Kraftausdrücke

Festtagsstimmung in den Sportredaktionen der Republik. Seit Louis van Gaal verkündet hat, dass in der Rückrunde Thomas Kraft und nicht Hans-Jörg Butt im Tor des FC Bayern stehen wird, wühlen die Sportjournalisten aller Länder mit Wonne im Wortspielkasten mit der Aufschrift „K wie Kraft“. Eine Bilanz nach dem ersten Spieltag.

Bevor Thomas Kraft auch nur eine Bundesligaminute absolviert hatte, fand der Focus die Kraft, die erste Worthülse zu feuern und mit der Nominierung „Van Gaals Kraft-Akt gegen Neuer“ zu konstatieren. Nicht der einzige seiner Art, viele Proben aufs Exempel folgten: „Kraft-Probe zwischen van Gaal und den Bossen“ hieß es bei fussball.de, während die ähnlich seriösen Kollegen von sport-finden.de den „ersten Kraftakt“ heraufbeschworen. Nach dem ersten Spiel und dem dürftigen Unentschieden gegen Wolfsburg befindet der Berliner Kurier hingegen trocken : „Schweini verbockt die Kraftprobe“, und Die Abendzeitung findet, dass „Der Kraft-Beweis“ schuldig geblieben wäre.

Kein Wunder, schließlich sorgen sich Eurosport, die FAZ, die Welt und der Kicker, ob Kraft „Protz“ genug sei um den – genau, schlag nach bei Olli Kahn – mörderischen Druck im Tor von Bayern München auszuhalten. „Wackelabwehr oder Kraftpaket?“ fragt Eurosport, der Kicker macht vorsichtshalber die Gewichtsprobe: „Kraftprotz oder halbe Portion?“. Die Welt („In „Kahns Torwartschule wurde Kraft zum „Protz“) weiß ebenso wie die FAZ schon mehr: „Kraft ist alles andere als ein Protz“ – Ja, was denn nun? Einfach bei der Bild nachschauen, die fragte nämlich schon vor einigen Tagen: „Ist Thomas bald die Torwart-Kraft No.1?“.

Einig sind sich die Journalisten lediglich in der Einschätzung des Spiel gegen Wolfsburg und Krafts tatkräftiger Mithilfe dabei, dass am Ende wenigstens ein Punkt mit in den Bus nach München genommen werden konnte: „Mit Kraft und ohne Dusel“ (Der Tagesspiegel), „Mit aller Ruhe hält der Kraft“ und „In der Ruhe liegt die Kraft bei ‚Krafti’“ konstatieren das Hamburger Abendblatt und der Express beinahe einvernehmlich. Die Frankfurter Neue Presse stellt hingegen die durchaus berechtigte Frage: „Nur die Kraftprobe geglückt?“. Die Antwort findet man bei der Welt: „Bayerns Kraft reicht nicht für den Titel“ und bei Der Westen: „Die Kraft ist nicht mit Bayern“.

Wirklich Bescheid weiß aber wie immer nur die Bild. Die Bayern verfügen in Zukunft nämlich über einen: „Vorsprung durch Kraft“. Ein Schelm, wer dabei an einen der Werbepartner des FC Bayern denkt. Wir warten gespannt auf die nächsten kraftvollen Worthülsen und loben schon mal einen Preis für die Zeitung aus, die bei den Bayern „Freude durch Kraft“ feststellt.

Bild: fcbayern.telekom.de

Über den Autor: esleben

Verrät als Freiburg-Fan Heimat wie auch Elternhaus und trinkt ansonsten ausschließlich Veuve Clicquot. Wer wohnt schon in Düsseldorf? Mehr über Esleben auf Google+

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4 comments
  1. Sensationelle Zusammenfassung der geballten Ideenlosigkeit der „Journaille“ (F. Funkel), die in einem fantastischen letzten Satz mündet. Chapeu, Herr Esleben, so gut kennt man Dich gar nicht… :-)

  2. Immernoch fantasievoller als „Die Chemie stimmt“, sobald Chemieunternehmen ihre Bilanzen veröffentlichen. Möchte mal wissen woher dieser unbändige Drang der Journalisten kommt, alles in Wortspiele kleiden zu müssen?

  3. Eine kraftvolle Recherche, Herr Kollege!

    Da können sich alle anderen ne kräftige Scheibe von abschneiden!

    Chapeau!

  4. Für mich ist das Ganze einfach nur eine Kraftmeierei…

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