Hoffenheim: Wenn aus Hass Mitleid wird

Hoffenheim, schon wieder Hoffenheim? Warum nur lässt man immer wieder zu, dass die eigenen Gedanken um diesen Kretin von einem Fußballverein kreisen? Wo es doch an anderer Stelle viel Bedeutenderes zu bedenken und feiern gibt. Dennoch, es passiert derzeit einfach zuviel Falsches, Ungerechtes, Absurdes und Dämliches in Hoffenheim, als dass man das Kaff im Kraichgau ignorieren könnte.

Im April letzten Jahres wurde Holger Stanislawski als neuer Trainer der TSG Hoffenheim vorgestellt. Nur kurze Zeit vorher hatte sich dieser unter Tränen von seinem langjährigen Arbeitgeber St. Pauli verabschiedet und angekündigt, dass er nach vielen anstrengenden Jahren für den Verein erstmal eine Pause und Erholung bräuchte.

Aber Hoffenheim brauchte ein menschliches Antlitz und ein wenig „Kult“ obendrein sollte auch nicht schaden. Und wer sollte dafür geeigneter sein als der kultige Trainer vom kultigen „Kiezklub“? Sein Vorgänger Ralf Rangnick war zudem durch Aufmucken aufgefallen, ein Verhalten, dass Über-Mäzen, Gutmensch und Sohn einer herzensguten Frau Dietmar Hopp natürlich nicht dulden konnte.

Stanislawski sollte also der Trainer für das „neue“ Hoffenheim sein. Hopp musste bemerken, dass die mit Millionenbeträgen in die erste Liga gekaufte TSG tatsächlich defizitär wirtschaftete und dass die künftigen Regeln des Financial Fair Play auch ihn betreffen würden. Die TSG musste kürzer treten und noch mehr auf junge Spieler setzen als „ohnehin schon“.

Leider konnte die sportliche Bilanz von Stanislawski mittelfristig nicht überzeugen. Immer öfter schaltete sich Hopp mit mehr oder minder qualifizierten Kommentaren ein und gerierte sich nicht zum ersten Mal als einer, der immer das letzte Wort haben muss. Dass dabei zwangsläufig die Autorität von Manager Tanner und Trainer Stanislawski untergraben wurde nahm Hopp wenigstens billigend in Kauf.

Das Stanislawski schließlich entlassen wurde und der lächerliche Markus Babbel stantepede als Nachfolger präsentiert wurde ist zwar lachhaft aber nicht weiter schlimm. Peinlich genug sind der Verein und seine Fans und „Ultras“ ohnehin schon.

Was mich hingegen wirklich immer wieder aufregt ist, mit welcher Nonchalance sich Dietmar Hopp in das Tagesgeschäft „seines“ Vereins einmischt und dabei ununterbrochen gegen die 50+1-Regel verstößt. Zuletzt hatte er beim Lakic-Transfer seine Finger im Spiel und er wird sich diese Form der Einflussnahme auch in Zukunft kaum nehmen lassen. Nichtmal heimlich, still und leise hat sich damit neben Wolfsburg und Leverkusen ein weiteres Geschwür ein weiterer Verein in der Bundesliga eingenistet, der diese Regel schlicht missachtet. Und während im Fall von Leverkusen und Wolfsburg noch die lachhafte Ausnahmeregel aufgrund des langjährigen Engagements der Unternehmen Bayer und VW greift, wird bei Hopp geflissentlich darüber hinweg gesehen.

1860 München musste (berechtigterweise) jedes Vertragsdetail mit seinem neuen Sponsor immer und immer wieder überprüfen lassen. Hopp hingegen wird noch eine Plattform geboten sich als Gutmensch aufzuführen und die hohen Herren von DFL und DFB lassen ihn gewähren.

Bildquelle: flickr/leralle

Über den Autor: schneider3

Mildernde Umstände aufgrund familiärer Vorschädigung durch zwei dominante Brüder. Normalerweise erlebt das Weißbier bei ihm das Mittagsläuten nicht. Kaiserslautern-Fan. Weiß der Teufel, warum.

Derby or not to be

Freitagnachmittag, es geht hart auf Feierabend zu. Was mussten wir bis hierhin nicht alles ertragen: Die Auflösung einer unserer absoluten Lieblingsbands, ein lächerliches Urteil des DFB, Arbeit, Poparbeit. Aber jetzt ist das Feld bestellt für ein Fußballwochenende, wie gemalt. Derby-mäßig geht jedenfalls mal wieder einiges und wer uns treffen will, wir sind am Montag drei Mann hoch in der Esprit Arena. Sag schon, Don, wo kann man uns treffen? „Vor dem Stadion!“.

Fr, 20:30 Uhr

VfL Wolfsburg – SC Freiburg (Das Abstiegsderby)

Zwei Abstiegskandidaten unter sich. Während die Wolfsburger Spieler aber immer noch damit beschäftigt sind, sich gegenseitig kennen zu lernen, ist Freiburg vergleichsweise akzeptabel aus der Winterpause gekommen. Nur zwei Pizarro-Tore am letzten Spieltag und ein Punkt gegen Bremen sind dabei höher anzusehen als der letzte Aufstieg. Doch im Chancen auslassen ist der SC nach wie vor Chef. Dürfte also mit Glück wieder ein Unentschieden geben. Ansonsten: file under „ewiger Aufbaugegner“…

Sa, 15:30 Uhr

Borussia Dortmund – Bayer Leverkusen (Das vermeintliche Spitzenspiel-Derby)

Dortmund gegen Leverkusen – das liest sich auf dem Papier wie ein Spitzenspiel, wäre die Leverkusener Truppe nicht immer dann auf Tauchstation, wenn es darauf ankommt. Ausreden gibt es ja genug: Ballack, Robin „Ich habe Fußball erfunden“ Dutt, Rudi „Scheißdreck“ Völler, Wolfgang „Spatenkinn“ Holzhäuser, …

Bayern München – 1.FC Kaiserslautern (Das Südwest-Derby)

Was sagte ich letzte Woche über den FCK? Die Favoritenrolle scheint den Bauern nicht zu liegen, gegen Bayern hat man die definitiv nicht inne. Ob es was bringt? Wohl kaum, seit letztem Wochenende jedenfalls heißester Abstiegskandidat neben der Null-Punkte-Hertha unter „Acht-Punkte“-Mike.

Sa, 18:30 Uhr

Borussia M’Gladbach – FC Schalke 04 (Das eigentliche Spitzenspiel-Derby)

Wer hätte gedacht, dass hier zwei potentielle Meisterschaftskandidaten gegeneinander antreten? Ob das nun unbedingt als Beweis für die Qualität der Bundesliga gelten muss, sei dahin gestellt. Die Schale wird aber keines der beiden Teams in den nächsten Jahren in den Himmel recken, eher steigt eins der beiden Teams ab. Ja, das ist eine Wette, wer schlägt ein?

So, 13:30 Uhr

FC St. Pauli – VfL Bochum (Das „Eigentlich müssten wir aufsteigen“-Derby)

Die Diskrepanz zwischen Anspruch und trauriger Realität ist dieses Jahr wohl kaum größer als in Bochum. Eine Schande, dass im schönsten deutschen Stadion die Grantler der letzten Jahre Recht bekommen haben. Unser Beileid an Kollege Papa-la-papp und den geschätzten Ben „Scudetto“ Redelings.

Mo, 20:15 Uhr

Fortuna Düsseldorf – Eintracht Frankfurt (Das Randale-Derby)

Action am Montagabend, wo gibt’s das schon, wenn nicht bei den Auftritten der Frankfurter Eintracht. Chef-Psychologe Armin Veh hat in jedem Fall dafür gesorgt, dass sich beide Teams einen unerbittlichen Kampf liefern werden. Also: 60 Minuten lang planloses Gerenne bei höchstem Tempo, die letzten 30 Minuten ausgepumpt auf den „lucky punch“ warten. Wenigstens winkt anschließend die längste Theke der Welt und besseres Bier als in der „Esprit Arena“. Hach, Fußball, ist schon geil…

Foto: KOMUnews/flickr.com

Über den Autor: esleben

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Lothars Traum

Lothar Matthäus gilt als schwer vermittelbar auf dem Arbeitsmarkt. Obwohl er als gelernter Raumausstatter schon in einigen Hotels erfolgreich gewirkt hat und eine durchaus eindrucksvolle Vita als Fußballspieler vorzuweisen hat, will ihm der Sprung auf eine Trainerbank in der Bundesliga einfach nicht gelingen. Mit seinem jüngsten Karrieremove dürfte Matthäus diesen Traum endgültig begraben und vollständig ins „Unterhaltungsfach“ wechseln.

Bei Vox wird Matthäus nämlich Protagonist einer eigenen Doku-Soap. Der ausstrahlende Sender hat zwar noch keinen Sendetermin bekanntgegeben, ordnet Matthäus aber auf einer Skala mit Daniela Katzenberger ein. Wenn Loddar also demnächst ein Café auf Malle eröffnet, kann keiner mehr sagen, er hätte von nichts gewusst:

„Die Kamera wird mich bei allem begleiten, was mein Leben ausmacht: Meine Freundin Joanna, meine Kinder, meine Reisen, meine Arbeit, meine Freizeit. Ich möchte den Menschen zeigen, wie ich wirklich bin. Die meisten kennen ja nur irgendwelche Schlagzeilen. Ich denke, da werden viele positiv von mir überrascht sein.“

Obwohl Freundin Joanna als Unterwäsche-Model reüssieren konnte, schließt der Ehrenspielführer und Rekordnationalspieler eines aus:

„Dusche und Schlafzimmer seien tabu, Sex-Szenen werde es ‚mit Sicherheit nicht geben‘ „

Es passt zur Matthäus’schen Hybris, dass er sich dabei mal wieder der Bild-Zeitung offenbarte, die in seiner Post-Spieler-Karriere kein Fettnäppchen des Kickers unkommentiert gelassen hat. Offenbar ist die Verzweiflung im Hause Matthäus so groß – zumal er ja neulich noch als verschollen galt und wegen ausstehender Zahlungen gesucht wurde – dass er damit auch seinen Traum vom Job als Bundesligatrainer aufgibt. Das muss für Matthäus die größte Niederlage seiner Karriere sein, obwohl zu befürchten ist, dass ihm dieses Maß an Selbstreflexion leider fehlt:

„Ein Lothar Matthäus lässt sich nicht von seinem Körper besiegen, ein Lothar Matthäus entscheidet selbst über sein Schicksal.“

Foto: Florian K./wikipedia.org

Zitate: vox.deхудожник на икони

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Ailton im Dschungelcamp

Kugelblitz im Dschungelcamp

Ich oute mich: Ich bin Fan des RTL Dschungel-Camp mitsamt seiner Dschungel-Domina Sonja Zietlow und dem Moderations-Kugelblitz Dirk Bach, und habe bisher so gut wie keine Minute des privaten Qualitätsfernsehen verpasst. Wer angesichts der spektakulären Verpflichtung von Ailton dieses Jahr nicht einschaltet, soll deshalb mit „DSDS“ nicht unter drei Jahren am Stück bestraft werden.

Ailton setzt die Reihe nach dem Ende ihrer Karriere bestürzend erfolgloser Fußballer im Dschungel-Camp fort und tritt die Nachfolge von Eike Immel und Jimmy Hartwig an. Nach Stationen bei Werder Bremen, Schalke 04, Besiktas Istanbul, dem HSV, Roter Stern Belgrad, den Grasshoppers Zürich, dem MSV Duisburg, Metalurg Donezk, dem SCR Altach, Chongqing Lifan, dem KFC Uerdingen 05 und dem FC Oberneuland heuert Ailton jetzt in der RTL-Dschungel-Elf an. Der Mann dürfte in jeder Hinsicht ein echter Zugewinn für die fünfte Staffel der Sendung sein, die ansonsten von D-Prominenz bevölkert wird, die man entweder erfolgreich verdrängt (Daniel Lopez, Martin Kesici, Vincent Raven), längst vergessen (Brigitte Nielsen, Ramon Leiß, Radost Bokel, Jazzy), oder einfach noch nie gehört hat (Rocco Stark, Kim Debkowski, Micaela Schäfer). Dazwischen Ailton, der unvergleichliche, der einzigartige, der vielleicht größte Entertainer an der Seitenlinie, der je in ein Mikrophon radebrechen durfte.

Es ist zu vermuten, dass RTL den lieben Ailton konsequent untertiteln wird, andernfalls lassen sich die vielen Nuancen seines Brasilo-Deutsch kaum erfassen, geschweige denn goutieren.

Favorit auf die Krone des Dschungelkönigs ist Ailton jedenfalls, dazu braucht es definitiv keine noch so absurd konstruierte Vorstellung der „schillernden Persönlichkeit“, wie sie RTL zum besten gibt:

Claude Makelele, Christian Vieri, Filippo Inzaghi, Roberto Carlos, Fabio Canavaro, Jan Koller oder Jay-Jay Okocha – Fußballer der Extraklasse, die eines gemeinsam haben: Sie wurden geboren im Jahr 1973 – als im brasilianischen Nest zwischen Campina Grande, Joao Pessoa und Recife ein Junge das Licht der Welt erblickte, der später einmal die deutsche Bundesliga aufmischen würde. Die Rede ist von Ailton Goncalves da Silva.

Damit Ailton auch vom weniger Fußball-affinen Teil der RTL-Kundschaft erkannt wird, hat man ihn fürs Dschungel-Camp Fotoshooting in ein grün-weißes Trikot gesteckt. Es dürfte allerdings nicht lange dauern bis Ailton im Camp blank zieht und das verbreitet, was sich die RTL-Redakteure unter „brasilianische Lebensfreude“ an die Pinnwand mit den Moderationskärtchen für Frau Zietlow und Herrn Bach gepinnt haben. Freitag geht’s zur besten Sendezeit los, ich bin dabei!

Foto: wikipedia.org

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Gestatten, Mini-Krise!

2011 steht im Zeichen der Krise – der Krise im Finanzsystem, in Südeuropa, gar in der ganzen (Wirtschafts-)Welt. Momentan kommen uns die Folgen dieser Krise (noch) seltsam abstrakt vor, trotzdem würde man sie als global und umfassend bezeichnen. Schließlich dauert die Krisen-Situation schon ein, zwei, drei Jahre und ein Ende ist nicht in Sicht. Wäre die Weltpolitik doch nur so einfach wie die Welt des Sports, die gleichzeitig eine Welt der „Mini-Krise“ ist.

Rein in die Mini-Krise…

Selbst ein Josef Ackermann oder Hilmar „Peanuts“ Kopper kämen nie auf die Idee, die momentane Krise im Finanzsystem als Mini-Krise zu identifizieren. Sportjournalisten diagnostizieren sie aber am laufenden Band, von der Bundesliga bis zur Verbandsliga, im Eishockey, im Basketball, ja überall, wo zwei Mannschaften um Sieg oder Niederlage ringen. Derzeit am schlimmsten von der Mini-Krise gebeutelt: der glorreiche FC Bayern, darin ist sich die Presse weitgehend einig. Die Diagnose ist also getroffen, doch wie sieht es mit den Symptomen aus? Zwei Niederlagen in Folge und der Verlust der Tabellenführung, schon ist sie da: die Mini-Krise. Und will nicht wieder weg, mindestens bis zum nächsten Sieg.

… raus aus der Mini-Krise

Wie man aus der Mini-Krise wieder raus kommt, hat unlängst der VFB Stuttgart gezeigt, wenn auch ein wenig tiefer in der Tabelle. Wieder herrscht Einigkeit: „Dank Harnik: Stuttgart beendet Mini-Krise“. Was war passiert? Der VFB hatte in den letzten drei Spielen nur zwei Punkte geholt, dabei einmal gegen Dortmund Unentschieden gespielt, einen Kontrahenten gegen den eigentlich immer zwingend drei Punkte her müssen. Aber mit dem 2:1 gegen Augsburg war die Mini-Krise auch schon wieder beendet, „dank Harnik“.

Eine Frage muss allerdings erlaubt sein: Ist die Niederlage gegen Augsburg nicht schon der Beginn einer neuen Mini-Krise oder befindet sich das Team von Bruno Labbadia damit sogar wieder mitten in der nächsten Mini-Krise? Und weiß es vielleicht noch gar nicht, weil keiner der vielen schlauen Sportjournalisten qua Artikel Bescheid gesagt hat, dass die Mini-Krise die Klinke schon in der Hand hält und nur allzu gerne die (große) Krise durch bitten würden? Wie gut, dass es den VFB Stuttgart nicht so hart getroffen hat, wie die Handballer des HC Sulzbach, dem im Duell mit dem TSV Haunstetten doch die Spieler ausgehen. Die Folge: „Mit Mini-Kader aus der Mini-Krise“ und die Hoffnung stirbt zuletzt.

Noch mehr Krise

Was hat die Mini-Krise mit der ureigenen Definition der Krise zu tun? Nämlich „Die Krise bezeichnet eine problematische, mit einem Wendepunkt verknüpfte Entscheidungssituation“ (Wikipedia) Vor welcher Entscheidung steht ein Sportverein in der Mini-Krise? Mehr als Sieg oder Niederlage kann es nicht sein. Spielabbruch dürfte kaum eine Option sein… Wie steht es um die Verwandschaftsverhältnisse zwischen Mini-Krise und Ergebniskrise. Wann führt letztere in eine Formkrise? Sicher ist nur, die Krise kann Mini sein, sie ist in jedem Fall Anlass genug um hysterische Nachrichten zu verbreiten.

Foto: schoschie/flickr.com (CC BY-SA 2.0)

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Die Kinder des Steffen Simon

Steffen Simon ist Redaktionsleiter der Bundesliga-Sportschau beim Westdeutschen Rundfunk. Insofern gebührt ihm offenbar das Privileg, sich aussuchen zu dürfen, welche Spiele er kommentiert, und welche nicht. Am Samstag hatte Steffen Simon beim Derby in Dortmund Platz genommen und musste leider fürchterliche Szenen schildern.

Es war die 80. Minute des Spiels zwischen Dortmund und Schalke, die Borussia führte 2:0, als im Schalker Blog Bengalos gezündet werden. Simon kommentiert:

„Aber zehn Minuten vor Schluss muss Schiedsrichter Meyer das Spiel unterbrechen.“

und weiter:

„Der Grund sind Randale in der Schalker Fanzone mit Pyrotechnik.“

Abgesehen von der „unzulässigen Gleichsetzung von Pyrotechnik und Randale“ kann man Simon in diesem Fall vielleicht sogar folgen. Das Argument, Pyros dienten dem Ausdruck von Emotionen, verfängt hier nicht. Es sei denn, sie sollen auch Frustration zum Ausdruck bringen, denn eine wirkliche Chance hatte Schalke zu diesem Zeitpunkt nicht mehr. Aber Simon ist noch nicht fertig mit den „Randalierern“ und legt jetzt richtig los:

„Liebe Kinder, das sind die Männer, bei denen ihr euch bedanken könnt, und die auch Raul nicht beruhigt bekommt, wenn ihr leider keine Stehplätze mehr vorfindet, wenn ihr groß seid. Einige wenige machen die über die Jahre gewachsene Fankultur der Bundesliga kaputt.“

Sagt der Mann, dessen Redaktion für eine Sendung verantwortlich ist, die im Vorfeld der laufenden Saison mit einer fragwürdigen Plakataktion beworben wurde, die eben die Verbindung zieht, welche die Pyrotechniker in den Kurven gerne auch dem DFB verkauft hätten: Pyros=Emotionen. Schaut man mal ins Archiv wird einem nicht ganz klar, welche gewachsene Fankultur Steffen Simon meint. Vor 20 Jahren gehörte Pyrotechnik für Kommentator Thomas Wehrle, bei der WM 2010 ARD-Programmchef Fernsehen und Redaktionsleiter Fußball beim SWR, noch zum „Gesamtkunstwerk Betzenberg“ und zu einem echten „Fußballfest“. Und wir sprechen hier über eine Zeit, in der die heute vorherrschende Fankultur der Ultras in deutschen Stadien noch keine Rolle spielte. Und sich die Frage stellt: Was war zuerst da – die Fankultur oder Steffen Simon?

Simons Kommentar ist purer Populismus und gibt die Linie wieder, auf die sich die Sportschau in ihrer Berichterstattung geeinigt hat. Pyrotechnik hat in den Stadien nichts zu suchen, basta. Man folgt damit der Linie des DFB und erspart sich den Versuch, eine eigene Meinung zu bilden. Aber wäre das nicht die Pflicht eines Journalisten, dem Beruf, den Steffen Simon auf seiner Steuererklärung angeben dürfte? Aber wie Trainer Baade heute richtig bemerkt:

„Dass die Präsentation von Fußball nichts mehr mit neutralem Journalismus zu tun hat, weiß man nicht erst seit Steffen Simon bei jeder Torchance tausend kleine Tode stirbt (Darf man hinzufügen: Aber leider keinen echten? Nein, darf man nicht.), als hinge die nächste warme Mahlzeit der von ihm zu ernährenden Familie davon ab. Wir ahnen: In gewisser Weise ist dem sogar so. Vielleicht keine Mahlzeit, dann eben der nächste Porsche.“

Da ist es nur folgerichtig, dass Simon sich auf Stammtischniveau herab begibt und dabei auch noch so etwas wie Mitleid mit zukünftigen Generationen von Stadionbesuchern heuchelt.

Quelle (Zitate Steffen Simon): youtube.com

Bild: sportschau.de

Über den Autor: esleben

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Die Menschlichkeit des Theo Zwanziger

Wer bislang völlig taub und blind durchs Leben ging, hat es wahrscheinlich endlich in den vergangenen Tagen und Wochen bemerkt: Dr. Theo Zwanziger ist nicht nur ein unglaublicher Demagoge, sondern auch ein echtes Desaster für den deutschen Fußball. Das desolate Handeln des DFB-Präsidenten im Fall Babak Rafati stellt in diesem Zusammenhang nur noch einen weiteren Tiefpunkt dar.

Ein Schiedsrichter begeht einen Suizidversuch und logischerweise weiß zunächst einmal keiner warum. Und das ist auch gut so. Die Gründe von Babak Rafati gehen nämlich die Öffentlichkeit überhaupt nichts an. Das einzige, was die Leute wissen müssen ist, dass das Spiel abgesagt wird und damit ist das Thema auch erst einmal erledigt.

Dass sich die elende Boulevardjournalisten-Meute dann die Informationen beschafft und wenige Minuten nach Entdeckung der Tat schon die ersten Details bekannt werden, muss man wohl hinnehmen. Um das Geschäftsgebaren von Bild und Co. soll es hier auch überhaupt nicht gehen. Aber dass Theo Zwanziger, seines Zeichens oberster Vorgesetzter von Babak Rafati und daher mit einer besonderen Sorgfaltspflicht für seine Mitarbeiter ausgestattet, sich allen Ernstes nach Köln begibt, um dort eine Pressekonferenz zu geben, die wirklich jeder Beschreibung spottet, zeigt die komplette Perversität seiner Führung des Verbands DFB.

Rücksichtnahme à la Zwanziger

Wenn man keine Ahnung hat, ist es manchmal besser, einfach mal die Fresse zu halten. Doch was macht Theo, Wächter über Fußballs Gnaden? Er sagt, dass sich alle Spekulationen verbieten würden und dass man Rücksicht nehmen müsse, um im gleichen Atemzug die wildesten Spekulationen zu verbreiten: Der Druck auf die Schiedsrichter sei zu groß, das wäre der Grund für den Suizidversuch. Natürlich der mediale Druck. Denn von dem Druck, den der DFB auf die Schiedsrichter über Bewertungen und Ranglisten aufbaut, war in diesem Zusammenhang logischerweise keine Rede. Minutiös schildert Zwanziger die Situation und den zeitlichen Ablauf im Hotel. Details wolle er allen ersparen, aber der Schiedsrichter habe in der Badewanne gelegen und es habe „viel Blut gegeben“. Auch von „Notizen“ im Hotelzimmer ist die Rede und auch über die Familiensituation informiert der DFB-Präsident sehr gerne: „Die Lebensgefährtin von Babak Rafati ist seine engste Angehörige.“

Wie verlogen kann man sein? Sich bestürzt und tieftraurig über den Suizidversuch zeigen, gleichzeitig bereitwillig über die  Details informieren und schon einmal die vermeintlichen Beweggründe offenlegen. Damit tut man natürlich dem Geschädigten einen echten Gefallen. Die Medien sprangen gerne auf den Zug aus. Denn es passte ja auch so schön ins Bild, in die so oft gezeichnete Linie Enke-Miller-Rangnick. Da war doch ein Rafati, der sich aufgrund des mörderischen Drucks der Bundesliga versucht, das Leben zu neben nur ein weiterer willkommener Mosaikstein in einer bescheuerten Argumentationskette. Jetzt ist allen Ernstes davon die Rede, die Schiedsrichter-Noten im Kicker abzuschaffen, obwohl mittlerweile bekannt ist, dass Rafati private Gründe für sein Handeln hatte.

Emotionen schaffen Fakten

Aber die Moralmaschine war schon wieder heißgelaufen. Munter wurden Zusammenhänge gesucht konstruiert und Verbindungen geschaffen, wo keine sind. Sogar von einer eigentlichen Qualitätssendung wie Sport Inside, die den Umgang mit dem Schiedsrichter aus dem Freiburg-Spiel verurteilte. Sinngemäßes Zitat: „Wenige Stunden nach dem Selbstmordversuch von Schiedsrichterkollege Babak Rafati wurde Wingenbach von Spielern und Zuschauern massiv angegangen.“ Man möchte diesen Journalisten an die Stirn klopfen und „Hallo, jemand zuhause?“ (H. Strunk) zurufen. Was hat das eine mit dem anderen zu tun? Für einen Bericht, der ordentlich auf die Tränendrüse drückt und Empörung für diesen unmenschlichen Fußball wecken soll, werden halt auch beim WDR gerne Fakten missachtet. Die Quote nimmt man ja gern mit. Aber die Absurdität ist schon bemerkenswert. Folgendes Szenario: Angenommen, ein Mitarbeiter eines DAX-Unternehmens begeht einen Selbstmordversuch und schreibt in seinem Abschiedsbrief, dass seine Frau ihn verlassen habe und dass er zudem nach dem Tod seiner Eltern auch keinen Grund mehr sähe, weiterzuleben. Wer würde auf die Idee kommen und davon sprechen, dass der Druck auf der Arbeit dazu geführt hätte und dass man jetzt auch wirklich einmal die Geschäftspraktiken dieses Unternehmens zu untersuchen habe?

Zwanzigers Realität

Doch zurück zu Zwanziger, dem es gelingt, jede noch so starke Verlogenheit spielend zu toppen. Der DFB-Präsident spricht immer gerne von Menschlichkeit, Rücksichtnahme und Fairness. Davon, dass der Fußball nicht alles ist, dass man Druck von den handelnden Personen nehmen müsse, dass vieles im Leben doch wichtiger wäre. Gerade nach den Fällen Enke, Rangnick und Rafati wird eben diese Menschlichkeitskeule gerne geschwungen. Alles völlig richtig. Doch in der gelebten Realität von Theo Zwanziger sieht es immer etwas anders aus. Oder bin ich der einzige, der sich noch an den geradezu brutalen Umgang mit seinem Vize-Präsidenten Rainer Koch erinnert, dem – nachdem dieser  sich wohl auf Geheiß Zwanzigers mit Manfred Amerell und Bischof Huber getroffen hatte, um in der Schiedsrichter-Affäre zu schlichten – er in Form einer Pressemitteilung massiv eins überzog. Das Ende vom Lied: Koch musste sich allen Ernstes entschuldigen und  zudem noch zahlreiche Kompetenzen abgeben. Ist das der menschliche Umgang, den Zwanziger meint? Mitarbeiter öffentlich zu demütigen? Ist das ein Vorgehen, das Druck von den handelnden Personen nimmt?

Theo Zwanziger hat sich in seiner Amtszeit schon so viel Ungeheuerliches geleistet, dass jede einzelne Episode eigentlich zwingend einen Rücktritt nach sich ziehen müsste. Angedroht hat er es ja lächerlicherweise schon oft. Wenn es ihm jetzt wirklich endlich ernst ist mit der Menschlichkeit im Fußball, wäre spätestens jetzt der Zeitpunkt für den Rücktritt gekommen.

Bildquelle: © Manuel Heinrich / Wikimedia Commons / CC-BY-SA-2.5

Über den Autor: Guru von der Kreuzeiche

Leidensbereiter sowie leiderprobter SSV-Reutlingen-Fan und Unsympath. Empfindet die Bezeichnung “Unglaublicher Demagoge” als Kompliment. Trinkt was Schnäpse angeht nur klar.

Der erfolglose Michael

Michael Oenning hat zwei Probleme: Seine Frisur und seine beinahe unfassbare Erfolglosigkeit als Bundesligatrainer. Der passionierte Klavierspieler ist nach nur zwei Trainerstationen so etwas wie das Tasmania Berlin unter den Trainern, wie ein Blick auf die nackten Zahlen beweisen kann.

Der traurige Michael Oenning darf zukünftig nicht mehr in Hamburg so traurig aus der Wäsche schauen, dass ihn Thomas Schaaf väterlich in den Arm nehmen muss. Trotz anderweitiger Beteuerungen trennte sich die Vereinsführung von Sympath Oenning. Argumente, die für seine Weiterbeschäftigung sprechen würden, konnte er einfach nicht liefern. Konnte er übrigens noch nie, wenn man sich die Mühe macht und Oennings Punkteausbeute in der Bundesliga mal „Paroli laufen lässt“, wie ein großer HSV-Spieler zu sagen pflegt.

Nach dem erfolgreichen Bundesligaaufstieg mit dem Club saß Oenning 17 Spiele lang auf der Trainerbank des 1. FCN. Zwölf Punkte und drei Siege sprangen in dieser Zeit heraus, zu wenig, um Oenning länger als Trainer in der „Noris“ (G.Koch) halten zu können. Nächste Chance Hamburg. Am 14.03 übernahm Oenning dort vom amtsmüden Armin Veh, der sich mittlerweile in Frankfurt als „Mehr Verstärkungen“-Veh einen Namen gemacht hat. Acht Spiele, acht Punkte lautete seine Bilanz bis zur Sommerpause, seitdem ist ein einziger Punkt dazu gekommen. Insgesamt gelang dem HSV unter Oenning ein einziger Sieg. Ein Sieg in saisonübergreifend 14 Spielen. Kein Wunder, dass Oenning ständig aus traurigen Augen in die Welt blickt!

Vielleicht sollte sich Oenning in Zukunft doch mehr auf seine Karriere im Fernsehen konzentrieren, Marcel Reif könnte mal wieder kompetente Unterstützung gebrauchen. Schade nur, dass Herzblatt nicht mehr läuft…

Bild: Franconia/wikipedia.org

Über den Autor: esleben

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Die Pyro-Sportschau am Samstag

Die Vollmüllung der TV-Apparate und sonstiger Medienkanäle durch vollkommen nebensächliche „Fußballevents“ (ganz ehrlich, Spox, ein Live-Ticker für das Spiel Guangzhou Evergrande – Real Madrid, gehts noch?!) wird weniger, ab dem Wochenende wird endlich richtiger Fußball gespielt. „Der Ball rollt wieder“ (kicker) und ganze Horden zu Hause gebliebener Fußballfans versammeln sich vor den Empfangsgeräten, um die gute, alte Sportschau zu schauen.

Eigentlich sollte samstags um 18.00 Uhr ein gewisser Automatismus einsetzen und der erste Kronkorken von der Pulle gehebelt werden. Jedoch sind nicht jedem_r, der_ie 2006 zum „Fan“ geworden ist, die Rahmendaten der 1. Bundesliga bekannt oder gar bewusst. Da Einschaltquoten aber das Wichtigste im öffentlich-rechtlichen Fernsehen sind, wird nochmal ordentlich die Werbetrommel gerührt, schließlich will der Bildungsauftrag ja unters Volk gebracht werden.

Also, rasch bei Jung von Matt angerufen und Plakate in Auftrag gegeben. Die hängen jetzt an jeder Bushaltestelle Deutschlands und beschwören sich wöchentlich wiederholende Heldenmythen. Und wer jetzt geglaubt hat, ekelhafter und heuchlerischer als bisher wird die Sportschau schon nicht werden, sieht sich eines besseren belehrt: Die sogenannten Helden posieren in Jubelgesten vor einer Fankurve, in die ein gänzlich talentfreier Photoshop-Praktikant gefühlte tausend bengalische Fackeln reinkopiert hat.

Abgesehen von der miserablen Optik dieses Machwerks ist die Falschheit dieser Aktion kaum noch in Worte zu kleiden. Die Moralapostel der Sportschau wurden in der Vergangenheit niemals müde, „Randale“ und „Chaoten“ zu identifizieren, sobald auch nur ein Rauchtopf gezündet wurde: „Moralisch ist das alles ganz falsch, die Verletzungsgefahr ist gleich eine Million und ohnehin ist das alles strafrechtlich relevant.“ Doch plötzlich ist dieser, an Entsetzlichkeit kaum zu übertreffende Ausbruch von Aggression die geeignete Kulisse für eine Werbekampagne. Aber wahrscheinlich zahlen die so transportierten Emotionen direkt auf die Marke ein und die Herren Entscheider waren so abgelenkt davon, zum ersten Mal in ihrem Leben eine PowerPoint-Präsentation zu sehen, dass Ihnen die tausendfach begangenen Verbrechen im Hintergrund ihrer „Stars“ gar nicht aufgefallen sind.

Wenn allerdings alles gut geht, müssen die professionellen Empörer ohnehin bis zum 22. August warten, um sich wieder aufregen zu können. Ein Großteil der organisierten Fans in Deutschland hat sich verpflichtet, bis zu diesem Datum auf das Abbrennen von Pyro zu verzichten. Hintergrund dessen sind die,bisher wohl gut verlaufenden, Gespräche zwischen Fans, Polizei und dem DFB. Gemeinsam soll eine Lösung gefunden werden, Pyrotechnik in den Stadien zu legalisieren und trotzdem als Ausdruck von Emotionen zu belassen.

Einen Bericht über dieses Thema sucht man auf sportschau.de allerdings vergeblich…

Bildquelle: kopane.de

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Fußball aus den 80ern – eine Begegnung mit Berliner Hooligans

Als ich einmal in Koblenz auf einem Auswärtsspiel war, hatte ich die zweifelhafte Ehre, einige (ehemalige) Hooligans des 1. FC Kaiserslautern und ihre sehr verqueren Moralvorstellungen bei einem „gemütlichen“ Bier kennen zu lernen. Dabei konnte ich auch lernen, dass diese Menschen ein Verhältnis zur Gewalt haben, wie ich zum Biertrinken: es ist Teil der Freizeitgestaltung und hin und wieder erlebt man lustige Anekdoten, die man dann später in geselliger Runde zum Vergnügen aller Beteiligten zum Besten geben kann. Die meisten dieser Geschichten drehten sich dabei um die 80er Jahre, als der Zuschauerschnitt nicht zuletzt wegen zahlreicher Gewalttaten in und um die Stadien unter die Marke von 20.000 pro Spiel sank. Wer in den letzten Jahren wieder verstärkt „Chaoten“ und Gewalttäter die Bundesliga unsicher machen sieht, möchte doch mal bitte einen Blick in die Archive werfen, um das Ganze wieder etwas zu relativieren.

Beim Gang in die unteren Ligen jedoch bietet sich ein etwas anderes Bild. Wohl auch aufgrund geringerer Polizeipräsenz und sonstiger Sicherheitsinfrastruktur kommt es hier zu Ausschreitungen ganz anderer Qualität als in der „bel étage des deutschen Fußballs“ (kicker). Nicht allzu selten war dabei der berüchtigte BFC Dynamo beteiligt, sodass man von diesem eigentlich weniger mehr kennt als dessen Stasi-Vergangenheit und seine Hooligans.

Wie es der Zufall so wollte, kreuzten sich am vergangene Wochenende meine und die Wege des „sympathischen Underdogs“ (USP von Mainz 05). DFB-Pokal, erste Runde, BFC Dynamo – 1. FC Kaiserslautern. Ich freute mich richtig auf dieses Spiel abseits von Event- und Hochglanzfußball. Dass das Spiel zu einem meiner bisher prägendsten Stadionerlebnisse überhaupt wurde lag dann aber nicht am Spielverlauf oder der sportlichen Dramatik.

Schon bei der Anreise zum Stadion fiel mir auf, dass das Publikum hier wohl ein anderes ist, als ich es aus der 1. und 2. Bundesliga gewohnt war. In meiner Bahn fuhren keine Frauen, keine Kinder, sondern beinahe ausschließlich trainierte Mittdreißiger mit, ichsachmal, praktischen Frisuren. Ich traf meine beiden Freunde an der Stadionhaltestelle und wir suchten eine, unserer Meinung nach, echte Berliner Kneipe auf. Das Publikum war ein ähnliches wie in meiner Tram, die Biere wurden uns wegen eines Glasverbots in Plastikbechern ausgeschenkt.

Nach dem Genus eines wundervoll süffigen „Schultheiss“ flohen wir in Richtung Stadion. Der Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark liegt ist wohl das, was man einen „Oldchool-Ground“ nennen würde; mitten im Wohnviertel gelegen sind die vier Flutlichtmasten das prägende Charakteristikum des Stadions. Der Gästesektor war, bei Dauerregen, selbstverständlich nicht überdacht und wir nahmen unsere Stehplätze in der Nähe der Eckfahne ein, holten uns ein weiteres Bier und warteten auf den Anpfiff.

Die Stimmung war ordentlich, der Spielverlauf erwartungsgemäß. Lautern führte zur Halbzeit mit 2:0, das 1:0 war richtig schön herausgespielt und die Amateure vom BFC hatten eigentlich keinen Auftrag. Die Lauterer sangen fröhlich ihre Liedchen und auch die BFC-Fans boten einiges an Anfeuerung und Schlachtrufen auf. Um die 80. Minute herum dann wurde die Stimmung etwas hitziger, ein, zwei Rauchbombem stiegen aus dem Fanblock von Dynamo auf und eine Reihe von Böllern wurde gezündet. Weltschiedsrichter Rafati ließ aber nach fünf Minuten weiterspielen. Schließlich folgte der Abpfiff und wir erklommen die Treppen, um das Stadion zu verlassen.

Von den Leuten, die uns entgegen strömten ließen wir uns nicht irritieren und waren schon fast ganz oben angelangt, als uns auffiel, dass da eine massive Prügelei im Gange war, einige Augenblicke später lagen die Ersten auf dem Boden und hatten das eine oder andere Polizistenknie im Rücken. Wir machten uns langsam wieder auf den Weg nach unten, nur um zu sehen, dass auf der anderen Seite des Pufferblocks erste Sicherheitstore aufgingen und ein paar Dynamofans durch den Innenraum auf den lauterer Ultrablock losrannten. Komischerweise sah sich die sympathische Ordnerin, die einige Minuten zuvor noch grinsend einen einzelnen Lauternfan von Zaun stoßen wollte nicht in der Lage, zusammen mit Ihrem Kollegen auch nur einen Berliner aufzuhalten. Es folgte ein lustiges Handgemenge mit Fahnenstangen, bis uns bewusst wurde, dass von Links oben, unten und aus der Mitte BFCler auf den Gästeblock zurannten. So schnell wie wir waren wohl manche Familienväter und andere Fans nicht und bekamen seitens der Hooligans aus Ostberlin einiges ab. Nach zehn Minuten schien die Situation schließlich halbwegs unter Kontrolle, auch wenn aus allen Richtungen noch gegen Fans aus Kaiserslautern gepöbelt wurde; ob nun von einem 50-Jährigen mit seiner Tochter (?) im Arm oder oder von einigen Kandidaten, deren Foto man in den entsprechenden Bildstrecken einschlägiger Onlinemedien wiederfindet.

Insgesamt bleiben einige Fragen unbeantwortet, die den Ordnerdienst, die Polizeitaktik und einige andere Dinge betreffen. An diesem Samstag hatte sich jedenfalls scheinbar die gesamte Berliner Assozialität versammelt, um den Gästen aus der Pfalz mal wieder zu zeigen, wo der Hammer hängt. Ob der Sturm eines bunt gemischten Gästeblocks dafür die richtige Maßnahme ist, bleibt jedem selbst überlassen. Ich war am Ende jedenfalls froh, dass ich meinen Schal in der Eile doch nicht mehr gefunden haben…

Über den Autor: schneider3

Mildernde Umstände aufgrund familiärer Vorschädigung durch zwei dominante Brüder. Normalerweise erlebt das Weißbier bei ihm das Mittagsläuten nicht. Kaiserslautern-Fan. Weiß der Teufel, warum.