Ruhrstadion – die Wellnessoase der 1. Liga

RuhrstadionIch wusste es schon immer: Wenn ich nicht schon seit Ende der 80er Jahre Fan eines anderen Revier-Vereins wäre, ich wäre Fan des VfL Bochum geworden. Und ein spontaner Besuch des letzten Ligaspiels gegen den VfL Wolfsburg bestätigte mich in meiner Meinung. Das Ruhrstadion und alles drum herum sind 100 % Ruhrgebiet. Da muss man sich einfach wohlfühlen.

Mein Kumpel Felix verfolgt seit neuestem für die Wolfsburger Nachrichten die Geschicke des Deutschen Meisters und berichtet drüber. In dieser Funktion wurde ich beim Gastspiel des VfL aus dem Norden beim VfL aus dem Ruhrgebiet als zweiter Mann vor Ort eingesetzt. Also, nix wie hin zum Ruhrstadion. Schon die Castroper Straße ist völlig konträr zu anderen Bundesligaspielorten. Während man in anderen Städten unbewohnte Landschaften sucht, um eine multifunktionale Halle einfach in die verwaiste Gegend zu knallen, steht das Ruhrstadion inmitten von Wohnhäusern. Und gegenüber wird der Bankräuber sozialisiert, während Ribery und andere Gäste keine 500 Meter entfernt mit der Lederpille zaubern.
Kurz vor dem Stadiongang noch schnell ein Besuch in einem Biergarten keine 100 Meter vom Stadion entfernt. Ehemalige Arbeitskollegen von meinem Kumpel luden dort hin ein. Genauer gesagt, in die Ritterburg. Im Biergarten hinter dem Gasthaus kann man sich herrlich aufs Spiel einstimmen. Und genau hier wird der Vorteil eines geringen Zuschauerschnitts deutlich: Es gibt keine Schlangen vor dem Bierstand. Und man trifft tatsächlich alte Bekannte, anstatt sie in den Massen zu übersehen.
Als Berichterstatter hat man das Privileg, mit dem Presseausweis direkt ins Herz des Stadions zu gelangen. Freundliche Damen begrüßen einen und weisen den Weg zum Pressezentrum. Nebenbei läuft der frisch gewählte Bundestagsabgeordnete der Stadt Herne mit VfL-Schal in den VIP-Bereich. Obwohl hier auch mal angemerkt sein muss, dass er sich gerne auch mal bei Westfalia Herne blicken lassen darf.
Kurz einen Gang auf die Pressetribüne. Und man reibt sich wieder die Augen. Anstatt dass man kleine Playstation-Figuren sieht, die sich gerade aufwärmen, könnte man Zwetschge Misimovic direkt zur Begrüßung von der Tribüne aus die Hand geben.
Pressemenschen sind ja latent hungrig. Deswegen muss das Buffet immer voll sein. Beim FC Schalke 04 zum Beispiel sind die Töpfe immer sehr üppig gefüllt, das kulinarische Angebot ist sehr vielfältig und reicht vom Donut bis zum Filet Stroganoff. Bei Borussia Dortmund dagegen ist in der Beziehung eher Sparflamme angesagt, Auswirkungen des Fast-Crashes 2003, nehme ich an. Ein komplettes Menu ist aber trotzdem auch dort drin, auch wenn es hier „nur“ Erbsensuppe oder Curryhuhn gibt. Wie man es richtig macht, sieht man beim VfL Bochum. Ein riesiger Pott voller kleiner Fleischbällchen in Zigeneuersauce, dazu volle Körbe mit Partybrötchen. Genau richtig. Man sagt den Journalisten: Schön, dass ihr da seid, aber wir schleimen uns nicht bei euch ein.
Und wenn man dann auch noch ein tolles Spiel mit einem gefälligen VfL Bochum und einem VfL Wolfsburg, der andeutet, warum er Deutscher Meister ist, zu sehen bekommt, ist doch alles in bester Ordnung.
Nur eins stimmt beim VfL Bochum nicht so ganz. Der Weg von der Pressetribüne zur Mixed Zone ist viel zu lang und verwirrend. Aber das ist dem Fan ja egal. Was bleibt, ist ein Stadion, das modern ist, ohne auf High Tech getrimmt zu sein. Den neuen Stadionnamen lassen wir wegen Belanglosigkeit unter den Tisch fallen.
Seit jeher sind die Bochumer die vermeintlich grauen Mäuse der Liga. Aber das Underdog-Image der Mannschaft ist ja auch etwas, was der Verein für sich nutzen könnte. Und inzwischen auch tut. Sprüche wie: Die anderen haben die Pokale, wir haben euch!, setzen an den richtigen Stellen an. Rot-Weiß Oberhausen und der VfL Bochum machen es zur Zeit vor, wie man seine Defizite in Vorteile umwandeln kann. Da steht man auch schon mal als BVB-Fan, dem das Image des Losers ja inzwischen auch nicht mehr so fremd ist, staunend und anerkennend daneben. Denn es steht fest: Der VfL Bochum und das Ruhrstadion sind die Wellnessoase der 1. Liga. Jedenfalls, was das Drumherum betrifft.

Über den Autor: Vollspann!

Optimistischer Pessimist und Schöngeist aus dem Ruhrgebiet (Herne). Als hochtalentierter Passivsportler und Dauergast beim BVB kennt er Höhen und Tiefen des Fußballsports.

Optimistischer Pessimist und Schöngeist aus dem Ruhrgebiet (Herne). Als hochtalentierter Passivsportler und Dauergast beim BVB kennt er Höhen und Tiefen des Fußballsports.
12 comments
  1. Ich kann es nur immer wieder bestätigen, gerade, nachdem ich neulich erstmals Turnhallen-Fußball live verfolgt habe: Das Ruhrstadion ist mir das liebste Stadion Deutschlands. Alles irgendwie echter dort. Nur doof, dass es keine Dönninghaus mehr gibt.

  2. Und sowas aus den Tasten eines Dortmund-Fans, die Ihren heimischen Koloss immer als DEN Fussball-Tempel Deutschlands bezeichnen. Sehr schön!

  3. Das Ruhrstadion ist definitiv das englischtse Stadion in deutschland. Lediglich am Bökelberg oder am Betzenberg war mal so eine ähnliche Atmosphäre, mit Wohnhäusern statt grüner Wiese drum herum. Davon abgesehen hat das Ruhrstadion einen unschätzbaren Vorteil: Es ist fußläufig vom Hauptbahnhof zu erreichen, und zwei Stationen U-Bahn sind im Vergleich zu anderen Städten (München, Dortmund, Schalke) lächerlich.

  4. schließe mich an – fühl mich dort immer wieder sehr wohl.

  5. @3: Ein Tempel ist eben keine Wohlfühloase, und davon abgesehen muss man in Dortmund als Auswärtsfan unter Umständen mit Plätzen Vorlieb nehmen, von denen man schlicht nichts sieht. Sowas gibts in Bochum nicht.

  6. München ist echt unglaublich, man ist von der Innenstadt 20 Minuten (minimum) mit der U-Bahn unterwegs und muss dann immer noch 10-15 Minuten laufen.
    Das Stadion in Lautern find ich immer noch geil (wer hätts gedacht…), man läuft echt mitten durch die Stadt bis man an ein paar Treppen kommt, die es zu erklimmen gilt und dann ist man da.
    Das (Freundschafts-)Gastspiel im Grünwalder Stadion war großartig. Ne alte Fassade, direkt an einer großen Kreuzung mitten in Giesing. Ich glaube von den umliegenden Wohnhäuser aus, konnte man bestimmt auch das Spiel sehen.

    Bochum fand ich das eine Mal, das ich dort war (leider verlorener Abstiegskampf gegen Rostock…) auch sehr schön. Allerdings ist das schon länger her, da müsste ich mal meine Erinnerungen auffrischen.

    Das geilste Stadion war allerdings Fulham, ein uraltes Gebäude umringt von Reihenhäuser, englischer gehts kaum…

    Auf Cottbus am Freitag freue ich mich auch schon sehr, das scheint auch eher zentral zu liegen…

    Aber eigentlich soll es hier ja um das herrliche Ruhrstadion gehen ;-)

  7. @3: Die Stadien kannst Du halt nicht vergleichen. Ich schrieb ja was von den Vorteilen des geringen Zuschauerdurchschnitts. Die Nachteile sieht man dann während des Spiels. Ist etwas trostlos und schade, wenn das Stadion nur halb gefüllt ist. In Dortmund kennt man das halt nicht. Aber dafür ist die Atmosphäre um das Stadion herum halt nicht so familiär, wenn da 70.000 unterwegs sind. Da hat Bochum klare Vorteile.

  8. Auch für mich gehört das Ruhrstadion zu den Besten der Liga, knapp geschlagen vom Hamburger. Das Essen im VIP-Bereich ist Mist (wie überall, wo Aramark seine Finger im Spiel hat), aber die niedrigen Tribünendächer, die Größe, die Nähe zum Spiel, die gute Sicht von allen Plätzen sind wirklich neidlos abzuhuldigen.

    Dem Verein fehlen halt weitere 7000-8000 Hardcore-Fans, die eben dieses Stadion dann auch in einen emotionalen Hexenkessel verwandeln.

  9. „Ruhrstadion feeling eben – hier ist man Zuhause!“

    Das beste was mir jemals passiert ist, ist das Stadion von Atletico Bilbao, durch die Stadt gefahren, es gesucht und man stand aufeinmal davor, das ist auch sensationelles Feeling!

    Von außen sieht alles ziemlich brüchig aus, garnicht vorzustellen das so ein Komplex dort steht.

  10. Ja es ist halt einfach das Wohlfühlen was das Stadion so besonders macht! Nichts zum staunen oder wundern, sondern einfach zum sagen: Ich bin gerne hier! Und wo steigt man aus der Ubahn und steht direkt vorm Stadion????

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