Fußball: Bei Olympia nur im Nischenprogramm

Nischenprogramm bei Olympia

Ungarn, immer wieder Ungarn. Dreimal insgesamt hat das ungarische Team das olympische Fußballturnier für sich entschieden. Je zweimal gewannen Großbritannien, Argentinien und die Sowjetunion das Turnier. Deutsche Teams? Bis auf den Titel der DDR Fehlanzeige! Rekordweltmeister Brasilien? Zweimal Silber, zweimal Bronze, kein Titel! „Erster alles“-Spanien? Ein Titel, zwei zweite Plätze, gefolgt von Fußballgroßmächten wie Nigeria, Belgien, Kamerun und das längst in seine Einzelteile zerfallene Jugoslawien.

Fußball bei Olympia hat Tradition, bereits 1908 gehörte es zum offiziellen Programm der Spiele, die übrigens auch in London stattfanden. Erster Titelträger: Großbritannien, das vier Jahre später den Titel erfolgreich verteidigen konnte und mit dem erneuten Titel bei den Heimspielen 2012 eine Durststrecke von 100 Jahren beenden würde. Auf den WM-Titel wartet das Land nur halb so lange. Dieses Jahr soll es ein gesamtbritisches Team unter 23 verstärkt durch Altmeister Ryan Giggs richten und die Goldmedaille für Großbritannien holen.

Es ist das große Drama der fußballerischen Karriere von Giggs, dass er mit Wales nie die Chance hatte, sich bei einem großen Turnier, wie der EM oder der WM zu zeigen. Stattdessen Nischenprogramm bei Olympia, bei dem man zu allem Überfluss schon ran muss, bevor die Spiele offiziell eröffnet werden. Andererseits kann es der überkandidelten Fußballwelt nur gut tun, wenn sie zumindest einmal alle vier Jahre nicht die erste Geige bei einem sportlichen Großereignis spielt, und stattdessen Fechten und Schwimmen zur Primetime laufen – Zwei Sportarten, die sonst vier Jahre lang komplett unter dem Radar der Öffentlichkeit stattfinden. Manche werden sagen: zurecht.

Vielleicht fehlt dem olympischen Fußball aber auch das Spektakuläre, das die Spiele brauchen. Chinesische Schwimmerinnen zum Beispiel, die nur durch hartes Training und geradezu übermenschliche mentale Kräfte schneller schwimmen als die schnellsten Schwimmer der Welt. Oder 15-jährige Litauerinnen, die binnen weniger Monate ihre persönliche Bestleistung um mehrere Sekunden steigern. Das sind Welten, wie der Schwimmsportexperte weiß. Fußball ist eben meistens 1:0 oder 2:1 und selten ein rekordverdächtiges 7:0. Wobei das Spektakuläre des Fußballs sich ja auch manchmal in einem 0:0 manifestieren kann, das einem mehr den Atem raubt als ein 3:0, bei dem nach 20 Minuten schon alles klar ist.

Viel wahrscheinlicher ist allerdings, dass Fußball deshalb bei Olympia eine untergeordnete Rolle spielt, weil Deutschland seit 1988 keine Medaille mehr geholt hat. (Damals übrigens mit einer Mannschaft, in der neben den späteren Weltmeistern Klinsmann und Häßler auch Wolfram Wuttke und längst vergessene Helden wie Ralf Sievers, Roland Grahammer und Thomas Hörster „brillierten“),  Weshalb auch tolle Sportarten wie Volleyball, Handball oder Basketball diesmal weitgehend unter Ausschluss der Fernsehöffentlichkeit stattfinden müssen. Während man bei Hockey sicher sein kann, kein Vorrundenspiel verpassen zu müssen. So einfach funktioniert die TV-Logik bei einem internationalen Sportereignis für das irgendwann einmal der Slogan galt: „Dabei sein ist alles!“ Aber Gold muss es schon sein, möchte man hinzufügen, aber auf die deutschen Vielseitigkeitsreiter ist ja Verlass….

Foto: Felix O/flickr.comсондажи

Über den Autor: esleben

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Singzwang mit Mayer-Vorfelder

Gerhard Mayer-Vorfelder, früher gefeierter Kultusminister in Baden-Württemberg, später gelobpreister DFB-Präsident ist inzwischen 79 Jahre alt. Man muss also ein bisschen Nachsicht mit seinen Aussagen haben. Nachsicht, die man sich auch von der deutschen Presse wünschen würde, und sie nicht jeden Quatsch, den MV von sich gibt, drucken würde.  Aber wir haben nun einmal Sommerloch, und die Niederlage gegen Italien nagt offenbar weiterhin an einigen schwarz-rot-geilen Fußball-„Fan“seelen, wieso sollte man also nicht MVs griffigen Einlassungen zum Thema „Singzwang“ abdrucken?

Als Steigbügelhalter fungiert in diesem Fall der Sid, der sich im täglichen Kampf mit anderen Nachrichtenagenturen entsprechend positionieren muss. Wieso also nicht Mayer-Vorfelder zu Wort kommen lassen, der 79-jährige ist doch noch rege im Kopf, er der um alles Weltliche in seinem Leben stets einen riesigen Bogen zu machen wusste. Und Mayer-Vorfelder ledert wie gewünscht los:

Der Bundestrainer muss die Singpflicht durchsetzen. Notfalls in einem Vier-Augen-Gespräch. Er sagt immer, er könne sie nicht zwingen. Ich sage aber: Klar kann man die Spieler zwingen. Wenn sich einer der Spieler dann immer noch beharrlich weigert, dann wird er eben nicht mehr eingeladen. Und wenn Löw einem seiner Spieler sagt, dass er singen muss, weil er sonst nicht mehr nominiert wird, dann wird er ganz schnell springen!

„Herr, lass Hirn ra!“ möchte man da rufen, es kommt aber noch besser:

Das glaubt doch kein Mensch, dass Khedira nicht mitsingt, weil er so einen großen Respekt vor Tunesien hat. Der Migrationshintergrund ist für mich keine ausreichende Begründung, stumm zu bleiben. Ich kann nicht für die DFB-Auswahl auflaufen und alle Vorteile einstreichen wollen, dann aber so tun, als wäre ich nur ein halber Deutscher.

Es ist so stumpf wie dumpf, was MV da von sich gibt, und wie VOX derzeit zumindest ein bisschen so tut, als würden sie Lothar Matthäus mit dem späten Ausstrahlungszeitpunkt seiner desaströsen Dokusoap schützen wollen, hätte spätestens hier der Sid eingreifen müssen, und diesen „Scheißdreck“ (R. Völler) nicht auch noch per Agenturticker weiterverbreiten müssen. Wie gut, dass Mayer-Vorfelder auch weiß, was mit der Singpflicht und ganzen Deutschen, die nicht nur „Vorteile einstreichen wollen“ gewonnen wäre:

Die Italiener haben mit Inbrunst mitgesungen — und auch mit der gleichen Leidenschaft für ihr Land gespielt. Und wir? Das sah fast schon beschämend aus.

Bekanntlich hat diese Inbrunst die Italiener im EM-Finale  ja zur souveränen 0:4 Niederlage gegen die notorisch stummen Spanier geführt. Oder deutlicher, Herr Minister a.D.: Entscheidend is‘ auf’m Platz, nicht bei der Hymne! Und jetzt bitte für ewig schweigen!

Zitate nach welt.de

Foto: Memorino/wikipedia.org

Über den Autor: esleben

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And now for something completely different

Sommerpause – endlich Zeit für andere Dinge im Leben: Ein paar Worte mit der eigenen Frau wechseln, den Stapel ungesehener DVDs abarbeiten oder auch mal wieder das eine oder andere gute Stück Musik kennenlernen. Und da unser Blog alles kann – inklusive Hochdeutsch – möchte ich hiermit meine „Sommerentdeckung“ des Jahres (okay, VÖ war bereits im März, aber die Vinyl-Version hat erst vor kurzem das Licht der Welt erblickt) vorstellen, durch die mein CD-Schacht stärker blockiert ist als die A40:

Revel in Flesh spielen auf ihrem Debütalbum „Deathevokation“ dreckigen, bösartigen Old School Swedish Death Metal der allerfeinsten Sorte, inklusiver fieser Melodien, ordentlich Punch, geilem Sound und dem gewissen Etwas, der aktuell im Death Metal-Underground für feuchte Schlüpper sorgt!

Die Band klingt zwar Swedish as Hell, kommt aber – und so schließt sich der Kreis – aus dem Baden-Württembergischen Schwäbisch Gmünd und dürften damit der heißeste Export-Schlager des beschaulichen Ländles seit der Auswanderung von Schneider 1,2 & 3 sein! Gebt Euch einfach diese beiden Songs und wer dann noch immer nicht infiziert ist, hat taube Ohren oder ist tot! Geile Videos können die Jungs auch noch zusammenschustern, so dass sich nicht nur das Hören sondern auch das Gucken lohnt, Ihr Banausen:

Einmal schnell und fies:

Und einmal langsamer und fies:

Erschienen ist „Deathevokation“ auf dem Label F.D.A. Rekotz, das mittlerweile mit Revolting (Swe), Chapel of Disease (Ger), Lifeless (Ger), Blood Mortized (Swe) und Deserted Fear (Ger) eine stattliche Anzahl junger, talentierter Death Metal-Bands am Start hat! Der Underground lebt!

Über den Autor: Don

Mag Bier und Heavy Metal genau so gerne wie Eintracht Frankfurt. Bis 5 Uhr in der Bochumer Pinte anzutreffen. Spinnt.

Das verpasste Jubiläum

Am 19.05.2007 wurde der VfB Stuttgart durch einen 2:1 Sieg gegen UnterhachingenCottbus Deutscher Meister unter Armin Veh. Drei Tage zuvor wurde in diesem Blog der erste Artikel veröffentlicht. Seitdem haben wir zwei Europameisterschaften und eine WM begleitet, Bastian Schweinsteiger nach Bielefeld geschickt und Frauen aus dem Stadion verbannt, und mussten dabei nur zwei Meisterschaften der verhassten Münchner Bayern ertragen. Fünf Jahre lang begleiten wir nun auf diesen Seiten die abseitigen Seiten des Fußballs und gehen dabei auch gerne „da hin, wo es weh tut“ (R. Völler).

Normalerweise würden man so ein Jubiläum dazu nutzen, um Rückschau  zu betreiben, ein bisschen Statistik präsentieren, nur: Das ist alles nicht spektakulär, unser Erfolg, ergo unsere Leserzahl, hält sich bis heute in engen Grenzen, was auch im Gründungsmythos des Blogs begründet liegt. Ursprünglich wollten wir einfach nur einen Ersatz für das leider geschlossene Forum des Fußball-Managerspiels Online-Soccer, an dessen Nachfolger unser Mann Papa-la-Papp Gerüchten zufolge immer noch arbeitet. Schnell war die Idee eines Videoblogs geboren, der bestens vernetzte Buxe kannte da einen Kameramann, der bestimmt Lust hätte, mit uns eine alternative Version des DSF Fußballstammtisch zu drehen. Denn: Bier trinken und dabei dummes Zeug reden ist bis heute die Kernkompetenz unseres Bloggerteams.

Dass dabei manchmal Artikel entstehen, die über die Bloggerszene hinaus Relevanz erreichen – erinnert sei an Papa-La-Papps Artikel zur Causa Heiko Herrlich, oder Schneider3s sogar für den Blogartikel des Jahres nominierte Auslassung über die „Ohnmacht der Fans“ – aber im Großen und Ganzen fehlt uns natürlich der Glanz des Erfolgs. Ausnahmslos stümperhaft geführte Vereine oder Vereine ohne jede Ambition auf Meisterschaften haben sich uns ausgesucht. Die Bilanz der letzten fünf Jahre ist dementsprechend verheerend:

Frankfurt, Lautern, Bochum und Freiburg stiegen in den letzten fünf Jahren in die zweite Liga ab, Reutlingen traf es noch härter, hier wird inzwischen in der Oberliga gekickt. Dortmund und Stuttgart, die beiden einzigen Meisterteams unserer Truppe, werden von ihren beiden Autoren in letzter Zeit doch eher stiefmütterlich auf diesen Seiten behandelt. Unterm Strich bleibt die Erkenntnis: Sexy geht anders. Aber sexy sollte Fußball auch nicht sein! Er hat sich in den letzten fünf Jahren dahingehende entwickelt, sexy für Leute zu sein, mit denen wir einfach nicht ins Stadion gehen wollen. Bestes Beispiel diese junge Dame, die der Rheinischen Post vor die Linse gelaufen ist (Bild Nummer 3):

Eileen W. (20) kaufte sich wie viele andere am Montagvormittag zum ersten Mal eine Dauerkarte für die Esprit-Arena. Sie ist durch die tolle Stimmung in der vergangenen Saison ein Fan der Fortuna geworden, obwohl sie selbst nie Zeit hatte, ins Stadion zu gehen. Die Spielzeiten passten nicht. Jetzt, wo die Fortuna in der 1. Liga fast immer am Wochenende spielt, will sie regelmäßig im Stadion sein.

Mehr muss man über Fußball 2012 eigentlich nicht wissen, um einschätzen zu können, wieso die Faszination für diesen Sport zunehmend durch die Begleiterscheinungen getrübt wird. Typen in Lonsdale-Pullovern, die sich als FC St. Pauli-Fans ausgeben, über ihren Präsidenten aber nicht mehr wissen als „Ach, der Schwule!“. Fortuna-Fans, die Armin Veh für Pyroaktionen der Frankfurter-Fans verantwortlich machen wollen, … Die Liste der Blödheiten, die es in den letzten Jahren in den Stadien zu bestaunen gab, lässt sich noch ewig fortsetzen, ändert aber nichts an der Tatsache, dass man weiter gegen diese Deppen anschreiben muss. Auch wenn man dafür ein paar Wochen Anlauf braucht. In diesem Sinne, bleibt uns bis zum nächsten Jubiläum gewogen! Oder um es mit Superpunk zu sagen: „Man kann einen ehrlichen Mann nicht auf seine Knie zwingen.“

Foto: 5 Freunde im Abseits.de

Über den Autor: esleben

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Frühschoppen-Derby in der Oberliga

Sommerpause im bezahlten und unbezahlten Fußball. Während die Oberen der DFL dieses Jahr ausnahmsweise am gleichen Terminplan festgehalten haben, wie in der letzten Saison – also an unmöglichen Anstoßzeiten für die zweite Liga und halbwegs akzeptablen für die erste Liga – kommt man einige Etagen tiefer inzwischen auf die absurdesten Ideen.

Namentlich im Falle des SSV Reutlingen, einem von uns mit viel Wohlwollen, teilweise auch Herzblut (Guru) verfolgten Traditionsverein aus der Region Neckar-Alb, der nach zwei Jahren in der zweiten Bundesliga auf dem harten Boden der Realität angekommen ist: Insolvenz, Veruntreuung, seltsame Trainerentlassung, Mannschaften, die zu Saisonbeginn komplett ausgetauscht werden, und so weiter. Man kennt das auch von anderen Vereinen… Dafür verfügt der SSV über eine monströse Sitzplatz-Tribüne, liebevoll „Das Ufo“ genannt, und eine elektronische Anzeigetafel, die im Spielbetrieb natürlich nicht benutzt wird, da zu teuer.

Inzwischen kickt der Verein in der Oberliga Baden-Württemberg und man sollte meinen, hier wäre man vor absurden Anstoßzeiten und dergleichen gefeit. Weit gefehlt, hier treibt der Irrsinn die schönsten Blüten. Deshalb hat man sich auf der Website des Vereins auch dazu entschieden, die Terminierung der Spiele nicht auf die Uhrzeit genau anzugeben. Am 11. Oktober tritt der SSV Reutlingen beispielsweise um 19:30 Uhr in Nöttingen an. Begründung: „Der Nöttinger Platz sei das ganze folgende Wochenende belegt!“ Ja, womit denn? Gegen die – wohlgemerkt – Zweitauswahl der Stuttgarter Kickers tritt der SSV Reutlingen voraussichtlich an einem Mittwoch um 19 Uhr an. Die absurdeste Ansetzung folgt aber im April. Zu einem sogenannten „Frühschoppen-Derby“ tritt der SSV im heimischen Kreuzeichestadion gegen die TSG Balingen um 11 Uhr morgens an. Sonntagmorgens um 11 Uhr, zu einer Zeit also, wenn normalerweise die C- oder B-Jugend aufläuft, sollen zukünftig Spiele des SSV Reutlingen stattfinden.

Natürlich muss man diese Ansetzung auch im Licht der Tatsache sehen, dass die Oberligaspiele normalerweise am Samstag um 15:30 Uhr stattfinden. Also dann, wenn im Zweifelsfall knapp 30 Autominuten weiter der VfB Stuttgart in der ersten Bundesliga antritt. Das dürfte der SSV jedes Mal zu spüren bekommen. Insofern mag die Ansetzung eines „Frühschoppen-Derby“ durchaus dieser Tatsache geschuldet sein, nur sie wird weder den Verein, noch den „Amateurfußball“ in Deutschland weiterbringen. Wenigstens wird die Bezeichnung als „Frühschoppen-Derby“ nicht noch weiter dadurch konterkariert, dass es – wie bis vor einigen Jahren aufgrund der komplizierten Stadionverordnung des Kreuzeichestadions der Fall war – kein Bier im Stadion gibt. Denn ohne Schoppen auch kein Frühschoppen, und schon gar kein Frühschoppen-Derby.

Foto: Dierk Schaefer/flickr.com

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#finale – ein Twörspiel

Wir werden Stars! Wird unser Twitter-Gezwitscher inzwischen doch als Material für Hörspiele verbraten (Okay, einer unserer Tweets, aber immerhin…). Reeses Sportkultur, dessen Lektüre wir jetzt hier mal uneingeschränkt empfehlen, hat sich nach dem EM-Finale mit ein paar Kumpels zusammengesetzt und aus der Masse der Final-Tweets ein Hörspiel gebastelt, dass – aufmerksame Leser werden es sich schon denken können – komplett aus Tweets besteht. Dass das durchaus seinen Witz und noch mehr seine Berechtigung hat, weil quasi: Kunst, dürfen sich unsere Web 2.0-Skeptiker Buxe und „Goldschuhe aus“ mal hinter die Ohren schreiben. Für Menschen wie den Don, die sich immer noch hauptsächlich in Foren herumtreiben und ein Handy ohne Farbdisplay ihr eigen nennen, kommt eh alles zu spät.

Langer Rede kurzer Sinn, wer unseren Epoche machenden Beitrag zu „#finale – Quelle: Fremdmaterial“ hören möchte, sollte die gesamten 13 Minuten durchhalten, wir kommen erst ganz zum Ende hin, dann aber gewaltig, weist unser Tweet doch mal wieder auf das hin, was uns auszeichnet. Nein, nicht fußballerische Expertise, sondern der Blick fürs große Ganze, in die Zukunft über das rein sportliche des Fußballs hinaus. Ja, ich möchte gar politische, zumindest tiefenpsychologische Bezüge in unserem Beitrag erkennen.

Was machen wir jetzt nur ohne Oceana, Linkin Park und die Usedomina?

Wer auf solche Einlassungen zukünftig nicht verzichten möchte, der kann uns auf Twitter unter @5freundeabseits folgen, da wird zwar eher unregelmäßig gezwitschert, zumeist bei wichtigen Spielen, dann aber auch im Sekundentakt. Mehr Infos, wie die verwendeten Tweets, zum wirklich gelungenen „Twörspiel“ von Reeses Sportkultur gibt’s hier.

#final – Quelle: Fremdmaterial

Bild: fihu/flickr.com

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Spanische Fairness

Eigentlich wollten wir uns jetzt endlich um die 50. Bundesligasaison kümmern, welche die DFL seit heute mit einem von Schneider 1 handgeklöppelten Videotrailer bewirbt, doch das fußballerische Ereignis des Sommers, namentlich die Endrunde der Europameisterschaft alias EM 2012, lässt uns noch nicht los.

Im spanischen Fußball pflegt man ein  besonderes Verhältnis zur Fairness und zum Respekt vor dem Gegner. Das führt bisweilen zu grotesken Situation, wenn zum Beispiel der FC Barcelona im Bernabeu für Real Madrid Spalier stehen und klatschend zur Meisterschaft gratulieren muss. Andere Vereine wie Espanyol Barcelona haben – vielleicht auch deshalb, wir können nur mutmaßen – vor einigen Jahren jeglicher Fairness in punkto „Ball ins Aus schießen bei Verletzungen“ eine Absage erteilt. Offenbar macht das Beispiel von Espanyol langsam Schule, denn  nicht nur bei der EM war zu beobachten, dass weitergespielt wird, bis der Schiedsrichter die Partie unterbricht.

Was der spanische Welttorhüter Iker Cassilas im Finale der EM gemacht hat, ist entweder die ganz alte Schule der Fairness, die ihm der „Lehrmeister der Demut“ Vicente del Bosque (Sprich man den eigentlich Bosk aus, Herr Bartels?) vermittelt hat, oder unfassbare Arroganz. Ich tendiere zu ersterem, denn Casillas hat sich in der Vergangenheit keinen Ruf als unfairer Sportsmann erarbeitet. Trotzdem ist die nett gemeinte Geste dank der Gedächtnismaschine Internet inzwischen bestimmt auch in Italien Gesprächsthema. Leider ist mein Italienisch zu schwach, ergo mit Pizza, Pasta und „zwei Espressos“ erschöpft, um die Reaktionen der italienischen Öffentlichkeit zu recherchieren. Ich hoffe, sie fassen sie als das auf, was sie ist: eine dieser wunderbaren Geschichten, die einem selbst im durchkommerzialisierten Spitzenfußball noch an das Gute im Menschen glauben lassen. Hier die Szene in ihrer ganzen epischen Pracht:

Foto: Alfonso Jimenez/flickr.com

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Sing When You’re Winning

Wer das gestrige EM-Finale gesehen hat, weiß was echte Sieger vor dem Spiel machen: Mit Inbrunst die Hymne ihres Heimatlandes schmettern. Und weil mit Spanien nun zum dritten Mal in Folge der Turniergewinn an das Land gegangen ist, deren Hymne über keinen Text verfügt, fordern Bild in Person von Franz-Josef Wagner und einige CDU-Politiker eine Hymnenmitsingpflicht für echte Nationalspieler.

Hand aufs Herz, aber hätten die deutschen Nationalspieler vor dem Halbfinale gegen Italien so inbrünstig wie die Italiener ihr „Einigkeit und Recht und Freiheit“ geschmettert, der Sieg wäre nur noch eine Formalität gewesen. „Ihr Spiel nach der Nationalhymne hatte keine Magie, keinen Glauben.“ salbaldert Wagner und unterstellt den Italienern sie hätten gesungen, „als hätten sie Blutdurst.“ Abgesehen davon, dass man es lieber nicht sehen möchte, dass eine deutsche Nationalmannschaft singt als hätte sie „Blutdurst“, unterstellt Wagner den Spielern, dass sie als echte Repräsentanten ihres Landes nicht taugen, wenn sie nicht die Hand aufs Herz legen und ihre Hymne schmettern. Bild macht also weiter mit ihrer unsäglichen „Wir – Die“-Kampagne der letzten Tage, der jeder sachliche Hintergrund fehlt.

Wo die Bildzeitung als Steigbügelhalter fungiert, ist ein Unionspolitiker aus den hinteren Reihen des Bundestages aus Hessen bzw. Bayern nicht weit, und sich Der Westen, das Onlineportal der WAZ-Gruppe, nicht zu schade, „Medienberichte“ zu zitieren, in denen die Pflicht zum Hymnensingen gefordert wird. „Wer in der Nationalmannschaft spielt, muss die Nationalhymne singen“ wird ein Hans-Peter Uhl zitiert, angeblich Innenexperte der CDU, der in seiner politischen karriere regelmäßig mit hochfundierten Einlassungen zu Terrorismus, etc. reüssiert. Die Quelle, wie könnte es anders sein, ist Bild. Volker „Wie sexy darf Politik sein“ Bouffier pflichtet bei und spricht davon, „dass es peinlich sei, dass die Spieler nicht von selbst darauf kämen mitzusingen“. Der Westen weiter:

Sein Innenminister Boris Rhein (CDU) sagte: „Ich habe mich schon sehr geärgert, dass nicht alle Spieler unsere Hymne mitgesungen haben. Hier kann das Team von anderen Nationen lernen.“ Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) befand: „Zum Länderspiel und zur Nationalmannschaft gehört die Nationalhymne. Wer dazu keine Lust hat, sollte in seinem Verein bleiben.“

Spätestens nach der letzten Einlassung kann man sich nur noch an den Kopf greifen, welch tumbem Nationalismus und unterschwelligen Rassismus hier Vorschub geleistet wird. Es zeigt die ganze Widerwärtigkeit mit der hier versucht wird die erste Nationalmannschaft, die in Ansätzen die Multikulturalität Deutschlands widerspiegelt, in Mißkredit zu bringen. Und sie wird auch nicht besser durch den Versuch, sich mit dem Hinweis auf die Textlosigkeit der spanischen Hymne selbst ad absurdum zu führen. Ich bin sprachlos, ob der Auswüchse der ach so unverfänglichen „Schwarz-rot-Geilheit“…

Foto: manuel|MC/flickr.com

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