Die Rückkehr des NadW

Jermaine Jones-Shirt Samstag ist es endlich so weit. Nachdem er sich in der letzten Saison noch der offiziellen Verabschiedung im Waldstadion verweigerte, wird es endlich nachgeholt: Jermaine Jones wird offiziell nach Schalke entlassen werden. Eines ist dabei klar: Blumen wird es nicht geben.

Selten hat ein Fußballspieler es geschafft, so viel verbrannte Erde bei einem Verein zu hinterlassen. Doch was genau macht diesen Fall so besonders? Schließlich wechseln jede Saison viele Spieler, auch Publikumslieblinge, zu anderen Vereinen, ohne das die Abneigung ein solches Ausmaß erreicht. Albert Streit wechselt spätestens nächste Saison ebenfalls zu Schalke, dennoch hält sich die Aufregung ihm gegenüber in Grenzen.

Nun, zunächst gibt es eine besondere Vorgeschichte. Schon einmal gab es ein großes Wechseltheater um Jones. Nach dem Aufstieg im Jahr 2003, kündigte er prollig-vollmundig an, die Eintracht „in den UEFA-Cup zu schießen„. Bereits da stand fest, dass er zum Ende der folgenden Saison nach Leverkusen gehen würde, was auch bekannt war. Was folgte, war ein halbes Jahr der Verletzungen und dann der Wechsel bereits im Winter zu Bayer. Dort scheiterte Jones kolossal. Anfang 2005 kehrte er reumütig zur Eintracht zurück, erklärte, das sei ja ohnehin seine große Liebe und so weiter.

Binnen kürzester Zeit wurde er Kapitän und Führungsspieler. Dann folgte Wechseltheater Nr.2 in der letzten Saison. Diese Vorgeschichte ist wichtig, um die Intensität der Reaktion der Frankfurter Fans zu verstehen. Jones war schließlich „einer von ihnen“, der Kapitän, der verlorene Sohn, der einst den Fehler begang, wegzugehen, voller Sühne zurückkehrte und auch ein Hoffnungssymbol für die fußballerische Zukunft der Hessen darstellte.

Nicht sein erneuter Wechsel an sich war das Problem, sondern vielmehr die äußerst unglücklichen und dummen Begleitumstände. Jones’ monatelangen kamerawirksamen Reden, in denen er davon sprach, die Eintracht sei sein erster Ansprechpartner für eine Vertragsverlängerung, er sei stolz Kapitän zu sein und überhaupt sei alles toll.

Nach Bekanntgabe des Wechsels sah sich Jones selbst zu privaten Stellungnahmen im Eintracht-Forum genötigt, in denen er den Fans versicherte, der Entschluß zum Wechsel sei erst jetzt in ihm gereift und um Verständnis warb. Witzigerweise, auch dies ein Zeichen für die gewaltige Distanz zwischen Spielern und Fans, brauchte er dabei gefühlte 100 Beiträge, bis ihm überhaupt jemand glaubte, er sei es wirklich. Spieler, die sich in Foren den Fans stellen, scheinen nicht sehr verbreitet zu sein.

Man könnte jetzt fragen: Wo ist das Problem? Jones, in Frankfurt auf Grund seines Forumsbeitrages „Nichts als die Wahrheit“ nur noch NadW genannt, hat halt den Verein gewechselt und sich sogar noch den Fans gestellt.

Das, was die Frankfurter Fans allerdings so provoziert und am Samstag vermutlich das ganze Stadion kochen lassen wird, ist jedoch die Tatsache, wie sich später heraustellte, dass zu all diesen Zeitpunkten, seinen Interviews, seinen Erklärungen im Forum, er wolle erst richtig gesund werden, bis er sich entscheidet und so weiter, bereits lange feststand, dass er nach Schalke geht, der Vorvertrag schon unterschrieben war.

Und das empfanden die Fans natürlich als eine unglaubliche Frechheit. Fußballfans haben sich heute daran gewöhnt, dass Spieler wechseln, mehr Geld verdienen wollen und eine solche Möglichkeit nicht ausschlagen. Woran sich Fans aber nicht gewöhnt haben und wohl auch nicht sollten ist, dass ihr Kapitän, der „Frankfurter Bub“, sie monatelang mit einer Rührseligkeit und Dreistigkeit belogen hat, dass man sich schon fragt, ob Jones nicht ein besserer Radprofi geworden wäre.

Die einzige Überraschung ist dabei nur, dass nicht der schwarze Abt seine Finger im Spiel hatte. Aber immerhin ROGON, schließlich gings ja nach Schalke.

Wie es richtig geht, zeigt das absolute Gegenbeispiel Albert Streit. Im Gegensatz zu dem Klischee, das ihm anhaftet, hat der Junge nämlich gezeigt, dass es mit Offenheit besser geht und damit Charakter bewiesen. Trotz der Frustration, dass sein Wechsel in der letzten Saison nicht klappte, hängte er sich in dieser Saison bis zu seiner Verletzung voll rein, gab dann frühzeitig bekannt, dass er bei Schalke unterschreibt und gestand ein, dass es neben der sportlichen Herausforderung natürlich vor allem um die Kohle ging.

So wissen in diesem Falle jetzt alle frühzeitig Bescheid. Unabhängig davon, ob er im Winter oder Sommer geht, hat auch die Eintracht Planungssicherheit. Streit wird in Frankfurt in Zukunft eher wohlwollend begrüßt werden, wenn er zu Besuch kommt.

All das, was Streit richtig gemacht hat, hat Jones falsch gemacht. So falsch, dass ihm viele Frankfurter Fans die nächste schwere Verletzung besonders in Frankfurt gönnen würden. Ich bin sehr gespannt, wie das werden wird, da diese Feindseligkeit eine für mich ungekannte Dimension besitzt. Bei ein paar Pfiffen bei seinem Ballbesitz wird es sicherlich nicht bleiben.

Aber wahrscheinlich kommt alles ganz anders: Der Frankfurter Fan-Beauftragte Andreas Hornung spekuliert in einem FAZ-Interview, dass sich Jones vorher schnell eine taktische Grippe oder Zerrung zuziehen wird. Charakterlich würde es passen.

Bildquelle: http://www.adlerblog.de

Über den Autor: Goldschuhe aus

Agent provocateur erster Güte. Ansonsten Misanthrop und Eintracht Frankfurt-Fan. Frisur: vorhanden.

Agent provocateur erster Güte. Ansonsten Misanthrop und Eintracht Frankfurt-Fan. Frisur: vorhanden.
17 comments
  1. Ah ja. Ich habe mich in der Vergangenheit wirklich öfter gefragt, was den Fall Jones so besonders hassenswert macht. Gerade im Zusammenhang mit Streit. Die Frage ist beantwortet.

    Wobei ich es auch voll assozial finde, wenn man öffentlich groß rumnölt, man möchte wechseln und so. So jemand würde bei mir nie wieder spielen. Entweder Identifikation mit der Mannschaft oder Tribüne.

  2. Aber wie sollen denn Fußballer heute Identifikation zu einem Verein haben? Das sind doch Jobs. Nicht mehr, nicht weniger.

  3. Ja klar, ich meine jetzt auch primär die Mannschaft. Und Identifikation mit der Mannschaft heißt für mich: Etwas mit meinen Mitspielern erreichen wollen, für ein gemeinsames Ziel spielen und kämpfen.
    Wenn dann einer sagt, ich will viel lieber weg, dann ist es einfach für die anderen auch scheiße.
    Und das hat auch nichts mit Identifikation mit dem Verein zu tun, sondern damit, ob man seinen Job ernstnimmt und so gut wie möglich machen will.
    Und da sehe ich eine Lücke im Fall von Streit.

  4. Entweder Identifikation mit der Mannschaft oder Tribüne.

    Dann würden aber jede Woche viel mehr Amateure in der Bundesliga ran müssen. ;-)

    Streit hängt sich voll rein, will aber weg. Ich sehe da kein Problem. Schalke kann sich sicher sein, dass der sich auch bei einer Nichtqualifikation für die CL reinhängen wird. Bei Jones bin ich mir da nicht so sicher. Der ist dann wieder verletzt und hat längst beim HSV unterschrieben.
    Auf die Pseudo-Identifikation mit den Fans, Verein oder Mannschaft können sowieso alle verzichten. Das glaubt doch spätestens seit Andi Möllers rührseliger Mikrofonrede vor der Südtribüne kein Mensch mehr.

  5. @3: Der Streit zeigt aber jede Woche gute Leistungen und ist ehrlich, das reicht an Identifikation. Der Rest in der Mannschaft sieht ja auch, dass der in einer anderen Klasse kickt.

  6. Zu Jones: Absolut alles richtig, was im Artikel steht. J“Judas“J wird hoffentlich gebührend empfangen und das hat meine volle Unterstützung.

    Zu Streit: Sorry, aber wenn ein „hängt sich voll rein“ ne Auszeichnung sein soll, dann muss ich dem widersprechen. Das sollte (!) normal sein. Das Reinhängen bereits als Besonderheit zu erwähnen, zeigt eigentlich schon den ganzen Fall Streit auf.

  7. @6: Was erwartest Du denn noch von Streit, außer dass er Leistung zeigt, solange er bei uns ist? Ich wollte doch nur sagen, dass er sich ja eben nicht hängen lässt und niemanden verarscht. Das ist halt der Unterschied zu NadW.

  8. Ich wollte Streit damit auch nicht loben. Ich wollte nur deutlich machen, dass nicht jeder Wechselwillige automatisch nur noch lustlos über den Platz schlurft, damit er auch ja rausgeschmissen wird.

  9. Ab vom Thema: Schneider3, schon den Kasten gekauft? Ich denke, die Wette geht an mich…

  10. Fakt ist doch, dass weder Jones noch Streit das sind, was man „charakterlich einwandfreie Typen“ (bestimmt U.Lattek) nennt. Und davon kaspern in der Bundesliga eh eher mehr al weniger durch die Gegend, da sollte man nicht jedesmal mit „Judas“ und so einem Käse ankommen, wenn sich einer dieser Typen mal wieder im Dickicht von Berater, Verein, Medien und eigenen Interessen verstrickt. Kopfmäßig bekommen die so etwas einfach nicht gebacken.

  11. Naja, was Jones abgezogen hat, kann man auch nicht alles auf das Dickicht schieben. Eine gewisse Selbstverantwortung haben die ebenfalls, wie jeder andere Mensch. Das ist schon ein besonderer Fall. Und darüber hinaus denke ich nicht, dass man die beiden aus den im Artikel genannten Gründen in einen Topf werfen sollte.

  12. Jones aktuell zu diesem Thema: „Es gibt im Fußball einfach keine Gerechtigkeit.“ Er fühlt sich mißverstanden…

  13. Vermutlich, weil wir es nicht ausreichend honorieren, dass er die letzten 4 Spiele der letzten Saison noch hätte machen können, es aber vorzog, sich schön für Schalke auszuruhen.

  14. Jau, das hat er in der WAZ auch gesagt….wenn er meint…

  15. „Schweinekopf „ist das Stichwort und Figo weiß ein Liedchen davon zu singen …

  16. Genau. Das wäre mal ne Maßnahme!

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