50 Jahre Winterpause

6790583469_e809abb984Gestern gab es den finalen fußballerischen Akt des Jahres 2012. Wir waren dabei und durften im Bochumer Ruhrstadion, immer noch das schönste Stadion Deutschlands, den Witz des Jahres erleben: Marcel Maltritz macht zwei Hütten gegen 1860 München. Ich wiederhole: Marcel Maltritz macht zwei Hütten gegen 1860 München. Vor und hinter uns auf der vollen Osttribüne rief dieser Fakt auch nur ungläubiges Kopfschütteln und Achselzucken hervor. Nur um dann doch, wenn auch verhalten, in den Chor „Marcel Maltritz Fußballgott“ einzustimmen. Dem Gelobten war das am Ende sichtlich peinlich. Schön, wenn ein Spieler seine Fähigkeiten so gut einschätzen kann.

Anyway, wir wollen euch hier nicht mit Einzelheiten zum Spiel des Jahres für den VfL Bochum langweilen. Andererseits konnte gestern jeder schnell unzufriedene Schalker, Hoffenheimer oder wo die Leute sonst schnell dabei sind zu pfeifen, eine Lehrstunde bekommen, mit wie wenig Fußballfans zufrieden sein können. Anschauungsunterricht gab es aber auch in Sachen Sicherheit. Früher liefen die Einlasskontrollen am Ruhrstadion zügig ab, und trotzdem ist Bochum nicht als Hochburg der Pyromanen bekannt. Heute sind an der gesamten Osttribüne drei kleine Tore geöffnet, hinter denen sich jeweils zwei elektronische Einlaßschleußen befinden, in die man sein Ticket stecken muss. Die Folge: Lange Schlangen, dichtes Gedränge, wo man früher bequem stehen und noch ein Bierchen trinken konnte. Wenn das also das also die viel diskutierte Sicherheit sein soll, die von der Politik propagiert wird, dann wünsche ich mir die Unsicherheit von früher zurück.

Das Spiel war zudem ein schönes Beispiel dafür, wie uneins sich die Fans inzwischen darin sind, wie man mit dem neuen Sicherheitskonzept umgehen soll. Die Bochumer Fans verzichteten auf jeden Protest, während sich die Münchner die ersten 12 Minuten stimmlich und stimmungsmäßig zurückhielten. Es ist dringend notwendig, dass sich in der Winterpause in den Vereinen Fans und Verantwortliche zusammensetzen und wieder auf einen Nenner kommen. Mein Gott, das hört sich an wie aus dem Gesprächskreis der Waldorfschule, aber offensichtlich scheint es inzwischen innerhalb der Vereine Verwerfungen zu geben, die nicht so einfach zu kitten sind. Einige lesenswerte Beispiele.

Wie unsere sichere Zukunft aussehen soll, baldowert derweil schon mal der größte Gutmensch des Fußballs in seinem Züricher Wolkenschloß aus. Ziel: Die endgültige Umwandlung des Fußballs in ein Vergnügen für ein kulturbeflissenes Abonnentenpublikum:

„Wenn wir Sport und Fussball als Kulturereignis betrachten wollen, so müssen wir den Alkohol und den Tabak aus den Stadien nehmen» In der Oper oder im Theater habe er (Blatter, Anm. d. A.)auch noch niemanden Rauchen und Trinken gesehen. „Wir müssen uns jetzt in den Stadien ein bisschen erheben – und damit aufhören.“

Schwarzmalerei? Ich glaube kaum angesichts des wirklich vollkommen überzogenen Drucks der Poltiik auf die Vereine, dem Sicherheitspapier zuzustimmen. Abgesehen davon, dass es durchaus schon Stadien gibt, in denen kein Alkohol oder nur Alkohol reduzierte Anschläge auf die körperliche Unversehrtheit ausgeschenkt werden. Für wen das ganze übrigens nicht gelten soll, ist auch schon klar: „außer für Personen, die sich das Spiel im VIP-Bereich ansehen.“

Nicht das einzige Thema, das der DFL bisher das Jubiläum der Bundesliga versaut haben dürfte. Denn sportlich gehört die 50. Spielzeit der Liga zum Langweiligsten, was man in den letzten Jahren gesehen hat. Bayern steht quasi seit dem 14. Spieltag als Meister fest, zwei von drei Absteigern ebenfalls, der Kampf um den Relegationsplatz ist (bisher) alles andere als spannend. Werbung für das „Produkt“ Bundesliga geht jedenfalls anders. Ein Grund mehr sich auf die Winterpause zu freuen. Das sehen die unmittelbar Beteiligten dieses Jahr offensichtlich auch so: Keiner will die unselige Abschaffung der Winterpause diskutieren, wie es in den letzten Jahren immer wieder der Fall war. Wer zuletzt beispielsweise den Zustand der Plätze in Hannover gesehen hat, weiß wer sich auch über die Pause freut. Der grüne Rasen, der keiner mehr ist… In diesem Sinne: Rutscht gut ins neue Jahr, wir sehen uns auch 2013 am Bratwurststand!

Foto: Groundhopping Merseburg/flickr.com

Über den Autor: esleben

Verrät als Freiburg-Fan Heimat wie auch Elternhaus und trinkt ansonsten ausschließlich Veuve Clicquot. Wer wohnt schon in Düsseldorf? Mehr über Esleben auf Google+

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5 comments
  1. Gestern hat man wirklich wieder gesehen, dass es zu einem guten Fußballspiel nicht mehr braucht als ne Wurst, ein Bier und eine Mannschaft, die sich reinhängt. Der Blatter ist entweder mittlerweile vollständig verwirrt oder ein unglaublicher Demagoge. Oder beides. Für Alkohol- und Zigarettenverbot bin ich sofort, wenn es auch im VIP-Bereich verboten wird. Dann gerne noch mal reden!

  2. Da lege ich mich absolut fest: Das wird nie und nimmer kommen.

  3. Tut mir leid das zu sagen, aber leider bester Beitrag der Welt. Der Blatter Sepp und der VfL mit dem Rücken zur Wand. Nichts verdeutlicht die Unmöglichkeit der beteiligten Gruppen eine gemeinsame Sprache zu finden besser.

  4. Lasst doch den Marcel Maltritz auch mal Spaß haben!;)
    Klasse Artikel und richtige Feststellung, dass die Bundesliga-Saison irgendwie langweilig ist. Immerhin können wir uns richtig auf die europäischen Wettbewerbe freuen: Mit Dienstags-, Mittwochs- und Donnerstagsspielen lässt sich doch jede Arbeitswoche gut überstehen!;)

  5. Hier mal ein kleines Fundstück zum Thema Alkohol im Stadion:
    http://www.11freunde.de/interview/kein-alkohol-der-kurve-autor-peter-richter-ist-dagegen

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