Die Liga der außergewöhnlich Erfolglosen

32 Punkte nach 33 Spielen und eine Tordifferenz von 32:58. Mit dieser „Punkteausbeute“ (Kicker) ist man nicht sicher aus der Bundesliga abgestiegen, damit schafft man einen Spieltag vor Ablauf der Saison den Klassenerhalt. Freiburgs verdienter, aber letzendlich „schmeichelhafter“ (Kicker) Verbleib in der Bundesliga macht eines deutlich: Die Kluft zwischen Arm und Reich, zwischen oben und unten klafft nicht nur in der Gesellschaft auseinander.

„Wer 40 Punkte erreicht, bleibt sicher drin!“ – Das angeblich eherne Gesetz des Nichtabstiegs seit Einführung der Drei-Punkte-Regel gilt nicht mehr. Letztes Jahr reichten Mönchengladbach 31 Punkte zum Klassenerhalt. Im Schnitt genügten in den vergangenen zehn Jahren 35,2 Punkte, um die Klasse zu halten, sieht man sich nur die letzten fünf Jahre an sinkt der Wert auf 33,6 Punkte (Zum Vergleich: In der zweiten Liga benötigte man in den letzten zehn Jahren durchschnittlich 38,2 Punkte um die Klasse zu halten).

Ein Blick auf die Mannschaften, die in den letzten zehn Jahren zwischen erster und zweite Bundesliga hin- und herpendelten – Stichwort: Fahrstuhlmannschaft -,  verdeutlicht, dass sich im deutschen Fußball eine Bundesliga 1B gebildet hat, die mit steigendem finanziellem Aufwand geringere Erträge in Form von Punkten einfährt. Köln und Nürnberg kommen in den letzten zehn Jahren auf jeweils drei Auf- und Abstiege, Bochum auf drei Abstiege (Stand 33. Spieltag) und zwei Aufstiege. Dahinter folgen Mainz, Gladbach, Frankfurt und Freiburg mit jeweils zwei Abstiegen und Aufstiegen. Wirklich etablieren konnte sich außer Frankfurt und mit Abstrichen Hoffenheim keine der Mannschaften, die in der letzten Dekade aufgestiegen sind.

Im Gegenteil, Bielefeld, Karlsruhe, Rostock und Aachen bezahlen für ihre Bundesliga-Exkursionen einen hohen Preis. Bielefeld droht die Insolvenz, Aachen konnte sie nur dank einer Bürgschaft der Stadt abwenden, Karlsruhe steckte lange im Abstiegskampf der zweiten Liga fest und kämpfte mit einem extrem dünnen Budget, während Rostock derzeit noch um den Klassenerhalt bangen muss. Quintessenz des Ganzen: Ein Aufstieg in die Bundesliga rechnet sich nicht!

Champions- und Europa-League, sowie die großzügige, und den Statuten der DFL widersprechende Subventionierung zweier Weltkonzerne bzw. eines Mäzen sorgen dafür, dass sich trotz einer fairen Verteilung der Fernsehgelder unter allen Bundesligisten ein illustrer Kreis gebildet hat, der versuchen kann, den Bayern in den nächsten Jahren den Titel streitigt zu machen. Unter den ersten sechs der Saison 2009/2010 findet man alle Teams, die in den letzten zehn Jahren den Titel geholt haben (Ausnahme Wolfsburg).

Aus wirtschaftlicher Sicht ist das für die Spitzenvereine eine Entwicklung, die erstrebenswert ist, wer mit 80 oder 100 Millionen im Jahr hantiert, möchte Planungssicherheit haben. Vor allem, wenn man in neue Stadien investiert hat. Für kleine Vereine ist ein Aufstieg wird ein Aufstieg aber dann zum Risiko, wenn man ein finanzielles Wagnis eingehen muss, das man unter Umständen nie wieder einspielt, um erstligatauglich zu bleiben.

Die sportliche Folge: Im Abstiegskampf werden weniger Punkte erreicht und selbst ein desolat spielendes Team wie Hertha BSC Berlin kann sich zwei Spieltage vor Schluss mit bis dahin 23 erreichten Punkten, Hoffnungen auf den Klassenerhalt machen. Beckmann, Kerner und Co. sprechen in diesem Fall von Spannung, ich von der „Liga der außergewöhnlich Erfolglosen“, die ein hohes finanzielles Risiko eingehen in der Hoffnung, sich irgendwann in der ersten Liga etablieren zu können. Vergesst es, ihr werdet „Wandler zwischen den Welten“ bleiben! Und das ist wirklich schade!

Alle Daten via fußballdaten.de

Über den Autor: esleben

Verrät als Freiburg-Fan Heimat wie auch Elternhaus und trinkt ansonsten ausschließlich Veuve Clicquot. Wer wohnt schon in Düsseldorf? Mehr über Esleben auf Google+

Verrät als Freiburg-Fan Heimat wie auch Elternhaus und trinkt ansonsten ausschließlich Veuve Clicquot. Wer wohnt schon in Düsseldorf? Mehr über Esleben unter Google+
15 comments
  1. Dem ist nichts hinzuzufügen.

    Wobei es in der Bundesliga dann doch noch um einiges „gerechter“ zugeht, als bspw. in England/Spanien/Italien mit ihrer dezentralen Vermarktung. Dort sind die Top-Teams noch wesentlich zementierter und Überraschungsmeister a la Wolfsburg gibt es noch seltener.

  2. Super-Artikel!

    @Don: Die Frage ist halt, ob sich die Bundesliga nicht in genau diese Richtung entwickelt. Und ob aus den 6 Mannschaften „auf Augenhöhe“ in naher Zukunft 3 werden.

  3. Ein ganz hervorragender Artikel, der das Grunddilemma zeigt: Das, was Sky, Sportschau etc. erzeugen, ist nichts als eine pseudo-Spannung. Geld schießt halt Tore. Mehr denn je.

  4. @2: Die Bundesliga ist in der Tat bereits eine 3-Klassengesellschaft und die Tendenz der Verstetigung ist auch kaum zu bestreiten. Allerdings glaube ich schon, dass die Bundesliga, solange sich der Hannover-Kind mit seiner 50+1-Regelkippung nicht durchsetzt, noch immer drei Klassen spannender ist als die übrigen Ligen.

  5. Ein bemerkenswerter Artikel

  6. Inhaltlich und sprachlich herausragender Blogartikel. Für Freiburg und vergleichbare Klubs geht es seit spätestens einer Dekade Jahr für Jahr darum, ob man die nächste Saison in der Bundesliga dabei ist – ob die Gegner dabei Bayern München und Werder Bremen heißen oder Paderborn und Greuther Fürth.
    Auch Robin Dutt gibt Dir vollkommen recht:

    „Unsere Pläne ändern sich praktisch nicht. Unser Vorhaben in der kommenden Saison wird sein, so schnell wie möglich den Klassenerhalt zu schaffen. Sportlich wird das auf absehbare Zeit unser Ziel sein müssen. Die ersten zehn, elf Klubs wollen alle oben mitspielen und können auch sagen, dass sie in der Liga fast sicher dabei sind. In diese Gruppe reinzustoßen, ist fast unmöglich“, sagte der SC-Coach laut Kicker. Alles dahinter sei notorisch zweitligagefährdet.

    Oder eben 1b-ligagefährdet…

  7. Mich würden einfach mal konkrete Zahlen interessieren, wieviel so ein Aufstieg wirklich mehr in die Kasse spült, abzüglich zusätzlicher Gehälter, Transferausgaben und so weiter. ich glaube, dass da bei vielen Clubs unterm Strich nach einer Saison in der ersten Liga weniger bleibt als nach einem Jahr zweite Liga und sich ein Aufstieg wirklich erst dann rechnen kann, wenn man zwei, drei Jahre am Stück drin bleibt.

  8. Also in Lautern erhöht sich der Lizenzspieleretat von ca. 8,5 Mio auf ungefähr 13 Mio. Das sind natürlich keine konkreten Zahlen, aber die 5 Mio. Mehreinnahmen sind in den verschiedenen Foren etc. schon öfters herumgeschwirrt. Wobei meines Wissens bei den TV-Geldern die Platzierungen der letzten 5 Jahre miteinberechnet werden. Außerdem hat Kuntz davon gesprochen, dass für Lautern frühestens nach zwei, bis drei Jahren in der ersten Liga wieder mit ordentlichen (schwarzen) Zahlen zu rechnen ist. Zwar ist die Situation beim FCK durch die Steuernachzahlungen etc. ein bißchen eine andere, allerdings dürften die Zahlen ungefähr hinkommen. Notwendige Mehrinvestitionen in den Kader sind dabei natürlich nicht berücksichtigt. Kuntz meinte allerdings in einem Interview, dass eine Verpflichtung von Sam bspw. die für die “Aufrüstung” des Kaders zur Verfügung stehende Geldmenge fast vollständig aufbrauchen würde.
    Was ich damit sagen will: Den Mehreinnahmen stehen hohe Mehrkosten für den Kader gegenüber. Und die sog. kleinen Vereine haben weniger Möglichkeiten, diese zu kompensieren.

    1.) TV-Einnahmen sind durch die Betrachtung der Platzierung der letzten fünf Jahre geringer als die der etablierten 1. Ligisten.

    2.) Mehreinnahmen durch höhere Zuschauerzahlen sind bei diesen Vereinen (besonders: Bochum, Freiburg, St. Pauli, Duisburg, Bielefeld) ebenfalls schwierig zu erreichen. Sei es weil die Fanbasis in kleineren Städten oder, weil die Kapazität der Stadien geringer ist.

    3.) Mehreinnahmen durch Sponsoren sind ebenfalls schwieriger zu generieren. Einerseits, weil es weniger Sponsoren gibt, die überhaupt zur Verfügung stehen, andererseits, weil ein “Fahrstuhlverein” für einen Sponsor weniger attraktiv ist.

    Ich denke mal die zwei oder drei dieser Punkte treffen auf jeden dieser Vereine zu: Bochum, Nürnberg, Freiburg, Mainz, St. Pauli, Kaiserslautern, Duisburg, Bielefeld.
    Nur mit Abstrichen treffen Sie zu für: Gladbach und Hannover.
    Am ehesten traue ich Köln, Frankfurt und Düsseldorf zu, “da raus zu kommen”. Wobei man ja bei Köln und Frankfurt sehen kann, wie schwierig es ist, sich in der ersten Liga zu etablieren und wie lange das dauert und Düsseldorf aus der dritten Liga kommt.

  9. „(Zum Vergleich: In der zweiten Liga benötigte man in den letzten zehn Jahren durchschnittlich 38,2 Punkte um die Klasse zu halten).“

    Man sollte vielleicht erwähnen, dass es dort bis vor zwei Jahren vier Absteiger gab ;)

    @Esleben: hier gibts Zahlen über die TV-Gelder (wird wöchentlich aktualisiert)
    http://blog.wesich.net/media/blogs/wesichnet/FCK/Geldrangliste/geldrangliste.xml

  10. @Michael: Das habe ich in der Tat nicht bedacht. Dadurch verringert sich der Wert allerdings dramatisch auf 34,3 Punkte im Schniit, die der jeweils drittletzte erreicht hat.
    Vielen Dank für den Link, den werde ich mal bookmarken.

  11. richtiger und wichtiger beitrag, der leider durch einen kleinen (logischen) fehler in der eröffnung getrübt wird: nur weil mannschaften mit weniger als 40 punkten den klassenerhalt schaffen heißt das nicht, dass das „gesetz“ “Wer 40 Punkte erreicht, bleibt sicher drin!” nicht gilt. um das zu zeigen, braucht es eine mannschaft, die 40 punkte hat und absteigt …

  12. Kugscheißer hat recht, denn Bayern hat am vorletzten Spieltag „nur“ 67 Punkte und steht mehr oder weniger als Meister fest – beileibe kein überragender Wert. Sollten die ersten Mannschaften alle über 70 Punkte haben und sich die Meisterschaft praktisch nur noch in den direkten Duellen zwischen diesen Mannschaften entscheiden, bestünde Grund zur wirklichen Sorge. Und wo hat Bayern diese Saison seine Punkte gelassen? z.B. Mainz, Frankfurt, Stuttgart usw…die bestimmt nicht im Verdacht stehen, zum Geldadel der Liga zu gehören.

  13. @schneider3:

    Außerdem hat Kuntz davon gesprochen, dass für Lautern frühestens nach zwei, bis drei Jahren in der ersten Liga wieder mit ordentlichen (schwarzen) Zahlen zu rechnen ist.

    Es trifft wahrscheinlich auf fast alle Mannschaften der Liga 1b zu, dass sich die 1.Liga frühestens ab dem zweiten, eher wohl ab dem dritten Jahr richtig lohnt. Nur erleben das eben die wenigsten.

    @klugscheißer: Ja, ich hätte: „Man musss 40 Punkte holen, um sicher drin zu bleiben“ schreiben müssen. Aber ich denke, du weißt, was damit gemeint ist.

    @Dregen: Gegen wen die Bayern Punkte gelassen haben oder nicht, ist für die Argumentation des Artikels zweitrangig.

    Es geht doch darum, dass die Mannschaften, die diese Jahr um den Abstieg spielen überhaupt sehr wenig Punkte holen. Gegen wen sie das tun, ist für die Fragestellung unerheblich, ob sich für Vereine wie Mainz, Freiburg, Bielefeld, Duisburg etc. die erste Liga als Ziel überhaupt noch lohnt, wenn man nach einem Jahr voller Niederlagen und einige Euros ärmer wieder in die zweite Liga marschieren darf.

  14. @Esleben:

    Mag sein, dass das auf die meisten Vereine zutrifft. In Lautern geht es aber weniger darum, dass sich der Aufstieg überhaupt „lohnt“, sondern dass er existenzsichernd ist. In der zweiten Liga wären die Belastungen durch Schulden gegenüber dem Finanzamt und die Stadionmiete langfristig nicht zu stemmen.

  15. Who the fuck is Lautern… ;-) ?

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