Von echten und falschen Todesgruppen

Von echten und falschen Todesgruppen

Zwei Drittel der Vorrunde der WM 2014 sind gespielt. Die ersten Doppelspieltage stehen an und außer der übermächtigen, alles zerstörenden und überragenden deutschen Mannschaft…  Ach, Halt! Gegen das Fußballentwicklungsland Ghana wurde ja auf ganzer Linie versagt. Anyway, die ersten Doppelspieltage stehen an, die Öffentlich-Rechtlichen übertragen – der GEZ sei Dank – zum größten Teil beide Parallelspiele. Also wird man die kommenden Tage mit Tablet vor dem Fernseher verbringen, um ja kein Tor zu verpassen. Als kleine Handreichung dazu: Eine Übersicht über wahre und falsche Todesgruppen, Ausgangssituationen und mögliche Mauscheleien.

Gruppe B:

Niederlande – Chile
Australien – Spanien

Eine tödliche Gruppe, fürwahr, allerdings für Spanien, was wohl nur die ausgewiesensten Experten gedacht hätten. Deshalb geht es in den beiden Spielen des heutigen Tages nur noch darum, wer als Tabellenführer ins Finale einzieht, Niederlande oder Chile, und wer als Tabellenletzter nach Hause fahren muss. Die letzten Trainingseindrücke der Spanier lassen darauf schließen, dass selbst das Team aus Australien in der derzeitigen Verfassung zu stark ist.
Todesgruppen-Faktor: 1

Gruppe A:

Kamerun – Brasilien
Kroatien – Mexiko

„Hier geht einiges!“ Nur Kamerun ist chancenlos und könnte gegen Brasilien zum großen Spielverderber werden. Kroatien und Mexiko stehen zeitgleich und gegeneinander vor der Aufgabe, mindestens ein Unentschieden zu erreichen (Mexiko) bzw. gewinnen zu müssen. Ein Unentschieden Kroatiens bei zeitgleichem Sieg Kameruns gegen Brasilien könnte dafür sorgen, dass die Rechenschieber in Gebrauch kommen.
Todesgruppen-Faktor: 5

Gruppe D:

Costa Rica – England
Italien – Uruguay

Die sogenannte „Weltmeistergruppe“ hat sich als tödlich erwiesen, für England! Die feinfühligen Kommentare der englischen Presse werden dem Turnier fehlen. Andererseits ist hier „jede Menge Feuer drin“, stehen sich doch Uruguay und Italien in einem echten Finale um den Einzug ins Achtelfinale gegenüber. Unsere Prognose: Italien siegt durch einen unberechtigten Elfmeter – Quatsch! – Pirlo verwandelt drei direkte Freistöße bei zwei Volley-Gegentoren durch Suarez. Spiel der WM, aber am Ende kann nur Italien das deutsche Team aus dem Turnier befördern (Nein, ich hab nicht durch gerechnet, ob das überhaupt möglich ist.) Costa Rica kann sich schon mal für die weiteren Aufgaben schonen!
Todesgruppen-Faktor: 5

Gruppe C:

Griechenland – Elfenbeinküste
Japan – Kolumbien

Hand aufs Herz, wer wünschte nicht, dass aus dieser Gruppe gar kein Team fürs Achtelfinale zugelassen würde? Kolumbien ist allerdings schon sicher durch, das „Team von der Elfenbeinküste“ (T. Bartels et al.) kann ihnen mit einem Punkt gegen Griechenland folgen. Aber: Die Griechen, Erfinder des unattraktivsten Fußballs aller Zeiten, der auch nicht davor zurückschreckt Theofanis Gekas in die Startelf zu stellen, könnten mit einem Sieg gegen die Elfenbeinküste ebenfalls in die nächste Runde vorrücken. Gleiches gilt für Japan, bei einem gleichzeitigen Unentschieden zwischen Griechenland und der Elfenbeinküste. Und so wird aus der langweiligsten Gruppe der Welt die Hammergruppe schlechthin. Naja, fast…
Todesgruppen-Faktor: 4

Gruppe F:

Nigeria – Argentinien
Bosnien – Iran

Sollten sich Nigeria und Argentinien nicht ganz schnell auf ein, die Gelenke schonendes, Unentschieden einigen, hat der Iran noch theoretische Chancen auf den Einzug ins Achtelfinale. Andererseits ist es kaum vorstellbar, dass Bosnien ganz ohne Sieg nach Hause fährt, die gezeigten Leistungen entsprechen in dieser Gruppe nämlich nur bedingt den dem Tabellenstand. In jedem Fall darf man hier in einem Spiel unattraktives Ballgeschiebe nahe an der Unsportlichkeit erwarten, während im Parallelspiel noch einmal alles gegeben wird.
Todesgruppen-Faktor: 2

Gruppe E:

Honduras – Schweiz
Ecuador – Frankreich

Sicher ist, hier ist nichts sicher außer dem überragenden Torverhältnis Frankreichs, das im Gegenzug der Schweiz auf die Füße fallen könnte. In jedem Fall ist es durchaus im Bereich des Möglichen, dass nach dem letzten Spieltag drei Teams mit sechs Punkten ins Ziel kommen, von denen eins ausscheiden muss. Wahrscheinlich wird es „General“ „Renny“ und seine „Eidgenossen“ treffen. Richtig absurd wird das Ganze, wenn die Schweiz mit zwei Toren mehr gegen Honduras gewinnt, als Ecuador gegen Frankreich.
Todesgruppen-Faktor: 6

Gruppe G:

USA – Deutschland
Portugal – Ghana

Vier Mannschaften dürfen sich in dieser Gruppe noch zarte Hoffnungen auf das Achtelfinale machen. Allerdings: Die USA und Deutschland könnten es sich mit einem 90 Minuten dauernden Nichtangriffspakt einfach machen – und im Gleichschritt ins Achtelfinale einziehen, unabhängig davon was im Parallelspiel passiert. Zumindest das deutsche Team hat damit ja schon hervorragende Erfahrungen gemacht, andererseits möchten „Klinsi“ und „Berti“ nichts sehnlicher, als „Jogi“ und „Hansi“ eine Niederlage zu bescheren.
Todesgruppen-Faktor: 3

Gruppe H:

Algerien – Russland
Südkorea – Belgien

Nach der gestern gezeigten Leistung hätte es Algerien definitiv verdient ins Achtelfinale zu kommen. Ein Punkt gegen Russland wäre ausreichend, schließlich hat man gegen Südkorea den direkten Vergleich mehr als deutlich für sich entschieden und Südkorea müsste zugleich Russland mit mehr als zwei Toren Unterschied schlagen. In jedem Fall sind hier alle vier Teams dazu angehalten, „noch einmal alles abzurufen“ – im Falle des Geheimfavoriten Belgien also wieder Schlafwagenfußball mit van Buyten in der Startelf…
Todesgruppen-Faktor: 2

Fazit:

Der letzte Vorrundenspieltag bietet noch einmal alles, nur nicht in den vorhergesagten Konstellationen. Das spricht zumindest dafür, dass die Essenz dieser Veranstaltung – die Spiele – im Kern gesund sind, während rund herum so viel Unerträgliches zu beobachten ist (Der heutige flüchtige Blick in die Zeitungen/Netzwerke offenbart, dass in den Stadien aufgehängte Fahnen eine bestimmte Größe nicht überschreiten dürfen, dass sich die FIFA-Funktionäre die Bezüge verdoppelt haben und der Deutsche Bundestag die Chance nutzen könnte, im WM-Taumel Fracking durch das Plenum zu winken, …) dass sich der Verdacht erhärtet, dies könnte die letzten WM aller Zeiten sein – zumindest für mich.

Foto: flickr.com/Eddy van 3000 unter CC BY-SA 2.0

Über den Autor: esleben

Verrät als Freiburg-Fan Heimat wie auch Elternhaus und trinkt ansonsten ausschließlich Veuve Clicquot. Wer wohnt schon in Düsseldorf? Mehr über Esleben auf Google+

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22 comments
  1. Sieht man mal nur die Spiele an sich, so kann ich mich an keine WM erinnern, die besser, spannender und unterhaltsamer – um nicht zu sagen: untippbar! – gewesen wäre als die jetzige.

    Costa Rica, Mexiko, Chile, Kroatien, Ecuador, Algerien, Frankreich und selbst sieglose Teams wie Australien und der Iran haben mir dann doch immer wieder aufs neue ein fettes Grinsen ins Gesicht gezaubert!

    Dazu noch Spanien und England raus, wahrscheinlich auch Portugal und eventuell sogar Italien – ein Traum!

    Einzig die Asiaten langweilen einen zu Tode.

    Beste WM aller Zeiten.

  2. Und natürlich trage ich jedes Ergebnis fein säuberlich mit Kuli in meinen Pocket-Plan ein. Ehrensache!

  3. Deutschland kann ja sogar verlieren und wäre trotzdem weiter. Wenn es nicht hoch verliert und Ghana oder Portugal nicht sehr hoch gewinnen. An einen Nichtangriffspakt glaub ich trotzdem nicht, da das ein absolutes Prestigespiel ist. Außerdem kann der Tabellenerste in Porto Alegre spielen und da ist es ja von den Temperaturen sehr angenehm.

    Was hast du gegen Kolumbien? Die haben doch sehr gute Leistungen gezeigt. Und die Elfenbeinküste mag ich auch.

    Und zur Fifa: Das Geile ist doch, dass das unter anderem wegen Social Media, alles rauskommt. Die können ihre Zensur versuchen, das kommt zurück wie ein Bumerang. Deshalb haben sie bei der Thematik ja auch gleich den Schwanz eingezogen. Meine Prognose: Die Sponsoren werden bald ziemlichen Druck ausüben. Denn diese ganzen Scheiße fällt auch auf die Unternehmen zurück. Und wenn die der Fifa keine Kohle mehr zahlen, dann ändert sich wirklich was. Das kann aber ein Prozess von mehreren Jahren sein.

  4. Don: Auf jeden! Die Spiele sind fast alle wirklich geil. Sehr intensiv! So wie man Fußball mag.

  5. Bezüglich der WM in Katar haben ja schon fast alle Hauptsponsoren dezenten Druck ausgeübt, außer Fly Emirates, aus nahe liegenden Gründen…
    Sportlich gibt es nichts an der WM auszusetzen, außer fragwürdigen Schiedsrichterentscheidungen, die einige Gruppen/Spiele maßgeblich beeinflusst haben.

  6. Zustimmung, sportlich ist die WM erstklassig. Zumindest das was ich bisher so gesehen habe.

    Sehr positiv für mich die Stimmung in den Stadien zwischen An- und Abpfiff: keine Klatschpappen, keine Tormusik, kein Danke-Bitte, kein Ultra-Singsang. Man fühlt sich fast wie bei Schwarz-Weiß Essen am Uhlenkrug.

    Die TV-Berichterstattung erreicht hingegen immer neue Tiefpunkte, exemplarisch hier sehr schön dargelegt: http://gegendenball.com/im-namen-des-volkes/ Vor lauter Fremdschämen hab ich manchmal wirklich Gänsehaut.

  7. Die Schiedsrichter sind in der Tat fast durch die Bank durchwachsen bis schwach. Am besten fand ich den Türken, der Brasilien-Mexiko gepfiffen hat. Der hat quasi alles weiterlaufen lassen, mit der Folge, dass die Spieler nur dann liegen blieben, wenn es gar nicht anders ging. Daraus entwickelte sich eines der intensivsten Spiele, die ich bislang gesehen habe. Ständig ging es rauf und runter, ohne Pause, ohne Verschnaufen, bis runter aufs Zahnfleisch.

    Der Typ darf gerne weitermachen.

  8. Für mich positiv an der WM ist, abgesehen von den attraktiven Spielen, auch die Erkenntnis, dass man mit viel Ballbesitz nicht mehr so viel erreicht. Dieses unerträgliche Ballgeschiebe von Spanien, Italien und Konsorten ist anscheinend an ihre Grenzen gekommen. Deutschland hats zu lange gegen Ghana auch versucht.

    Angriff scheint aktuell die beste Verteidigung zu sein. Hoffen wir, es bleibt so.

  9. Der Matchplan für das Achtelfinale zwischen Chile und Brasilien dürfte ja wohl feststehen: In den ersten fünf Minuten Neymar vom Feld treten und dann locker gewinnen. Schon extrem vom Schlechtfrisierten abhängig die Brasilianer, das war gestern ganz schön wacklig, trotz 4:1.

  10. Wie geil ich das finde, dass die Griechen mit ihrem anachronistischem Fußball weiter sind, ne? Und das auch noch verdient. Herrlich altmodisch! Ist eine griechische Mannschaft jemals mehr gelaufen als der Gegner? Trotz des hohen Methusalem-Alters? Dazu noch 3 mal Alu. Hätte nur noch ein Gekas-Treffer gefehlt.

    Gegen die Ticos sehe ich sogar Chancen auf ein Weiterkommen. Geile WM!

  11. Die Defensive der Brasilianer ist so anfällig für Ballverluste, quasi wie geschaffen fürs Pressing der chilenischen „Krieger“ (alle Medien).
    Gegen Neymar muss der Pittbull Medel früh die Sense auspacken, dann ist das machbar.

    Ich bin erstmal optimistisch, ich glaube, die Mexikaner wären unangenehmer geworden.

    Neuer Artikel folgt!

  12. Find ich gar nicht geil Don. Die spielen so einen schlimmen Fußball. Ich hätte es der Elfenbeinküste gegönnt.

  13. Wenn du gestern nur ein bisschen aufgepasst hättest, Don, dann würdest du wissen, dass das Team der Elfenbeinküste deutlich älter war, im Schnitt Ü30. Und einen solchen Elfmeter in der 93. Minute zu pfeifen ist auch mehr als fragwürdig. Ich hätte es den Elefanten in jedem Fall mehr gegönnt als Griechenland. Einzig Samaras hat Größe bewiesen und sich nach Abpfiff beim Torhüter der Ivorer entschuldigt. Dass er den Pfiff nicht ablehnt, kann ich trotzdem verstehen,

  14. Ihr habt aber nicht erwartet, dass der Don ab 22 Uhr noch Herr seiner Sinne ist (sprich: nüchtern), oder?
    Kommentare von ihm zu Abendspielen kann doch kein Mensch ernst nehmen?

    Wahrscheinlichster Grund für seine Freude: Bei Griechenland spielt ein Ex-Frankfurter, bei der Elfenbeinküste nicht.

  15. Das war ja wohl ein glasklarer Elfer, dem Täter (der das natürlich nicht absichtlich gemacht hat) war das auch sofort bewusst, wenn man sich mal die Bilder anschaut. Er geht halt dämlich hin.

    Dazu drei Mal Alu! Ich bitte Euch!

    Und v.a. als VfL-Fan müsste man eigentlich aus reiner Verbundenheit bzgl. einer stark limitierten Spielweise mit den Griechen fiebern.

    Stattdessen: Alle hassen sie – ich mach‘ hingegen den Goldschuh und bin dagegen (muss ja auch mal sein). Ich find’s einfach geil und glaube auch, dass die Griechen den Ticos den Zahn ziehen werden.

  16. Hier noch mal für die Vollblinden unter Euch:

    https://vine.co/v/MtnO7MAx0OQ

  17. Als bekennender Freund des schönen Spiels muss ich die Idee hinter dem griechischen Spiel ablehnen. Ich bin kein Freund von Underdogs nur weil sie Underdogs sind.

  18. Wie wird man sonst bitte Freiburg-Fan?

    Und ich persönlich ziehe selbstverständlich eine schöne Grätsche einem Hackentrick oder Doppelpass jederzeit vor.

  19. Für Ästheten konnte es in den 90er Jahren nur einen Verein geben. Geh du weiter Madlung feiern…

  20. Alexander Madlung ist ein ehrenwerter Mann. Mit Gardemaß.

  21. Hoch aufgeschossen!

  22. Ich mag schöne Grätschen inklusive einer sinnlosen Ballhergabe durch amateurhaften Fehlpass im Anschluss am liebsten.

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