Mittwoch, der 1. April, schönstes Fußballwetter im Revier. Die Nationalmannschaft spielt am Abend gegen Wales, aber einen echten Fußballgourmet kann man damit nicht locken, wo doch im schönen Städtchen Essen ein echter Feinkostkick ansteht: Der mächtige ETB Schwarz Weiß trifft auf die „Spochtfreunde“ (Thomas) aus Siegen. Ein Spiel, dass so außergewöhnlich und nervenaufreibend ist, dass die Vorfreude auf den „Klassiker“ alles in den Schatten stellt. Das denkt sich auch der Fußballgott und ließ gleich mehrere anberaumte Termine in den letzten Wochen durch tagelange Regengüsse platzen. Aber heute gibt es keine Ausreden mehr: Die Sonne lacht, es ist angenehm warm, die 22 Junge müssen auf den Platz!
Mit vier Stauder-Flöten im Gepäck erwarte ich Siegen-Fan und Auswärtshool Thomas am Essener HbF. Dieser rückt tatsächlich mit nem Siegen-Schal an und fragt direkt, wo sich der Mob trifft. „Bei RWE“ antworte ich und zerre ihn Richtung Busstation. Im Niederflurbus (!) werden die Pilsetten fachgerecht geleert, während ich ihm hellseherisch traumhafte Gegentore von Essens schwarzer Perle, Abdou-Nassirou Ouro-Akpo, prophezeie. Neben uns ist noch ein anderer erkennbarer Siegen-Fan zu sichten, Schwarz-Weiße sucht man hingegen vergebens – so viel zum Mob!
Am Stadion angekommen staunen wir dann doch ob der eher deftigen Eintrittspreise (bspw. werden 12 Euro für einen Sitzplatz aufgerufen), löhnen aber klaglos, um endlich das Grün in Augenschein nehmen zu können. Zuvor wird aber staudertechnisch noch mal beidarmig aufgerüstet und eine Stadionwugi verhaftet (Note: 1!). Um den Siegen-Schal des Kollegen auszugleichen, wird meinerseits auch noch ein ETB-Fanschal käuflich erworben. Jetzt kann es losgehen!
Das Stadion ist aufgrund des Länderspiels sehr spärlich gefüllt: Gerade einmal 310 einsame Seelen verirrten sich ins weite, teilweise sogar demontierte Stadion am Uhlenkrug, in dem ich 1988 beim Pokalachtelfinale gegen den VfL Bochum als Balljunge fungieren durfte. Den Siegener Auswärtsmob taxiere ich auf knapp 50 Personen, davon etwa 25 jugendliche Ultras mit Bannern, Fahnen, Sonnenbrillen und den obligatorischen schwarzen Kapuzenpullis. Hierzu später mehr.
Das Spiel ist eigentlich schnell zusammengefasst: Abdou-Nassirou Ouro-Akpo macht am heutigen Abend den Unterschied! Der togolesische Nationalspieler (1 Länderspiel im Jahre 2004 gegen Liberia, Einwechslung in Minute 65) erzielt bereits in der achten Minute mit einem Tor-des-Monats-verdächtigen Fallrückzieher das 1:0 und nur 16 Minuten später das sehr schön herausgespielte 2:0. Damit ist der Drops gelutscht. Die Siegener sind in der Folge zu keinem einzigen gescheiten Angriff fähig, wobei v.a. der von Kollege Thomas zuvor so hochgelobte Laumann im Sturmzentrum vor sich hindiletieren darf (O-Töne in korrekter zeitlicher Abfolge: „Der kam von Schalke 2, der kann was!“; „Der schenkt euch gleich noch zwei Dinger ein!“, „Der sieht nur so unbeholfen aus, weil er so groß ist“; „Hoffentlich wird der bald ausgewechselt!“ etc.). Zwei gefährliche ETB-Konter gibt es in Halbzeit 2 noch zu bestaunen, dann ist das Spiel leistungsgerecht beendet und die Menge verflüchtigt sich gen Heimat, um zumindest noch die zweite Halbzeit von Poldi, Ballack und Co. zu bestaunen.
Die beste Szene des Tages spielt sich allerdings nicht auf dem Spielfeld ab, sondern in der Halbzeitpause im Vereinsheim des Uhlenkrugs. Hier sitzen Kollege Thomas und meine Wenigkeit entspannt am Tresen und schlürfen weitere Stauder-Löschzwerge, als ein sichtlich alkoholisierter Siegen-Hool auf mich und meinen ETB-Schal zugetorkelt kommt und mir zu raunt „Wieviel krichta´n zusammn?“. Ich tu zunächst mal so, als wüsste ich nicht, was er meint, aber er lässt nicht locker: „Wieviel krichta´n zusammn, samma eerlich?“ Seine Kollegen beobachten die Verhandlungen dezent aus dem Hintergrund. Als der Kollege durch Nichtbeachtung nicht zu vertreiben ist, entgegne ich „Haste Dich mal umgeschaut? Hier sind die Leute doch schon froh, wenn sie das Spielende überhaupt lebend mitbekommen! Da ist an Wemserei gar nicht zu denken, sorry!“.
In der Tat ist der gemeine ETB-Fan bereits im gesetzteren Rentenalter, so dass ich, selbst wenn ich es drauf anlegen würde, keine Crowd zum Wemsen aufstellen könnte. Mit der Antwort gibt sich der Hool dann Gott sei Dank zufrieden, dafür gucken mich jetzt die ETB-Fans komisch an. Also direkt nochmal vier Gerstenkaltschalen auf die Hand geordert und ohne Umwege zurück auf die Tribüne.
Allerdings muss man den 25 Siegener Ultras wirklich Respekt zollen, da sie gesangstechnisch und auch choreographisch trotz des Rückstandes alles aus sich herausholen und ein buntes Best-Of-Programm sämtlicher Fangesänge der Bundesliga zum Besten geben. Alle Achtung, die Jungs haben mehr Leistung gezeigt, als ihr Team! Aus der Heimtribüne ist dergleichen leider nicht zu vernehmen – muss einfach am Alter liegen.
Über den Autor: Don
Mag Bier und Heavy Metal genau so gerne wie Eintracht Frankfurt. Bis 5 Uhr in der Bochumer Pinte anzutreffen. Spinnt.