Sport vom Wochenende

FC Artmedia PetrzalkaSonntags um 10:30 Uhr werden normalerweise C-Jugendliche in Punktspielen über den Platz gejagt. Anders in der Slowakei, dort fand am vergangenen Sonntag das Spiel zwischen dem FC Artmedia Petrazalka, aktueller Tabellenführer, und dem FK Trencin, aktuell Tabellenletzter der ersten slowakischen Liga, zu einer Zeit statt, in der andere Leute in die Kirche gehen.

Die Beweggründe für die frühe Ansetzung sind nicht ganz klar, die Spekulationen der fünf Mann hohen Reisegruppe reichen von Aggressionsvermeidungsstrategien bis hin zur Vermeidung von totaler Besoffenheit vor dem Spiel, als man sich über eine Brücke schleppt, die seit gut 50 Jahre haltendes Provisorium darstellt. Nackte Holzplanken, unter denen immer wieder die Donau hervorlugt, weisen uns den Weg in den Plattenbau-Vorort Petrzalka, Heimat von gut 150.000 Menschen und des in der slovakischen Hauptstadt Bratislava ungeliebten Klubs FC Artmedia Petrzalka. Der Andrang am Stadion, das inbesondere durch die abenteuerliche Konstruktion der Haupttribüne und des VIP-Bereichs glänzt, hält sich in Grenzen, auf den drei übrigen, Wellblech gesäumten Tribünen herrscht freie Platzwahl und mäßiges Gedränge. Der Eintritt kostet umgerechnet 2,50 Euro.

Die erfahrenen Petrzalka-Fans trudeln erst kurz vor Anpfiff ein, so dass sich um 10:30 Uhr gut 2000 Leute eingefunden haben, um das erwartete Torfestival zu genießen. Schließlich ist Artmedia dank großzügiger Unterstützung durch den namensgebenden Sponsor nicht nur im Besitz einer „schwarzen Perle“, sondern kann auch einen waschechten Brasilianer aufbieten. Schon beim Einlauf wird klar, dass hier zwischen dem ersten und letzten der slowakischen Liga mehr als nur 53 Punkte liegen. Trencins Akteure wirken wie eine Truppe Amateure, die der athletischen Mannschaft aus Petrzalka auch körperlich hoffnungslos unterlegen ist.

Entsprechend pomadig und überheblich geht Artmedia ins Spiel. Man ist sich sicher, dass ein Sieg gegen Trencin nur Formsache ist. Fehlpässe sind die Folge und nachdem Trencin nach einer Ecke beinahe das 0:1 erzielt hätte, sieht sich Abwehrspieler Radek Dosoudil bemüßigt, völlig unnötige Härte ins Spiel zu bringen und sich bis zu seiner Auswechslung mit seinem, von der Reisegruppe liebevoll „Die Hexe“ genannten Gegenspieler zu beharken. Nach diesem Warnschuss besinnt sich Artmeida auf seine Qualität und drängt Trencin bis zur Pause in die eigene Hälfte, richtig gute Chancen sind Mangelware und werden vom Gästetorwart ein ums andere Mal entschärft.

Die Reisegruppe vergnügt sich derweil mit der Beschimpfung von Artmedias Jan Kozak, der ultimativen Verkörperung des „Erster alles“. Selbst beim Einwurf ist Kozak, der ein halbes Jahr bei den West Bromwich Albions unter Vertrag stand, als erster zur Stelle, glänzt aber hier, wie bei seinen verzweifelten Bemühungen Bernd Schuster-Gedächtnispässe zu spielen, mit einer unfassbaren Pomadigkeit. Kein Wunder, dass sich in der zweiten Halbzeit, der potentielle zweite Mann für ruhende Bälle, Abwehrspieler Urbanek, immer wieder maulend an die Trainerbank wendet. Doch Kozak und sein Trainer haben kein Einsehen.

In der Halbzeitpause erwirbt die Reisegruppe für sagenhafte zehn Euro fünf Getränke und drei Bratwürstchen und bereitet sich auf die zweite Halbzeit vor. Artmedia ist in den zweiten 45 Minuten drückend überlegen, scheitert aber weiterhin am glänzenden Torhüter oder am eigenen Unvermögen. Der Brasilianer Artmedias ist pünktlich zur zweiten Halbzeit ausgewechselt worden. Endlich, kommt die Auswechslung eigentlich 45 Minuten zu spät, weshalb in der Reisegruppe schon vermutet wird, hier wäre wieder einmal der Bruder eines guten Spielers verpflichtet worden. Ist Stuttgart schließlich auch schon passiert.

Die Stimmung ist jedenfalls bestens, nur unter den Artmedia-Fans wird das Stöhnen mit jeder vergebenen Torchance größer. In der 87. Minute passiert dann doch, was passieren muss, und ausgerechnet Kozak nutzt eine Chance aus kurzer Distanz. Trencins Spieler brechen daraufhin fast kollektiv zusammen, während sich Artmedia in den restlichen Minuten auf Ergebnissicherung konzentriert. Schließlich pfeift der Schiedsrichter ab und entlässt alle in einen wunderschönen Frühlingstag. Es stehen schließlich im slowakischen Kabelfernsehen noch zahlreiche Partien aus den europäischen Topligen auf dem Programm, das noch bis nach Mitternacht dauert. Wahrscheinlich wird deshalb so früh in der Corgon Liga angepfiffen, die allenfalls Regionalliga-Niveau hat. Darüber täuscht auch Artmedias größter Erfolg nicht hinweg: der Einzug in die Gruppenphase der Champions League 2005.

FC Artmedia Petrzalka – FK Trencin 1:0

Über den Autor: esleben

Verrät als Freiburg-Fan Heimat wie auch Elternhaus und trinkt ansonsten ausschließlich Veuve Clicquot. Wer wohnt schon in Düsseldorf? Mehr über Esleben auf Google+

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2 comments
  1. …und wieder neue Groundhopperpunkte. ;-)

  2. Hach, das erinnert mich doch an meine Manager-Glanzzeiten beim HFC Humenne…;-)

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