Der Unterschätzte

Durchsetzungsstark, zielstrebig, treffsicher, egoistisch – Attribute, mit denen man gemeinhin den Strafraumstürmer versieht. Als Rudi Völler noch Spieler war, glänzte der gebürtige Hanauer eben durch jene Charaktereigenschaften. Vielleicht nicht die allerschlechtesten Voraussetzungen, um seit 2005 erfolgreich als „Direktor Sport“ der Bayer 04 Leverkusen Fußball GmbH zu agieren. Doch die Medaille hat (wie immer) eine zweite Seite.  „Tante Käthe“ wird auch heute noch als der nette, vielbesungene „eine Rudi Völler“ wahrgenommen.
Vielleicht ist es die Mischung aus beidem (erweitert um Begriffe wie bodenständig & bescheiden), die Rudi Völler zum perfekten Drahtzieher hinter den Kulissen macht. Sicherlich ist auch sein weltweit positiv besetzter Name bei Verhandlungen nicht von Nachteil.

Liest man seine Vita, wird einem schnell klar, wie viel dieser Mann mit seinen bald 51 Jahren bereits erlebt hat. Er war Spieler bei sieben Vereinen, darunter bei zweien im Ausland, trainierte zwei Vereinsmannschaften sowie die Deutsche Nationalmannschaft (als Teamchef). Außerdem arbeitete er bereits von 1996 bis 2000 als Sportdirektor bei Bayer. Sportlich hat er (fast) alles erreicht, was man erreichen kann: Weltmeister 1990, Gewinner des Europapokals der Landesmeister 1993, italienischer Pokalsieger, Spieler des Jahres. Einzig Deutscher Meister darf sich Völler bis heute nicht nennen.

Was ihm als Aktiven nicht gelang, verfolgt Völler nun seit Jahren als Sportdirektor bei Bayer. Er darf getrost als Baumeister des aktuellen Kaders gesehen werden, der – meiner Meinung nach – in den nächsten Jahren neben den Dortmundern und den unvermeidlichen Bayern das Geschehen in der Bundesliga bestimmen wird.  Gerade vor dem Hintergrund der absurd aktionistisch-hysterischen Geschehen in „großen“ Vereinen wie Schalke, Stuttgart, Wolfsburg und Hamburg und der wahrscheinlich dauerhaften internationalen Abstinenz Werders, wird Bayer sportlich auf Dauer in die Top 3 aufrücken.

Dabei beeindruckt Völlers unaufgeregte, strukturierte und zukukunftsorientierte Transferpolitik. Kontiunität findet auch hinter den Kulissen statt. So steht Norbet Ziegler bereits seit dem Jahr 2000 der Scoutingabteilung vor. In dieser Zeit zeichnet sich diese durch eine – für Bundesligaverhältnisse – hohe Trefferquote aus. Anders als der in allen Belangen schwergewichtige Calli Calmund richtet Völler seinen Fokus nicht mehr nur auf den südamerikanischen Markt, sondern vor allem auf den heimischen. Zuletzt verkündete Bayer die Transfers von Andre Schürrle (allerdings nicht gerade für kleines Geld) und dem 21jährigen Karim Bellarabi vom Drittligisten Eintracht Braunschweig. Damit lässt sich auch der Weggang eines Patrick Helmes verschmerzen. Weitere Talente wie Hegler, Risse, Sukuta-Pasu und Kaplan erhalten ihren Feinschliff bei anderen Bundesligisten. Auch das ein Prinzip Völlers, von dem umgekehrt auch Bayer schon profitiert hat (Stichwort Kroos). Es entsteht oftmals (wenn auch häufig begrenzt für eine Saison) eine win-win-Situation. Sowohl ver- als auch leihender Verein profitieren. Sicherlich keine Erfindung Bayers, aber dennoch nicht unwesentlicher Teil einer vorbildlichen Transferpolitik.
Immer wieder gelingt es Bayer, die selbsternannten Konkurrenten BVB und den Ausbildungsverein Hoffenheim auszustechen. Funktioniert das nicht, wird eben aufgeteilt, wie die Transfers der Bender-Zwillinge zeigten. Schaut man sich den (zukünftigen) Kader Bayers an, muss man dem Direktor Sport auch als Gegner der Werksidee Respekt zollen. Denn heraus kommen nicht nur schöne Namen, sondern auch ansehnlicher, offensiver Fußball.

Das muss auch den Ex-Stürmer Völler beglücken. Völler – und das nimmt man ihm gerne ab – war und ist in erster Linie Fußballer, der sich sicherlich nie so sehr für das Rampenlicht interessiert hat, wie es ihm zuteil gworden ist. Wird zukünftig noch ein passender(er) Trainer verpflichtet, dürfte die Akte „Völler = Kein Deutscher Meister“ endgültig geschlossen werden. Dann wird man sie wieder hören, die „Rudi, Rudi“ Rufe…

PS: Und im ersten Kommentar möchte ich jetzt nicht den Namen „Ballack“ lesen…

Über den Autor: Buxe

Macht in Unterhosen und Lotto. Kunstverständiger Lebemann, der seinem Verein Schalke 04 in unerschütterlicher Hassliebe verbunden ist. Wurstvegetarier und Minigolfgott in Personalunion.

Macht in Unterhosen und Lotto. Kunstverständiger Lebemann, der seinem Verein Schalke 04 in unerschütterlicher Hassliebe verbunden ist. Wurstvegetarier und Minigolfgott in Personalunion.
5 comments
  1. Ich glaube ja, dass du Völlers Anteil am Leverkusener Kader etwas überschätzt. Als „door-opener“ macht er allerdings sehr gute Arbeit, vom Mainzer Gebrauchtwagenhändler haben er und sein BWL-Backup sich aber meiner Meinung nach schwer über den Tisch ziehen lassen. Schürrle wird in seiner Karriere nicht mehr als zehn Hütten für Bayer machen. Ja, das ist eine Wette, wer hält dagegen?

  2. Ich habe den bisher zu selten live spielen sehen. Ach, was soll´s: ich halte dagegen! Die 10 Tore macht er allein in der kommenden Hinrunde…:)

  3. Kombiwette also? Da bin ich gerne dabei!

  4. Risse wird in Mainz weiter ausgebildet – bleibt aber auch gleich da: http://www.bild.de/BILD/sport/fussball/bundesliga/vereine/fsv-mainz-05/2011/02/10/marcel-risse/bleibt-mainzer.html

    Und vorbildliche Transferpolitik? Ich weiß ja nicht. Die Leverkusener wissen doch teilweise selbst nicht was sie mit den Leuten machen sollen – siehe zum Beispiel Constant Djakpa.

    Und „Baumeister des aktuellen Kaders“? Da wird die Scoutingabteilung von Bayer aber heftig unterschätzt. Auch Nachwuchskoordinator Gelsdorf macht einen guten Job.

    Da funktioniert ein Team. Völler ist da u.a. der Sympathieträger für die Kameras.

  5. @Klaas: Ja, das mit Risse stimmt, das ist mir auch schon aufgefallen. Sorry. Ob Völler wirklich nur der Winke-Onkel für die Kameras ist, das weiß ich eben nicht. Natürlich ist immer ein gut funktionierendes Team der Erfolgsgarant, aber wie bekommt man ein gut funktionierendes Team hin? Und wie führt man es erfolgreich?
    Und dass immer mal wieder Fehleinschätzungen (wie zB Djakpa) passieren, liegt doch in der Natur der Dinge. Ich bleibe dabei: Leverkusen macht vieles richtig.

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