Investoren und ihre Grenzen

Im November letzten Jahres war eine Lockerung der 50+1-Regel durch die Mitgliederversammlung der Bundesliga abgelehnt worden. Die 35 Gegenstimmen, die der Antrag von Martin Kind erhielt, konnten diesen jedoch nicht davon abhalten, das gemeinsame Schiedsgericht von DFB und DFL anzurufen und danach eventuell den Gang vor den europäischen Gerichtshof anzutreten.

Ungefähr ein Jahr, nachdem sich Kind eine seiner zahlreichen Abfuhren eingeholt hatte, bin ich nun auf den Beitrag „Die Bundesliga für Investoren öffnen!“, erschienen in dem Debattenmagazin NovoArgumente, aufmerksam geworden. Mit diesem möchte ich mich an dieser Stelle mehr oder weniger dezidiert auseinandersetzen.

Der in Sportmarketing promovierte Stefan Chatrath deutet es in der Überschrift ja bereits an: Er ist für eine Öffnung der Bundesliga gegenüber Investoren und sieht 50+1 hier nur als Hindernis. Seine Argumente sind durchaus legitim, an der einen oder anderen Stelle halte ich sie jedoch für falsch oder wenigstens entkräftbar.

Der Autor führt in der Einleitung zwei Beispiele an und hat mit diesen großes Pech: Der sogenannte „Kühne-Deal“ des HSV geriet relativ bald in die Schlagzeilen, weil der Investor die von ihm finanzierten Transfers öffentlich kritisiert hatte, obwohl die operative Nichteinmischung eigentlich Teil seiner Abmachung mit dem Verein war.

Der Grad der Professionalisierung in den Vereinen ist bis heute stark abhängig von den handelnden Personen und ihren Berufserfahrungen in der freien Wirtschaft.

Beinahe desaströs sieht die Situation hingegen beim VfB Stuttgart aus. Von Chatrath als Vorzeigebeispiel in Sachen professioneller Vereinsführung angeführt, zeigt die aktuelle Entwicklung des Vereins, dass in der freien Wirtschaft erfolgreiche Manager weder über großen sportlichen Sachverstand verfügen müssen, noch für besondere Stabilität sorgen. Mit Christian Gross wurde der dritte Trainer in drei Jahren gefeuert, Leistungsträger vor der Saison abgegeben, junge Talente (Rudy) durch Rentner (Camoranesi) ersetzt und der sportliche Erfolg hält sich in dieser Saison erneut in Grenzen. Als Gegenbeispiel hierzu lässt sich Eintracht Frankfurt anführen, deren Manger Heribert Bruchhagen nicht aus der freien Wirtschaft stammt. Die Eintracht weist dennoch (oder deswegen?) eine hohe Kontinuität auf und wird zudem noch ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht, indem alle Sportabteilungen des Vereins vom Erfolg der Profifußballmannschaft profitieren.

Die Möglichkeit, sich dem Kapitalmarkt gänzlich zu öffnen, hätte außerdem den Vorteil, dass die Vereine bestehende Abhängigkeiten verringern könnten. Sie könnten ihre Finanzierung nun auf eine breitere Basis stellen.

Einerseits eine richtige Beobachtung, andererseits nur eine Verlagerung der Abhängigkeiten. Ein Investor, ein Interesse hat, mehr als 50% der Anteile an einem Fußballverein zu erwerben, wird ein solches Engagement auch mit bestimmten Anforderungen verbinden. Seien dies Eingriffsmöglichkeiten in das operative Geschäft oder „Garantien“ bezüglich der Rendite der Investition. Insgesamt begibt sich ein Verein in so einem Fall in eine deutlich stärkere Abhängigkeit, als sie der Abschluss eines simplen Vermarktungsvertrages nach sich ziehen würde.

Eine Öffnung würde gerade den Vereinen helfen, die nicht regelmäßig international spielen, also den „kleinen“.

Diese Behauptung wage ich doch stark zu bezweifeln. Wie in anderen Ligen zu sehen, folgt auf eine stärkere Öffnung gegenüber Investoren (Premier League) oder eine weniger solidarische Verteilung von Fernsehgeldern (Primera Divsión) doch eine deutlich einseitigere Liga, die in England im Wesentlichen von vier und in Spanien von zwei Vereinen dominiert wird. Ebenfalls will mir nicht einleuchten, warum sich Investoren ausgerechnet Vereine wie Freiburg oder Fürth aussuchen sollten. Bei einem behutsamen Engagement sind bei solchen Vereinen eher geringe Renditen zu erwarten. Und ein „Hochkaufen“ dieser Vereine, wie es derzeit am Beispiel Manchester City zu beobachten ist, kann kaum im Sinne der Vereine und Fans sein. Außerdem ist es bereits jetzt möglich, dass kleine und regionale Investoren, die eine besondere Verbundenheit zu einem Verein verspüren, diesen finanziell zu unterstützen, dafür gibt es zahlreiche Beispiele auch ohne das Abschaffen der 50+1-Regel.

Fußball-Bundesligisten sind Wirtschaftsunternehmen. Sie machen im Jahr Umsätze in zwei- bis dreistelliger Millionenhöhe. Warum sollten sie sich nicht frei am Kapitalmarkt bewegen dürfen, wie jedes andere Unternehmen auch?

Ganz einfach, weil Fußballvereine eben gerade keine ganz ganz normalen Wirtschaftsunternehmen sind. Kaum jemand würde sich als Fan von Coca-Cola bezeichnen und dem Cola-Truck quer durch ganz Deutschland hinterherreisen. Das größte „Kapital“ eines Fußballvereins sind immer noch seine Fans, die ihr Team leidenschaftlich unterstützen und deren Lebensglück zu einem nicht unwesentlichen Teil an das Wohlergehen des Vereins gebunden ist. Natürlich unterliegen im modernen Fußball die Vereine gewissen Regeln des freien Marktes, allerdings weisen sie durch ihre Gemeinnützigkeit und ihre Anhängerschaft immer noch eine Besonderheit gegenüber anderen Wirtschaftsakteuren auf. Angesichts dessen sehe ich 50+1 als beinahe perfekte Regelung, um einerseits raubtierkapitalistischen Anwandlungen einen Riegel vorzuschieben, andererseits jedoch den Vereinen nicht jegliche Flexibilität im Umgang mit Ihren Finanzen zu nehmen.

Daher: „50+1 muss bleiben!“

Über den Autor: schneider3

Mildernde Umstände aufgrund familiärer Vorschädigung durch zwei dominante Brüder. Normalerweise erlebt das Weißbier bei ihm das Mittagsläuten nicht. Kaiserslautern-Fan. Weiß der Teufel, warum.

Mildernde Umstände aufgrund familiärer Vorschädigung durch zwei dominante Brüder. Normalerweise erlebt das Weißbier bei ihm das Mittagsläuten nicht. Kaiserslautern-Fan. Weiß der Teufel, warum.
3 comments
  1. Ich befürchte halt, dass der Kind vor Gericht durchkommen wird, da es leider die beiden unseligen Präzedenzfälle Leverkusen und Wolfsburg gibt.

  2. Alles absolut richtig. 50+1 muss bleiben, alles andere hätte englische oder spanische Verhältnisse zur Folge.

    Nur: Kind wird spätestens in Europa mit seiner Klage erfolgreich sein, da diese Regel nun mal von der DFL selbst nicht konsequent eingehalten wird. Leverkusen und Wolfsburg anders zu behandeln, nur weil sie dieses Modell schon länger fahren, wird in Europa keinen Bestand haben. Das ist mit dem Gleichheitsgrundsatz nicht zu vereinbaren.

    Ich hoffe sehr, dass die DFL durch ein drohendes Urteil zugunsten von Kind ENDLICH auch diesen beiden Werksclubs „normale“ Strukturen aufzwingt, wie sie alle anderen Profi-Clubs ebenfalls aufweisen.

    Denn dass man die aktuelle Regelung auch aushebeln kann, zeigt das Beispiel RB Leipzig. Wenn die wirklich in den Profifussball vordringen (was ja so fern nicht mehr ist) und sie sich auf eben die bestehende Lev/Wob-Ausnahme berufen können, dann Gute Nacht!

  3. RB Leipzig hat doch mit Red Bull nichts zu tun. Der Verein heißt doch RasenBallsport.

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