Winterpausenprosa

Bekim Kastrati (Fortuna Düsseldorf)Da kommt Freude in den Redaktionsstuben der Winterpausen geplagten Republik auf. Soviel Blut, Sperma und Heldenmut bekommt man selten auf dem Silbertablett serviert. Also reibt sich der Chefredakteur seine schwieligen Hände und schickt seine besten Schreiber in Klausur: „Da ist so ein Regionalliga-Kicker, der hat sich beim Spiel gegen die Bayern nen Hodenriss geholt.“ Gelächter unter den servilen Schreibern. „Warte, warte, kommt noch geiler, weil der Typ heißt (Chefredakteur läuft im Gesicht rot an und prustet laut los) Kastrati“ Kein Halten mehr in der Redaktion, Schulterklopfen, Abklatschen, High-Five für den Chefredaktor und die Meute macht sich frohgemut ans Werk.

„Hodenriss – Not-OP bei Fortunas Kastrati“ lesen wir im Express. So aufregend findet man diese Meldung, dass man begeistert über das eigene, unversehrte Glied aufgeregt weiter schrei(b)t: „Was zu diesem Zeitpunkt keiner der über 31.000 Fans wusste: Der Albaner spielte zu diesem Zeitpunkt mit einem Hodenriss!“ (Hervorhebung im Original) Was zu der Verletzung führte weiß der Express natürlich auch: „Zehn Minuten nach seiner Einwechslung zur Halbzeit hatte sich Kastrati bei einem Zweikampf mit Münchens Daniel van Buyten die Verletzung zugezogen, spielte aber unter Schmerzen bis zum Schluss durch. Erst in der Kabine wurde die Schwere der Verletzung klar, Kastrati wurde sofort ins Klinikum Golzheim gebracht und noch in der Nacht notoperiert.“

Soweit die Fakten, die auch der Rheinischen Post, Zeitung für Politik und Christliche Kultur, eine Meldung wert sind: „Kastrati: Sechs Wochen Pause!“, heißt es hier deutlich verhaltener. „Fortuna-Stürmer Bekim Kastrati musste sich in der Nacht zum Mittwoch wegen eines Hodenbruchs einer Notoperation unterziehen. Der 28-Jährige hatte sich diese Verletzung in der Schlussminute des Freundschaftsspieles gegen den FC Bayern (2:3) zugezogen.“ Leichte Diskrepanzen zum ungleich dramatischeren Verlauf im Express-Artikel bei der RP, Ergebnis einer im Sinne der christlichen Kultur angewandten Pietät?

Das Wegwerf-U-Bahn-Blättchen 20 Minutes geht die Sache etwas offensiver an: „Not-OP: Hodenriss bei Kastrati“ und bietet im Folgenden die dritte Interpretation des Geschehens an: „Die Fortuna hatte beim knappen 2:3 vor 31000 Zuschauern gegen den Deutschen Rekordmeister überzeugt. Der Regionalligist (dritthöchste Liga) hätte durch den eingewechselten Kastrati kurz vor Schluss gar um ein Haar den Ausgleich erzielt. Zu diesem Zeitpunkt hätte der 28-Jährige jedoch gar nicht mehr auf dem Feld sein sollen, wie der «Express» schreibt. Bei einem Zweikampf mit Daniel van Buyten zog er sich zuvor nämlich einen Hodenriss zu. Trotz Schmerzen spielte der Stürmer bis zum Schluss durch.“ Ja, wie denn jetzt?

Vielleicht weiß es ja Herr Markwort, der legt doch sonst immer soviel Wert auf „Fakten, Fakten, Fakten„. Leider enttäuscht Markworts Focus und tippt lediglich eine Meldung des SID ab. So kann man sich natürlich auch aus der Affäre ziehen. Herr Markwort, lernt man so ein Verhalten in ihren legendären Redaktionssitzungen? Ich hoffe nicht!

Klar, dass die Bild es noch genauer weiß: Kein Hodenriss peinigt Kastrati, nein eine „Hodenquetschung“ und selbstverständlich haben die abgezockten Typen von Bild schon mit dem Arzt und dem Geschädigten gesprochen: „Fortuna-Stürmer Bekim Kastrati (28) hat schlimme Schmerzen hinter sich. Und eine Hoden-OP. Der einstündige Eingriff wurde mitten in der Nacht vorgenommen. Dr Alois Teuber, Mannschaftsarzt der Fortuna: „Es war eine Einblutung im Hodensack und eine Hodenprellung. Der Hodensack wurde geöffnet, die Blutstauung abgesaugt und der Hodensack wieder zugenäht. Zeugungskraft oder Potenz ist nicht gestört.“ Danke Bild, Kastrati kann weiter „mal reinhalten“ wie man sich im Gossenjargon 13-Jähriger aus Düsseldorf-Bilk zuraunt.

Eine ganz eigene Interpretation der Ereignisse rund um das Thema Hodenriss/Quetschung hat Der Westen, das mit viel Ballyhoo gelaunchte neue Internetportal der Waz: „Das gute Gefühl mitnehmen!“ Lesen die keine Bild? Der Mann hatte brutale Schmerzen auszuhalten und Der Westen spricht von einem „guten Gefühl“? Von einem „gehörigen Schreck“, der Kastrati „unmittelbar nach der Partie (…) in die Glieder gefahren (sei)“. Scheut man in Essen das Wort Hoden? Ich schreibe es hier gerne noch ein paar Mal hin und biete der dortigen Redaktion an, sich zu bedienen: Hoden, Hoden, Hoden, Hoden, Hoden. Das müsste für eine angemessene Überarbeitung des Artikels reichen und man kann sich das verschämte Verstecken der Verletzung Kastratis im folgenden Satz sparen: „Der 27-Jährige hatte sich offenbar schon kurz nach seiner Einwechslung zur zweiten Halbzeit einen Hodenriss zugezogen, blieb aber bis zum Schlusspfiff auf dem Platz“. „Offenbar“ ist eine reichlich schwache Umschreibung für Schmerzen, die an anderer Stelle „Schüttelfrost“ auslösten.

Und was lernen wir aus dieser kleinen Presseschau? Noch eine Woche bis zum DFB-Pokal und zehn Tage bis zum Start der Rückrunde. Dann gibts endlich wieder Wichtigeres zu berichten.

Über den Autor: esleben

Verrät als Freiburg-Fan Heimat wie auch Elternhaus und trinkt ansonsten ausschließlich Veuve Clicquot. Wer wohnt schon in Düsseldorf? Mehr über Esleben auf Google+

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5 comments
  1. Ich muss ja zugeben, ich habe auch gelacht. Wenngleich ich mir die Schmerzen nicht mal vorstellen möchte.

  2. Sensationell geschrieben, auch wenn es mir schwer fiel, die Teile, in denen die Verletzung beschrieben wurde zu lesen.

  3. Sehr schöner Artikel. Gab es nicht in der letzten Saison auch irgendwo einen Penisriß, wo jemand das Leder aufs Genital gedroschen bekommen hat, das danach aussahe wie ne aufgeplatzte Brühwurst?

  4. Keine Ahnung, aber natürlich gab es doch schon das Penis-Tor von Gomez.

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