Die Fandemo und ihre Konsequenzen

Zahlreiche Fanszenen aus allen Regionen und Ligen Deutschlands hatten für Samstag zu einer Demonstration in Berlin aufgerufen und tausende Fans sind dem Ruf gefolgt (die Riot Kids Ultras von Eintracht Frankfurt waren allerdings mit dem Erstellen niveauvoller Videos beschäftigt…). Unter dem etwas sperrigen Titel „Zum Erhalt der Fankultur“ wurde dabei ein breites Themenspektrum von Anstoßzeiten über Polizeiwillkür und Kartenpreise angesprochen.

So indifferent der Titel der Demonstration gewählt war, so gut passte er zu dem Bild das sich bot: Die Teilnehmer legten eine unheimliche Kreativität an den Tag, kein Spruch, kein Plakat, kein Transparent wiederholte sich. Dabei setzte jede der teilnehmenden Szenen unterschiedliche Schwerpunkte und dennoch entstand ein gemeinsames „Mosaik des Unmuts“. Ein generelles Gefühl, das nicht nur „aktive“ Fußballfans in den letzten Jahren beschlichen hat: Einerseits Verfügungsmasse zu sein für spektakuläre Fernsehbilder, andererseits jedoch wie Aussätzige oder potentielle Schwerverbrecher behandelt zu werden.

Es gibt viel Positives aus Berlin zu berichten: Die Demonstration verlief friedlich, war kreativ, bunt und lautstark. Insgesamt ist die Aktion wohl als Erfolg zu bezeichnen, da auch die etablierten Medien (positiv) darüber berichtet haben.

Dennoch bleibt die Frage offen, welche Konsequenzen nun gezogen werden. Der Themenkomplex Fußball, Fanrechte und Gewalt wird schon seit längerer Zeit latent diskutiert, ohne bisher greifbar geworden zu sein. Konsequenzen gilt es von allen Seiten zu ziehen: Von der DFL und den Vereinen, den Fans und nicht zuletzt auch von den Medien, die in der jüngeren Vergangenheit vor allem durch Sensationsgier und mangelnde Reflektion aufgefallen sind.

Die Aussage von DFB-Präsident Theo Zwanziger: „Wir werden weiter den Dialog mit den Fans suchen“ ist derzeit als blanker Hohn zu bezeichnen. Die gemeinsam mit Fans gegründete Arbeitsgruppe „Fandialog“ ist nicht viel mehr als eine in den Medien vorzeigbare Alibiveranstaltung. Hier müssen DFB und DFL endlich zu einem klaren Bekenntnis pro Fans finden. Fans sind nicht nur Unruhestifter, sondern essentieller Bestandteil des Fußballs. Im Vergleich zu England oder Italien herrschen in der Bundesliga paradisische Zustände. Diese gilt es zu erhalten und im Sinne aller auszubauen. Es darf nicht passieren, dass Fußballspiele zu einer exklusiven Veranstaltung in totenstillen Arenen werden. Fußball war und ist der Sport aller Bevölkerungsschichten und ein Sport der, teilweise auch extremen, Emotionen.

Jedoch darf der Auftritt der Demonstranten in Berlin nicht darüber hinwegtäuschen, dass es auch in ihren Reihen Problemfälle gibt. Große und bedeutende Fanszenen beispielweise aus Nürnberg, Gelsenkirchen, Gladbach oder Frankfurt haben sich den Aufrufen zur Demonstration nicht angeschlossen. Aus unterschiedlichen Beweggründen. Festzuhalten ist, dass einzelne Vertreter der Fans, nicht „die Ultras“, nicht irgendwelche „Hooligans“, sondern Einzelne, weit über das hinaus gehen, was man eine gesunde Rivalität, meinetwegen auch einen gesunden Hass nennen würde. Ich gebe es gerne zu, ich hasse den FC Bayern und habe mich im Stadion schon so aufgeführt, dass ein Großteil meines Freundeskreises mich wohl nicht wiedererkennen würde. Dennoch habe und werde ich niemals zu Gewalt gegen einen gegnerischen Fan (oder irgendeine andere Person) greifen.

Fußball ohne jegliche Gewalterscheinungen ist so unrealistisch wie ein Schützenfest in der norddeutschen Provinz oder das Oktoberfest ohne jegliche Gewalt. Wo Alkohol und Emotionen zusammenfinden hat sich nicht jeder Mensch gleichermaßen im Griff. Eine Grenze wird jedoch da überschritten, wo ganz normale Fußballfans beklaut, Fanprojekte überfallen werden, in Stadien eingebrochen oder Gewaltanwendung zur Heldenhaftigkeit stilisiert wird. Und gerade geschlossene und gut organisierte Gruppierungen wie die Ultras in den höheren, aber auch den unteren Ligen sollten hier die Möglichkeit haben, mäßigend auf Ihre Mitglieder einwirken zu können. Sie dürfen nicht zulassen, dass Einzelne dafür sorgen, dass „Ultra“ als Schimpfwort in den Medien (und auch von vielen „normalen“ Fußballfans) verwendet werden kann und dass einige Wenige die Leidenschaft und das Engagement Vieler in den Dreck ziehen.

Nicht zuletzt haben aber auch die Medien an dieser Stelle eine gewisse Verantwortung. Gerade beim Fußball ist es einfach, das Abbrennen von Bengalos als „Ausschreitungen“ zu bezeichnen, Fußballfans als Chaoten zu beschimpfen und sich generell einzureihen in den Chor derer, die alles Unvorhersehbare und Unkontrollierbare in- und außerhalb von Stadien als Gefahr sehen. Ein Text von Daniel Raecke auf sportal.de ist einer der ersten Artikel, die ich zu diesem Thema gelesen habe, in dem unaufgeregt und reflektiert über die Problematik von Fußball und Gewalt eingegangen wird. Türkische Fußballfans sind „leidenschaftlich und impulsiv“ (ja, das sind sie!), wenn in einem deutschen Stadion jedoch auch nur ein Rauchtopf hochgeht, wird sofort der Kopf des zuständigen „Chaoten“ gefordert.

Vielleicht hat der skandalöse Polizeieinsatz in Stuttgart für eine gewisse Sensibilität gegenüber unserem „Freund und Helfer“ gesorgt, sodass nicht nur Fachmedien wie 11freunde oder vereinzelte Blogs dieses Thema aufgreifen. Derzeit leben Presse und Fernsehen nämlich ganz gut davon, dass es von Fußballspielen nicht nur das Ergebnis und den Spielverlauf zu berichten oder zu zeigen gibt.

Die Chancen stehen gut zurzeit, um diese zu nutzen müssen jedoch alle Beteiligen deutliche Bemühungen zeigen, etwas an der aktuellen Situation zu verändern. Die Zukunft wird zeigen, ob sich diese zum Positiven wenden wird, ob sich gar nichts ändert, ob Einzelne oder letztendlich keiner profitieren wird.

Bildquelle: Der Betze brennt

Über den Autor: schneider3

Mildernde Umstände aufgrund familiärer Vorschädigung durch zwei dominante Brüder. Normalerweise erlebt das Weißbier bei ihm das Mittagsläuten nicht. Kaiserslautern-Fan. Weiß der Teufel, warum.

Mildernde Umstände aufgrund familiärer Vorschädigung durch zwei dominante Brüder. Normalerweise erlebt das Weißbier bei ihm das Mittagsläuten nicht. Kaiserslautern-Fan. Weiß der Teufel, warum.
4 comments
  1. Alles richtig!

    Hier gibt es zahlreiche schöne Bilder der Veranstaltung:

    http://spvgg-fuerth.com/?page_id=2754

    Die Gladbacher Vertretung hat allerdings mit ihrem Standpunkt zur Nichtteilnahme auch nicht so ganz unrecht: http://blog1900.de/

    Und zu den aktuellen Frankfurter Peinlichkeiten sag ich hier mal lieber nix. Wortwahl und Auftreten lassen am Sonntag leider nichts Gutes erwarten.

    Bezeichnen auch, dass die ach so geheime Ultra-Aktion mit dem eigens zu erwerbenden Fan-Merch schon auf ebay gelandet ist:

    http://cgi.ebay.de/Eintracht-Frankfurt-Fanschal-Ultras-vs-Lauternschweine-/140464372501?pt=DE_Sport_Fu%C3%9Fball_Fu%C3%9Fball_Fanshop&hash=item20b4543b15

    *lol* @ Preis

    Das Ding soll am Sonntag exakt 5 Euro kosten.

    Man schämt sich wirklich in Grund und Boden.

  2. Vor allem merkt man jetzt schon wieder, dass sich die Medien auf das Thema „Lautern-Frankfurt“ stürzen, da wird teilweise von „2.500 Hooligans“ berichtet. Über die Fandemo wurde zwar positiv berichtet, insgesamt war sie aber nur eine Randerscheinung.

    Ist ja toll, dass UF „ihr Ding“ durchziehen und dabei wahrscheinlich auch noch total „ultra“ und „straße“ sind. Aber ein paar der Leute sollten sich vielleicht mal überlegen, welchen Bärendienst sie damit der gesamten deutschen Fanszene erweisen.

    Angehnehmerweise habe ich ähnliche Aufrufe auf lauterer Seite noch nicht gelesen, aber da gibt es ja auch genügend Assis, die stets bereits sind, niveaulos zu sein…

  3. Schade, „Auktion beendet“…

  4. @3: Das war ein Schal mit „Lauternschweine“ als Headline. Ging für 56 Euro weg, wird aber wie gesagt am Sonntag für 5 verkauft…Deppen, wo man nur hinguckt.

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