Die Schande von Dresden – Eine andere Sichtweise

Ursprünglich sollte dies ein Kommentar zum Artikel von schneider3 werden. Aber nachdem der Kommentar länger und länger wurde, beschloss ich, einen eigenen Artikel daraus zu machen, der eine etwas andere Meinung zum Thema beinhaltet.

Ja, es findet in der Tat eine Ungleichbehandlung zwischen „kleinen“ und „großen“ Vereinen statt, das will ich nicht bestreiten und insofern gehe ich mit schneider 3 noch Hand in Hand. Und nochmals ja: Die ganze Berichterstattung ist derzeit furchtbar aufgepeitscht und zum großen Teil zynisch und nicht zu ertragen. Aber das Urteil für Dresden sehe ich weniger kritisch als viele andere. Warum?

Weil der Verein zuvor bereits 28 Mal (!!!) verurteilt und 16 Mal abgemahnt wurde – jeweils in Form von kleineren oder größeren Geldbeträgen. Von den vielen ungeahndeten Vorfällen mal ganz abgesehen (zuletzt bspw. die vom Dresdener Capo angefeuerten „Juden! Juden! Juden“-Rufe Teile der Anhängerschaft beim Heimspiel gegen Frankfurt). Alles das scheint leider nichts genutzt zu haben.

Das jetzige Urteil kommt also nicht „plötzlich“ (Guru von der Kreuzeiche) oder aus heiterem Himmel, sondern es ist der (vorläufige) Höhepunkt einer langen Entwicklung.

Wenn man sich als Veranstalter nicht vollkommen lächerlich machen will, muss man irgendwann die Härte der Bestrafung erhöhen. Und der DFB (den man ansonsten gerne und heftig attackieren darf) hat nun entschieden, dass der 45. (!!!) klar nachgewiesene Vorfall das Fass zum Überlaufen gebracht hat. Zu früh? Keineswegs.

Jetzt kann man natürlich darüber streiten, was Dynamo Dresden für seine Fans kann. Das ist ein eigenständiges Thema. Aber vor dem Hintergrund, dass man die Täter im Block oder auch außerhalb des Stadions dank Kadergehorsam der Szene i.d.R. leider nicht zu fassen bekommt, hält man sich an den Verein und bestraft die Täter damit mittelbar.

Natürlich werden dadurch auch die vielen normalen Fans Großteils zu Unrecht mit bestraft, quasi in Sippenhaft genommen. Aber es sind eben auch genau die Fans, die nichts gegen die Chaoten im eigenen Block oder Stadion unternehmen, insofern durch unterlassene Hilfeleistung also zum Teil mitschuldig sind. Hier herrscht eher Solidarität und Abschottung nach außen, anstatt die eigenen Idioten zur Vernunft zu bringen.

Und das gilt nicht nur für die Fans im Stehplatzbereich, sondern auch sonst wo im Stadion, wie die Bilder aus Rostock zeigen, in denen Teile des Stadions applaudieren, als Leuchtraketen erfolgreich in den St.Pauli-Block gefeuert wurden.

Die These, dass man nur mit den Fans reden müsse und es würde sich alles ändern, ist auch eine Urban Legend, die ich nicht mehr hören kann. Ich beobachte das in Frankfurt, wo seit Jahren mit Engelszungen mit den Ultras geredet wird. Ergebnis: Gleich null. Die Hools machen weiter, was sie wollen und die Ultra-Szene übt Kadergehorsamkeit.

Meine persönlichen Erfahrungen sind die, dass genau diejenigen, die zuvor Böller auf Unbeteiligte geworfen haben, in der U-Bahn randaliert haben oder sonstige Sachbeschädigungen begangen haben, die ersten sind, die beim Anblick von Polizisten rufen: „Fußballfans sind keine Verbrecher!“

Ob das Urteil gegen Dresden etwas ändert, weiß ich nicht. Aber es ist ein neuer Weg. Natürlich werden sich die unmittelbar Betroffenen in ihrer eigenen Underdog-Mentalität bestätigt fühlen. Aber ich hoffe, dass die große Masse aufgerüttelt wird und mehr Zivilcourage zeigt, weil sie sieht, wohin das ganze führen kann. Aktuelle Beispiele gibt es ja schon. Auch hier von Fans eines Vereins, der als gebranntes Kind gelten darf. Zufall? Vielleicht, aber ich glaube es nicht.

Das Argument, dass früher alles noch schlimmer war, ist an Dummheit nicht mehr zu unterbieten. Früher gab es auch mehr Verkehrstote oder Schwulenfeindlichkeit oder Vergewaltigungen oder oder oder. Was soll das bitte für eine Argumentation sein? Das hier und jetzt zählt.

Und dieses hier und jetzt führte in Dortmund zu „bürgerkriegsähnlichen Zuständen“, so Freunde, die vor Ort waren und das ganze live miterlebt haben. Dresdner Fans in großer Zahl, allesamt uniformiert mit speziell für den Anlass gedruckten T-Shirts und in der Regel maskiert, attackierten Unbeteiligte und Polizisten. Und im Stadion ging es munter weiter. Alles mit Vorsatz, alles, wie es scheint, lange geplant und von einem nicht geringen Teil der Fans aktiv oder passiv unterstützt.

Eine harte Strafe? Sicherlich.
Eine gerechte Strafe? Diskussionswürdig.
Eine Strafe aus heiterem Himmel? Nein, nein und nochmals nein.

Bild: wikipedia.org

Über den Autor: Don

Mag Bier und Heavy Metal genau so gerne wie Eintracht Frankfurt. Bis 5 Uhr in der Bochumer Pinte anzutreffen. Spinnt.

Mag Bier und Heavy Metal genau so gerne wie Eintracht Frankfurt. Bis 5 Uhr in der Bochumer Pinte anzutreffen. Spinnt.
11 comments
  1. Vielen Dank! Du sprichst mir aus der Seele!

  2. Eigentlich bringst du im Text genau so viele Argumente gegen die Bestrafung. Die angesprochene Sippenhaft und die Ungleichbehandlung sind für mich schon ganz klar die Faktoren, die dieses Urteil so falsch erscheinen lassen und auch für die Zukunft kontraproduktiv sind. Denn der von dir angesprochenen Kadergehorsam wird dadurch genau verstärkt – die Mentalität „Wir gegen die da oben (ob Polizei, DFB oder Staat)“.

    Meiner Ansicht nach löst dieses Urteil keine Probleme, sondern schafft eine Menge neue. Wie will man denn in Zukunft reagieren? Was passiert bei den nächsten Verstößen der Eintracht-Fans? Punktabzug? Nichtaufstieg? Und es ist mir auch völlig egal, ob das Urteil jetzt aus heiterem Himmel kommt oder ob es eine lange Vorgeschichte hat. Es ist und blebit falsch und zeigt die absolute Hilflosigkeit sowie die moralische Fragwürdigkeit des DFB.

    Und übrigens: Wenn es die mit dem Gewaltmonopol des Staates ausgestattete Polizei schon nicht schafft, einzele Gewalttäter und Randalierer in U-Bahnen oder Stadion GEZIELT herauszuziehen und zu bestrafen (denn dafür gibt es das StGB), wie sollen es denn die Vereine bitteschön schaffen? So kann man es sich auch schön einfach machen.

  3. Mit der Aussage, dass es früher schlimmer war, wollte ich nicht aktuelle Gewaltproblematiken relativieren, sondern vielmehr die Schwachsinnigkeit der Aussage des Typen vom DFB aufzeigen. Klar hilft uns das heute nicht weiter, wenn sich vor 20 Jahren mehr Leute aufs Mett gehauen haben; aber es ist einfach Fakt, dass es heute sicherer ist, in ein Fußballstadion zu gehen als aufs Oktoberfest.

  4. @Guru: Und wie lautet Dein Lösungsvorschlag? Und jetzt komm mir nicht mit reden, das alleine hilft scheinbar nicht. Aber natürlich muss auch weiterhin der Dialog gesucht werden.

    Und zum Thema Polizei: Warum schafft sie es denn nicht, die Täter gezielt herauszuziehen, hm? Weil die Einzeltäter nun mal von einer breiteren Masse geschützt werden. Nicht nur ideologisch sondern auch ganz konkret körperlich. Deshalb braucht es ja auch schon ne Einsatzhundertschaft, um überhaupt etwas im Block ausrichten zu können.

    Welcher normale Mensch käme denn auf die Idee, sich zwischen die Polizei und Menschen zu stellen, die glasklare Straftaten begehen? Und genau das ist das Problem.

    Und natürlich können da auch die Vereine außer Grundlagenarbeit nicht viel ausrichten und sind in diesem Sinne auch nicht verantwortlich. Aber dann müsstest Du jegliche Strafe gegen Vereine ablehnen, auch Geldstrafen etc. pp.

  5. Die Lösung ist ein wenig differenzierter zu betrachten, so wie man auch die Taten differenziert betrachten muss. Bei der Thematik „Bengalo“ muss man tatsächlich reden und Lösungen finden. Und da muss sich der DFB bewegen. Der hat nämlich Hoffnung geweckt und die Fans dann vor den Kopf gestoßen. Das hat er dann auch noch bestritten. Von Spiegel Online wurde übrigens ganz klar belegt, dass der DFB gelogen hat.

    Bei Gewalttätern sieht das anders aus: Da muss man nicht reden, die muss man aus der Bahn und aus dem Block holen. Dann gibt es eine schöne Anzeige wegen Körperverletzung etc. und dann ein Verfahren. So wie in einem Rechtsstaat üblich. Und von dieser Argumentation, die arme Polizei würde das nicht schaffen, weil die anderen diese Leute so massiv schützen würde, halte ich rein gar nix. Wenn die Polizei das nicht schafft, dann soll sich sie fragen, ob sie vielleicht in der Gesellschaft künftig ein anderes Aufgabenfeld übernehmen möchte. Tut mir leid, das ist lächerlich. Und außerdem würde ich das gerne mal belegt haben, dass sich so viele normale Fans vor die stellen, die echte Straftaten begehen. Auf der einen Seite ist immer von „Einzeltätern und einzelnen Chaoten“ die Rede. Auf der anderen Seite sind jetzt plötzlich alle Mittäter. Irgendwas passt da nicht.

    Wenn die Vereine Ihrer Kontroll- und Sorgfaltspflicht nachgekommen sind, lehne ich tatsächlich Strafen ab. Das ändert gar nichts. Hat man ja gesehen.

    Und ganz davon abgesehen denke ich, dass Deeskalation seitens der Polizei tatsächlich etwas bringen könnte – nicht bei den echten Gewalttätern, sondern bei der Masse der Ultras und Fans. Durch diese ganz massive und offene Präsenz hat sich in den letzten Jahren nichts verbessert sondern verschlimmert. Auch normale Menschen fühlen sich provoziert, wenn sie einfach mal gefilmt werden und wie Verbrecher behandelt werden. Das geht gar nicht. Dass da dann eine Solidarisierung mit bestimmten Personen stattfindet, ist für mich verständlich. Ich denke jeden von uns hat das total dumpfe und blöde Verhalten der Polizei im Fußballkontext schon maßlos geärgert.

  6. Guru, Du widersprichst Dir: Zum einen sagst Du, die Polizei solle das ganze regeln, die müsse das können und wenn nicht ist eh alles zu spät. Zum anderen sagst Du aber, dass alleine deren Präsenz eskalierende Wirkung hat. Ich wage mal zu behaupten, dass ein (verstärkter) Eingriff ohne Präsenz nicht möglich ist, es sei denn, Du wolltest Dronen einsetzen, die sonst nur in Pakistan unterwegs sind. Das passt vorne und hinten nicht zusammen.

    Die „spontane Solidarisierung“ gegen die Polizei und oder Beamte müsste eigentlich jeder schon mal mitbekommen haben, es sei denn, er geht blind durchs leben. Schau Dir mal die TV-Bilder an, wenn versucht wird, Einzeltäter aus dem Block zu ziehen. Wenn das ohne weiteres möglich wäre, bräuchte man ja keine Einsatzhundertschaft. Wenn aber in der Vergangenheit nur eine Handvoll Ordner versucht hat, eine Einzelperson mitzunehmen, haben die das nur mit Glück ohne Schaden überstanden. Einige sind ja leider auch im Krankenhaus gelandet (remember Bielefeld?).

    Über das Thema Bengalos habe ich bislang auch gar nicht geredet, hier ist aber alleine schon die Rechtslage klar: Das ist verboten. Nicht durch den DFB, nicht durch die Vereine, sondern per Gesetz. Natürlich hat der DFB den Fehler gemacht, hier etwas in Aussicht zu stellen und insofern „gelogen“, aber die Gesetzeslage ist nun mal Fakt.

  7. Deine Argumentation ist mir gerade viel zu sehr in Richtung „Law-and-order“. Ich habe schon erlebt, wie 15-jährige von komplett gepanzerten Polizisten aus dem Block gezerrt worden sind, weil sie beim Torjubel am Zaun gerüttelt haben. Und da solidarisiere ich mich gern. Trenn doch mal normales Verhalten im Block von echten Gewalttaten.

    Und bei den Bengalos geht es nicht nur ums Verbot, sondern auch um die verdammte Doppelmoral dazu. Und nur weil etwas verboten ist, heißt das noch lang nicht, dass das Verbot sinnvoll ist und für alle Zeiten gelten muss.

    Und ich bleibe bei meiner Meinung: Härte gegen echte Gewalttäter, aber lasst doch endlich mal die relativ normalen Fans in Ruhe. Als Fan wirst du von der Polizei und vom DFB sofort in Sippenhaft genommen und genau das setzt die Solidarisierung in Gang.

  8. Und Deine Argumentation ist mir einfach zu normativ. Wir sind hier nicht im Wolkenkuckucksheim oder bei Wünsch-Dir-Was.

    Ich schreibe nirgends, dass die Polizei nicht auch Fehler macht und ich heiße das auch nicht gut. Und was die von Dir genannten Kids, die nur am Zaun gerüttelt haben, jetzt mit dem Thema „Dresdner Verhalten in Dortmund“ zu tun haben, erschließt sich mir null. Haben die auch alle nur am Zaun gerüttelt oder was soll dieser alberne Vergleich?

    Niemand will Polizeiwillkür, eigentlich erbärmlich, dass ich das noch dazu schreiben muss.

    Und ob die Polizei die Solidarisierung hervorrufen hat oder umgekehrt ist mal wieder Henne und Ei. Zumindest ich habe bislang eigentlich nur „falsche“ Solidarisierungen erlebt, in der Straftäter geschützt wurden. Aber auch hier nochmal extra für Dich: Damit schließe ich nicht aus, dass es auch gerechtfertigte Solidarisierungen gibt, wenn es zu Polizeiwillkür kommt. Dein Law-and-Order-Don.

    Warte mal das nächste Montagsspiel ab. Da gibts extra für Dich Law-and-Order im Casa Don!

  9. Ich habe doch gar nicht gesagt, dass die Dresdner in Dortmund nur am Zaun gerüttelt haben. Es war nur ein Beispiel für unverhältnismäßiges Verhalten der Polizei. Dass die Typen in Dresden, die die Buden auseinandergenommen haben und Leute verkloppt werden, sofort bestraft gehören, hab ich doch längst gesagt. Aber warum dafür der Verein vom Pokal ausgeschlossen werden soll, erschließt sich mir immer noch nicht. Ich wehr mich gegen diese Sippenhaft, die von Polizei und DFB aktiv ausgeübt wird.

    *Polemikmodus ein*
    Du kommst doch auch nicht in den Knast, wenn Leute mit Dr.-Don-T-Shirts rumlaufen, Leute verprügeln und sagen, wir sind Fans vom Don.
    *Polemikmodus aus*

    Wenn beim Montagsspiel „Law-and-Order“ wie immer gleichbedeutend ist mit: Du musst so viel Bier trinken und Wurst essen wie du kannst, nehme ich diese Kampfansage natürlich an. Wir treffen uns vor der Toilette.

  10. Hier übrigens noch ein sehr guter Kommentar zur Thematik. Zwar etwas älter, aber ich habe ihn jetzt erst gesehen:
    http://www.spiegel.de/sport/fussball/0,1518,794382,00.html

  11. Ich selbst sehe die tatsächliche Bestrafung als nicht gerecht. Denn: was soll es bringen?

    Deine Statistik zeigt es deutlich, die Strafen sind völliger Nonsens und tragen zur Problemlösung leider null bei. Der DFB ist ja, wie du schon korrekterweise abmerkst, der Veranstalter, und unterstützt die Vereine in keinster Weise und lässt sie mit dieser Problematik alleine. Nur bestrafen um Druck auszuüben. Aber helfen? Fehlanzeige.

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