Betrifft: Englische Wochen

Betrifft: Englische WochenLiebe Bundesligaprofis, hört bitte auf wegen Doppel- und Dreifachbelastungen – den mörderischen Zumutungen sogenannter englischer Wochen – zu klagen. Ich kann es nicht nur deshalb nicht mehr hören, weil in anderen Sportarten körperlich mehr geleistet wird als im Fußball, namentlich Eishockey und Basketball. Nein, ich will es nicht mehr hören, weil es geradezu eine Verhöhnung jener Belastungen für Leib und Leber ist, der man sich als Fußballfan jede Woche aussetzt. In der zweiten Saisonhälfte im besonderen.

Ihr jammert wegen zweier Spiele binnen 48 Stunden und vergesst dabei, dass die meisten von uns neben ihrem sogenannten Beruf harte Sieben-Tage-Wochen zu bewältigen haben. Beinahe täglich müssen wir dabei an die körperlichen Grenzen gehen, 150 Prozent und mehr geben, das letzte aus uns rausholen, um die Stimme zu ölen, die euch nach vorne treibt. Von den psychologischen Belastungen durch Verbalamokläufer, sogenannte Journalisten, unsägliche Spielfeldrandinterviewer, minderbemittelte Fußballlehrer und ihre Eleven – also euch – ganz abgesehen. Aber der Reihe nach:

Die Woche beginnt freitags, für die meisten von uns ein leichter Aufgalopp. Lediglich drei Spiele in der zweiten und ein Spiel in der ersten Liga stehen auf dem Programm. Letzteres allerdings nur im Bezahlfernsehen, was die meisten von uns erstmals in den kommenden sieben Tagen in die Fänge der Bierbrauer und ihrer Handlanger treibt.

Am Samstag folgt bereits der Höhepunkt und Härtetest der Woche: der Stadionbesuch. Wenn es dabei doch nur einmal bei einem klassischen Stadiongedeck aus „Stadionrote und ein Bier“ (Sumpfpäpste) bleiben würde! Allein, der Wille ist schwach und so kommt es dazu, dass man „den VIP-Bereich abschließt“ (Don) oder sich im Anschluss zur Vertiefung des Erlebten zu einem Diskussionszirkel zusammenfindet und ergo wieder in die Fänge der Bierbrauer gerät.

„Am siebten Tage sollst du ruhen“, heißt es im „Buch der Bücher“ (alle Päpste). Für Fußballfans trifft das leider nicht zu. Früh gehts los, mit schwerem Kopf, trockener Kehle und in insgesamt desolatem Zustand schleppt man sich ans moderne Lagerfeuer zu „Uns Udo“ und Wonti, was insgesamt eher zur Verschlechterung des Gesamtzustandes beiträgt. Am Nachmittag wartet der nächste Termin: zweite Liga, im Anschluß erste Liga, wieder vornehmlich im Bezahlfernsehen, wieder begibt man sich willfährig in die Fänge der Bierbrauer und ihrer Häscher.

Montag, inzwischen hat man einen dreistelligen Eurobetrag investiert, steht neben der enervierenden Geldbeschaffung in Form eines Berufes das „Scheiß DSF“-Spiel an. Im Idealfall mit Dahlmann am Mikrophon und Herrmann im Innenraum, im schlechtesten Fall mit Thomas Herrmann am Mikrophon und Dahlmann im Innenraum.

Weiter gehts am Dienstag: so langsam verschwimmen die Tage zu einem Einheitsbrei, jeden Abend das gleiche Bild: Man findet sich im schlecht beleuchteten Hinterzimmer einer „Eckkneipe“ (J. Rüttgers) vor dem Fernseher ein und lässt sich von der Champions League berieseln. Im schlechtesten Falle spielt Schalke, idealerweise duellieren sich jede Woche Barcelona und Arsenal.

Mittwoch: siehe Dienstag. Mit dem Unterschied, dass bisweilen der „Cup der Verlierer“ (Kaiser Franz) am Mittwoch ran darf. Ergo im schlechtesten Falle spaziert Bayern München ohne erkennbare Anstrengung in die nächste Runde, im idealen Fall scheitert Bremen grandios.

Donnerstag: Hier können nur noch die Konditionswunder, die „Top-Perfomer am Glas“ (Don) wirklich mithalten. Teilweise wartet an Donnerstagen viermal das Duell unbekannter, unaussprechlicher und hochmotivierter Vereine aus Rumänien, Tschechien oder der Ukraine gegen mäßig belustigte Bundesligaprofis, die sich schon während des Spiels ihre Ausrede zurechtlegen: die ständigen Doppelbelastungen! Als Fan hängt man von Nachmittag bis Mitternacht vor der Glotze, beinahe bewegungslos, schließlich liegen bereits sechs harte Tage hinter einem und morgen geht wieder alles von vorne los.

Also, liebe Bundesligaprofis, beim nächsten Mal einfach mal darüber nachdenken, was eure Fans so leisten müssen, und dankbar sein. Ihr könntet auch auf der anderen Seite des Zauns oder der Mattscheibe stehen. Und das ist wahrlich kein Zuckerschlecken …

Über den Autor: esleben

Verrät als Freiburg-Fan Heimat wie auch Elternhaus und trinkt ansonsten ausschließlich Veuve Clicquot. Wer wohnt schon in Düsseldorf? Mehr über Esleben auf Google+

Verrät als Freiburg-Fan Heimat wie auch Elternhaus und trinkt ansonsten ausschließlich Veuve Clicquot. Wer wohnt schon in Düsseldorf? Mehr über Esleben unter Google+
4 comments
  1. Endlich sagts mal einer! Besonders die Donnerstage sind mir als sehr harte Tage in Erinnerung geblieben. Eigentlich möchte man gar nicht und trotzdem landet man am Ende vor dem Fernseher. Liegt mehr als das man sitzt und hat nach dem dritten UFEA-Cup Spiel sowieso jegliches Gefühl für sich und seine Umwelt verloren.

  2. Das spricht einem aber sowas von aus der Seele!

  3. Also ich habe ja noch nie Eishockey gespielt, aber deren Spielturnus ist schon extremst hoch, v.a. jetzt in den Play-Offs. Da wird ja nahezu täglich gespielt. Insofern frage auch ich mich, ob zwei Spiele pro Woche wirklich zuviel ist. Aber für die Herren Profis sind ja bereits zwei Trainingseinheiten a zwei Stunden pro Tag ein knüppelhartes Programm. Und ein Auer in Bochum hat sich bereits beim Trainer angeboten, wenn er eine Extra-Schicht a eine Stunde im Fitnessraum schiebt, von der er die Hälfte mit dem dortigen Fachpersonal labernd verbringt.

    Daher volle Unterstützung für diesen Artikel.

  4. Ich finde die Belastungen im Handball auch sehr extrem.

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