Die Bayern-Blamage

Quelle: www.flickr.comDas Finale war für die Bayern im gestrigen Spiel nur mit dem berühmten Fernglas am Horizont zu erahnen. Deutschlands beste Fußballmannschaft wurde von Gazprom-Club Zenit St. Petersburg nach allen Regeln der Kunst zerlegt und machte in keiner Phase des Spiels den Anschein, auch nur irgendetwas reißen zu können. Eine Blamage ersten Ranges.

War die Mannschaft des FC Bayern wirklich nur zu müde, wie es Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge nach dem schwachen Spiel gesehen haben wollten? Auf jeden Fall war davon in den Tagen vor dem gestrigen Spiel nicht die Rede davon. Im Gegenteil: Die Bayern wären eben die Bayern und würden auch in St. Petersburg mehr oder weniger locker gewinnen. Sie wären bereit, ein tolles Spiel abzuliefern, sie wären hungrig auf den Titel. Kurz: Geradezu strotzend vor Selbstvertrauen präsentierten sich die Spieler und Verantwortlichen der Öffentlichkeit.

Zu sehen war davon im Spiel rein gar nichts. Spielerisch schwach, schlecht organisiert, läuferisch faul und irgendwie ängstlich. Das sind die Attribute, mit denen man das Spiel beschreiben muss. Nicht, dass die spielerische Schwäche in dieser von den Verantwortlichen zeitweilig so hochgelobten Saison eine Ausnahme der Regel darstellte. Nein, spielerisch bewegten sich die Bayern eben im Rahmen der guten alten Ottmar-Hitzfeld-Fußballschule. Aber zumindest die Abwehr war in dieser Saison eine Bank; und gerade diese Abwehr leistete sich in St. Petersburg bemerkenswerte Aussetzer.

In jedem Fall mutet es etwas fadenscheinig an, auf das Argument der allgemeinen Müdigkeit zurückzugreifen. Fakt ist doch vielmehr: Wenn Spieler wie Lahm, Demichelis, Jansen, Ribéry, Toni, Klose und Schweinsteiger nicht nur annährend Normalform erreichen (Ok, bei Schweinsteiger und Jansen muss man mittlerweile davon ausgehen, dass sie einfach nicht besser sind), ist ganz einfach kein Spiel zu gewinnen. Auch das Argument Rummenigges, St. Petersburg stünde am Anfang der russischen Meisterschaft und sei darum noch frisch, mutet lächerlich an. Umgekehrt könnte man nämlich auch argumentieren, dass eine Mannschaft zu Saisonbeginn noch nicht eingespielt sei und mehr Zeit benötige. Eine Erklärung, die die Bayern in der Vergangenheit oft gern für sich in Anspruch genommen haben.

Was hat sich in dieser Saison verändert? Nicht viel. Die Bayern fahren wie unter Magath gewohnt souverän das nationale Double ein, können jedoch auf höchstem internationalem Niveau einfach nicht mithalten – Toni und Ribéry hin oder her. Dass einige sonst gute Spieler gerade ihrer Form hinterherlaufen – geschenkt. Aber klar ist doch auch, dass Spieler wie Schweinsteiger, Lell und Jansen eigentlich nicht in eine Mannschaft gehören, die sich zu höchsten Weihen aufmachen möchte. Jürgen Klinsmann jedenfalls hat viel zu tun, es in den nächsten Jahren besser zu machen. Denn neben jetzt schon dringend nötigen Verstärkungen, tun sich weitere Baustellen auf: Wichtige Spieler wie Lahm, Zé Roberto und Kahn werden den Verein verlassen. Alles Spieler internationaler Klasse, die erst einmal ersetzt werden müssen. Und ob Rensing auf Dauer Nummer 1 bei den Bayern werden wird, ist bis jetzt mehr als fragwürdig. Mein Tipp: Er bekommt bis zur Winterpause Zeit und dann werden sich die Bayern nach einem besseren Mann umschauen.

Wenn man es also genau betrachtet, steht den Bayern nach der Saison ein noch größerer Umbruch als vor der laufenden Saison bevor. Sie bekommen einen Trainer, der vieles ändern will – es bleibt abzuwarten, ob dies bei Bayern funktionieren wird. Außerdem sind für die neue Saison genau sechs Spieler gesetzt: Lucio, Demichelis, van Bommel, Ribéry, Toni und Klose. Auf jeden Fall wartet auf zwei Menschen viel Arbeit: Uli Hoeneß, der noch einmal kräftig auf dem Transfermarkt zulangen muss. Und Jürgen Klinsmann, dessen Umstrukturierungen viel Kraft kosten werden und auf den die schwierige Aufgabe wartet, aus den jetzigen und zukünftigen Stars eine endlich mal wieder international erfolgreiche und vielleicht auch etwas schöner spielende Mannschaft zu formen. Es wird spannend.

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Über den Autor: Guru von der Kreuzeiche

Leidensbereiter sowie leiderprobter SSV-Reutlingen-Fan und Unsympath. Empfindet die Bezeichnung “Unglaublicher Demagoge” als Kompliment. Trinkt was Schnäpse angeht nur klar.

Leidensbereiter sowie leiderprobter SSV-Reutlingen-Fan und Unsympath. Empfindet die Bezeichnung “Unglaublicher Demagoge” als Kompliment. Trinkt was Schnäpse angeht nur klar.
26 comments
  1. Ganz ehrlich, mir war nach wenigen Minuten schon klar, dass da nichts geht: da waren ja nur Gespenster auf dem Platz. Ribery verzettelte sich permanent, Tony lamentierte andauernd, Klose hätte am liebsten von Beginn an geheult, Schweinsteiger zu schwach für Bielefeld…
    Ich hatte am Ende Mitleid und was gibt es schlimmeres als Mitleid?

  2. Schlimm das alles. Ich kann es immer noch nicht fassen. Wer mittrauern möchte/muss, der lasse seinen Gefühlen bitte freien Lauf. Hier gibt´s die “Offizielle Trauer-Liste zur Schmach von Petersburg”:

    http://www.sportgate.de/blog/2008/05/02/grose-trauer-liste-bayern-petersburg-04/

    Niedergeschmetterte Grüße, Tim

  3. Naja, trauern tu ich nicht. Ich find es halt einfach ärgerlich.

  4. Ich finde man sollte aber auch mal die Stärke von St. Petersburg erwähnen. Die waren in der Abwehr topp organisiert, Timoschtchuck hat in beiden Spielen gefühlte 100% seiner Zweikämpfe gewonnen, und das Spiel nach vorne war äußerst gefällig. Dass Bayern, den eigenen Ansprüchen folgend, die natürlich trotzdem schlagen muss, steht außer Frage.

  5. Ja klar, und Gazprom pumpt da wohl auch viel Kohle rein. Die werden in den nächsten Jahren bestimmt noch stärker werden. Aber meiner Meinung nach hat Bayern (noch) den eindeutig stärkeren Kader, ohne jetzt alle russischen Spieler genau zu kennen.

  6. Wirklich trauern tu ich auch nicht ;-)

  7. Das ist halt das Problem: Wir kennen die Namen nicht, bzw. können sie uns nicht merken, und glauben deswegen, die können nichts. St. Petersburg wird per Staatsdoktrin zum Vorzeigeclub Russlands aufgebaut, mit X Milliarden Euro in der Hinterhand. Die haben sich das beste, was Russland zu bieten hat, zusammengekauft und dazu noch den ein oder anderen (eher unbekannten) Ausländer. Sie sind nicht auf Real Madrid-Einkaufstour gegangen, sondern haben anscheinend darauf geachtet, dass es alles passt. Dass Bayern da mal unter die Räder kommt, kann passieren. Und Trauer ist unangebracht: Ich jedenfalls fand es sehr amüsant, als ich das Ergebnis sah.
    Man muss jetzt auch nicht die gesamte Bundesliga in Frage stellen. Vor gar nicht langer Zeit hat der BVB den AC Mailand 4:0 im UEFA-Cup-Halbfinale abgezogen.

  8. Ja, aber ich hätte schon gern ein Finale mit deutscher Beteiligung gesehen.

  9. @5 Der Timoschtschuck hat mich auch in beiden Spielen sehr überzeugt. Und eine wunderbare macke mit der Kapitänsbinde vom Lothar hat er auch. Wieso findet so einen Spieler eigentlich kein anderer Verein in Europa?

  10. Weil Gazprom den wahrscheinlich mit Geld zuscheißt.

  11. Die Bayern-Abwehr war doch in der Saison keine Bank! Klar, in der Liga, weil sich da kein Gegner was traut. Aber die Abwehr sah in nahezu jedem UEFA-Cup-Spiel schlecht aus.

  12. Wir haben doch ein Finale mit deutscher Beteiligung.

  13. Also trauern tue ich auch nicht. Finds eher amüsant und bin lasse mich auch immer wieder von der rhetorischen Flexibilität der Bayern überrumpeln. Ich kenne echt keinen Verein, der seine Aussagen, die gerade eine Woche alt sind und in etwa so gingen: „Kein Problem, das Rückspiel gewinnen wir…“ „Ich mach mir keine Sorgen, wir sind stark genug“, mit einer solchen Dreistigkeit und ohne mit der Wimper zu zucken revidiert und ins Gegenteil umwandelt.
    Ebenso bin ich immer wieder von der Unfähigkeit (oder ist es einfach Angst) der Reporter überrascht, die einfach zu feige sind, da dann mal nachzuharken.

    Naja, international können die Bayern einfach nicht mithalten, wer da was von CL-Favorit faselt, hat sie nicht mehr alle, denn im Endeffekt war das eine ganz maue Saison im Fiat-Punto-Cup, in dem sie durch Losglück (Aberdeen, Anderlecht) und Glück (Getafe) ins Halbfinale gekommen sind.

  14. Fiat Punto-Cup?

  15. @15: Zitat Marc van Bommel

  16. @ 17: Ach, so.

    @Esleben: Dem Herrn Probek fehlen offensichtlich nur noch 21 Panini-Bilder. Das musst Du erstmal schaffen. ;-)

  17. Bin auf einem guten Weg.

  18. @19: Ich bringe morgen auch nochmal einen Packen mit. Hoffe, du kannst ein paar davon gebruachen.

  19. @ alle Schwaben: Stimmt das? ;-)
    http://www.schwatzgelb-dortmund.de/index.php?id=4150

  20. @21: Das lässt sich nicht öffnen.

  21. @19: Wenn du das Geld sparen würdest, könnte die X-Box 360 in 2 Wochen schon Realität sein. Aber nein, das Geld wird lieber für Bilder von zweifelhaften Millionären rausgehauen. ;-)

  22. @23: Für mich oder für ihn? Ich kauf mir die einfach, ohne Sparen, ich bin schließlich stinkend reich.

  23. Warum die X-Box?

    War ja beim GTA4-Spot für die PS3 auch dezent am rumsabbern…

  24. @22: Jetzt geht es wieder. Der Server schmiert da häufig ab.Wir sind gerade dabei zu kündigen und auf einen anderen Server zu wechseln.
    @23: Welche XBox 360 willst Du für 84 Euro kaufen? Nur das Plastikgehäuse? ;-)

    Das geile XBox 360-GTA 4-Angebot von Amazon war leider viel zu schnell vergriffen.

  25. @26: Naja, ich muss sagen, dass man die meisten da genannten Sprüche eigentlich im normalen Leben nicht sagt. Zu meinem aktiven schwäbischen Wortschatz gehören von den Zitaten vielleich 2-3. ;-)

  26. Kahn ist ja jetzt auch Buchautor. Die Passage zur WM 06 soll ja sehr witzig sein.

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