Christoph, walk on!

Christoph Sommer 2000, Fußballdeutschland liegt am Boden. Ein Punkt und ein Tor lautet die magere Ausbeute aus der Vorrundengruppe mit Rumänien, England und Portugal. Ein neuer Mann für die Bank musste her. „Sir“ Erich Ribbeck, zwei Jahre zuvor vom Golfpensionär zum Bundestrainer befördert, war auf der ganzen Linie gescheitert. Ob es an seinen kryptischen Aussagen lag oder doch eher an seinem mangelnden Sachverstand, interessierte damals wie heute kein bisschen. Zumal ein Messias zur Rettung des deutschen Fußballs bereit stand: Christoph Daum.

Mit spektakulären Maßnahmen (Stichwort: glühende Kohlen) und seinem nervös flackernden Blick konnte Christoph Daum die DFB-Spitze überzeugen, der richtige Mann zur richtigen Zeit zu sein. Nur in München, wo Daums Intimfeind Uli Hoeneß regierte, war man nicht zufrieden mit der Wahl des deutschen Fußballbundes. Was folgte ging in die Geschichtsbücher als Daum-Affäre ein. Nachdem der DFB verkündete hatte, dass man doch nicht mit Schneekönig Daum ins Geschäft kommen möchte, kam es in meiner damaligen Wohngemeinschaft (Als linker Weltverbesserer habe ich weite Teile meiner sogenannten Studentenzeit in diesem 68er-Relikt verbracht) zu bizarren Solidaritätskundgebungen. „You`ll never walk alone“, die unsingbarste aller Fußballhymnen dröhnte durch die Wohnung und ein paar DFB-Drogenkommision konforme Biere später war fix eine grandiose Geschäftsidee geboren: Wir compilieren eine CD mit allen Versionen von „You`ll never walk alone“, pappen ein Bild von Christoph Daum aufs Cover und brennen uns reich. Scheiß auf Urheberrecht, schnelles Geld war alles was wir wollten. Außer Solidarität mit Christoph Daum natürlich.

Das Angebot in den Weiten des Kazaa-, Napster-, Emule-Netzes war gigantisch und so schafften es lediglich 23 Versionen auf den Silberling. Leider ging das überragende Produkt nie in Serie, obwohl doch Stars wie Elvis Presley, Aretha Franklin, eine holländische Blaskapelle und Howard Carpendale mit der einzigen deutschen Version im Netz aufgetan wurden. Offenbar litt unser Geschäftssinn zu sehr unter dem Konsum DFB-konformer Partydrogen, jedenfalls wurden die umfangreichen Linernotes nie geschrieben und das Projekt verschwand im Orkus. Bis gestern: da erreichte mich eine circa 70 MB große Zipfile aus der Schweiz. Ihr Inhalt: 23 Versionen von „You`ll never Walk alone“.

In diesem Sinne: „This song needs no introduction!“ (70 MB)

Über den Autor: esleben

Verrät als Freiburg-Fan Heimat wie auch Elternhaus und trinkt ansonsten ausschließlich Veuve Clicquot. Wer wohnt schon in Düsseldorf? Mehr über Esleben auf Google+

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37 comments
  1. Wieder mal eine Chance verpasst, unfassbar reich und berühmt zu werden…

  2. Geld ist nicht alles! (Remember: linker Weltverbesserer!)

  3. Gott sei Dank bin ich ja Anhänger des Turbokapitalismus und kann guten Gewissens dazu stehen, dass ich Mercedes geiler finde als Dacia… ;-)

    Wie anstrengend muss diese fortwährende Selbstgeißelung als Weltverbesserer nur sein…

  4. Ich glaube, eigentlich bist du der größte Idealist und Moralist von allen! ;-)

  5. @4: „Zynismus ist, ein Ding zu betrachten, wie es wirklich ist, und nicht, wie es sein sollte.“ (Oscar Wilde)

  6. Du bist aber weniger Zyniker, eher Kyniker. ;-)

  7. @ 6: Das glaube ich kaum. Die Askese hat mich noch nie so besonders angesprochen… ;-)

  8. Askese=Verzicht auf etwas, das von einer gesellschaftlichen Mehrheit für normal gehalten wird.
    Normal=Schlagerparty in der Zeche.

    Du bist also Asket. q.e.d.

    ;-)

  9. @8: Nee, denn: „etwas, das von einer gesellschaftlichen Mehrheit für normal gehalten wird“ = Moritz-Fiege-Pils.

    Ich bin also kein Asket. q.e.d. ;-)

  10. Reden hier wieder Blinde über Bilder? Wann habt ihr denn bitte das letzte Pils am Hals gehabt?

    Das ist übrigens der einzige Makel der Pinte: Dass es da kein Fiege gibt. Sondern DAB…brrr

    Aber im zweistelligen Glas-Bereich fängt sogar das an zu schmecken…

  11. Gut gekühlt rinnt auch DAB adäquat die Kehle hinunter.

  12. Oh nein, ich wusste es. Kaum erwähnt man mal einen Brauerei-Namen, beginnt wieder der „Ich trinke mehr als Du“-Schwanzvergleich…

  13. Offenbar hat sich von euch Knalltüten noch keiner die Zip-File mit den 23 Songs runtergeladen, dann könnte man hier wenigstens mal über die Sache diskutieren.

  14. Muss man die denn alle hören, um darüber zu diskutieren? Ich glaube, meine Vorstellungskraft reicht, um mir die Version von Howie vorzustellen.

  15. Deine Vorstellungskraft reicht bei weitem nicht aus, um die Tragweite von Howies Beitrag einschätzen zu können. Und natürlich muss man alle 23 Versionen nicht nur gehört haben, man muss sie auch besitzen. Müsste doch zu deinem turbokapitalistischen Weltbild passen, ich habe jedenfalls Gewissensbisse, dass ich jetzt soviele Songs „besitze“.

  16. @15: Ich werde sie mir bei gelegenheit zu Gemüte führen. Besitz interessiert mich aber nur, wenn er mein Leben verbessert… ;-)

  17. Lieder von Howie verbessern das Leben grundsätzlich. Genauso wie TV-Serien über Tennislehrer mit Howie in der Hauptrolle.

  18. Ti amo, ti amo…

  19. Ich bin gerührt, dass ich in diesem Blog Zeuge von so viel menschlicher Wärme, ja tiefster Verbundenheit werden darf.

  20. Das sind wirklich schöne Szenen, die sich hier abspielen. Dabei sollte man aber auch nicht aus den Augen verlieren, dass es Menschen gibt, denen es nicht so gut geht: Wayne Carpendale und Yvonne Catterfeld haben sich getrennt.

    Hat gestern eigentlich jemand das Spiel gesehen? Schon wieder so eine Farce, die zu einem Platzverweis geführt hat. Hoffnungen auf das Aufzeigen mafiöser und ähnlicher Zusammenhänge seitens des DFB durch Christoph Daum wurden nur leider nicht erfüllt. Aber der Kerl, der auf der anderen Seite des unberührbaren Udo Latteks neben den beiden Trainer stand war jawohl mal der behindertste Kerl der Welt. Saudumme Fragen gestellt und dabei dauergegrinst, als ob er auf Drogen wäre. Abgesehen davon, dass die Ekelstimme wieder das Spiel kommentiert hat…

  21. @17: Nachdem du 23 mal „You´ll never walk alone“ gehört hast, bist du ein völlig neuer, ich möchte sogar sagen, (noch) besserer Mensch.

  22. @22: So, du hast mich überzeugt. Ich möchte auch meine Seele reinigen und ein besserer Mensch werden. Ich lad es runter.

  23. @22: Ich möchte lieber ein immer schlechterer als besserer Mensch werden. Die Welt im Allgemeinen und die Menschen im Besonderen habe es nicht anders verdient.

  24. Also wenn hier noch ein einziges Mal das Wort Carpen… fällt, gibts ne Runde Fratzengeballer.

    Wo sind wir denn hier?

  25. Da hast du: Carpendale, Carpendale, Carpendale!

  26. Welcher Nummer hat denn der Track von Carpendale?

  27. @26: Unsagbar vorhersehbar. Düsseldorf tut Dir nicht gut…;-)

  28. Mein Gott, die Stuttgarter blamieren sich ja mehr in der CL als vorher vorstellbar war. Das ist ja peinlich.

  29. Und Schäfer hat diesmal sogar Leistung gezeigt.

  30. @27: Das wird natürlich nicht verraten. ;-)

  31. Meinetwegen kann Christoph Daum im übrigen inzwischen gerne mit „Walk on“ loslegen. Und zwar sehr weit weg. Ich kann den kaum noch ertragen ohne Übelkeit und Fremdschämen.

  32. Dein Freund Dahlmann war gestern übrigens in sensationeller Form. Sprach die ganze Zeit nur rheinischen Dialekt und meinte irgendwann: „Hach, ich fühl mich heut´so rheinisch“. Als Studiogast hatte er Maik Franz, Sympath der Mann, wenn auch fußballerisch völlig unterbemittelt.

  33. Ach, der Jörg, das einzige, was ich am DSF vermisse…

  34. @33: Der Franz ist in meinem Kickerteam. Vollprofiverteidiger mit Hang zum Tor bzw. zu beiden Toren.

  35. Ich pack das mal hierhin: in Sachen Größenwahn schlägt keiner Köln! Die haben echt nen Live-Ticker zur Daum-Entscheidung im Express:

    http://www.express.de/nachrichten/

    Sensationell!!!

  36. Hab schnell mal einen Artikel daraus gebastelt.

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