Jahr der Wahrheit in Großbritannien

Das Herz der stromverstärkten Gitarrenmusik schlägt auf der britischen Insel. Da können die Amis noch so viele Killers und Cold War Kids in ihren Silversun Pickups um den Globus schicken, da können die Fall out Boys mit großem Hellogoodbye für noch so viel Panic! At the Disco sorgen: Die bessere Musik machen britische Bands wie die Kaiser Chiefs, Arctic Monkeys, Maximo Park oder Bloc Party. Doch für die schlägt nun die Stunde der Wahrheit. Beim Fußball heißt es: Das zweite Jahr in der 1. Liga ist das schwerste. Genau wie in der Musikbranche. Das zweite Album entscheidet: Rockolymp oder Auftritt bei der Baumarkteröffnung! Weezer oder Wheatus!

Franz Ferdinand haben es vorgemacht: Ihr zweiter Longplayer „You could have it so much better“ ist noch besser als der erste, schlicht „Franz Ferdinand“ betitelt. Nun müssen die anderen nachziehen. Eins vorweg: Allen Bands ist ein gutes zweites Album gelungen. Dennoch mit teils großen Qualitätsunterschieden. Die resultieren aber auch aus der Erwartungshaltung der Fans. Denn von einer Band wie den Kaiser Chiefs, die mit dem phänomenalen „Employment“ im Jahr 2005 zur besten britischen Band gekürt wurden und Kaiser Chiefssich weltweit Ruhm erspielten, wird einiges erwartet. Nicht alles können die fünf Jungs aus Leeds halten. Die Fußballfans, die sich nach dem ehemaligen Verein des Ex-Leeds United-Kickers Lucas Radebe (Kaizer Chiefs aus Johannesburg) benannten, legen mit „Yours truly angry mob“ einen Nachfolger hin, dem an einigen Stellen das gewisse Etwas fehlt. Die Brillanz von „Employment“ wird selten erreicht. Schon beim Opener und der ersten Auskopplung „Ruby“ (oder wie englische Fußballfans gerne skandieren: „Rooney, Rooney, Rooney, Rooney“) wird dem Hörer klar: Super Song, aber eine halbe Liga schwächer als das gewohnte Liedmaterial. Die zweite Single „Everything is average nowadays“ klingt wie der untalentierte kleine Bruder vom Hammerstück „Everyday I love you less and less“. Experimente wie bei „Oh, my God“ wagen die Kaiser Chiefs diesmal gar nicht, großartige Tempo-Nummern und Mitgröhlsongs wie „I predict a riot“ (besonders in Fußball-Fankreisen sehr beliebter Song) finden sich auf dem zweiten Longplayer selten. Alle Lieder klingen relativ glatt gebügelt.

Den bequemen Weg gehen Bloc Party dagegen bestimmt nicht. Sie gehörten 2005 mit ihrem Album „Silent Alarm“ zu den angenehmen Überraschungen. Der „Helicopter“ erreichte ungeahnte Höhen, wochenlang fuhr ich zu dem Hammerstück reihenweise Autos bei „Burnout Revenge“ zu Schrott. Schnitten wie Nelly Furtado outeten sich als große Fans der Jungs aus East London/Essex. Der erste Longplayer verkaufte sich über eine Million Mal. Fast eine Sensation, denn poppig oder hitlastig ist die Platte an keiner Stelle. Bloc Party sind politisch. Sie verstehen es, aus Undergroundklängen das Maximum herauszuholen. Kollege Goldschuhe aus war besonders von dem treibenden „Two more years“ angetan. Deswegen wird ihm die erste Auskopplung „I still remember“ des zweiten Albums „A weekend in the city“ ebenfalls gefallen. Mit 47.000 verkauften Einheiten in der ersten Woche platzierte sich Bloc Party auf Platz 12 der US-Charts. Respekt. Die beiden Alben unterscheiden sich qualitativ allerdings nicht. Was ja kein schlechtes Zeichen ist. Mission gelungen, würde ich sagen.

Auch die Arctic Monkeys überspringen die mit „Whatever People Say I Am, That’s What I’m Not“ selbst hoch gelegte Latte mit dem Nachfolgealbum „Favourite Worst Nightmare“ spielend. Schon die erste Single „Brianstorm“ zeigt: Sie haben nichts von ihrer brachialen Brillanz verloren. Manche mögen es als Rückschritt sehen, dass sich von ihrer zweiten LP „nur“ 220.000 Einheiten im ersten Monat in England (im Vergleich zu 365.000 verkauften Alben von „Whatever people say…..“, „fastest selling album ever) verkauften. Aber das ist es nun wirklich nicht. Nicht nur die britische Insel, sondern auch Amerika haben die Jungs aus Sheffield erobert. Zurecht. Denn die kaum 20-Jährigen knüppeln die Musik runter, als hätten sie nie etwas anderes getan. Naja, vielleicht haben sie bis jetzt auch nichts anderes gemacht. Und ich hoffe, sie machen noch mehrere Alben lang nichts anderes.

Die größte Überraschung unter dieses großen britischen Bands ist sicherlich zur Zeit Maximo Park. Noch vor kurzem überlegte ich: Was macht wohl Maximo Park? Gibt´s die überhaupt noch? Und plötzlich knallte mir auf BFBS via Autoradio ein Übersong entgegen, dass ich direkt im Sitz anfing, zu hüpfen. „Our velocity“ vom zweiten Longplayer „Our earthly pleasures“ übertrifft jede Erwartung noch um Längen. Die Jungs aus Newcastle haben es geschafft, mit dem ersten Album „A certain trigger“ (übrigens: auch zu „Apply some pressure“ fuhr ich viele Autos bei „Burnout Revenge“ auf der PS2 zu Klump) einen eigenen unverwechselbaren Stil zu schaffen. Und diesen mit dem Nachfolgealbum noch zu verfeinern. Auch wenn Maximo Park verkaufszahlenmäßig eher hinter den oben genannten Bands liegen, haben sie den größten Schritt nach vorne gemacht.

Britische Bands haben einen Vorteil: Ihre Alben sind nicht nur in der Spitze, sondern auch in der Breite gut. Amerikanische Vertreter wie The Killers oder Panic! at the Disco fallen doch eher durch einen rapiden Qualitätssturz zwischen Single und Rest des Albums auf. Summa summarum: Sowohl Franz Ferdinand, Kaiser Chiefs und Bloc Party wie auch Arctic Monkeys und Maximo Park sind gigantisch. Punkt.

Über den Autor: Vollspann!

Optimistischer Pessimist und Schöngeist aus dem Ruhrgebiet (Herne). Als hochtalentierter Passivsportler und Dauergast beim BVB kennt er Höhen und Tiefen des Fußballsports.

Optimistischer Pessimist und Schöngeist aus dem Ruhrgebiet (Herne). Als hochtalentierter Passivsportler und Dauergast beim BVB kennt er Höhen und Tiefen des Fußballsports.
22 comments
  1. Ich interessiere mich zwar nicht mehr für Musik, aber dennoch super Beitrag. Vielleicht höre ich mir die Platten sogar mal an (Besonders die Bloc Party interessiert mich). Außerdem: Endlich ist Superpunk untergebracht…:-)

  2. Ich interessiere mich ja quasi von Berufswegen für Musik und muss doch heftig widersprechen.
    Verkaufszahlen sagen nichts über die Qualität von Musik aus.
    Bloc Party sind hoffnungslos überschätzt, das zweite Album verschenke ich gerne.
    Die Arctic Monkeys haben zwar ein souveränes Album eingespielt, aber die großen Hits des Debüts fehlen. Für meine Ohren hört sich „My Favourite Nightmare“ eher wie eine Sammlung von B-Seiten an.
    Die Kaiser Chiefs haben meiner Meinung nach am nachhaltigsten beim Zweitling versagt. Gähnend langweiliges Album, das trotzdem überall gehypt wird. Ich finde darauf nicht einen Song, der die Klasse der Songs auf „Employment“ erreichen würde. File under „Bald vergessen“!
    Und Maximo Park? Nun, Maximo Park haben als einzige wirklich den Erstling übertroffen und wie Kollege Guru feststellte, sogar Platz gefunden Bon Jovis „Runaway“ zu beklauen. Dafür gibts zehn Punkte und für die geile Platte zehn Punkte extra. Wer „Karaoke Plays“ gehört hat, we߸ was ich meine.
    (Bevor ichs vergesse: das zweite Franz Ferdinand-Album kann nichts. Wann hast du es dir das letzte Mal bewußt angehört? Ich kann mich nicht erinnern …)

  3. Hab doch nirgendwo behauptet, dass Verkaufszahlen für Qualität sprechen. Dann wären ja DJ Ötzi und Wolfgang Petry die besten Musiker Deutschlands. Ich interessiere mich für Verkaufszahlen, weil sie ein guter Gratmesser sind, inwieweit die Musik in der Breite ankommt. Außerdem sage ich ja ganz deutlich, dass Maximo Park das beste Album ablieferten, die goldenen Platten aber wohl auf anderen Toiletten hängen werden. Zu dem Rest: Ich kann jetzt nicht genau erkennen, an welchen Stellen Du mir jetzt heftig widersprochen hast.
    Ach ja, bevor ich es vergesse: Her mit dem Bloc Party-Album, bevor der Goldschuh es will) ;-)

  4. Komischerweise fand ich die erste Platte der Arctic Monkeys im Gegensatz zu allen anderen Menschen, die ich kenne, unerträglich schlimm. Insofern brauche ich mir deren zweite wohl nicht zu geben. Aber bei Bloc Party vertraue ich eher auf mein eigenes Urteil, also dränge ich Vollspann an die Seite und rufe: „Her mit dem Teil“….

  5. Kannste haben. Ist sogar ne Späschl Ädischn inklusive DvD.

  6. Die Arctic Monkeys habe ich zunächst komplett ignoriert, wie ich es immer mit dem angeblichen „Next big thing“ aus England mache. Das Gehype ging mir auf die Nerven. Aber als mir dann viele sagten, wie gut die sind, musste ich es mir mal anhören. Und die Masse hatte recht.

  7. Mir geht es bei den Affen nicht um Hype oder nicht Hype. Die sind ganz einfach völlig überschätzte Engländer-Prolls mit bestenfalls desolater Musik. Braucht kein Mensch. Außerdem mag ich nur Musik von alten Menschen. Viel zu jung, um was zu können. Sche߸-Band. Soll ich weitermachen?

  8. Du bist der Berti Vogts der Musikbranche.

  9. Klar, bei mir kommt nicht jeder in den CD-Schrank, der mal ein gutes Konzert gegeben hat. Die müssen sich erstmal beweisen. Nur gestandene Bands halten dem Druck meiner Plattensammlung stand.

  10. Ach, das ist mir egal. Ich verzichte nicht auf gute Musik, nur weil die Debut-LP top ist und danach noch nichts kam.

  11. Das war ja auch nur Quatschgerede, trotzdem finde ich die Arctic Monkey katastrophal.

  12. Über Bloc Party und die Kaiser Chiefs kann ich nicht sagen, weil ich mir weder das eine noch das andere angehört habe.
    Aber ich finde die zweite Franz Ferdinand viel schwächer als die erste. Ich hab die 3 Mal gehört und das wars. Die zweite Arctic Monkeys finde ich auch nicht toll, sogar viel schlimmer: Nach einem Mal Anhören muss ich sagen, die interessiert mich nicht. Obwohl ich die erste von denen gut finde.

    Die neue Maximo-Park-Scheibe wird von mir immer noch abgefeiert, weil das die beste Platte 2007 bleiben wird. Die erste fand ich super, aber die zweite finde ich sensationell.
    Und Kenner finden sogar die Runaway-Stelle.

  13. Die zweite von Franz Ferdinand musst Du öfters hören. Bei mir hat es fünfmal gebraucht, bis ich merkte: Die ist hervorragend.

  14. Na, wenn das mal nicht wie die Faust aufs Auge passt:
    Bloc Party covern Nelly Furtado

  15. Ich glaube, die lesen hier mit…:-)

  16. Meiner Meinung sind das alles zumindest ordentliche Bands. Nachdem ich die vergangenes Wochenende auch live gesehen habe (bis auf Bloc Party und fürs Southside reicht mein Geld leider nicht mehr) und Auftritte von Bands zwar deren Alben nicht besser machen, aber dennoch irgendwie den Eindruck beeinflussen, den man von der jeweiligen Band hat, hier nun mal mein Senf. Die Kaiser Chiefs haben meiner Meinung nach das schwächste Album abgeliefert. Ich fand die schon immer etwas prollig, aber das erste Album war schon klasse. Songs wie „Modern Way“, „I predict a riot“ oder „Oh my God“ nochmal abzulifern ist einfach nicht ganz leicht. Live waren die allerdings super, gut um zu feiern und mitzugrölen, auch wenn man nicht alle Texte kennt.

    Bloc Party haben mich zu Zeiten ihres ersten Albums noch gar nicht interesseiert, das zweite Album finde ich allerdings sensationell. Allein die erste fünf Songs hätten mir gereicht, um das Album als absolute Spitze zu bezeichnen. Die Melodien sind bei den meisten Songs einfach nur großartig und auch die Texte halte ich für extrem genial.

    Die Arctic Monkeys haben mit ihrem zweiten auch ihr besseres Album abgeliefert. Sie haben ihre Punk-Rock Wurzeln weiter hinter sich gelassen, was der Qualität ihrer Songs absolut zu Gutekam. Beim ersten Album hatte ich immer den Eindruck, die ganze Abfeierei dieser Band hatte sehr viel mit Hype zu tun, die Songs auf dem zweiten Album finde ich irgendwie ausgereifter. Was ihren Auftritt angeht, so war der solide, aber nichts besonderes. Unter den Leuten mit denen ich sie gesehen habe herrscht immer noch Uneinigkeit, ob der Sänger voll wie eine Eimer war oder nicht. Man hat jedenfalls kein Wort verstanden, von dem was er gesagt, allerdings schieb ich das zu 100% auf Sheffield.

    Maximo Park gefallen mir von diesen vier Bands jedoch eindeutig am besten. War das erste Album schon eine absolute Sensation, steht das zweite dem in nichts nach. Live sind die ’ne Wucht. Außerdem haben sie einen Song Megadeath gewidmet.

    Die White Stripes sing hier noch gar nicht zur Sprache gekommen. Einerseits sind die der amerikanische Gegenentwurf zu all den Killers und wie sie alle he߸en ( oder auch die „großartigen“ „sunrise avenue“), weil sie seit Jahren Qualität ablieferb. Andererseits habe ich oft das Gefühl, dass an sie jedesmal so hohe Anspruche gestellt werde, wie an Bands, die ihr zweites Album rausbringen und ich meine, das neue Album der White Stripes käme bald…

  17. @schneider3: Hast mit Bloc Party beim Southside auch nix verpasst. Ich fand sie gähnend langweilig, wollten ne gute Stimmung machen, was aber irgendwie ned richtig ankam.

  18. Ich fand Bloc Party hier in Madrid echt ganz gut, obwohl ich von denen vorher noch nichts gekannt hatte.

  19. Ich finde auch im Gegensatz zu Kollege Esleben, der sie ja niederbügelte, die Platte sehr gut.

  20. Kollege Esleben hat die beim Festival auch niedergemacht. Ich glaub, der hört die Toten Hosen.

  21. kann vielleicht auch sein, dass bloc party bissl untergegangen sind bei mir. Bin nach den ihrem Auftritt zu Interpol und abschließend zu den Beastie boys, die waren meines erachtens ne ganz andere liga.

  22. Ich wollte nur in Anbetracht der Tatsache, dass ich mir jetzt auch die alte Bloc Party endlich mal gekauft habe sagen, dass „two more years“ das beste Lied des gottverdammten Planeten ist.

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