Ein Scheitern, das wo sicher ist

Der, wo da scheitertTausche sorgenfreies Gammelleben unter herrlicher kalifornischer Sonne gegen den täglichen Arbeitsgang auf den Trainingsplatz im zumeist verregneten Deutschland. So ungefähr könnte man die aktuellen Geschehnisse um Jürgen Klinsmann und Bayern München zusammenfassen. Der WM-Held 2006 is back, der wo so schön schwäbelt. Aber er springt ab Juli ausgerechnet ins bajuwarische Haifischbecken. Zu seinen „Spezis“ Uli und Franz. Selten war in der Bundesliga das Scheitern eines Trainers im Vorfeld klarer als bei Klinsmann und Bayern.

Die Nachricht vom Bayern-Engagement knallte ähnlich überraschend in die Medienlandschaft wie sein Amtsantritt als Bundestrainer 2004. Damals verstörten seine revolutionären Trainigsmethoden die deutschen Fußballfans, um sie dann mit tollem Fußball bei der WM 2006 zu verzücken. Ein Verein spielte bei Klinsis WM-Planungen aber immer eine überraschend untergeordnete Rolle – der FC Bayern München. Erfrischend selten ließ er sich von Beckenbauer, Rummenigge und Co. die Aufstellung diktieren. Mit der Degradierung von Olli Kahn zur Nr. 2 versöhnte er Millionen Fußballfans in Deutschland, die seit Jahren unter dem bayern-hörigen DFB litten.

Und nun gehört er selbst zu diesen bayerischen Lautsprechern. Das macht ihn natürlich (noch) nicht unsympathisch. Es ist nur nicht zu verstehen. Fragen über Fragen beim verdutzten Fußballfan. Was soll Klinsmann denn mit den Millionen Bonusmeilen machen, wenn er nun viermal wöchentlich zum Bayern-Training aus den USA einfliegt? Oder zieht er echt wieder nach Deutschland? Wechselt Odonkor jetzt zu den Bayern? Muss sich Jogi Löw einen neuen Fitnesstrainer suchen? Wird Olli Kahn noch in München wohnen bleiben, wenn sei Erzfeind in die Nachbarschaft zieht? Der Bayerntorwart stellte auf Nachfrage, was er vom Klinsmall-Deal halte, gleich mit gespielter Gelassenheit, die sein beleidigtes Ego trotzdem nicht übertönen konnte, fest: „Damit beschäftige ich mich nicht, das tangiert mich nicht mehr.“

Klinsi ist sicherlich einer der intelligenteren Fußballer, der immer genau wusste, was zu tun ist, um Erfolg zu haben. Trotzdem wäre ohne Löws Trainings- und Taktikverständnis die erfolgreiche WM 2006 nicht möglich gewesen. Deswegen ist auch unser aller Loddar schon gespannt wie ein Flitzebogen: „Mal sehen, wer die Trainingsarbeit dann bei den Bayern übernimmt.“ Matthäus wüsste da sicherlich schon einen Kandidaten. Fängt mit „L“ an und hört mit „oddarmatthäus“ auf.

Kosmopolit Klinsmann wird mit der internationalen Truppe der Bayern sprachlich kein Problem haben. Außer Hochdeutsch spricht er so ziemlich jede Sprache und jeden Slang des Planeten. Nur bekommt er es jetzt mit Stars und Weltmeistern wie Luca Toni, Franck Ribery, Lucio und Ze Roberto zu tun. Die kann er nicht behandeln wie Schweini und Poldi und mit „Nach der Sesamstraße ab ins Bett“ erziehen, wenn die im Training nicht spuren. Der Star ist bei den Bayern nicht mehr der Trainer, auch nicht die Mannschaft. „Der Star“ gibt es dort nicht, sondern nur „Die Stars“. Selbst ein Breno, der bisher noch nicht allzu viel geleistet hat, ist schon einer. Qua Ablöse und Vorschusslorbeer. Mal sehen, wie der schwäbische Bäcker damit umgeht.

Ganz Deutschland äußerte sich positiv über die Klinsmann-Verpflichtung. Von Jogi Löw, über Thomas Helmer, Steffen Heidrich, Klaus Allofs bis zu Thomas Doll gratulierten alle den Bayern. So richtig ehrlich waren nur wenige. Heribert Bruchhagen nennt es ein „interessantes Experiment“. Und fügte leicht süffisant an, dass die Bayern zu ihren vier Experten ja jetzt einen fünften dazu bekämen. „Die Bayern haben dafür eine Tapferkeitsmedaille verdient“, rülpste Udo Lattek ins Mikro und bewies: Kinder und Besoffene sprechen immer die Wahrheit. In Bremen dagegen gab man sich gelassen und desinteressiert – die einzige Reaktion, die tatsächlich glaubwürdig ist. Thorsten Frings: „Das interessiert mich nicht, das interessiert mich wirklich nicht.“ Und sein Trainer Thomas Schaaf attestierte den Bayern, dass diese „sich sicher Gedanken darüber gemacht haben“. Alles andere interssiere ihn nicht. Ein Scheitern Klinsmanns als Bayern-Trainer kündigte aber niemand an.

Nur ein Mensch auf dieser Welt traute sich, Bedenken anzumelden. Mutter Martha Klinsmann gab auf Anfrage des lokalen Radiosenders, was sie denn davon halte, dass ihr Sohn demnächst die Bayern trainieren werde, zu Protokoll: „Das wusste ich noch gar nicht. Ach, Du Scheiße.“

Foto: Wikipedia.de

Über den Autor: Vollspann!

Optimistischer Pessimist und Schöngeist aus dem Ruhrgebiet (Herne). Als hochtalentierter Passivsportler und Dauergast beim BVB kennt er Höhen und Tiefen des Fußballsports.

Optimistischer Pessimist und Schöngeist aus dem Ruhrgebiet (Herne). Als hochtalentierter Passivsportler und Dauergast beim BVB kennt er Höhen und Tiefen des Fußballsports.
28 comments
  1. Ich bin mir sicher, es dient nur der Vorbereitung, um Ulis Nachfolger zu werden. Wenn Klinsmann denn so lange durchhält.

  2. Ich sehe kein zwangsläufiges Scheitern; ich bin nur sehr, sehr gespannt!

  3. @9: Im Gegenteil, die lassen gerade die Sektkorken knallen. Endlich wieder ein feindbild und man muss in hamburg nicht mehr krampfhaft Knut-Nachfolger klonen, sondern kann mal wieder richtig holzen. Bin gespannt wie die morgen aufmachen.

  4. Es wird definitiv scheitern, wenn er wirklich als Trainer engagiert wird. Denn dafür ist er völlig ungeeignet. In einer Art Teammanger-Position könnte er eventuell das Jahr überleben (wollen).

  5. Dann eben auch hier nochmal die Post-Kahn/Hoeness/Hitzfeld-Ära im Detail:

    „Trainer”: Klinsi
    Co-Trainer: Loddar „Die Säge” Matthäus
    Manager: Oliver „Das traue ich mir zu” Bierhoff
    Sportdirektor: „Toppi” Toppmöller
    Torwart: Jens „BVB ist nur Ablenkung” Lehmann
    Vereinskneipe: Gerhard „Prost” Mayer-Vorfelder
    Tresenchef: Mario „Schluck” Basler
    Stammgäste: Wolfram Wuttke & Jörg Dahlmann

    Das wird eine fantastische Saison!

  6. @11: Du glaubst doch wohl selbst nicht, dass Beckenbauer, Hoeneß, Rummenigge und Breitner ihr Haus- und Hofblatt nicht mehr aus erster Hand versorgen, nur weil Klinsi jetzt das Sagen hat?

  7. @3: Rummenigge sagt gerade, dass er wie bei der Nationalmannschaft mit einem Team von Trainern und Spezialisten zusammenarbeiten wird. Darum ist anzunehmen, dass er noch einen echten Trainer dazuholt.

  8. Also doch das Hineinspülen in Wurstis Nachfolge. Das kann unter Umständen klappen.

  9. Na toll. Dann kann ich meinen Artikel ja gleich wieder offline nehmen.

  10. Ach Quatsch! Das ist doch erstmal eine Aussage! Vielleicht stimmt sie ja am Ende auch!

  11. Ich denke, die BILD-Zeitung wird richtig angefressen sein.

  12. @10: Keine Infos mehr zum wichtigsten Verein Deutschlands? Die machen bestimmt keinen Schampus auf…

  13. Ich bin bei der ersten Reporterfrage aus dem Stream geflogen. Durfte mir also nur das alberne Possenspiel mit dem offiziellen Bayern-Pressefuzzi angucken.

    Hatte das Methode oder seid ihr bis zum Ende dabei gewesen?

  14. @13: dann ist er sofort weg! Seine Abneigung gegen BILD ist ja schon fast paranoid.

  15. Also ich tue alles andere, als diesen Trainer wieder zu begrüßen. Der Klinsmann ist für mich garnicht mehr tragbar, und schon garnicht mit Kalli und CSUlli zusammen. Da werde ich glatt wieder zum Bayernhasser, denn Klinsmann sucks!

  16. Berti Vogts sieht das übrigens ganz anders als Kollege Vollspann:

    „Ich bin davon überzeugt, dass Bayern in den nächsten beiden Jahren die Champions League gewinnt“. (sport1.de)

  17. Naja, wenn Berti das sagt, wirds schon stimmen…

  18. Jürgen Roth, der alte Titanic-Fahrensmann, zum Thema: http://www.fr-online.de/in_und_ausland/sport/aktuell/?em_cnt=1270586

  19. Da packt er aber mal wieder alles aus… ;-)

  20. So könnte auch ein Kapitel in „Kotzbrocken“ anfangen.

  21. @18: Ist mir ehrlich gesagt zu hoch…

  22. Langsam kann er einem fast leidtun. Der wird es nie zu was bringen. Der glaubt wahrscheinlich mittlerweile wirklich selber, dass er ein Top-Trainer ist und bei allem im Gespräch ist. Völliger Realitätsverlust.

  23. @23: Nee, im Gegenteil. Ich glaube, er merkt zum ersten mal in seinem Leben, dass er eigentlich eine Pfeife ist und keiner ihn will. Deswegen dieser verletzte Unterton.

  24. „Diskutieren“ hat er erst letzte Woche neu gelernt, deshalb will er das jetzt überall einsetzen.

  25. Zumindest wird es ihm nicht zu doof, dauernd den Beleidigten zu spielen. Und wie oft der diskutieren will. ;-)

  26. Fußball-fachlich kann ich den Inhalt kaum kommentieren. Aber der Unterhaltungswert dieses Artikels ist einmalig! Ich habe mich köstlich amüsiert. Hervorragend, wie Sie aus einem bierernsten Thema Lustiges herausgekitzelt haben.

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