Nimm mich mit ins Stadion!

IMG_20130602_141635Ich bin neidisch! Ja, richtig, neidisch! Neidisch auf alle, die genau wissen, welchem Verein ihr Herz gehört. Meine Leidenschaft für den SC aus Freiburg ist höchstens halbherzig, beschränkt auf die Kaffeetasse am morgen und ein bisschen Ticker am Wochenende. Die erste Mannschaft meines Vereins könnte ich derzeit wohl kaum auswendig herbeten. In meinem Leben hat Fußball zwar immer eine herausragende Rolle gespielt, wirklich zum Fan eines Teams bin ich dabei aber nicht herangewachsen.

Sei es, weil mein Vater in den Stunden, die er bei den Spielen des SSV Reutlingen verbrachte, lieber alleine war – wer sollte es ihm verdenken, mit drei Söhnen Zuhause? Sei es, weil es im fußballerisch dünn besiedelten Baden-Württemberg jahrelang nur einen Club gab: Den VfB Stuttgart, dessen Fans in den 80er Jahren nicht wirklich einen guten Leumund hatten. In meiner Stadt gab es jedenfalls nur den SSV Reutlingen und der schaffte den Aufstieg in die zweite Bundesliga erst lange Zeit nachdem ich Schwaben verlassen hatte.

Nein, meine Sozialisierung hat eher dazu geführt, dass ich Fan des guten und schönen Fußballs geworden bin. Fan des Fußballs als Ritual am Samstagabend, wenn ab 18 Uhr die Sportschau über den Bildschirm flimmerte. Im Stadion war ich zwar das erste Mal schon relativ früh: Beim ersten Mal musste mein Opa noch schweren Herzens das Spiel zwischen den Stuttgarter Kickers und Waldhof Mannheim, in meiner Erinnerung ein unerquickliches 0:0, frühzeitig verlassen, weil ich mich so langweilte (Eine Recherche in der Datenbank von fußballdaten.de hat natürlich ergeben, dass die beiden Teams nie 0:0 gegeneinander gespielt haben…).

Beim zweiten Mal war ich dann schon Zeuge der letzten Niederlage der deutschen Nationalmannschaft in einem Qualifikationsspiel vor heimischem Publikum. 1:0 gewann Portugal damals. Regelmäßig im Stadion war ich erst in meinen Zwanzigern. Zunächst in Freiburg, Stehplatz auf der Gegengerade, über die regelmäßig der Geruch von Gras waberte. Später immer wieder auf der Osttribüne des Ruhrstadions. Wirklich Fan bin ich dabei aber höchstens vom „Erlebnis Stadion“ geworden, das nun wirklich niemand besser und schöner in Worte gefasst hat als der unvergleichliche Carsten Friedrichs (höre unten).

Nein, so dämlich es sich auch anhört: Ich bin Fußballfan. Wenn man mich zu etwas erzogen hat, dann zur bedingungslosen Ablehnung des Systems „FC Bayern“. Ein „Aber im Champions League-Finale bin ich für die Bayern“ gibt es bei mir nicht. Stattdessen Häme, wie damals als die Bayern in letzter Minute Manchester United unterlagen und ich währenddessen in einem Kino Filme zusammenklebte. Geld in der Tasche war wichtiger als der FC bayern im Champions League Finale. Gut und böse, das ist bis heute der Maßstab, nach dem Fußball für mich funktioniert. Wer in einer der beiden Schubladen steckt, kommt da nur schwer wieder raus. Und wenn ich im Stadion bin, gibt es für mich auch nie wirklich die Option als neutraler Beobachter ein Spiel zu sehen, solange „Gut“ und „Böse“ klar verteilt sind.

Vielleicht fehlt mir deshalb momentan die Motivation, diesen Blog so weiter zu führen, wie ich es gerne würde: regelmäßig, relevant und dabei nicht so (Achtung, Kalauer!) „bierernst“ wie manch anderer Fußballblogger, dem bei der Beschäftigung mit der schönsten Mannschaftssportart der Welt der Humor völlig abhanden gekommen ist. Überhaupt: Die Welt des Bloggens und die Welt des Fußballs ist eine Welt der Nerds, was sich beim Zusammentreffen beider Faktor eher noch verstärkt. Von den notorischen Querulanten und Provokateuren aus den eigenen Reihen ganz zu schweigen.

Aber wenn man selbst das eigene Team nicht mehr richtig motiviert bekommt, weil sie Beruf, Familie, Hauskauf, Auslandsaufenthalte, … als (berechtigte) Feigenblätter dafür benutzen, dass ihnen partout nichts mehr zum Fußball einfallen will, dann sollte man besser eine Pause einlegen und überlegen, wie es weitergehen soll. Eine Pause, in der man verstärkt ins Stadion geht und all die unwichtigen Nebengeräusche überhört und überliest, aus denen der Fußball inzwischen zu 99 Prozent zu bestehen scheint. Und zu denen man als Blogger ja auch gehört. Ab sofort gilt: „Wenn mich einer anruft, ob ich mit ins Stadion komme, dann bin ich dabei!“ Das ist die Maßgabe für die nächsten Tage, Wochen, Monate, Jahre! Wer weiß, ob daraus nicht wieder die Lust entsteht, Nebengeräusche zum Fußball zu produzieren.

Über den Autor: esleben

Verrät als Freiburg-Fan Heimat wie auch Elternhaus und trinkt ansonsten ausschließlich Veuve Clicquot. Wer wohnt schon in Düsseldorf? Mehr über Esleben auf Google+

Verrät als Freiburg-Fan Heimat wie auch Elternhaus und trinkt ansonsten ausschließlich Veuve Clicquot. Wer wohnt schon in Düsseldorf? Mehr über Esleben unter Google+
9 comments
  1. Könnte ich so (fast) unterschreiben. Alleine wieder dieser Guardiola-Hype. 100 Artikel darüber, wer eventuell sein Co-Trainer wird. Mit Fußball hat das reichlich wenig zu tun…

  2. Schade das zu hören. Also die Pause, nicht die Nebengeräusche. War immer schön hier Artikel mit der zugehörigen Portion Humor zu lesen.
    Aber ins Stadion gehen ist wohl die beste Ausrede, um mal eine Weile nichts mehr zu schreiben ;)

  3. Nächster Stadiontermin: Karnevalssonntag, Schlüssel! Partie: Eintracht Alkohol gegen die SpvGG Leberlappen. Im Sturm: Guru! Am Taktiktisch: Icke! Anstoss: TBA! Also Arsch hoch, Du Lurch! Und wie Maria letztens sagte: „Der Esleben kann Karneval ja einfach als Klopp gehen!“

  4. Dann vielleicht einstimmen bei dem Top-Duell der Regionalliga West am Samstag. Erster gegen Letzten. Schön am Flingerbroich.

  5. Schade. Hab immer gerne hier gelesen.

  6. Stadion ist immer eine tolle Sache, sollte aber nicht das Leben bestimmen. Pauschal zu sagen: da gehe ich mit… halte ich für keine gute Idee. Dann lieber bescheiden bleiben und sagen: ich gehe gerne ins Stadion und wenn ich Zeit und Muße dafür finde, werde ich es auch bald wieder machen.

  7. Manchmal kann es auch ein Problem sein, einem Verein sein Herz zu schenken. Als Kölner wurde meine Liebe in den letzten Jahren jedenfalls selten erwidert. :-(
    Aber ins Stadion zu gehen wird Dich schon wieder anfixen. Hoffe bald wieder von Dir zu lesen.
    Gruß
    Die kölsche Ziege

  8. Stadion ist unbeschreiblich… ein MUSS für jeden Vater, seinem Sohn die Stadionatmosphäre zu präsentieren

  9. Ich bin zwar auch riesen Fussball Fan aber den „einen“ Verein gibts bei mir auch nicht.

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