„Hier geht noch einiges!“

Ein ganz besonderes Ereignis stand am Donnerstag, den 20.01. auf dem Programm: Im Bochumer „Riff“ lud Ben Redelings im Rahmen seiner regelmäßig stattfindenden „Scudetto-Reihe“ zu einem äußerst amüsanten Abend mit dem „weißen Brasilianer“ aus Ostwestfalen: Ansgar Brinkmann. Und die 5-Freunde-Abordnung (bestehend aus Goldschuhe aus, Buxe, Papa la Papp und Don) nahm die Einladung dankend an.

Der berühmt-berüchtigte Ex-Profi, der zuletzt auch durch interessante Interviews mit Themen Abseits des Fußballs auf sich aufmerksam machte, hatte eine Menge zu erzählen. Schließlich gibt es nicht viele Fußballer, über die im Internet mehr Anekdoten und Sprüche über Ausfälle und Feierlichkeiten kursieren – auch wenn er selbst zu Beginn des Abends, nicht ohne Bedauern in der Stimme, sagt: „“Ich hätte heute lieber 50 Länderspiele als 50 Anekdoten!”.

Und wie der Abend zeigen sollte, ist das meiste davon wahr, auch wenn der jeweilige Hintergrund ein neues Licht auf so manche Begebenheit warf. Sein Beiname „Der weiße Brasilianer“ geht dabei auf niemand geringeren als Trainerlegende Rolf Schafstall zurück und ist insofern per se nicht in Frage zu stellen.

Mehr oder weniger chronologisch ging es dann durch sein bewegtes Leben als Fußballprofi, in dem er sage und schreibe 38 Trainer hatte: „Aber ich habe ja auch meistens gegen den Abstieg gespielt und da wechselten die Trainer manchmal im Drei-Monats-Takt!“.

So wurde er zu Beginn seiner Karriere, als Spieler von Mainz 05, bei einem Hallenturnier von den Feldjägern abgeholt, weil er nicht zum Grundwehrdienst erschienen war: „Herr Brinkmann, lesen Sie keine Post?“ – „Ne, die bekommt immer meine Mutter!“. Der ebenfalls anwesende Jürgen Klopp konnte da nur ungläubig den Kopf schütteln: „Ansgar, hast Du davon wirklich nichts gewusst?“

Jürgen Klopp war bei Mainz auch der Zimmergenosse von Brinkmann, „weil die Verantwortlichen wohl gedacht haben, der Kloppo könne mich ein bisschen bremsen. Das hat ja auch geholfen. Zumindest ein wenig. Aber der Kloppo hatte auch damals schon immer das große Ganze im Auge. Nur hätte ich auf unserem Zimmer ne Diskokugel aufhängen müssen, um etwas sehen zu können – so viel hat der Kloppo damals geraucht!“.

Zu Brinkmanns Frankfurter Zeiten kam es dann in der Nähe des Trainingsgeländes zu einer zufälligen Begegnung: „Mensch Kloppo, schön dass Du mich besuchen kommst!“ – „Hey, ich wohne in Frankfurt und bin grade auf dem Weg zum Bäcker. Aber Gratulation zu Deiner Karriere!“. Und auch sonst sei „Kloppo“ ein „ganz feiner Kerl! Eine absolut neidlose Person, das imponiert mir!“

Während seines Wehrdienstes spielte Brinkmann quasi zwangsläufig auch für die Bundeswehr-Nationalmannschaft. Ein Auswärtsspiel in Kiew ist ihm dabei besonders im Gedächtnis geblieben: „Der Pilot meldete sich kurz vor der Landung und redete was von schönem Wetter und -33 Grad. Wir dachten alle, der wolle uns verarschen! Aber auf den 80 Metern vom Flugzeug ins Gebäude wäre ich echt fast erfroren. Auch für das Spiel waren wir völlig unzureichend gekleidet. Während die Einheimischen dicht eingemummt spielten, hatten wir nur Trikot und Hose an. Ein Mitspieler sagte mir bibbernd, dass er das nicht durchstehen würde. Und da waren gerade mal 2 Minuten gespielt.“

Das anschließende Bankett dürfte ebenfalls in die Annalen deutsch-russischer Feierlichkeiten eingehen: Brinkmann becherte ordentlich mit der russischen Mannschaft, was seinen Vorgesetzten schon nicht so recht passte, so dass es die ein oder andere Ermahnung gab. Schließlich sagte sein direkter Vorgesetzter: „Herr Brinkmann, wir gehen!“ und als Antwort bekam er zu hören: „Herr Colonel, ich habe gelernt, dass man dann gehen soll, wenn es am schönsten ist. Und ich denke, hier geht noch einiges!“

Der Abend endete dann damit, dass Brinkmann irgendwann mit nacktem Oberkörper eine Rolle vorwärts auf einem russischen Diplomatenwagen hinlegte und dabei das Fähnchen abbrach. Sein Arbeitgeber Mainz 05 bekam nach diesen Begebenheiten einen Brief von der Bundeswehr mit folgendem Bonmot: „Herr Brinkmann fügte dem deutsch-russischen Verhältnis nachhaltigen Schaden zu!“

Jahre später hatte Brinkmann eine ganz ähnliche Aktion in Gütersloh: Nach der Weihnachtsfeier sprintete er am Hauptbahnhof über alle dort wartenden, „etwa 10“ Taxen und legte auf der letzten auch erneut eine Rolle vorwärts hin. Natürlich gingen schlagartig die Türen auf und „teilweise recht kräftige“ Taxifahrer stiegen drohend aus ihren Autos. Aber dann erkannte ihn einer der Fahrer und sagte: „Ach, das ist nur der Ansgar!“ und alle stiegen wieder ein.

Die Gütersloher scheinen sowieso ein eigentümlicher Schlag Mensch zu sein: Denn als Brinkmann nach einer anderen Feierlichkeit „80 Meter Straße in Schutt und Asche“ legte (u.a. gingen ein Frisörgeschäft und ein Einzelhändler zu Bruch), sagte der herbeigeholte Polizist nur: „Ach Sie sind´s, Herr Brinkmann!“.

Das Verhältnis von Ansgar Brinkmann zu seinen Trainern war hingegen nicht immer von bester Qualität. So sagte er einmal zu seinem Co-Trainer beim FC Kärnten: „Gerade Du willst mir Fußball erklären? Du triffst doch noch nicht einmal das Meer, wenn Du mit dem Ball am Strand stehst!“ Danach spielte er nur noch in der zweiten Mannschaft. Mit dem damaligen Cheftrainer Peter Pacult hatte er sich ebenfalls verkracht, was ihm später bei Dynamo Dresden erneut zum Verhängnis werden sollte.

In seiner Zeit bei TeBe Berlin wandelte Brinkmann sogar auf Günter Netzers Spuren, denn er wechselte sich in der Partie gegen Fürth mit den folgenden Worten an den Linienrichtern selbst ein: „Herr Auszubildender, wir wollen wechseln!“. Trainer Winnie Schäfer  bekam davon zunächst nichts mit und erst als der Schiri das Zeichen zum wechseln gab, guckte er verdutzt auf Brinkmann. „Aber statt mich in die Kabine zu schicken, wollte er sich wohl keine Blöße geben und wechselte mich wirklich für Kirjakov ein. Das war auch gut so, denn ich hatte mir gar nicht überlegt, wer für mich runter sollte. Das Spiel ging zwar dennoch verloren, aber ich hatte damals ne ordentliche Auflaufprämie in meinem Vertrag, insofern hat es sich die Aktion für mich dennoch gelohnt!“

Manchmal hielt sich Brinkmann aber auch zurück. Als er zusammen mit „Pele“ Wollitz bei Osnabrück spielte, gab es bei einem deutlichen Rückstand zur Pause ein Donnerwetter in der Kabine. Und während Brinkmann sich möglichst klein machte, suchte Wollitz die Konfrontation, was den Trainer zum äußersten Trieb: „Pele! Pele! Ab heute heißt Du wieder Claus-Dieter!“

Auch die Medizinball-Wette von Günter Delzepich wurde von Brinkmann zum Besten gegeben und bestätigt. Dieser wettete gegen seine Kameraden, dass er einen Medizinball von außerhalb des Strafraums ins Tor schießen könne, ohne dass dieser zuvor den Boden berührt. Er verlor die Wette – weil er den Medizinball über´s Tor drosch!

Als Brinkmann nach dem sensationellen Nicht-Abstieg der Frankfurter Eintracht durch ein 5:1 gegen Kaiserslautern abends im Aktuellen Sportstudio zu Gast war, traf er auf Franz Beckenbauer. Dieser wechselte sogar ein paar Worte mit ihm („Ich war ganz erstaunt, dass der überhaupt weiß wie ich heiße!“), woraufhin Brinkmann seine Freunde anrief und ihnen verkündete: „Gott hat zu mir gesprochen!“

Während einer groß angelegten Sponsoren-Gala musste er als Mannschaftskapitän eine kleine Rede halten. Nachdem er auch hier kein Blatt vor dem Mund nahm („Egal, ob da auf unserer Bank jetzt der Busfahrer oder der Trainer sitzt: So gewinnen wir keinen Blumentopf mehr!“) herrschte aber eher betretenes Schweigen.

Auch nach dem offiziellen Programm blieb der Rezensent dem Brasilianer aus Vechta investigativ auf den Fersen und konnte sich noch eine gute Stunde mit ihm am Tresen unterhalten: Alptraumhaftester Gegenspieler? „Jürgen Kohler! Der konnte einen ungestraft drei Mal von hinten umsäbeln, ohne dass der Schiri daran dachte, ihm ne gelbe Karte zu zeigen!“. Größter Choleriker? „Jens Lehmann! Wobei der sowohl uns Gegenspieler als auch seine eigenen Leute beschimpfte. Insofern waren da alle gleichgestellt.“ Verrücktester  Spieler? „Thomas Ziemer! Wenn ihr schon glaubt, ich sei verrückt – Thomas Ziemer hat alle in den Schatten gestellt!“.

Als wir dann quasi aus dem Laden geworfen wurden, verabschiedete sich Brinkmann bei allen Anwesenden per Handschlag, nicht ohne zuvor noch den mitgebrachten Eintracht-Schal („Das war damals schon ne geile Zeit! Wir hatten ne super Truppe und richtig viel Spaß!“) zu signieren. Insgesamt machte Ansgar Brinkmann einen überaus sympathischen und v.a. ehrlich-selbstreflektierenden Eindruck, der sowohl von Schlitzohrigkeit als auch von Reife zeugt.

Seine im April erscheinende Biographie scheint daher in Anbetracht dieses sensationellen Abends eine echte Pflichtlektüre für alle Fußballfans zu sein, die sich auch und insbesondere für die kleinen Geschichten abseits des Spielgeschehens interessieren.

Fotoquelle: Spielraum

Über den Autor: Don

Mag Bier und Heavy Metal genau so gerne wie Eintracht Frankfurt. Bis 5 Uhr in der Bochumer Pinte anzutreffen. Spinnt.

Mag Bier und Heavy Metal genau so gerne wie Eintracht Frankfurt. Bis 5 Uhr in der Bochumer Pinte anzutreffen. Spinnt.
10 comments
  1. Ein wirklich großartiger Abend. Ansgar ist echt ein Bombentyp.

  2. Das ist halt ein „Fußballverrückter“. Abmahnung? Scheißegal. Geldstrafe? Scheißegal. „Aber nehmt mir bitte nicht den Ball weg.“

  3. Verdammt, die Sache mit dem „Eine Geldstrafe ist okay, aber nehmt mir bitte nicht den Ball weg!” hatte ich gar nicht mehr auf dem Schirm!

  4. Hat der eigentlich vor, nach oder mit Bernd Schneider bei Frankfurt gekickt?

  5. Mit (98/99). Schnix ist einer seiner besten Freunde – was ja auch wieder paast…

  6. Während ich noch auf mein Exemplar mit persönlicher Widmung von Ansgar warte, hat es der Weiße Brasilianer sogar in die Zeit geschafft:

    http://www.zeit.de/sport/2011-04/interview-brinkmann-klopp-heynckes

  7. So, die Bibel ist mit folgender Inschrift angekommen: „5-1 Lautern nach Hause geschickt! :) Ansgar“

  8. Hab ich was verpasst? Seit wann seid ihr so dicke?

  9. Nach dem Lesen der Ansgar-Biografie macht sich ja doch ein wenig Enttäuschung breit.

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