Uli Borowka: Zwischen Tresen und Bremen

Uli „schlägt seine Frau“ Borowka war mein erster Gedanke, als die Biografie „Volle Pulle“ bei mir im Briefkasten lag. Gab es da nicht sogar mal einen Song? Hat der nicht mal bei Dnjepr Dnjepropetrowsk gespielt, die in den 90er Jahren doch so etwas wie das Auffangbecken für Alkoholiker aus der Bundesliga waren. An den Fußballer Uli Borowka dachte ich dabei weniger. Dabei stand der Verteidiger in einigen Spielen auf dem Platz, die meine fußballerische Sozialisation nachhaltig geprägt haben. Spiele, von denen sich Bilder ins Gedächtnis eingebrannt haben: Der in Stutzen auf dem Rasen hockende Matthäus beispielsweise, nachdem er im DFB-Pokalfinale den entscheidenden Elfmeter gegen Bayern vorschossen hatte, zu denen er in der folgenden Saison wechseln sollte. Mehrere Meistertitel mit Werder Bremen und „Wunder von der Weser“ – Europapokalspiele, aus einer Zeit als der UEFA-Cup noch Familienpflicht war – hat Borowka bestritten und mir fällt nicht mehr zu ihm ein als Uli „schlägt seine Frau“ Borowka und Dnjepr Dnjepropetrowsk? Ganz schön traurig.

Fast so traurig, wie das, was Borowka auf den 300 Seiten seiner Biografie erzählt. Unter anderem bestätigt er die Geschichte mit seiner Frau, die er selbst als finstersten Moment seines Lebens beschreibt. Ein Engagement bei Dnjepr Dnjepropetrowsk gab es allerdings nie, stattdessen spielte Borowka, als der Alkohol seine Karriere längst zerstört hatte und Werder Bremen ihn vor die Tür setzte, für Tasmania Berlin, Hannover 96, Widzew Lodz und den FC Oberneuland, bei dem später auch Ailton unterkommen sollte. Fußballerisch Eindruck konnte er dort nicht mehr hinterlassen. Stattdessen ging es bis 2000 abwärts, der Suff kontrollierte Borowkas Leben, ehe er in stationäre Behandlung kam. Die Diagnose: Alkoholabhängigkeit. Seit zwölf Jahren ist Borowka inzwischen trocken, mit der im Jahr seines 50. Geburtstag erscheinenden Biografie arbeitet er dieses Kapitel auch für die Öffentlichkeit noch einmal auf.

„Volle Pulle – Mein Doppelleben als Fußballprofi und Alkoholiker“ ist keine normale Biografie. Was nicht unbedingt daran liegt, dass ein 11 Freunde-Redakteur als Co-Autor fungierte, sondern an einem einfachen schriftstellerischen Kniff: Den Kapiteln sind jeweils kleine Auszüge aus Borowkas Tagebüchern hintangestellt, die er während seiner stationären Behandlung führen musste und die das Bild von Borowka vervollständigen. Borowka spart sich dabei Enthüllungen oder Anklagen, dazu hat er zuviel mit sich selbst zu tun und Anekdoten genug auf Lager, die sich meist um ein Thema drehen: Das Lehnen am Tresen mit ein, zwei, vielen Pils in der Hand. Borowka wirkt trotz seiner Verfehlungen mit sich und seinen Wegbegleitern inzwischen im Reinen, einzig Willy Lemke, dem Ex-Manager von Werder, hat er offenbar bis heute auf dem Kieker: Von Lemke ist im Buch immer nur die Rede vom „Manager“. Bei  Dnjepr Dnjepropetrowsk, das sei der Vollständigkeit angefügt, spielte übrigens ein anderer deutscher Profikicker mit einem großen Alkoholproblem: Andreas Sassen. Sassen starb im Alter von 36 Jahren an den Folgen eines Gehirnschlags…

„Volle Pulle“ von Uli Borowka ist im Edel Verlag erschienen, hier kann man es kaufen und uns damit etwas Gutes tun.

Über den Autor: esleben

Verrät als Freiburg-Fan Heimat wie auch Elternhaus und trinkt ansonsten ausschließlich Veuve Clicquot. Wer wohnt schon in Düsseldorf? Mehr über Esleben auf Google+

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5 comments
  1. Ist die jetzt besser geschrieben, also die normalen Fußballer-Autobiographien oder ist nur die Thematik interessanter?

  2. Seine Geschichte ist einfach interessanter, stilistisch ist das wie immer furchtbar. Und beim Lektorat ging nach 200 seiten auch das Geld aus.

  3. Lektorat gibts doch bei Verlagen gar nicht mehr.

  4. Dieses Buch wiederum interessiert mich, da ich ja eine ähnliche Karriere anstrebe. Bitte um Ausleihe. Danke.

  5. Pflichtkauf! Kommt direkt neben das signierte Exemplar von Ansgar Brinkmann.

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