Papiertiger 50+1-Regel

Papiertiger 50+1-Regel

Manchmal sind es verhältnismäßig kleine Dinge, in denen sich große Konflikte offenbaren. Es war kurz vor Schluss im letzten, sportlich bedeutungslosen Spiel zwischen Hannover 96 und dem SC Freiburg, als die Fans im Niedersachsenstadion noch einmal erwachten. Die Freiburger präsentierten in Ihrem Blog ein Transparent mit der Aufschrift „Kind muss weg“, unterstützt durch vielstimmiges Rufen nach dessen Demission. Auf Hannoveraner Seite stimmte man im Oberrang der Nordkurve ein, während man im Unterrang offenbar anderer Meinung war und ist. Die Folge: Gewaltätige Auseinandersetzungen innerhalb der eigenen Kurve. Das zeigt, wie tief Präsident Martin Kind die Hannoveraner Fanszene gespalten hat. Dass ausgerechnet die Freiburger Kurve Auslöser des Tumults war, ist ein weiteres Indiz dafür, dass Kind für ein spezifisches Problem aller Fans mit dem Fußball steht: Er möchte die 50+1-Regel abschaffen.

Über den Autor: esleben

Verrät als Freiburg-Fan Heimat wie auch Elternhaus und trinkt ansonsten ausschließlich Veuve Clicquot. Wer wohnt schon in Düsseldorf? Mehr über Esleben auf Google+

Hoffenheim: Wenn aus Hass Mitleid wird

Hoffenheim, schon wieder Hoffenheim? Warum nur lässt man immer wieder zu, dass die eigenen Gedanken um diesen Kretin von einem Fußballverein kreisen? Wo es doch an anderer Stelle viel Bedeutenderes zu bedenken und feiern gibt. Dennoch, es passiert derzeit einfach zuviel Falsches, Ungerechtes, Absurdes und Dämliches in Hoffenheim, als dass man das Kaff im Kraichgau ignorieren könnte.

Im April letzten Jahres wurde Holger Stanislawski als neuer Trainer der TSG Hoffenheim vorgestellt. Nur kurze Zeit vorher hatte sich dieser unter Tränen von seinem langjährigen Arbeitgeber St. Pauli verabschiedet und angekündigt, dass er nach vielen anstrengenden Jahren für den Verein erstmal eine Pause und Erholung bräuchte.

Aber Hoffenheim brauchte ein menschliches Antlitz und ein wenig „Kult“ obendrein sollte auch nicht schaden. Und wer sollte dafür geeigneter sein als der kultige Trainer vom kultigen „Kiezklub“? Sein Vorgänger Ralf Rangnick war zudem durch Aufmucken aufgefallen, ein Verhalten, dass Über-Mäzen, Gutmensch und Sohn einer herzensguten Frau Dietmar Hopp natürlich nicht dulden konnte.

Stanislawski sollte also der Trainer für das „neue“ Hoffenheim sein. Hopp musste bemerken, dass die mit Millionenbeträgen in die erste Liga gekaufte TSG tatsächlich defizitär wirtschaftete und dass die künftigen Regeln des Financial Fair Play auch ihn betreffen würden. Die TSG musste kürzer treten und noch mehr auf junge Spieler setzen als „ohnehin schon“.

Leider konnte die sportliche Bilanz von Stanislawski mittelfristig nicht überzeugen. Immer öfter schaltete sich Hopp mit mehr oder minder qualifizierten Kommentaren ein und gerierte sich nicht zum ersten Mal als einer, der immer das letzte Wort haben muss. Dass dabei zwangsläufig die Autorität von Manager Tanner und Trainer Stanislawski untergraben wurde nahm Hopp wenigstens billigend in Kauf.

Das Stanislawski schließlich entlassen wurde und der lächerliche Markus Babbel stantepede als Nachfolger präsentiert wurde ist zwar lachhaft aber nicht weiter schlimm. Peinlich genug sind der Verein und seine Fans und „Ultras“ ohnehin schon.

Was mich hingegen wirklich immer wieder aufregt ist, mit welcher Nonchalance sich Dietmar Hopp in das Tagesgeschäft „seines“ Vereins einmischt und dabei ununterbrochen gegen die 50+1-Regel verstößt. Zuletzt hatte er beim Lakic-Transfer seine Finger im Spiel und er wird sich diese Form der Einflussnahme auch in Zukunft kaum nehmen lassen. Nichtmal heimlich, still und leise hat sich damit neben Wolfsburg und Leverkusen ein weiteres Geschwür ein weiterer Verein in der Bundesliga eingenistet, der diese Regel schlicht missachtet. Und während im Fall von Leverkusen und Wolfsburg noch die lachhafte Ausnahmeregel aufgrund des langjährigen Engagements der Unternehmen Bayer und VW greift, wird bei Hopp geflissentlich darüber hinweg gesehen.

1860 München musste (berechtigterweise) jedes Vertragsdetail mit seinem neuen Sponsor immer und immer wieder überprüfen lassen. Hopp hingegen wird noch eine Plattform geboten sich als Gutmensch aufzuführen und die hohen Herren von DFL und DFB lassen ihn gewähren.

Bildquelle: flickr/leralle

Über den Autor: schneider3

Mildernde Umstände aufgrund familiärer Vorschädigung durch zwei dominante Brüder. Normalerweise erlebt das Weißbier bei ihm das Mittagsläuten nicht. Kaiserslautern-Fan. Weiß der Teufel, warum.

Über Ultras und die Ohnmacht der Fans

Die BILD-Zeitung ist ja bekanntlich schnell bei der Hand, wenn es um griffige Schlagzeilen geht. Nachdem es vor einigen Tagen zu Zusammenstößen zwischen Fans und Sicherheitskräften am Frankfurter Waldstadion kam, schrieb das DrecksBlatt schließlich von der „unheimlichen Macht der Fans“.

Ohne, dass in dem Artikel beschrieben wurde, worin diese Macht denn eigentlich begründet ist und vor allem, wie sie sich äußert, scheint dieses Thema derzeit an allen Ecken und Enden aus dem Boden zu schießen. 11Freunde phantasierte darletzt sogar eine Revolution von der Tribüne herbei. Dabei beschreibt diese Titelstory nicht viel mehr als eine Handvoll Initiativen, die eine Handvoll „unbequemer“ Entscheidungen auf Jahreshauptversammlungen erreichen konnten. Und auch die Ultras stehen nach einigen öffentlichkeitswirksamen Aktionen in der jüngeren Vergangenheit immer mehr im Fokus der Medien. Aber sollte man deswegen von einem Umbruch oder gar von neu gewonnener Macht sprechen?

Man muss an dieser Stelle unterscheiden, wie Fans versuchen Einfluss zu nehmen und worauf. Landauf, landab halten aktive Fußballfans allwöchentlich Transparente und Spruchbänder in die Luft über den Stehrängen, raffen sich sogar mal für eine gemeinsame Demonstration zusammen oder versuchen, wie in Frankfurt geschehen, die Spieler zur Rede zu stellen, die ihre Hoffnungen Woche für Woche auf dem Rasen zerstören.

Besonders die Ultras haben es sich dabei nicht nur auf die Fahnen geschrieben, alles für ihren Verein zu geben, sondern zudem noch für einen Fußball zu kämpfen, wie es ihn wahrscheinlich noch nie gegeben hat: Fangerecht, frei von Kommerz und Event und geprägt von Identifikation und Vereinstreue. Erreicht haben Sie von diesen Zielen schlicht und ergreifend nicht ein einziges. Im Gegenteil, die Spieltage werden weiter zerstückelt, Repressionen nehmen eher zu als ab und die Ultras werden in der Öffentlichkeit, ohne Ansehen der Vielschichtigkeit dieser Jugendkultur, immer noch als Störenfriede und Randalierer wahrgenommen. Die Geschäftsführer der Fußball-AGs und GmbHs akzeptieren die konsumverweigernden Stimmungsmacher ohnehin nur mit einem Zähneknirschen und als notwendiges Übel, welches das Erlebnis Stadionbesuch für das zahlungskräftige Event-Publikum abrundet. Kommt es zur Aussprache zwischen Fans und Mannschaft in schlechten Stunden, gibt es von den Spielern die immergleichen Phrasen vom Arsch aufreißen zu hören, wohlwissend, dass ihr aktueller Verein nur ein Arbeitgeber ist und nicht die Liebe ihres Lebens.

Die Ultras in Deutschland waren derart lange mit sich selbst beschäftigt, dass sie gar nicht gemerkt haben, welch unüberwindbare Gräben zwischen Ihnen und den anderen Fußballfans und dem Geschäft Profifußball entstanden sind. Es ist kein Vorwurf, sondern eine Feststellung, dass sich aktive Fußballfans und der Profifußball in vollkommen unterschiedlichen Sphären ohne jegliche Berührungspunkte bewegen. Wenn in München die Schickeria gegen die Verpflichtung von Manuel Neuer protestiert, prallen zwei grundsätzlich verschiedene Welten und Wertevorstellungen aufeinander. Der FC Bayern will mit dem Fußballunternehmer Manuel Neuer den besten Torwart Deutschlands verpflichten, während die Südkurve den provozierenden Hardcore-Fan eines Erzfeindes zwischen den Pfosten stehen sieht. Und in Frankfurt endet eine Kontaktaufnahme zwischen Fans und Mannschaft in einer beinahe-Katastrophe. Während die Fans von lebensbestimmenden Sorgen um ihren Verein geplagt werden, möchte ein Patrick Ochs „den nächsten Schritt“ machen, wechselt nach Wolfsburg und kümmert sich in wenigen Wochen wohl kaum noch um den möglichen Abstieg der Eintracht.

Auf der anderen Seite können auch nur wenige andere Stadionbesucher und Fernsehzuschauer diese allesverzehrende Ernsthaftigkeit im Umgang mit dem Fußballsport nachvollziehen. Für die meisten ist es wichtiger, ein gutes Fußballspiel zu sehen und vor und nach dem Spiel ein komplettes Event zu erleben, als dass sie irgendwelche moralischen Maßstäbe an das Theater zu Ihren Füßen anlegen würden. Diese Fans wollen die besten und nicht die integersten Spieler auf dem Rasen ihr Ballett aufführen sehen und auch ansonsten kümmert sich nur ein geringer Teil der Zuschauer um das, was mit dem Schlagwort Fußballpolitik wohl am besten beschrieben ist. Wenn nach der Heimniederlage der Eintracht gegen den 1. FC Köln der Platz gestürmt wird, ist das in der Gedankenwelt der einen ein nachvollziehbarer und angemessener Ausbruch von Emotionen, während andere dieses Verhalten in aller Konsequenz verurteilen. Allein deswegen wird es auch in Zukunft unmöglich sein, dass radikale Ideen in den Kurven der Profivereine weite Verbreitung finden. Den meisten Fans sind Detailthemen wie die Längenbegrenzung von Fahnenstöcken schlicht und ergreifend egal oder gar fremd.

Und auch dem großen, schwammigen Thema „moderner Fußball“ stehen die meisten Fußballfans neutral gegenüber. Otto Normalzuseher profitiert sogar von der medialen Überpräsenz des Sports und erfreut sich am Rahmenprogramm in den Event-Arenen dieses Landes. Im Leben der Mehrheit der Stadionbesucher spielen die Probleme und die Kritik der lautstarken Minderheit einfach keinerlei Rolle. Was für die einen der wirklich ernstzunehmende Teil ihres Lebens ist, ist für die anderen Ablenkung von eben diesem Ernst. Die Masse gibt sich damit zufrieden, wie sich der Fußball derzeit präsentiert und hegt auch daher keinerlei Ambitionen, die aktuelle Entwicklung vom Sport zum Event aufzuhalten oder überhaupt proaktiv gestalten zu wollen.

Auch deswegen wird der andere Weg, den Fans einschlagen können nie zum breiten Boulevard der Massen werden: 11Freunde dient die Jahreshauptversammlung des 1. FC Köln im letzten Jahr als Beispiel dafür, dass Fans auf dem langen Marsch durch die Institutionen versuchen, Einfluss auf ihren Verein nehmen zu wollen. Damals war dem amtierenden Vorstand um Wolfgang Overath die Entlastung verweigert worden. Mehr als geringe Zugeständnisse von Vereinsseite sind auf diesem Weg allerdings auch nicht zu erwarten. Gründe dafür gibt es genug: Einerseits existieren im Profibereich kaum noch eingetragene Vereine, in der 1. Bundesliga sind es aktuell noch genau acht, die Macht der Jahresversammlungen ist somit stark begrenzt. Andererseits sind diese Versammlungen ohnehin in den seltensten Fällen Austrageorte für kontroverse Diskussionen, sondern meist Arenen der Selbstbeweihräucherung und des Stimmviehs. Entscheidungen über auch langfristig bedeutsame Dinge wie die 50+1-Regel, Vermarkungsverträge der DFL etc. finden sowieso außerhalb jeglichen Einflussbereichs von Kurvengängern und Sofaguckern statt.

So traurig dies ist, komme ich zu dem Schluss, dass die aktuelle Entwicklung des Fußballs zwar vielleicht auf in Zukunft noch heftigere Konfrontationen zwischen einzelnen Fangruppen, Vertretern des Profigeschäfts und der Ordnungsmacht hinausläuft. Tatsächlich ändern wird sich der schon früh eingeschlagene, am Profit orientierte Weg, den der Profifußball bis heute genommen hat allerdings so gut wie nichts. Zu gering sind die tatsächlichen Einflussmöglichkeiten, die Fans auf ihren Sport noch nehmen können. Und zu groß sind die Unterschiede zwischen den beteiligten Parteien, zu gering das Verständnis füreinander. Außerdem funktioniert der eingeschlagene Weg ja auch, kann die DFL doch Jahr für Jahr Rekordzahlen vermelden. Einzelne, die sich enttäuscht abwenden oder in ihren Emotionen über die Stränge schlagen sind da wohl als Kollateralschäden einzuordnen.

Der Fußball wird nie wieder so werden wie er noch nie gewesen ist.

Über den Autor: schneider3

Mildernde Umstände aufgrund familiärer Vorschädigung durch zwei dominante Brüder. Normalerweise erlebt das Weißbier bei ihm das Mittagsläuten nicht. Kaiserslautern-Fan. Weiß der Teufel, warum.

„Die Champions League war nie unser Ziel“

War die TSG Hoffenheim von Achtzehnhundertneunundneunzig vor einem Jahr noch der Deutschen liebsters Drecksclub Fußballkind (Stichworte: frech aufspielen, frischer Wind, Systemfußball), ging es in den letzten Wochen hoch her in Hoffenheim/Mannheim/Sinsheim. Das Ganze ging sogar soweit, dass Ralf Rangnick bei mir Sympathien sammeln konnte. Bisher dachte ich eigentlich, dass vorher die Hölle zufröre.

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Investoren und ihre Grenzen

Im November letzten Jahres war eine Lockerung der 50+1-Regel durch die Mitgliederversammlung der Bundesliga abgelehnt worden. Die 35 Gegenstimmen, die der Antrag von Martin Kind erhielt, konnten diesen jedoch nicht davon abhalten, das gemeinsame Schiedsgericht von DFB und DFL anzurufen und danach eventuell den Gang vor den europäischen Gerichtshof anzutreten.

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