Geldwerter Vorteil

Zugegeben, die Analogie der Überschrift zum Fachbegriff aus dem Arbeitsrecht ist unpassend. Dennoch fasst der Ausdruck ganz gut den Vorstoß von Hans-Joachim Watzke zusammen, der zuletzt eine Neuverteilung der Fernsehgelder forderte.

Der Geschäftsführer von Borussia Dortmund plant, die TV-Gelder nicht mehr nur nach dem sportlichen Erfolg der Vereine zu verteilen. Vielmehr sollten auch weiche Faktoren wie Tradition, Anzahl der Fans etc. eine Rolle spielen. Watzke begründet seine Forderung damit, dass Vereine wie Leverkusen oder Wolfsburg als Töchter von Dax-Unternehmen zu Unrecht eine Sonderstellung in der Liga einnehmen würden. An dieser Stelle möchte man ihm Recht geben, ist sein bisher schärfster Widersacher in dieser Thematik doch ausgerechnet Wolfgang Holzhäuser. Genau der Wolfgang Holzhäuser, der den Transfer Michael Ballacks zu Bayer Leverkusen folgendermaßen erklärt hatte: „Der Ballack-Transfer liegt außerhalb des Haushalts. Das ist alles mit der Konzernspitze abgestimmt.“

Glücklich, wer einen Großkonzern im Rücken hat, mit dessen Hilfe mal eben der Transfer eines internationalen Stars getätigt werden kann. Erinnerungen werden wach an die „freie Hand“, die der VfL Wolfsburg Felix Magath lies, als sich dieser eine Meistermannschaft kaufen durfte.

Bei allem vordergründigen Gerechtigkeitssinn, den Watzke mit seinen Aussagen anspricht, dürfte es doch reichlich schwierig sein, abgesehen vom sportlichen Erfolg, gerechte Kriterien für die Verteilung der Fernsehgelder zu finden. Wie soll beispielsweise Tradition „gemessen“ werden? Hat der 1. FC Köln Tradition, auch wenn er erst 1949 gegründet wurde? Ist die formell 1899 gegründete TSG Hoffenheim gar ein Traiditionsverein?

Würde man das Kriterium „Zuschauer“ mit einbeziehen wollen, würden darunter vor allem die sogenannten „kleinen“ Vereine leiden. Die SpVgg Greuther Fürth, immerhin Teil des am häufigsten in Deutschland ausgetragengen Derbys, hätte hier sogar Nachteile gegenüber Wolfsburg oder Leverkusen. Ebenso wie der SC Freiburg oder Mainz 05 deren sonstige „Alleinstellungsmerkmale“ Watzke explizit erwähnt.

So sehr man Watzke zustimmen möchte, so schwierig ist die Ausgestaltung eines solchen Vorhabens en détail. Dennoch sind Watzkes Gedanken nachvollziehbar und zeigen in eine richtige Richtung. Interessant wird nun zu beobachten sein, inwiefern eine tatsächliche Debatte zu diesen Themenkomplex entstehen wird.

Über den Autor: schneider3

Mildernde Umstände aufgrund familiärer Vorschädigung durch zwei dominante Brüder. Normalerweise erlebt das Weißbier bei ihm das Mittagsläuten nicht. Kaiserslautern-Fan. Weiß der Teufel, warum.

Mildernde Umstände aufgrund familiärer Vorschädigung durch zwei dominante Brüder. Normalerweise erlebt das Weißbier bei ihm das Mittagsläuten nicht. Kaiserslautern-Fan. Weiß der Teufel, warum.
17 comments
  1. Interessant.
    Die Forderung Watzkes ist durchaus verständlich, wogleich Du treffend anmerkst, wie das gemessen werden soll.
    Hertha hat zB Tradition, konnte aber mal so eben 50 Millionen raushauen um sich damit in die Champions-League reinzukaufen um ein Jahr später abzusteigen. Wolfsburg oder Bayer anzuführen ist aber korrekt, weil es bei diesen Vereinen kaum eine Rolle spielt wieviele Zuschauer da sind. Das Geld kommt vom Werk (und die Zuschauer auch :-).
    Hoffenheim legt wert auf 1899, obgleich die bis 2006 in der Regionalliga spielten, wie abertausend andere Vereine auch in anderen Ligen.

    Von daher guter Artikel absolut lesenswert. Vielleicht gibt es ja doch irgendwo einen Ansatz :-)
    Würd mich freuen.

  2. Bemerkenswert auch, dass dieser Vorstoß vom Geschäftsführer des einzigen Börsennotierten Bundesligavereins kommt. Das dürfte bei den weichen Faktoren Abzüge geben. Holzhäuser behauptet zumindest, dass sich durch eine Verteilung der Fernsehgelder nach weichen Faktoren nichts großartig ändern würde. Nicht wirklich überraschend dieses Aussage.

  3. Wenn´s um Kohle geht, sollen plötzlich solch romantisch-verklärte Faktoren wie „Tradition“ eine Rolle spielen? Ach, komm, schneider3, hör endlich auf, dem Watzke in den Arsch zu kriechen. Das ist doch alles Heuchelei (von ihm). Und wie esleben schon richtig einwendet: der Verein ist an der Börse! Geht´s noch böser?
    So, jetzt endlich BVB-Aktien kaufen…

  4. Ich finde den Ansatz überhaupt nicht romantisch, sondern ökonomisch richtig. Wenn es um die TV-Kohle geht, sollen die Vereine mehr profitieren, bei denen Sky-Zuschauer einschalten als die, bei denen keiner zusieht. Schließlich sind es dann die Vereine, die auch den Wert erbringen. Eigentlich ganz einfach und unromantisch, oder?

  5. Genau. Und deshalb wird Sky schon bei den Verhandlungen darauf hinweisen, dass es wahrscheinlich nur 5-6 von 36 Profimannschaften sind, die einträglich sind. Ich glaube, man überschätzt den überregionalen Wert der „Tradition“ kolossal. Mich interessiert die lange Geschichte des 1. FC Nürnberg nicht die Bohne, dagegen sehe ich den Fußball der Werkself aus Leverkusen gerne.
    Mein Beitrag sollte aber eher in die Richtung „Instrumentalisierung von Gruppen“ gehen. Wenn man die Fans für die Wertschöpfung braucht, sind sie gut. Ansonsten interessiert sich der Watzke doch auch nicht für die Fans auf der Südtribüne.

  6. Und dennoch werden mit Sicherheit sehr viel mehr Leute vor dem Fernseher sitzen und sich Nürnberg ansehen als Hoffenheim oder Leverkusen.

  7. Ich fürchte, ich muss dem werten Herrn Goldschuhe ausnahmsweise einmal recht geben. Ich glaube Vereine wie Hoffenheim oder Mainz erzielen nur gute Quoten, wenn sie überdurchschnittlich erfolgreich sind, sonst schaltet das keiner ein.

    Das Tradition eine Rolle spielt lässt sich ja auch an den Stadiongrößen ablesen. Zu Dortmund kommen jede zweite Woche mehr als 70.000 Zuschauer, Schalke wollen regelmäßig 60.000 sehen, München auch. In Mainz, Hoffenheim oder Freiburg ist die Stadiongröße eben auch dem vorhandenen Interesse angepasst. bei den Einschaltquoten wirds ähnlich aussehen.

  8. @7: Das Zuschauerinteresse hat aber oft auch etwas mit der jeweiligen Stadtgröße zu tun.

  9. @6: So sicher bin ich mir da nicht. Wahrscheinlich werden die meisten eh dem 1. FC Konferenz zugucken, der dann demnächst am meisten Kohle abbekommt.
    @7: Das widerspricht doch meiner These nicht. Regional spielt Tradition eine große Rolle, aber eben nicht überregional. Und außerdem nennst Du unter anderem genau die Vereine, die ich zu den 5-6 Großen zähle. Dahinter wird´s dann aber sehr dünn.

  10. @9: 20 oder gar 30 Euro pro Monat für Sky gibt niemand aus, der nur allgemeine Konferenz schauen will. Wer so viel Kohle für Fußball ausgibt, hat in aller Regel „seinen“ Verein. Und das sind keine Hoffenheimer. Die neutralen Fußballfreunde schauen Sportschau, die bringt allerdings kein (kaum!) Geld ein.

  11. @8: Nicht zwangsläuig, siehe Lautern, Mönchengladbach usw…

  12. Ich finde den Ansatz falsch, denn er wäre ein Dammbruch und der erste Schritt hin zur reinen Selbstvermarktung der Clubs. Denn die stände am Ende all eurer Gedankengänge: Soll doch jeder Club selbst schauen, wie viel er aus seinem Marktpotenzial und seinen Fans am besten herausholen kann.

    Wehret den Anfängen!

  13. Und was ist der Umkehrschluss? Konzerne (VW, Bayer, Red Bull) und selbstverliebte Mäzene (Hopp) profititieren von der Attraktivität der Konkurrenzmannschaften und erhöhen ihren finanziellen Vorteil nochmals. Das kanns ja auch nicht sein. Der Hopp kann aus seinem Privatvermögen meinetwegen eine Fantastillion in seinen Drecksclub stecken, aber bitte kein Geld, dass ich durch mein Sky-Abo bezahle, welches ich wegen Eintracht Frankfurt abgeschlossen habe.

  14. Es ist halt nicht praktikabel, wenn man sagt: Ich zahle nur Sky-Gebühren für meinen Verein. Man kann sich die Bundesliga eben nicht nach Höhe der Gebühren zusammenstellen, die die Fans der jeweiligen Mannschaften bereit sind zu bezahlen. Missversteh mich nicht: Ich bin auch nicht für Vereine wie Wolfsburg und Hoffenheim, aber dass gerade der Watzke mit dem Vorschlag kommt, ist schon eine sehr durchsichtige Aktion. Das ist ja wie, wenn Aldi sagen würde, Discounter sollen weniger Steuern zahlen, weil da so viele Leute billig einkaufen können.

  15. Es geht mir doch nicht um Eintracht Frankfurt. Es geht mir darum, dass die Vereine vom Fernsehgeld profitieren, die es ranschaffen und nicht die, die eh keiner sehen will. Dann wirklich lieber Selbstvermarktung. Praktikabel ist es auch absolut – meiner Meinung nach. Und von wem der Vorschlag kommt und wieso, ist mir herzlich egal, wenn der Vorschlag richtig ist.

  16. Dann können kleine Vereine wie Freiburg gar nicht mehr aufsteigen, denn die will bei Sky auch so gut wie keiner sehen. Finde dieses Modell höchst fragwürdig, denn es zementiert die Verhältnisse.

  17. Ich habe kein Problem damit, diese Regelung nur auf die Vereine anzuwenden, die 50+1-Ausnahmen darstellen, also Leverkusen, Wolfsburg, Hoffenheim und Leipzig – diese Vereine also als Gegenleistung für ihren Ausnahmestatus aus der TV-Verteilung rauszunehmen. Mein problem liegt nicht bei Freiburg, sondern bei Hoffenheim.

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