Deutschland ist Weltmeister

mob.jpgFußball ist ebenso sehr Massenphänomen wie Popmusik. Was liegt also näher, als diese beiden Elemente der Popkultur zu verbinden? Eine Verbindung, die beinahe täglich in jedem Stadion praktiziert wird, indem die Musik, wenn man Fangesänge und Vereins“hymnen“ denn als solche bezeichnen möchte, Einzug hält in die Arenen des Fußballs.
Aber auch in die andere Richtung findet ein reger Austausch statt.

Beispiele hierfür gibt es genug, viele davon stammen von der Insel. Man denke nur an das herrliche Three Lions der Lightning Seeds oder an den Track When The Whistle Blows der Mitchell Brothers, der das Auf und Ab eines Fußballfans während eines Ligaspiels beschreibt. Aber auch aus Deutschland gibt es traumhafte Machwerke, die Fußball und Popmusik wie aus einem Guss bieten. Ohne hier auf die (äußerst fruchtbare) Zusammenarbeit zwischen der deutschen Nationalmannschaft und Michael Schanze eingehen zu wollen, möchte ich ein Album vorstellen, das wohl eher dem „Underground“ zuzurechnen ist. Anlässlich der Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland haben sich die drei Wunderkinder des deutschen HipHop Manny Marc, Recless und Chorus 86 zusammengetan, um mit Deutschland ist Weltmeister eine Platte für die Ewigkeit aufzunehmen. Unterstützt durch Features u.a. von Frauenarzt , handeln die 13 Tracks das Album alles ab, was der interessierte und beteiligte Beobachter mit Fußball verbindet: Der Schiedsrichter wird Opfer von Anfeindungen (Fick den Schiri), Bratwurst und Bier erfahren angemessene Beachtung, Titel werden gefordert (Holt den Pokal). Aber auch das Drumherum um den Fußball bleibt nicht unerwähnt: Party im Suff gehört für die Party Fratzen genauso dazu, wie die eine oder andere zünftige Prügelei (Mob im Block und, schlicht aber einnehmend, Auf die Fresse ). Themen also, die jeden Fußballfan interessieren, die jeder aus seinen eigenen Erfahrungen des Fußballalltags kennt.

Musikalisch zeigt dieses Album jedoch ein wenig die Limitiertheit der Künstler auf. Was da an Beats aus den Boxen kommt, klingt doch meist nach etwas lieblos zusammengestückelten Synthesizer-Versatzstücken als nach wirklich guter Musik . Vielleicht muss es das aber gar nicht sein, dient die Musik hier doch in erster Linie als Medium für die Texte und soll von diesen nicht ablenken. Die Texte haben es sowieso wahrlich in sich. Man merkt, dass hier nicht leichtfertig Wort an Wort gereiht wurden, sondern jeder Satz, jedes Wort, ja jede Silbe ganz bewusst ausgewählt.
Zur Textanalyse habe ich an dieser Stelle zwei Songs ausgewählt, die sich einem beim hören dieser Platte ganz besonders einprägen: Fick den Schiri und Bratwurst und Bier feat. Torsten Total.

Fick den Schiri fängt mit einem mystischen Keyboardsound an, der allerdings sofort durch einen Chor gebrochen wird: „Hu- Hu- Hurensohn“ wird hier nur scheinbar ziellos in den Raum gerufen. Sofort wird klargestellt, dass es hier um den Schiri geht, der ein Spast ist und vom Platz gefegt gehört. Kritisiert wird hier vor allem die völlige Verweichlichung des Schiedsrichters: „Fußball ist ein Männersport“, weswegen „ein Schwuler“ wie der Schiedsrichter es ist, hier nichts zu suchen hat. Und, wenn die eigene Mannschaft versagt („Elfmeter verkackt“), muss eben „der schwarze Peter“ vom „Platz gejagt“ werden, denn „zwei zu null, ist nicht cool“, soviel steht fest. Die Notwendigkeit eines Schiedsrichters wird schließlich grundsätzlich in Frage gestellt: „alle sehen Rot /kommt wir geben dem Wichser Stadionverbot“. Die grundsätzliche Botschaft ist dabei folgende: „weg mit dem Hurensohn / runter vom Platz / auf dem Fußballplatz haben Hurensöhne keinen Platz“.

Bratwurst und Bier gibt gleich zu Anfang die Marschrichtung vor: „Bratwurst und Bier, hau mal weg den Humpen / Bratwurst und Bier lasst euch nicht lumpen“. Für die drei Rapper steht fest, dass der wahre Fan immer am Bratwurststand steht, denn „das ist Kultur in unserem Sport“. Ein schnelles „Schala, lalalalaa, eh-eeohh, lalala“ eingestreut und weiter kann es gehen. Die nun folgende Strophe ist von einer derartig bestechenden Klarheit, dass es Autor und Text nicht gerecht würde, diese nur zu paraphrasieren. Deshalb nun ungekürzt der textliche Höhepunkt dieses Albums: „Pump ab das Bier / Pump es ab, Pump es ab / Bratwurst und Bier / ist lecker und gesund / denn Bratwurst und Bier stehen im Vordergrund / es geht um die Wurst / und das kühle Blonde / stell dich hinten an / sonst ist die Halbzeit zu Ende / ob Senf oder Ketchup / alles ist sehr lecker / Wurst, Brötchen, Bier / ist lecker, lecker, schmecker“.

Wer dieses Album (noch) nicht gehört hat, kann sich gar nicht vorstellen, was auf den knapp 50 Minuten eigentlich abläuft. Unvorstellbar dümmliche Raps in den Strophen werden über massivst primitive Beats gelegt, die klingen, als hätte man Technotronic dazu gezwungen, die schlimmste Musik ihres Lebens zu „komponieren“. Die Refrains setzen sich aus Versatzstücken der dümmsten Gröhlsongs aus Deutschlands Stadien zusammen, werden beliebig angeordnet und wiederholt. Beim ersten Mal hören ist das so doof, dass es schon wieder lustig ist, irgendwann fühlt man sich jedoch belästigt. Nach einigen Bieren wird man vielleicht ein paar Freunde finden, die bereit sind den einen oder anderen Song im Stadion, am Bratwurststand oder auch auf dem Bahnhof zu intonieren.
Insgesamt jedoch entspricht diese Musik in anderen Bereichen des täglichen Lebens vielleicht dem Gesellschaftsspiel „Das Bierspiel“ oder dem Film „Feuer, Eis und Dosenbier“ . Kurz: Dieses Album ist der Axel Stein der Popmusik.

Über den Autor: schneider3

Mildernde Umstände aufgrund familiärer Vorschädigung durch zwei dominante Brüder. Normalerweise erlebt das Weißbier bei ihm das Mittagsläuten nicht. Kaiserslautern-Fan. Weiß der Teufel, warum.

Mildernde Umstände aufgrund familiärer Vorschädigung durch zwei dominante Brüder. Normalerweise erlebt das Weißbier bei ihm das Mittagsläuten nicht. Kaiserslautern-Fan. Weiß der Teufel, warum.
1 comment
  1. Wäre auch eine Überraschung gewesen, wenn die talentlosen Kollegen einmal gute Musik produzieren.
    Wobei natürlich Frauenarzt mit „Ich sauf mich zu“ wenigstens einen Hit in seiner Karriere verzeichnen kann. :mrgreen:

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