Schwarz-rot-oranje

Heute herrscht wieder Verkleidungspflicht, denn die deutsche Nationalmannschaft greift zum zweiten Mal ins Geschehen der EM 2012 ein. Und dann noch gegen Holland die Niederlande, file under „Erzfeind“. Dass nicht alle in schwarz-roter Geilheit versinken, lässt sich derweil mal wieder in Berlin ablesen, wobei es ähnliches wohl auch in anderen deutschen Städten gibt. Dort geht der Fähnchen- und „Autokini“ (So heißen diese Kondome für den Außenspiegel im Fachjargon)-Klau um. Die Bild fragt schon panisch „Warum wollt ihr uns auch noch die EM vermiesen?“ und weiß, was Fähnchenklauer sonst noch in ihrer Freizeit treiben: „Sie legen Rohrbomben, zünden Autos an, besetzen Häuser.“

Der geschätzte Bildblog hat noch mehr zur Bild’schen Panikattacke, während sich der Blog mit dem wunderbaren Namen „Kotzendes Einhorn“ die Mühe gemacht hat, drei dieser Fahnenklauer ausfindig zu machen und zu interviewen. Deren Argument, dass man als BVB oder Schalke-Fan ja auch die Farben seines Vereins und nicht der Stadt etc. tragen würde, wieso also nicht das Emblem des DFB, verfängt zwar nicht (Ganz ehrlich, wer will sich mit „unglaublichen Demagogen“ identifizieren), schön finde ich die Aktion trotzdem. So als kleine Stichelei gegen all die, die meinen, während der EM ihren ach so unverkrampften Patriotismus ausleben zu müssen und dabei weit übers Ziel hinaus schießen. Wie schön, dass die Jungle World dazu gleich den passenden sozialpsychologischen Hintergrund liefert und mir Gelegenheit dazu gibt, uns den paraphrasierten Adorno in den Blog zu kleben:

Die Abhängigkeit von ökonomischen Zwängen, denen sich die Mehrheit der Arbeitenden aus Gründen des wirtschaftlichen Überlebens anpassen muss, lässt sie zum Ausgleich für ihre gekränkte Selbstachtung zum Opium des Kollektivstolzes greifen.

Wer sich trotzdem schminken möchte, sollte zumindest auf dieses Fabrikat des Wurstblog zurückgreifen, den ich hiermit übrigens jedem Fan der Titanic-Rubrik „Die Wirklichkeit mit Fleisch nachempfunden“ ans Herz legen möchte. Zu den Spielen:

18 Uhr, Lviv, Arena Lviv

Nein, wir beteiligen uns nicht an der Christiano Ronaldo-Häme. Verneigen uns stattdessen vor seinem Gottgleichen Körper, den aristokratischen Wangenknochen und seiner großspurigen Art Freistöße zu schießen. Sollte es jemals ein Remake von „Potato Fritz“ geben, wir würden CR7 für die Titelrolle vorschlagen. Und nein, wir spielen auch nicht die Platte, dass die Dänen ihren Überraschungssieg gegen die Niederlande bestimmt wieder mit einem Kidsmenü bei einem großen Fast-Food-Unternehmen gefeiert haben. Nein, wir freuen uns einfach nur, dass heute zwei „Alles oder nichts“-Spiele anstehen, die hoffentlich so mitreißend verlaufen, wie das Duell zwischen Polen und Russland am gestrigen Abend, bei dem zur Abwechslung auch Mehmet Scholl eine gute Figur machte.

20:45 Uhr, Kharkiv, Stadion „Metalist“

Überall werden sie wieder ausgekramt, die Highlights der Geschichte der schwarz-rot-oranje Beziehung. Die Spuckattacke, der geschundene Elfer, das 3:0 im vergangenen Herbst. Aber der echte Fan weiß: Alles nur Makulatur! Geschichte! Entscheidend is auf’m Platz, und dort interessiert es dann auch nicht, ob jetzt Klose oder Gomez stürmen, ob Schürrle statt Podolski spielt (Was ich begrüßen würde), oder Jogi Löw vor Aufregung wieder mit Inbrunst in seiner Nase bohrt; ob man sich schwarz-rot-geil fühlt, oder seine Probleme mit dem Patriotismus durch das Abknicken von Fähnchen äußert.

Foto: XNAHandkor/flickr.com

Über den Autor: esleben

Verrät als Freiburg-Fan Heimat wie auch Elternhaus und trinkt ansonsten ausschließlich Veuve Clicquot. Wer wohnt schon in Düsseldorf? Mehr über Esleben auf Google+

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6 comments
  1. Hat die Heute-Tante gerade wirklich “Katrin Müller-Hodenstein” gesagt oder habe ich das geträumt?

  2. So nennt sie auf jeden Fall Olli Kahn in gewissen Stunden, hab ich gehört. Wie, du sitzt schon vor der Glotze? Schon Feieraben doder was?

  3. Urlaub, Du Lurch!

  4. Ein richtiger Mann nimmt während der EM Urlaub. Um dann über das Aussehen von Trikots zu schreiben.

  5. Am liebsten von Euch. 12 Wochen lang.

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