Polemik des Tages: Jan Ullrich entlarvt glaubhaft die Dopingbeichten als Märchen

„Piep piep“.  Rolf Aldag nimmt sein Handy in die Hand: SMS von Ulle. Aldag werde Protagonist in seinem Buch, sollte Deutschlands erfolgreichster Radsportler jemals unter die Autoren treten, hieß es in der Kurznachricht. Ulle lobt dort ausdrücklich die Erzählqualitäten von Märchenonkel Rolf. Recht so, Jan. Du bist ein Radsportler, der sich nicht scheut, die Wahrheit für sich zu pachten und gleichzeitig für sich zu behalten. Die Phantastereien von Nicht-Tour de France-Siegern wie Jörg Jaksche, Bert Dietz, Rolf Aldag und Erik Zabel über systematisches Doping in der Radsportszene erinnern ja eher an Philip K. Dicksche Science Fiction-Verfolgungswahnvorstellungen.

Schon immer wünschten die Neider der Nation den Ulle zum Teufel. Diesen großartigen Sportler, der schon qua Geburtsstaat fern jeden Verdachts auf Doping ist. Wenn sich unser Radheld mal im Winter zu Recht den ein oder anderen Yogurette-Riegel gegönnt hat und dabei ein Pfündchen oder zwei zunahm, hieß es sofort: Moppel und fauler Sack. Mit hartem Training im Frühjahr speckte Ulle dann Kilo um Kilo ab. Disziplin par excellence. Da hat der neidische Pöbel aber regelmäßig ganz blöd aus der Wäsche geguckt.

Nur hinterhältig konnten sie ihn ausbremsen, die bösen Buben. Eine Pille schmissen sie Ulle ins Mineralwasser, als er natürlich widerwillig in eine lokale Diskothek mitgeschleppt wurde und dort die ein oder andere Minute verbrachte, vertieft in ein gutes Buch. Viel lieber hätte er trainiert. Aber sein Trainingsgerät hat ja dummerweise keinen Dynamo oder gar eine Lampe, so dass er des nächtens nie trainieren konnte, möchte man zu Recht die mangelnde Verkehrssicherheit seines Arbeitsgeräts anprangern.

Und nun möchten ehemalige Mitsportler, die jahrelang als Sklave ihrer eigenen Mittelmäßigkeit im weiten Feld der Hinterherfahrer gefangen waren, mit erfundenen Doping-Beichten ein wenig von Ullrichs Glanz abbekommen. Einmal im Mittelpunkt stehen, einmal der Star sein – nur deswegen macht Jörg Jaksche reinen Tisch. Der ja gar nicht so rein ist, weil erstunken und erlogen. Spritzen im Arm beim Radsport? Na klar, aber doch nur, um Blut abzunehmen, das dann regelmäßig auf Krankheiten untersucht wird, die dann sofort bekämpft werden. Das weiß doch jedes Kind. Oder kennt jemand einen Tour de France-Sieger, der krank im gelben Trikot über die Ziellinie fuhr? Na gut, Lance Armstrong hat nur noch ein Ei. Aber der war ja auch gedopt bis unters Dach. Sonst hätte er Ulle ja gar nicht besiegen können. Mit nur einem Ei.

Noch einmal: Doping im Radsport gibt es nicht. Jan Ullrich ist der beste Beweis für diese These. Er beklagt, dass Rolf Aldag eine Menge Geld mit ihm als Team-Kapitän verdient habe. „Wenn es kein sauberes Geld ist, wieso hat er es nicht zurückgegeben oder einer gemeinnützigen Organisation gespendet?“, fragt Ullrich und die Radsportwelt applaudiert begeistert. So einfach ist das, Aldag als Lügner zu entlarven. Dieser mittelmäßig begabte Ex-Radler. Alles Quatsch, was er über Doping abgesondert hat.

Genau wie Erik Zabel. Der heulende Sprinter redet doch nur unter Druck. „Er und Aldag mussten das doch zugeben, um überhaupt weiterarbeiten zu dürfen“, führt Jan Ullrich seine stringente Entlarvung der Lügner weiter fort. Außerdem: „Haben Sie überhaupt alles gesagt?“, fragt Ulle. Super, Jan. Da deckt er einen weiteren Skandal auf: Erst lügen sich Zabel und Aldag selbst in die Taschen und dann verschweigen sie noch das Meiste, um nicht lange gesperrt zu werden. Vor allem Aldag, der schon seit Jahren das Radsporttrikot an den Nagel gehängt hat und denselben Nagel krumm gekloppt hat, möchte wahrscheinlich eine Sperre umgehen. Wer in Ulles Worten Widersprüche wittern will, ist doch nur neidisch auf seinen Megaerfolg und seine reine Weste.

Richtig wohl fühlt sich Jan Ullrich, Deutschlands fairster Sportler, momentan. „Ich bin niemandem etwas schuldig. Ich habe genug Geld, um gemütlich bis ans Ende meiner Tage zu leben“, sagt er, ohne rot zu werden. Jan Ullrich spüre eine „neue Freiheit“. Diese Freiheit beinhaltet anscheinend, sich eine eigene Welt aufzubauen, in der ihn nur noch wenige willfährige und bestechliche Handlanger unterstützen und die ferner der Realität ist, als Dinosaurier, die im Archäologiemuseum zu Herne zum Leben erwachen. Ach ja, die SMS hat Rolf Aldag nach eigenem Bekunden nie erhalten. Und irgendwie sind seine Aussagen glaubwürdiger, als die Spinnereien eines inzwischen völlig der realen Welt entrückten Jan Ullrich.

Über den Autor: Vollspann!

Optimistischer Pessimist und Schöngeist aus dem Ruhrgebiet (Herne). Als hochtalentierter Passivsportler und Dauergast beim BVB kennt er Höhen und Tiefen des Fußballsports.

Optimistischer Pessimist und Schöngeist aus dem Ruhrgebiet (Herne). Als hochtalentierter Passivsportler und Dauergast beim BVB kennt er Höhen und Tiefen des Fußballsports.
15 comments
  1. Einerseits natürlich richtig. Andererseits ist es ja schon bezeichnend, dass Aldag und Zabel gerade Dinge gestanden haben, die überraschenderweise soeben verjährt waren und daher nicht mehr juristisch relevant sind. Dazu kommt: Es geht mir auch auf die Nerven, dass der Jaksche, der jahrhundertelang vollgespickt mit Drogen aufs Rad geklettert ist, sich jetzt als Saubermann präsentiert und gleichzeitig durch seine Enthüllungen vermutlich mehr Geld verdient als er jemals hätte erradeln können.

  2. Das sind die Begleiterscheinungen. Klar hatte Ulle recht, wenn er meint, die wollten eine Sperre umgehen. Aber das Skurrile ist doch, dass Ullrich einerseits sagt, das seien alles Märchen, aber dann meint, Aldag und Zabel hätten nicht alles erzählt. Da muss man doch fragen: „Ja, was ist denn dann „Alles“? Erzählen Sie doch mal, Herr Ulrich.“

    Zu Jaksche hat Fabian Wegmann ja schon ein paar passende Worte gesagt.

  3. Vorher hat mich dieser Sport nicht interessiert.

    Jetzt kotzt er mich nur noch an.

    Ich will von dem ganzen Schrott nicht mehr belästigt werden. Nicht in der Tagesschau, nicht in der Sportschau, nicht im Spiegel oder sonstwo.

    Bitte das Hauptfeld in irgendeinem langen französischen Autobahntunnel durch gezielte Sprengungen an Ein- und Ausfahrt effizient beerdigen.

    Die Ausre߸er können sich auf Lebenszeit als menschliche Versuchskaninchen die neuesten Drogencocktails anonym und straffrei spritzen, bis sie daran verrecken.

  4. @3: Sauberer Rundumschlag… ;-)
    Kann ich voll unterstützen, allerdings mit dem Unterschied, dass ich Radsport immer saugerne im Fernsehen habe. Ist aber komplett vorbei, ich kann mir das nicht mehr ansehen. Nicht mal der Radsportmanager wurde dieses Jahr gekauft.

  5. Ich fand Radsport schon immer langweilig. Und jetzt hab ich endlich für alle, die das nie verstanden habe, die passende Begründung. ;-)

    Radsport Manager wird der Ulle wohl gerade spielen und sich zum Tour-Sieg pushen.

  6. @5: Nee, die Radsport-Manager-Macher haben sich stets geweigert, den Aspekt Doping in ihr Spiel aufzunehmen. Das ist nix für Ulle… ;-)

  7. Sehr schöne Polemik. Ich hatte nach dem Statement mit dem Märchenerzähler auch einen Artikel angedacht. Das war wieder zu geil.

    Ich fand Radsport immer geil und hab bei der Tour alle möglichen Etappen angeschaut. Umso trauriger ist das alles.

  8. Wie? Wat?

    Neuer Doping-Fall und keiner sagt was?

    ;-)))

  9. Na, da müssten man inzwischen ja schon eine Traueranzeige verfassen. Und sowas dauert. Andererseits sind die Herren Goldschuhe und Esleben im Moment im Stress und der Guru just aus Madrid zurückgekehrt, ergo wäre das mal dein Job! Na, wie wär’s?

  10. Mein Beitrag wäre kurz und knapp. Schläfert die Tour und alles was damit zusammenhängt ein.

  11. Ich lach mich kaputt, Sat.1 übernimmt die Tourberichterstattung von ARD und ZDF, was soll das? Ich finde diesen Schritt, welchen die öffentlich rechtlichen gehn mehr als konsequent, sie hams vor der Tour ja auch schon angekündigt, sollte ein Dopingfall während der Tour auftauchen die Bildschirme schwarz bleiben, um diesem Sport ein letztes Hallo-wach Signal zu geben.
    Auf der anderen Seite sollte man denn aber auch bei anderen Sportarten so handeln (Wintersport, Leichtathletik usw.), denn dann würde man wirklich glaubwürdig sein. Denn ich denke, in anderen Sportarten siehts leider nicht viel besser aus.
    Aber wahrscheinlich fühlt sich Sat.1 so etwas wie der Retter der Radfahrer, der sie nicht im Stich lässt, zum Glück muss ich dieses Programm nicht schauen!

  12. Sat.1 zeichnet sich in letzter Zeit aber auch ausschließlich durch herausragende Entscheidungen bezüglich ihrer Programmgestaltung aus…

  13. V.a. deren Comedy-Sparte ist der reinste Rohrkrepierer.

  14. Sie schwingen sich ja auch auf, zum „Premiere(!)-Ligapokal“-Sender zu werden.

    Aber ein tolles Signal an die Radsportszene: Irgendeiner zahlt schon dafür, also weiter wie bisher.

  15. @13: Allerdings. „Die Comedy-WG“ ist somit das unlustigste, was ich je gesehen habe. Das wird noch nichtmal von „Lachsalven und Juxraketen“ zu Sylvester unterboten. Offensichtlich setzt sich wenigstens unterirdische Qualität nicht durch, weswegen ich mich frage, dass die sich tatsächlich wundern, warum ihre Einschaltquoten abkacken.

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