Die falsche Lichtgestalt

Michael Ballack sei ein Weltklassespieler, der würdige Nachfolger eines Lothar Matthäus (auf dem Platz) und überhaupt hinge ganz Fußballdeutschland vom Wohl und Wehe seiner Person ab – das alles wurde uns von der desolaten „Fach“presse jahrelang vorgekaut. Nur wenige kritische Geister trauten sich, schon damals zu bemerken, dass das ein gravierendes Fehlurteil war.

Inzwischen sollte es jedem schimmern: Michael Ballack ist Zeit seiner Karriere so massiv überschätzt worden, wie kaum ein anderer Spieler (Ausnahme: Beckham) in der Geschichte des Sports.

Seit seinem Wechsel zu Chelsea, eigentlich seit der WM 2006 arbeitet jemand daran, mit diesem Mythos endlich aufzuräumen: Ballack selbst.

Seine erste Saison hinaus aus der viel zu selbstreferentiellen Bundesliga wird von Befürwortern als unglücklich, von Menschen mit offenem Auge aber als desolat bezeichnet. Er ist nie bei Chelsea angekommen, fand keine Bindung zum schnellen Spiel auf der Insel und konnte sich nicht mal innerhalb seines Teams einen Hauch Respekt verdienen. Seine kühle, distanzierte Art macht es ihm dabei sicher nicht leichter, die Herzen der Briten zu gewinnen.

Dazu seine ständige Verletzungsanfälligkeit, die ihn schon immer verfolgt. Es sind nie die wirklich schlimmen Dinge wie Kreuzbandrisse, sondern fortwährende Wehwehchen, die ihm hier und da das Image der Heulsuse (insofern also eher Nachfolger von Andi M.) einbrachten.

Doch der Abstieg begann bereits während der WM 2006. Als „Leader“ (alle Fußballidioten) auf ein Podest gehoben, konnte er diese Erwartungshaltung nie erfüllen. Er war bestenfalls Durchschnitt in der erstaunlich erfreulichen Nationalmannschaft; die Stars des Turniers waren aus deutscher Sicht doch eher die Herren Klose, Frings, Schneider und Lahm. Es gibt keine Argumente, den Kapitän als sonderlich wichtig für das Abschneiden der Mannschaft zu bezeichnen. Schon da wurde klar: So sehr braucht man ihn gar nicht.

Dieser Umstand wird in seiner höchst merkwürdigen Verletzungspause immer deutlicher: Die Nationalmannschaft spielt und spielt, gewinnt und gewinnt und eigentlich vermisst niemand den behäbigen Mittelfeldmann aus Görlitz, der ohnehin regelmäßig in den wirklich wichtigen Spielen abtauchte.

In seinem Verein ist die Situation noch schlimmer: Offensichtlich hat man dort nur darauf gewartet, Ballack endlich ausbooten zu können, man möchte ihn wohl lieber gleich als später loswerden. Warum Real Madrid wirklich noch an ihm interessiert sein soll, kann nur damit erklärt werden, dass der blonde Engel eine deutsche Achse einbauen möchte.

Man könnte sagen, Ballack ist analog zu Mehmet Scholl das ewige Talent, das den ganz großen Sprung zu einem Weltklassespieler nie geschafft hat, doch dieser Vergleich greift zu kurz.

Waren es bei Scholl die Verletzungsanfälligkeit und das fehlende Durchsetzungsvermögen, ist bei Ballack etwas anderes die Ursache: mangelnde fußballerische Qualität.

Er hätte als okayer Kicker in die Fußballhistorie eingehen können, doch man hat ihm keinen Gefallen getan, ihn zur Lichtgestalt zu erklären als Fußball-Deutschland einen Retter brauchte. Diese Rolle konnte er nie erfüllen, so gut ist er einfach nicht.
In Anbetracht seiner bald 31 Jahre ist man geneigt hinzuzufügen: Und er wird es auch nicht mehr.

Über den Autor: Goldschuhe aus

Agent provocateur erster Güte. Ansonsten Misanthrop und Eintracht Frankfurt-Fan. Frisur: vorhanden.

Agent provocateur erster Güte. Ansonsten Misanthrop und Eintracht Frankfurt-Fan. Frisur: vorhanden.
34 comments
  1. Ich we߸ nicht, ob ich mich damit wieder als Polizei aufspiele, aber: die WM 2002 war so schlecht nicht und ich kann man mich da an einige, immens wichtige Tore erinnern, die Ballack gemacht hat. Inklusive des wichtigen Fouls im Halbfinale.
    Trotzdem bleibt Ballack ein überschätzter Spieler, da gebe ich dir recht. Der soll lieber im Internet surfen.

  2. Das ist vollkommen richtig. Die WM 2002 war die mit Abstand beste Leistung seiner Karriere. Unbstritten.

  3. Schon in Leverkusens Vize-Saison war er völlig überschätzt. Ohne Schneider und Ze Roberto damals wäre er auch da schon untergegangen.
    Das Einzige, was ihn wirklich auszeichnet, ist seine (offensive) Kopfballstärke, die für einen Mittelfeldspieler schon gut ist, und seine ordentliche Schusstechnik beidfüssig.
    Nen Leader war und ist er aber nie.

  4. Insgesamt kann ich dem Tenor des Artikels schon recht geben.
    Nur: Wie viele Spiele von Chealsea hast du denn live gesehen, um die Spielweise von Ballack da so beurteilen?
    Und ich habe es schon mehrmals gesagt: Für mich war Ballack bei der WM 2006 sehr gut (bis auf das Italien-Spiel). Alle haben immer zu Recht geschrien, dass er ein zentraler bis defensiver Mittelfeldspieler ist. Und kaum spielt er in der Position, und das sogar richtig gut, sagt man wieder, er macht keine Tore und setzt wenig Akzente nach vorne. Ich behaupte: Wer ihn bei der WM 2006 mal ganz abgesehen von diesem ganzen Leader- und Führungsspieler-Gelaber beobachtet hat, wird kaum behaupten, dass er keine gute WM gespielt hat. Und so einige gute Pässe waren auch dabei.

    Ich behaupte, dass er für die Mannschaft vielleicht nicht so wichtig ist, aber klar ist: Er hat sich für den Erfolg der Mannschaft untergeordnet und auf einer defensiven Position gespielt und dafür auf seine Torgefährlichkeit verzichtet. Und da gab es mit Frings fast keinen (Pirlo ist eine Aunahme), der bei der WM auf dieser Position besser war.

    Ballack ist we߸ Gott kein Heilsbringer und lange nicht dass, zu was ihn viele „Experten“ hochstilisiert haben, aber er ist auch einfach nicht der Versager, zu dem er von manchen immer gemacht wird.

  5. @4: Niemand redet von „Versager“, er ist halt einfach ein international durchschnittlicher Fußballer, der mal etwas bessere und mal schlechtere Zeiten hatte.

    Und zu dem Argument, es hätte bei der WM an der zurückgezogenen Rolle gelegen: Frings hat noch ein Stück hinter ihm gespielt und war wesentlich präsenter und wichtiger und hat dem Spiel viel mehr seinen Stempel aufgedrückt. Das taugt nicht als Erklärung.

    Und was heisst den bitte „für den Erfolg der Mannschaft“ untergeordnet? Er hat da gespielt, wo der Trainer ihn hingestellt hat und hat nach schwachem Spiel die größte Freistoß-Chance gegen Italien geradzu erbärmlich vernichtet, obwohl andere wesentlich besseres Gefühl im Fuß gehabt hätten.

    Und natürlich habe ich wenig Spiele bei Chelsea live gesehen. Nur aus irgendeinem Grund wird man ihn da ja wohl loswerden wollen, oder? Sicher nicht, weil seine letzte Saison so großartig war.

  6. Übrigens: Das Kerner-Beckmann-Interview ist ganz geil:
    Beckmann: „Gut aufgepasst. Aber das Schlimmste, was uns passieren kann, ist zu nerven, weil wir zu viel und unkontrolliert babbeln.“

    Ja. So ist es. Wenn ihr es schon erkennt, warum macht ihr es dann trotzdem, ihr Fucks.

  7. @5: Ja, ich gebe zu, das mit dem „der Mannschaft unterordnen“ ziehe ich zurück. Aber er hat ja nach dem Italien-Spiel selber reklamiert, dass zu offensiv gespielt werden würde und hat dann klaglos die neue Rolle akzeptiert. Immerhin.

    Und zu Chealsea: Ich denke auch nicht, dass er überragend war, aber ich denke eben auch, dass Mourinho ein Riesen-Arschloch ist. Von daher hätte ich mir mal gerne selber ein Bild bei einigen Spielen gemacht.

    International durchschnittlich ist ok. Aber ich würde ihn schon im oberen Durchschnittsbereich führen.

  8. Und weil Mourinho ein Arschloch ist, demontiert er den mit viel Erwartungen von ihm selbst geforderten und geholten Ballack, den er zu Beginn noch ständig gegen die harsche Kritik verteidigt hat? Reicht mir nicht als Einwand.

  9. Ich will dich auch nicht überzeugen, da das eh nicht möglich ist. Ich möchte auch nicht den perfekten Einwand äußern, lediglich meine Meinung.

  10. Ich verstehe halt den Zusammenhang zwischen Mourinhos Charakter und Ballacks sportliche Ausbootung nicht.

  11. Der Zusammenhang ist für mich klar: Ich glaube, der ist relativ emotional und impulsiv und ist immer noch beleidigt, dass Ballack nach der Veletzung nach Deutschland zur Behandlung geflogen ist.

    Und ich we߸ nicht, ob er so schlecht war. Und wenn er so wie immer gespielt hat, kann es Mourinho kaum überrascht haben, da er ihn ja schließlich haben wollte. Man kann davon ausgehen, dass er ihn lang beobachtet hat.

  12. Er wird ihm das Potential zugetraut haben, sich den höheren Anforderungen in England anzupassen. Und das hat Ballack offensichtlich nicht geschafft, schließlich haben die Presse und seine Mitspieler schon gefordert, ihn rauszunehmen als Mourinho ihn noch verteidigte.

  13. Alles in allem war das mit Chelsea offensichtlich ein Irrtum und er wird bestimmt bald wechseln.

  14. Ja, und dort wird es genauso scheitern, es sei denn, er geht in die Bundesliga zurück oder sucht sich eine nicht ganz so große Nummer wie Chelsea oder Real.

  15. Chelsea und Ballack war einfach ein „großes Missverständnis“ wie im Stern gestern schon geschrieben wurde. Mittlerweile kann man auf in England Wetten auf „Welche Maßnahme oder Provokation lässt sich der FC Chelsea als nächstes einfallen, um Michael Ballack von der Insel zu jagen?“ abschliessen.

  16. Lustig ist, dass es in diesem Fall anders herum ist. Der Verein will einen Spieler loshaben und stichelt. Sonst ist das meist umgekehrt: Die Spieler treiben die Vereine mit Provokationen vor sich her.
    Ballack muss schon eine sehr schwache Position bei Chelsea haben.

  17. Ich glaube er hatte das Problem, dass er von den ganzen Stars dort nicht akzeptiert wurde. Vielleicht war auch das Problem, dass er soviel Kohle bekommt. Ich denke, wenn ein Lampard, Terry oder Drogba entsprechende Aussagen über Ballack tätig, dann zählt das in dem Team auch was.

  18. Ist Ballack nicht sogar der Spieler auf der Insel, der am meisten verdient? Kann mir gut vorstellen, dass Chelsea insgesamt ein ziemlich intriganter Haufen ist, da will ja jeder der große Zampano sein. Vom Papier her müssten die eigentlich ein Abo auf die CL haben, aber irgendwas scheint ja zu fehlen. Vielleicht Teamgeist?

  19. Ich denke, jetzt dürfte es Terry sein, oder? Hat der sich nicht gerade einen Monster-Vertrag erbeten?
    Ich denke auch, dass es in solch einem Team sehr intrigant zugeht. Gerade dann bestehst Du halt nur, wenn Du auch vor Deinen Kollegen jede Woche beweist, dass es einen Grund für Dein horrendes Gehalt gibt.
    Aber auch dann: Richtiger Teamgeist geht sicher anders.

  20. @18: Ja ich glaube auch, irgendwo gelesen zu haben, dass Ballack in der Premier League der Topverdiener war (ich meine die Summe wäre irgendwas mit 9 Mio. € gewesen, was einfach zu krass ist).

    @19: Das mit dem Monster-Vertrag könnte gut stimmen. Laut ’nem Blog (http://www.kerching.tv/2007/08/chelsea_and_england_captain_jo.html) verdient der jetzt 7. Mio Pfund (!!!) im Jahr. Ich mein, der Typ ist ein absoluter Gigant, aber das ist schon eine Summe, die jeneseits von Gut und Böse ist.

  21. @20: Hallo? Terry, ein Gigant? Das ist ein guter Abwehrspieler, aber 7 Millionen Pfund? Bei Wales spielte neulich einer, der für 14 Millionen Euro innerhalb der PL gewechselt ist. Sprich, der kostet mehr als Klose, war aber erschreckend schwach bis mittel begabt.

    Will sagen: in der PL werden Summen bezahlt, die in keinem Verhältnis zur Leistung stehen. So eben auch bei Ballack.

  22. Der is halt leider nur ein Gigant im Verein. Eine Pfeife in der Nationalmannschaft.

    @Christian. Gib doch bitte die Quelle des Bildes noch an. Nicht, dass wir da Probleme bekommen. Hab neulich wieder Horrorstories gelesen.

  23. Die Hauptdiskussion habe ich ja leider verpasst. Egal.

    @1: Ballack war bei der WM 2002 schon sehr gut. Aber warum er immer wieder für dieses Foul im Halbfinale gefeiert wird, werde ich nie verstehen. Ich habe die Szene nicht mehr im Kopf, aber es war doch nicht so, dass ohne Foul auf jeden Fall das 1:1 gefallen wäre. Und selbst wenn: Dann hätten wir auch noch nicht verloren gehabt.

  24. @22: Weisste, was ich jetzt eher mache: Ich nehme das Bild raus. Erstens nervt mich dieses ständige Foto-Zeug. Das Wort ist viel wichtiger. Und zweitens nutzt uns die bloße Angabe der Quelle ja herzlich wenig, wenn uns jemand böse will.

    Ich werde jetzt nur noch Worte raushauen, aber das besser denn je… ;-)

  25. @23: Und vor allem muss er sich ja dann in einem Spiel vorher schon die erste Gelbe abgeholt haben. Und auch da muss man halt clever sein, wenn man „Weltklasse“ sein möchte.

  26. Hmm, aber das mit den Bildern sieht halt echt gut aus. Nur Wort ist irgendwie sche߸e. Vielleicht können wir das morgen mal ausführlich bereden.

  27. Und es bringt wenig, wenn nur du jetzt dein Foto wegnimmst. Wenn, dann muss alles weg, denn verantwortlich sind wir alle.

  28. @25: Genau. Außerdem: Es gibt keine cleveren Fouls. Diesen Ausdruck finde ich ekelerregend.

  29. @27: Ich kann Euch ja nicht zwingen, meinem Weg zu folgen. Wie gesagt, ich kann auf die Fotos verzichten. Mich nerven sie nur.

    @28: Richtig.

  30. Jetzt seid ihr aber mal zur Abwechslung die Romantiker. Doch, natürlich gibt es clevere Fouls. Nenn sie halt taktische Fouls oder nötige Fouls.

    Klar sind die sche߸e, aber ich kann von mir nicht behaupten, dass ich das nicht auch schon gemacht hätte.

  31. @30: Ja, wenn es um die Belohnung von Fouls geht, bin ich Romantiker, das kann ich nicht haben.

  32. Komm doch mal wieder mit Fußballspielen. Dann grätsch ich dich vor dem Tor in aussichtsreicher Position ab.

  33. So weit nach vorne komme ich doch gar nicht…

  34. Naja, immerhin hast du schon mal fast ein Kopfballtor gemacht.

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