht nur ein sehr erfolgreicher, sondern auch bescheidener und guter Mensch und der Schulmedizin ca. 20 Jahre voraus. Zudem mangelt es seinen Kritikern einfach an der Kenntnis von allem und speziell der Medizin. Gesundes Selbstbewusstsein ist das Stichwort. Das gesamte Interview gibt es hier, ich möchte einige Highlights allerdings gesondert hervorheben.

Falls man sich schonmal gewundert hat, was der Mannschaftsarzt eigentlich macht, nachdem er in 11,0 Sekunden auf 100 Meter zum verletzten Spieler gesprintet ist, hier die Antwort:

„Ich tauche quasi in den Muskel ein.“

Aber das hilft ja auch nicht weiter, wenn man die auf diese Weise gewonnenen Erkenntnisse nicht sofort verarbeiten kann. Deswegen:

„Ich habe Tausende Male ertastet, wie sich ein unverletzter Muskel anfühlt. Diese Eindrücke habe ich gespeichert. Ich habe ungefähr 35 000 Muskelverletzungen diagnostiziert und im Gedächtnis abgelegt. Diese Speicherbilder, sogenannte Engramme, kann ich jederzeit abrufen.“

Der Vergleich mit einem Pianisten oder einem Violonisten drängt sich dem Leser sofort auf und auch MüWo weist in dem Interview nochmal auf die Ähnlichkeit seiner Tätigkeit mit der eines Künstlers hin. Klar, das jemand mit einer solchen Vita keine wirklichen Herausforderungen mehr kennt:

„Ich fühle mich mittlerweile jeder Aufgabe gewachsen.“

Dennoch, auch Demut und Bescheidenheit zeichnen den Arzt aus. Und das kommt nicht von ungefähr:

„Ich bin dankbar, eine christliche Erziehung erfahren zu haben. 15 Jahre lang habe ich Kassenpatienten an manchen Tagen bis Mitternacht behandelt.“

Allerdings hat die bösartige Kassenärztliche Vereinigung einen Strich durch die Rechnung gemacht. Bei aller Liebe, es geht einfach nicht mehr und jetzt müssen die ganzen Mütterchen und einfachen Leute von der Straße wieder zu unfähigen Scharlatanen gehen, während Müller-Wohlfahrt die Weltstars heilt.

Bei soviel Erfolg hört man auch international genau hin beziehungsweise schaut genau hin:

„Das Lehrbuch Muskelverletzungen im Sport, das ich vor zwei Jahren mit meinen Praxiskollegen geschrieben habe, erscheint in diesem Jahr in der dritten Auflage und auf Englisch.“

Die größte Schande jedoch ist das Missverständnis, das ihm in früheren Zeiten entgegengebracht wurde. Heutzutage ist die Expertise von Super-Doc MüWo jedoch unbestritten:

„Schon in den Achtzigerjahren habe ich bei der neurogenen Muskelverhärtung den Flüssigkeitssaum entdeckt, über den wir vorher gesprochen haben, und dieses Phänomen in meinen Vorträgen erklärt. Vor ein paar Jahren haben australische Wissenschaftler dieses Ödem entlang eines bleistiftdicken Muskelbündels erstmals bei Kernspinuntersuchungen bemerkt und meinten, sie hätten etwas Neues entdeckt.“

„Dass im Bereich der Wirbelsäule gereizte Nervenwurzeln die von ihnen versorgten Muskeln falsch ansteuern und nach meiner Einschätzung in über 90 Prozent aller Muskelverletzungen ursächlich beteiligt sind, habe ich schon Ende der Achtziger, Anfang der Neunziger beschrieben. Erst jetzt schließen sich andere Sportmediziner dieser Erkenntnis an.“

Und nicht wundern, wenn ihr IHM mal nachts begegnet:

„Ich habe schon wiederholt beim Joggen die Mitternachtsglocken gehört im Park!“

Einfach freundlich grüßen und „Du“ sagen, denn:

„Unter Sportlern duzt man sich.“

Unbedingt das ganze Interview lesen: Süddeutsche Zeitung Magazin: »Ich tauche in den Muskel« (Interview)

Über den Autor: schneider3

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Niveaulimbo und Spielerfrauen

2104046697_61a55f4c1aEin kleines bisschen Schadenfreude kann man sich ja nicht verkneifen, angesichts Arjen Robbens kleinkindhafter Reaktion bei seiner Auswechslung. Beim Auftakttraining der Bayern dürfte er jedenfalls einen schweren Stand haben, hat er doch gestern gegen seinen Mitspieler Philipp Lahm keinen einzigen Zweikampf gewinnen können. Zeit also für ein bisschen Niveaulimbo ind Form des Smash-Hits „Orange trägt nur die Müllabfuhr“ des hoffnungsvollen Nachwuchsbarden Mickey Krause, den es heute bei Amazon für lau gibt.

Über den Autor: esleben

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EM2012: Trikot-Check

Ein wesentliches Merkmal zunehmenden Alters ist, dass man auf Grund des perönlichen Gesetztseins Fußball zunehmend in weiblicher Gesellschaft schaut. Dies färbt ab, verhindert den Blick auf banale Elemente wie Taktik oder Technik der Spieler, aber es ist unumkehrbar: Der Blickwinkel auf Fußball verändert sich. Daher nun also die wirklich wichtige Frage zur EM 2012, nachdem man jede Mannschaft einmal gesehen hat:

Wer hat die schönsten Trikots?

Vorrundenaus

Trikot Spanien Em 2012

  • Spanien: So sehr man sich auch am Fußball der Spanier nicht satt sehen kann, so leicht passiert das beim Trikot. Einfach nur bieder.
  • Italien: Die italienische Mannschaft spielt nicht mehr wie eine italienische Mannschaft – sie sieht aber auch nicht mehr wie eine aus. Wo ist die Klasse, die optische Perfektion, die man gewohnt ist? Einfach nichtssagend.
  • Niederlande: Die beiden Orange-Töne bewirken Augenkrebs. Fakt.
  • Ukraine: Man scheint sich ganz auf die Bauarbeiten rund um die Stadien zu konzentrieren. Die Bauarbeiten am Körper wurden leider vernachlässigt. Schnarch.
  • Russland: Ein Trikot aus dem Baukasten. Flagge, Sponsor, Schärpe: Nichts passt zusammen.

  • Irland: Iren, wo ist Euer Stolz? Diese Nummern? WTF?
  • England: Man sieht aus wie man spielt. Keine Inspiration, kein Mut. Im Designbereich fehlen wohl selbst die ausländischen Top-Stars.
  • Griechenland: Man muss es ja verstehen. Die Griechen haben andere Sorgen als Fußball derzeit. Sieht man.
  • Dänemark: Was ist denn das für ein Rot? Grausam!
  • Polen: Die Farbkombination Weiß-Rot eigentlich sehr schön gewählt. Auch der Schnitt ist gelungen. Einzig: Es sieht etwas nach Bauch-Weg-Gürtel aus. Daher knapp ausgeschieden.

Geheimtipps

  • Tschechien: Knapp ausgeschieden. Das Trikot entbehrt nicht eines traditionellen Charmes, es reicht aber nicht ganz zum Weiterkommen
  • Kroatien: Hier tut es mir etwas leid. Ich steht eigentlich auf das Kroatien-Karo. Aber andere Mannschaft haben stärkere Trend gesetzt. Hier gezeigt übrigens das Auswärtstrikot, das Heimtrikot in klassischem Karo. Andersrum wäre besser gewesen und hätte vielleicht ins Halbfinale geführt.

Halbfinale

Platz 4: Portugal

Wer das Heimtrikot betrachtet, wird sich fragen, wieso etwas so Langweiliges den Sprung ins Halbfinale schafft. Die Antwort sieht man rechts. Das Auswärtstrikot bietet eine innovative und spielerische Integration der klassischen Farben Portugals in ein ungewohnt weißes Trikot. Dazu sorgt das Kreuz für eine gelungene Trennung von Flagge und Sponsor. So sieht Cristiano Ronaldo endlich mal gut aus.

 

Platz 3: Deutschland

Unter Jogi Löw kann Deutschland keine Titel holen. Auch beim Trikot nicht. Dennoch ein respektabler dritter Platz mit schönem Auftritt. Das Heimtrikot klassisch schwarz-weiß mit eleganten Streifen mit den Landesfarben. Sehr schöner Schnitt, unterstreicht den neuerdings ästhetischen Anspruch des deutschen Spiels. Mein Favorit aber: Das grüne Auswärtstrikot. Retro-Charme mit schön abgesetztem Rundkragen und Ärmeln. Hoffentlich kommt es auch mal zum Einsatz.

 

Finale

Platz 2: Frankreich

très chic! So sieht selbst Ribery gut aus. Beide Varianten mit Rugby-Anmutungen. Beim Heimtrikot zwei sehr schöne Blautöne kombiniert, dazu schöner Polo-Hemd-Kragen. Ungewöhnlich, traditionell und innovativ zugleich. Das weiße Auswärtstrikot kommt etwas schlichter daher, betont aber dafür die Eleganz. Hier sind die Armbündchen das besondere Accessoire. Der Franzose auf Platz 2? Zut alors!

Der Trikot-Europameister

Platz 1: Schweden

Der Grand-Prix-Sieg bleibt nicht der einzige Triumph der sympathsichen Skandinavier! Während das Heimtrikot mit klassichen Nadelstreifen daherkommt, glänzt das Auswärtstrikot so sehr, dass es für mich zum Titel reicht. Hallo Russland, so geht Schärpe! Tolles Dunkelblau in Verbindung zum klassichen Schweden-Gelb. Schlicht, elegant und in Kombination mit der Flagge einfach nur royal! The winner takes it all!

Über den Autor: Goldschuhe aus

Agent provocateur erster Güte. Ansonsten Misanthrop und Eintracht Frankfurt-Fan. Frisur: vorhanden.

Schwarz-rot-oranje

Heute herrscht wieder Verkleidungspflicht, denn die deutsche Nationalmannschaft greift zum zweiten Mal ins Geschehen der EM 2012 ein. Und dann noch gegen Holland die Niederlande, file under „Erzfeind“. Dass nicht alle in schwarz-roter Geilheit versinken, lässt sich derweil mal wieder in Berlin ablesen, wobei es ähnliches wohl auch in anderen deutschen Städten gibt. Dort geht der Fähnchen- und „Autokini“ (So heißen diese Kondome für den Außenspiegel im Fachjargon)-Klau um. Die Bild fragt schon panisch „Warum wollt ihr uns auch noch die EM vermiesen?“ und weiß, was Fähnchenklauer sonst noch in ihrer Freizeit treiben: „Sie legen Rohrbomben, zünden Autos an, besetzen Häuser.“

Der geschätzte Bildblog hat noch mehr zur Bild’schen Panikattacke, während sich der Blog mit dem wunderbaren Namen „Kotzendes Einhorn“ die Mühe gemacht hat, drei dieser Fahnenklauer ausfindig zu machen und zu interviewen. Deren Argument, dass man als BVB oder Schalke-Fan ja auch die Farben seines Vereins und nicht der Stadt etc. tragen würde, wieso also nicht das Emblem des DFB, verfängt zwar nicht (Ganz ehrlich, wer will sich mit „unglaublichen Demagogen“ identifizieren), schön finde ich die Aktion trotzdem. So als kleine Stichelei gegen all die, die meinen, während der EM ihren ach so unverkrampften Patriotismus ausleben zu müssen und dabei weit übers Ziel hinaus schießen. Wie schön, dass die Jungle World dazu gleich den passenden sozialpsychologischen Hintergrund liefert und mir Gelegenheit dazu gibt, uns den paraphrasierten Adorno in den Blog zu kleben:

Die Abhängigkeit von ökonomischen Zwängen, denen sich die Mehrheit der Arbeitenden aus Gründen des wirtschaftlichen Überlebens anpassen muss, lässt sie zum Ausgleich für ihre gekränkte Selbstachtung zum Opium des Kollektivstolzes greifen.

Wer sich trotzdem schminken möchte, sollte zumindest auf dieses Fabrikat des Wurstblog zurückgreifen, den ich hiermit übrigens jedem Fan der Titanic-Rubrik „Die Wirklichkeit mit Fleisch nachempfunden“ ans Herz legen möchte. Zu den Spielen:

18 Uhr, Lviv, Arena Lviv

Nein, wir beteiligen uns nicht an der Christiano Ronaldo-Häme. Verneigen uns stattdessen vor seinem Gottgleichen Körper, den aristokratischen Wangenknochen und seiner großspurigen Art Freistöße zu schießen. Sollte es jemals ein Remake von „Potato Fritz“ geben, wir würden CR7 für die Titelrolle vorschlagen. Und nein, wir spielen auch nicht die Platte, dass die Dänen ihren Überraschungssieg gegen die Niederlande bestimmt wieder mit einem Kidsmenü bei einem großen Fast-Food-Unternehmen gefeiert haben. Nein, wir freuen uns einfach nur, dass heute zwei „Alles oder nichts“-Spiele anstehen, die hoffentlich so mitreißend verlaufen, wie das Duell zwischen Polen und Russland am gestrigen Abend, bei dem zur Abwechslung auch Mehmet Scholl eine gute Figur machte.

20:45 Uhr, Kharkiv, Stadion „Metalist“

Überall werden sie wieder ausgekramt, die Highlights der Geschichte der schwarz-rot-oranje Beziehung. Die Spuckattacke, der geschundene Elfer, das 3:0 im vergangenen Herbst. Aber der echte Fan weiß: Alles nur Makulatur! Geschichte! Entscheidend is auf’m Platz, und dort interessiert es dann auch nicht, ob jetzt Klose oder Gomez stürmen, ob Schürrle statt Podolski spielt (Was ich begrüßen würde), oder Jogi Löw vor Aufregung wieder mit Inbrunst in seiner Nase bohrt; ob man sich schwarz-rot-geil fühlt, oder seine Probleme mit dem Patriotismus durch das Abknicken von Fähnchen äußert.

Foto: XNAHandkor/flickr.com

Über den Autor: esleben

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Auf dem Zweiten sieht man doch was…

Ausgerechnet das von uns so gescholtene ZDF sammelt mit interessanten Dokumentationen rund um die EM 2012 Pluspunkte. Durchaus interessante Einblicke in die Strukturen der Ukraine und des ukrainischen Fußballs bot gestern im Anschluss an die Partie gegen Schweden die Dokumentation „Liga der Milliärdäre“, in der ziemlich schnell klar wurde, wem die EM 2012 wirklich nützen soll. Vorgestern wanderte ZEIT-Autor Wolfgang Büscher zu Fuß von Breslau „Bis nach Lemberg“, reichlich Pathos inklusive, trotzdem sehenswert bzw. lesenswert, was Büscher für die Zeit darüber schreibt. Beide Dokus sind noch in der ZDF Mediathek zu sehen, und zwar hier und hier, und eignen sich hervorragend zur Überbrückung der Zeit bis zum ersten Spiel des Tages.

18 Uhr, Wroclaw, Stadion we Wroclawiu

Griechenland gegen Tschechien, der ehemalige Europameister gegen den zweimaligen Finalteilnehmer, angesichts der bisher gezeigten Leistungen beider Teams ein sicherer Kandidat für eine Unterbietung der blutleeren Partie zwischen Frankreich und England gestern. Aber erstens waren bisher alle vermeintlich uninterresanteren Partien dieser Europameisterschaft echte Hingucker, und zweitens ist es unverzeihlich bei einer EM auch nur ein Spiel zu verpassen (Und das sage ich in dem Wissen mindestens zwei Partien dieses Turniers zu verpassen…).

20:45 Uhr, Warszawa, Stadion Narodowy w. Warszawie

„Alles oder nichts“ für Co-Gastgeber Polen, die gestern mit ansehen mussten, wie die Auswahl des vermeintlich schwächeren der beiden gastgebenden Ländern den „ersten Dreier einfahren“ (Kicker) konnte. Dass es heute ausgerechnet gegen den wenig beliebten Nachbarn Russland geht, schafft eigentlich die Voraussetzungen für ein verbissen, wenn nicht hart geführtes Spiel. Mal sehen, welchen Schiedsrichter die UEFA bei diesem brisanten Duell einsetzt. Wolfgang Stark wäre die wohl am wenigsten feinfühlige Wahl… Und morgen sind wir dann wieder alle schwarz-rot-oranje

UPDATE: Nach dem Spiel unbedingt dranbleiben, die ARD zeigt ab 23:45 Uhr die Doku „Charly Graf – Ein deutscher Boxer“ über den „Muhammed Ali von Waldhof“.

Foto: Jabka/flickr.com

Über den Autor: esleben

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Mach et, Roy!

Dieses Jahr bin ich mir so sicher wie noch nie: England holt den Titel! Und zwar ganz einfach deswegen, weil sich die Leistung der Mannschaft in Turnieren immer umgekehrt proportional zu den Erwartungen im Vorfeld verhält. Waren die Engländern in den letzten Jahrhundertenzehnten noch Top-, Geheim-, Neben- und Sonstwasfavorit, ist die Erwartungshaltung dieses Jahr bei exakt null.

Kollege esleben schrieb ja bereits darüber: So desolat wie dieses Jahr hat sich das englische Nationalteam noch selten präsentiert. Rassismus, Rotsperren und ein nicht vorhandenes Leistungsprinzip; Dem Rumpfteam, das heute Abend auflaufen wird, ist schlicht gar nichts zuzutrauen, und genau das ist die große Chance. Frankreich weghauen, ohne dass die es merken und dann ab durch die Mitte. Spätestens, wenn Rooney wieder dabei ist, werden sich diese sogenannten Gegner noch umschauen.

Wie das alles möglich sein soll? Die Antwort ist ganz einfach: Super-Roy! Er weiß einfach, wie man mit großen Mannschaften und großen Stars umzugehen hat. Seine Vita liest sich wie die eines ganz Großen. Taktisch traue ich ihm zwar nicht ganz so viel zu wie Steve McClown McLaren, aber dennoch: Wer Finnland UND die Vereinigten Arabischen Emirate erfolgreich trainiert hat, der schafft das auch mit England. Ich nehme an, dass das Team hinten sehr sicher stehen und mit einigen schnellen Kombinationen zahlreiche schöne Tore erzielen wird.

Und das Allerschönste ist: dieses Jahr werde ich mir endlich keine Häme mehr anhören müssen. Vielmehr wird mir, gewandet in ein wunderschönes Scholes-Trikot, mit Erfurcht begegnet werden. Und ich werde sagen: „Ich habs schon immer gewusst! Die Engländer sind zum Siegen geboren.“

Über den Autor: schneider3

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Rio Ferdinands Bruder und die BBC

Küsschen für Slaven Bilic, Mario Gomez liegt sich wund, die Iren sind doch zu schlagen und KMHs „Blazer“ ist purer Augenkrebs. Der dritte Vorrundenspieltag brachte auch den ersten Einsatz für die wunderbare Seebühne bei Usedom. Ich freue mich jetzt schon auf den ersten Regenguss an der Ostsee, dann wird Oliver Kahn bestimmt noch sauertöpfischer in die Sonne schauen. Heute darf er dabei den ersten Auftritt des zweiten Gastgeberlandes beäugen und das potentielle Viertelfinale England – Frankreich bestaunen.

18 Uhr, Donezk, Donbass Arena

Das schöne an einer EM ist doch, dass keine Mannschaft die Möglichkeit hat, sich bei einem lockeren Auftaktmatch gegen z.B., San Marino warm zu schießen und den Grundstein für einen EM-Torschützenkönig zu legen. Stattdessen kommt es hier zu Vorrundenspielen, die bei der WM auch als Viertelfinale gut wären. John Terry TwatWährend Frankreich sicher zu den Titelfavoriten zu zählen ist, haben die Engländer in ihrer Vorbereitung alles dafür getan, glorios zu scheitern: Mit Spielern, die ihre Gegenspieler rassistisch beleidigen; Trainern, die diese Tatsache nicht wahrhaben wollen und lieber zurücktreten als Konsequenzen zu ziehen. Dazu einige wichtige Verletzte und einen altgedienten Verteidiger, der zu Hause bleiben muss, weil sein Bruder das Ziel der rassistischen Angriffe war. Und jetzt geht es als erstes gegen Frankreich. Kein Wunder, dass es im „Fußballmutterland“ (Kicker) Stimmen gibt, die fordern, den Mannschaftsbus vor dem Tor zu parken und vorne auf ein Zufallstor zu hoffen.

20:45 Uhr, Kyiw, Olympic Stadium

Das blau-gelbe Derby zwischen der Ukraine und Schweden dürfte wieder zum Endspiel der „lucky loser“ (S. Hannawald) deklariert werden, mit der vermeintlich leichteren Aufgabe für die Schweden. Die „Nordmänner“ (kicker) bieten jedenfalls genug Schmachtpotential für KMH, während die Namen der ukrainischen „Equipe“ (ebd.) für jeden Bela Rethy dieser Welt eine Herausforderung sind. Trotzdem gehe ich jede Wette ein, dass man hier dem ersten „torlosen Unentschieden“ – vermutlich der weniger guten Sorte – der EM gewahr werden wird.

Bis dahin zum Nachdenken die nicht unumstrittene BBC-Doku „Stadiums Of Hate“, die sich mit Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in den Stadien der beiden Gastgeberländer auseinandersetzt.

via testspiel.de

Foto: Marco Fieber/flickr.com

Über den Autor: esleben

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Spanisches Bunga-Bunga

Was bleibt von gestern? Große Namen garantieren keinen großen Fußball. Das kleine Holland verliert gegen das noch kleinere Dänemark, und Mehmet Scholl geht zukünftig auf Bewährung über den Äther. Denn der schwächste Mann rund um das deutsche Spiel trug gestern definitiv einen grauen Pullover mit Flicken an den Ellbogen. Der Rest war der Flug des Hummels über den Mertesacker!

18 Uhr, Gdansk, Arena Gdansk

Die Titelträger der drei letzten großen Turniere unter sich, und das auch noch im Vorspiel ab 18 Uhr. Italien versucht mit der Sympathieträger-Achse aus De Rossi und Cassano zu punkten, für Spanien treten die 1,60 Meter großen Schöngeister des FC Barcelona im Mittelfeld dagegen an. Dabei könnte nur Puyol Frisurenmäßig den Italienern ansatzweise Paroli bieten, liegt aber leider Zuhause in der Slayerbettwäsche und drückt seinen Kollegen die Daumen, dass sie von den Italienern nicht allzu unsanft auf deren Niveau herunter gezogen werden.

20:45 Uhr, Poznan, Stadion Miejeski w Poznaniu

Eine Partie, von der jeder Fan nur träumen kann: Irland unter Trap gegen Kroatien. Für eine atemberaubende Partie, von der wir unseren Kindern noch erzählen werden, ist also alles angerichtet. Wahrscheinlich hat aber nur die ARD ihr Veto bei der UEFA eingelegt, wäre doch schade, wenn die Wiederholung des Tatorts aus dem Saarland unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden müsste. Denn am Sonntagabend, da mag’s der Deutsche doch eher gemütlich, auch an der „Heimatfront“.

Foto: Sludgegulper/flickr.com

Über den Autor: esleben

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Die Leiden des jungen Schweinsteigers

Bevor die deutsche Nationalmannschaft überhaupt eine Minute gespielt hat, steht die erste Enttäuschung des Turniers bereits fest: Bastian Schweinsteiger wird auch diesmal wieder genau dann keine Leistung zeigen, wenn es darauf ankommt. Denn, Schweinsteiger ist gnadenlos überschätzt und versagt in wichtigen Spielen in einer fast schon beängstigenden Regelmäßigkeit. Seine Reputation als Fußballspieler beruht in erster Linie auf einem Missverständnis beziehungsweise Blendung: Gute Leistungen ruft der Mittelfeldakteur immer nur dann ab, wenn das Spiel von geringer bis mittlerer Bedeutung ist.

Meine Aussagen nähren sich dabei nicht von Hass (im Gegenteil, ich finde Schweini sogar fast sympathisch), sondern von einem Blick in die Geschichstbücher des jüngeren, deutschen Fußballs. Ich denke wir sind uns einig, wenn ich sage, dass herausragende Fußballspieler ihre Leistung sowohl für ihre Nationalmannschaft als auch für ihren Club „abrufen“ und sie ihr Team mit dieser Leistung „am Ende des Tages“ auch zu Titeln führen. Zwei exemplarische Spiele zeigen, dass Schweinsteiger hierzu nicht in der Lage ist.

WM 2006: Ganz Deutschland ist geil. Bis ins Halbfinale hat sich der Stahlhelm haben sich Klinsis Recken gekämpft und sollten doch am späteren Weltmeister Italien scheitern. Schweinsteiger, der bis dahin ein eher mittelmäßiges Turnier spielte, wird spät eingewechselt. Jedoch geschieht der Wechsel noch früh genug, um ihm die schlechteste Kicker-Note des Spiels einzuhandeln. Im wichtigsten Spiel des Turniers zeigt er keine Leistung. Vier Tage später kommt es im, vollkommen bedeutungslosen, Spiel um Platz drei zum Duell mit Portugal. Schweinsteiger blüht auf, schießt zwei Tore, wird Spieler des Spiels. Scheinbar kann er seine beste Leistung nur dann ‚bringen‘, wenn er keinen „unmenschlichen Druck“ (O. Kahn) verspürt. Ein ähnlich frappierender Leistungsunterschied zwischen Halbfinale und Spiel um Platz drei ließ sich übrigens auch beim letzten Weltmeisterschaftsturnier beobachten.

Aber springen wir ins Jahr 2012: Die Champions League, die „Königsklasse“, das Turnier um die wertvollste Clubtrophäe der Welt. Die Bayern besiegen im Halbfinale Real Madrid und dürfen das ersehnte Finale im eigenen Stadion bestreiten. Gefeierter Star des Spiels: Bastian Schweinsteiger, der sich, leicht verletzt, durch 120 Minuten Fußball kämpft und dann denn entscheidenden Elfmeter verwandelt. Soweit eigentlich eine Geschichte, die meiner These widersprechen würde. Hätte es da nicht eben jenes Finale gegen den Chelsea FC gegeben. Wieder kommt es zum Elfmeterschießen. Und was macht Schweinsteiger? Er versagt erneut und setzt den vielleicht wichtigsten Elfmeter seiner Karriere ans „Aluminium“.

Auch Dirk Nowitzki galt in der NBA als sehr guter Spieler, dem jedoch etwas Entscheidendes fehlte: ein Titel. Letzte Saison konnte er diese Scharte endlich auswetzen, im beinahe schon hoch zu nennenden Sportleralter von 33 Lenzen. Wie lange wird Schweinsteiger dazu brauchen? Und, wird er es überhaupt jemals schaffen?

Über den Autor: schneider3

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