Abschied des personifizierten Mittelmaßes

Quelle: www.weltfussball.deEin großer Fußballer und eine große Persönlichkeit kehrt dem Fußballzirkus den Rücken. Nach einer von fantastischen Erfolgen geprägten Karriere zieht er nun den Schlussstrich unter das Kapitel Profifußball und gönnt dem geschundenen Körper den wohlverdienten Ruhestand. So oder ähnlich hätte man einen Artikel über das Karriereende von sagen wir mal Zinedine Zidane oder meinetwegen auch Oliver Kahn beginnen können. Aber es ist nur Carsten Ramelow, der seine Profikarriere beendet. Und das kostet einen eigentlich nicht viel mehr als ein Schulterzucken.

So unspektakulär wie sich das ganze Fußballerleben von Carsten Ramelow ausnahm, so geht es auch zu Ende. Ramelow hat bei Leverkusen seinen Stammplatz schon seit längerem verloren und zieht nun die eigentlich schon lange fälligen Konsequenzen. Dies löst keinen großartigen Jubel aus wie sein damals inniglich herbeigesehnter, aber letztendlich doch überraschender Rücktritt aus der Nationalmannschaft im Jahre 2004. Aber zweifelsohne könnte dem Fußball schlimmeres widerfahren. Und doch verdient Carsten Ramelow ein paar wenige, ihm gewidmete Worte. Denn unbestritten ist, dass er mit extrem begrenzten fußballerischen Möglichkeiten das Maximale herausgeholt hat: Er war langjähriger Bundesligaspieler und Nationalspieler, Champions-League- und WM-Finalist. Dass es im Endeffekt für keinen einzigen Titel gereicht hat ist dabei wahrscheinlich kein Zufall, sondern Gerechtigkeit. Denn wirklich mehr als das Erreichte hat Ramelow beileibe nicht verdient.

Was bleibt insgesamt im Gedächtnis? Diese Frage ist schwer zu beantworten, denn im Grunde genommen war Ramelow dem normalen Fußballzuschauer – war er nicht gerade Leverkusen-Fan – nach seinem Rücktritt aus der Nationalmannschaft völlig egal. Er wurstelte in den letzten drei bis vier Jahren in Leverkusen so vor sich hin und fiel dabei nicht sonderlich auf. Weder positiv noch negativ. Seine Rolle als Abräumer vor der Abwehr spielte er zumindest „unter dem Bayer-Kreuz“ (Fußballreporter) einigermaßen solide.

In seinen Zeiten als Nationalspieler war es nicht ganz so ruhig um den geborenen Berliner. Denn meist zog er den Hass der Zuschauer in der ihm wie perfekt auf den Albino-Leib geschusterten Rolle als professioneller „Spielverschlepper“ auf sich. Man konnte sich sicher sein: War Ramelow am Ball, war der richtige Zeitpunkt für einen Bier– oder Klogang. Ich erinnere mich auch noch genau an das Phänomen des allgemeinen Aufstöhnens der sich erwartungsfroh zu den Spielen der Nationalmannschaft versammelten Couch-Fußball-Fans, sobald die Aufstellung des blonden Spielzerstörers bekannt gegeben wurde. Hatte sich der erste Schrecken gelegt, so war das gesamte Spektrum des Entsetzens in den Gesichtern des Sofa-Triumvirats abzulesen.

Wahrscheinlich tat man dabei Carsten Ramelow ein wenig unrecht. Denn in seiner aktiven Nationalmannschafts-Zeit (1998-2004) war er doch genau der defensive Mittelfeldspieler, den diese Mannschaft verdiente. Warum sollte in einer Elf, in der auch die offensiv ausgerichteten Spieler den kreativ-spielerischen Dienst verweigerten, ausgerechnet die „Sechs“ für die so dringend benötigten Akzente sorgen? Wie fehl am Platz hätten sich die Kollegen im Zusammenspiel mit defensiven Mittelfeldkünstlern wie beispielsweise Andrea Pirlo fühlen müssen?

Und wo wir gerade bei den Italienern sind. Für mich gab es einen Moment der uneingeschränkten Solidarität, ja fast einer Art persönlicher Verbundenheit mit Ramelow: Nämlich als der völlig sympathiebefreite Francesco Totti absichtlich seine Stollen in Ramelows Schulter vergrub. Wie sehr hätte ich mir gewünscht, dass Ramelow nur einmal in seiner Karriere aus sich herausgeht und Totti mit ein paar Backpfeifen die Fairness-Grenzen aufzeigt. Er hätte sich unsterblich machen können. Mein Wunsch blieb unerfüllt.

Was bleibt also von der Karriere Carsten Ramelows? Wenig. Ein mittelmäßiger Spieler beendet seine Profikarriere. Man wird ihn nicht vermissen.

Über den Autor: Guru von der Kreuzeiche

Leidensbereiter sowie leiderprobter SSV-Reutlingen-Fan und Unsympath. Empfindet die Bezeichnung “Unglaublicher Demagoge” als Kompliment. Trinkt was Schnäpse angeht nur klar.

Leidensbereiter sowie leiderprobter SSV-Reutlingen-Fan und Unsympath. Empfindet die Bezeichnung “Unglaublicher Demagoge” als Kompliment. Trinkt was Schnäpse angeht nur klar.
11 comments
  1. Finde ich zu hart. Ramelow war ein Bundesligakicker wie viele andere. Sein Problem war nur, dass er in die Nationalmannschaft berufen wurde, sonst hätte niemand einen solchen Artikel geschrieben und er wäre verabschiedet worden wie Alex Schur zum Beispiel.

  2. Danke für den Artikel.
    Ich habe immer vom „Phänomen“ Ramelow gesprochen. Ein Typ, der aber auch gar nix an der Pille kann, nicht durch PR-wirksame Aktionen auffällt, auf dem Platz nicht präsent ist, schafft es, mehrere Jahre in der Bundesliga zu spielen (ok, is kein Kunststück), in der Champions League regelmäßig zum Einsatz zu kommen und zudem noch 46-facher Nationalspieler zu werden. Jens Jeremies konnte zwar auch nix zu jener Zeit, war aber zumindest ein Kampfschwein.
    Ich denke, kein Fan (auch nicht von Leverkusen) wird ihm eine Träne nachweinen.
    Trotzdem alles Gute, Albino!

  3. So hart ist das doch gar nicht. Für mich war er eben ein mittelmäßiger Spieler, der mir bestenfalls egal war und der mich zu Nationalmannschaftszeiten öfter ziemlich aufgeregt hat. Dem hab ich versucht, Rechnung zu tragen.

    @2: Naja, aber dafür hab ich schon etwas Bewunderung übrig. Wie ich geschrieben hab: Der hat wirklich alles für sich herausgeholt. Und das ist doch auch was wert.

  4. Ramelow war immer pflegeleicht, ein absoluter Trainerliebling, den man auch noch vielfältig einsetzen konnte. Bei Leverkusen hat er auch gerne mal den Ausputzer gegeben, wenn Nowotny verletzt war. Seine Fähigkeit nichts besonders gut zu können macht ihn so geradezu unverzichtbar.

  5. Ich finde es interessant, dass Ramelow einer dieser Spieler ist, bei dem die Ansichten der Trainer mit den Ansichten der Fans so völlig gegensätzlich sind. Ich meine, all die Trainer und auch die Bundestrainer haben ihn ja sicherlich nicht aufgestellt, um uns zu ärgern. (Okay, Ribbeck mal ausgenommen, den hatten glaube ich die Holländer unterwandert.)
    Stellt sich die Frage, ob Ramelow vielleicht einfach von den Fans total verkannt und in seiner Bedeutung für die Mannschaft unterschätzt wurde?

  6. Ach, der Carsten hört auf? Nuja, zu dem fällt mir beim besten Willen nix positives oder negatives ein. Wie geschrieben ist er auch für mich ein Neutrum.

    Unter Funkel hätte er aber garantiert auch einen Stammplatz sicher gehabt.

  7. „Man konnte sich sicher sein: War Ramelow am Ball, war der richtige Zeitpunkt für einen Bier- oder Klogang. „

    das erheitert mir den morgen

  8. die stilbildenden und sinnstiftenden elemente in ramelows karriere werden ja gern mal übersehen:

    http://www.fanartisch.de/news/zu-viele-kopfballe-4/

    ;)

  9. @4: Ja, das ist auf jeden Fall eine interessante Frage, die ich mir auch schon gestellt habe. Ich glaube, es hängt damit zusammen, was Kollege Esleben geschrieben hat. Ramelow war zwar zweifelsohne limitiert, hat aber nie groß aufbegehrt und seine Aufgaben größtenteils erfüllt. Und ein Arsch oder eine Diva ist er dabei auch nie gewesen. Genie oder Kreativität war da nicht zu erwarten, aber ich denke, Trainer sind auch mal ganz froh, wenn Spieler das tun, was man ihnen sagt und sich nicht plötzlich an allen Ecken und Enden des Felds aufhalten, wo sie überhaupt nicht hingehören.

    Trotzdem wird mir auf ewig der Querpass an der Mittellinie einfallen, wenn ich an Ramelow denke.

  10. Auch interessant: Hier stand ein Artikel aus 11 Freunde über den „blassesten Spieler der Liga“.
    http://www.11freunde.de/bundesligen/109399

    Aus unerfindlichen Gründen ist er wieder verschwunden.

  11. […] Bernd Schneider und der unvermeidliche Titan für Identifikation mit einem Team zu sorgen, in dem Carsten Ramelow im Mittelfeld dilletierte. 2014? Nichts! Fehlanzeige! Eine Mannschaft, die ihr Programm routiniert […]

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